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Vorbemerkungen

Der folgende Beitrag berücksichtigt bereits das am 21.12.2001 verabschiedete neue spanische Hochschulrahmengesetz ("Ley Orgánica de Universidades": LOU). Außerdem werden neben den eigenen An- und Einsichten auch die Erfahrungen und Überlegungen anderer deutscher Hochschullehrer an spanischen Universitäten einbezogen. Allerdings stellte die Bestandsaufnahme aller zur Zeit in Spanien tätigen deutschen Wissenschaftler und die Untersuchung ihrer Motivationen sowie ihrer Lehr- und Forschungsbedingungen angesichts der insgesamt 64 Universitäten in Spanien[Fn_1] ein schwieriges Unterfangen dar.

Eine erste Anfrage beim Kulturreferenten der Deutschen Botschaft in Madrid war enttäuschend: Es liegt zwar eine Liste der für 2-5 Jahre nach Spanien entsandten DAAD-Lektoren (insgesamt 10) vor,[Fn_2] doch eine statistische Erhebung über die deutschen Wissenschaftler, die in diesem Land länger lehren und forschen, gibt es nicht.

So habe ich mich zunächst auf die Madrider Universität Complutense (UCM) beschränkt und recherchiert, wie viele Deutsche sich unter den ca. 6 000 Hochschullehrern dieser größten spanischen Universität befinden. Meine schriftlich beim Rektorat eingereichte Bitte um Auskunft betr. Namen, akademische Stellung sowie Fachbereich oder Institut wurde nach einer dreiwöchigen Wartezeit und nach Rücksprache mit der Rechtsabteilung der UCM unter Berufung auf das Datenschutzgesetz abschlägig beschieden. Das offizielle Antwortschreiben der Prorektorin für Personalfragen, Mercedes Doval Montoya, vom 5.2.2002 beschränkte sich auf folgende Auskunft:

    "Im Hinblick auf Ihre Anfrage kommt das ’Gesetz zum Schutz persönlicher Daten’ (Ley Orgánica 15/1999 v. 13. Dezember, Art. 3a) zur Anwendung. ’Persönliche Daten’ bedeutet: ‚jegliche Information, die sich auf identifizierte oder identifizierbare Daten bezieht’. Die Nationalität gehört zu den persönlichen Daten und darf daher nur mit Zustimmung der betreffenden Dozenten bekannt gegeben werden. Dessen ungeachtet kann ich Ihnen mitteilen, dass einige deutsche Staatsbürger an der Philologischen und an der Mathematischen Fakultät lehren."

Immerhin konnte ich durch geschickte telefonische Nachfrage bei der zuständigen Sachbearbeiterin in Erfahrung bringen, dass es insgesamt 4 Hochschullehrer deutscher Nationalität an der UCM gibt, und zwar 3 an der Philologischen Fakultät und 1 an der

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Mathematischen Fakultät. Es stellte sich heraus, dass erstere alle an unserem Germanistischen Institut lehren – ein Kollege mit einem Lehrauftrag, eine Lektorin von der Partneruniversität Bamberg und ich selbst; den Namen des letzteren konnte ich durch Nachforschungen bei der Personalstelle der Mathematischen Fakultät ausfindig machen – ein unverhältnismäßig großer Aufwand bei einem derart mageren Ergebnis! Extrapoliert man diesen geringen Prozentsatz deutscher Wissenschaftler an der UCM (3 von über 6 000, also 0,05 %), so gibt dies Anlass zu der Annahme, dass im spanischen Hochschulsystem insgesamt nicht sehr viele Deutsche vertreten sind.

Die rigorose Anwendung des Datenschutzgesetzes an meiner eigenen Hochschule brachte mich von meinem ursprünglichen Vorhaben ab, eine ähnlich aufwendige Untersuchung an anderen Universitäten durchzuführen. Stattdessen beschloss ich, außer den Informanten, die an der UCM tätig sind, einige mir bekannte deutsche Kollegen aus dem Fachbereich Germanistik an verschiedenen spanischen Universitäten zu kontaktieren. Bei der Auswahl der Befragten stützte ich mich auf die beiden Verzeichnisse der Hochschulinstitute, an denen Germanistik und/oder Deutsch als Haupt- und/oder Nebenfach angeboten wird.[Fn_3] Selbstverständlich lässt sich mit diesem Verfahren kein Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da andere Fachrichtungen nicht erfasst werden.[Fn_4] Trotzdem war ich auf eine repräsentative Darstellung im Hinblick auf geographische Gesichtspunkte sowie in Bezug auf den staatlichen oder privaten Status der Universitäten, die akademische Stellung, die Ausbildung, das Geschlecht, das Alter und die Verweildauer in Spanien bedacht:

    Uwe Brauer (Dr. rer. nat., Dozent an der Universität Complutense/Madrid).
    Brigitte Eggelte (Dr. phil., Professorin C3 an der Universität Salamanca).
    Knut Forssmann (Dr. phil., Dozent an der Universität Barcelona).
    Arno Gimber (Dr. phil., Romanistik; Dozent an der Universität Complutense/Madrid).
    Anton Haidl (Dr. phil., Professor C3 an der Universität Cádiz).
    Mario Saalbach (Dr. phil., Iberoromanistik, Komparatistik; Professor C3 an der Universität des Baskenlandes/Vitoria-Gasteiz).
    Hans Schafgans (Lehrbeauftragter an der Privatuniversität Alfonso X El Sabio/Madrid).

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Die Interviews mit den hier alphabetisch aufgeführten Kollegen wurden im Falle der Madrider Dozenten mündlich geführt (auf Kassette aufgenommen und transkribiert), die der auswärtigen per E-Mail. In allen Fällen stützte ich mich dabei auf den von Eberhard Demm ausgearbeiteten Fragebogen zur deutschen wissenschaftlichen Migration.

Lediglich zwei der Befragten haben keine Antworten eingereicht, einer aus Zeitmangel, ein anderer aus folgenden grundsätzlichen Überlegungen heraus: "weil Fragen gestellt werden, welche die Privatsphäre und die akademische Qualifikation beschnüffeln", weil der Betreffende "seit gut zwanzig Jahren keine direkten Beziehungen mehr zur deutschen Universität" habe, so dass er "nicht in der Lage" sei, "einen objektiven Vergleich zwischen den hiesigen und dortigen Verhältnissen zu liefern", und schließlich, weil er sich frage, "was der nostalgische Bezug auf das hohe Ansehen der deutschen Universität des ’Kaiserreiches’ hinsichtlich der gegenwärtigen Zustände soll."

Außer Madrid sind 4 weitere Städte in anderen Autonomen Regionen vertreten: Barcelona (Katalonien), Salamanca (Castilla y León), Cádiz (Andalusien) und Vitoria-Gasteiz (Baskenland). Neben 6 staatlichen kommt auch 1 private Universität zu Wort. Den 3 verbeamteten Hochschullehrern (C3)[Fn_5] stehen 1 angestellter Dozent mit einer unbefristeten Stelle ("Profesor Asociado Extranjero Permanente" C3) und 3 angestellte Dozenten mit Zeitstellen ("Profesor Asociado") gegenüber, wobei von den letzteren 2 eine volle Zeitstelle und 1 eine Teilzeitstelle innehaben. Neben den 6 männlichen Kollegen wurde auch eine Kollegin interviewt (m. W. die bisher einzige deutsche Beamtin an einer spanischen Hochschule). Darüber hinaus wurden verschiedene Ausbildungsgänge (Mathematik- und Physikstudium, Komparatistik-, Romanistik- und Germanistikstudium in Deutschland und in Spanien) und Altersgruppen (geb. 1936; 1941; 1951; 1953; 1960; 1963) sowie die unterschiedliche Verweildauer an spanischen Universitäten (seit 1980; 1985; 1986; 1991; 1995; 1996) berücksichtigt.

Die Erfahrungen der Befragten mit dem spanischen Lehr- und Forschungsbetrieb fließen in die entsprechenden Kapitel 2.3.1. Bewerbungen und Karrieremuster, 2.3.2. Wissenschaftliche Infrastruktur, 2.3.3. Lehre und 2.3.4. Forschung ein. Ihre Äußerungen bez. ihrer jeweiligen Motivation sowie des Grades ihrer Integration werden in Kapitel 2.2.5. Motivation. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Integration eingehend behandelt. Leider können die teilweise sehr ausführlichen Antworten der Befragten aus technischen Gründen nur in Auszügen bzw. stark gekürzt wiedergegeben werden.

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1. Historischer Rückblick

Ein kurzer historischer Rückblick, in dem die wichtigsten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem spanischen Hochschulsystem herausgestellt, aber auch die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern in der Vergangenheit aufgezeigt werden, trägt meines Erachtens entscheidend zum Verständnis der derzeitigen Situation der spanischen Hochschulen im Allgemeinen und der Lehr- und Forschungsbedingungen spanischer und ausländischer Hochschullehrer im Besonderen bei.

1.1. Das deutsche und das spanische Hochschulmodell: Humboldtsche Bildungsuniversität versus Napoleonische Lern- und Wissensuniversität[Fn_6]

Der deutsche Bildungsbegriff hat seine traditionsbildende Ausprägung im Zeichen der europäischen Aufklärung und der neuhumanistischen Diskussionen bei Herder, Wilhelm von Humboldt und Goethe am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfahren. Dabei sind folgende Aspekte konstitutiv: Bildung ist das Ergebnis der westlichen Vorstellung von der Einzigartigkeit des Individuums, das nicht mehr durch seine gesellschaftliche Rolle, sondern durch seine unverwechselbare Eigenart und Leistung definiert wird. In der Selbstvervollkommnung des Individuums lässt sich ein Spiegel der Gesamtentwicklung der Menschheit erblicken. Der Zusammenhang, der zwischen der individuellen Entwicklung des Einzelnen und der Entwicklung der menschlichen Gattung hergestellt wird, hat auch gesellschaftstheoretische und gesellschaftsgeschichtliche Implikationen: Die Verbindung der Wörter "Bildung" und "Bürgertum" im 19. Jahrhundert macht darauf aufmerksam, dass es sich um einen "epochalen Emanzipationsvorgang" handelt, bei dem ein weitgehend unpolitisches Bürgertum seine soziale Identität im Zeichen von "Bildung" finden und damit ein eigenes Standesbewusstsein entwickeln konnte. Im Bereich der Literatur findet das Bildungskonzept seinen Niederschlag im deutschen Bildungsroman. Auch der Philologie wird eine bildende Funktion zugeschrieben. Allerdings lässt sich die im 19. Jahrhundert erfolgte Nationalisierung des humanistischen Bildungsbegriffs im Zeichen der "deutschen Bildung" gerade unter Rückgriff auf Goethes und Wilhelm von Humboldts universalistische Vorstellungen zurückweisen. Besonders Goethes Konzept der "Weltliteratur" muss in unmittelbarem Kontext dieser Universalisierung gesehen werden. Bildung ist nach wie vor durch die Doppelheit eines Handlungs- und Reflexionsbegriffs geprägt. Die Seite der Reflexion lässt sich heute vornehmlich im Bereich der Literatur und in Formen der produktiven

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Kritik der Bildungsromantradition beobachten, während die handlungsbetonte Seite des Bildungsbegriffs – in der Tradition Goethes und Nietzsches – insbesondere im praktisch-pädagogischen und wissenschaftlichen Bereich zum Tragen kommt.[Fn_7] Auf einem so verstandenen Bildungsbegriff basiert das deutsche Hochschulmodell – nach seinem Schöpfer Wilhelm von Humboldt auch "Humboldtsche Bildungsuniversität" genannt –, das vordringlich auf die "Bildung" des Individuums und nur sekundär auf dessen "Ausbildung" zu bestimmten Berufen abzielt.

Das zentralistische und bürokratische Hochschulmodell, das die spanischen Universitäten prägen sollte, wurde 1833 aus Frankreich eingeführt, als in Spanien der gemäßigte Flügel jener Liberalen an die Macht kam, die vom Eklektizismus der geistesverwandten französischen Liberalen beeinflusst waren. Dieses auf Grund seiner Herkunft als "napoleonisch" bezeichnete spanische Hochschulmodell verfolgt ganz andere, nämlich pragmatische Ziele: Im Gegensatz zur Dominanz der "Selbstreifung" des Humboldtschen Bildungsideals strebt die französische Idee der "éducation" eine "Erziehung" des Einzelnen im Interesse der Nation bzw. des Staates an, für die eine Anhäufung von "positivem Wissen" zu praktischen Zwecken charakteristisch ist. Mit der Einführung dieser Lern- und Wissensuniversität aus Frankreich wurde gleichzeitig auch Napoleons Misstrauen gegenüber einer unabhängigen Universität sowie das durchgehende Studienjahr übernommen. Noch heute weisen das deutsche und das spanische Hochschulsystem erhebliche Unterschiede in ihren Lehrzielen, Lehrmethoden und Lehrinhalten auf, die sich auf die unterschiedliche philosophisch-ideologische Fundierung zurückführen lassen.[Fn_8]

1.2. Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien[Fn_9]

Die geistigen Voraussetzungen für die Entstehung "moderner" Wissenschaft sind einerseits da zu suchen, wo die Wissenschaft von der neugierigen Fragestellung des einzelnen Gelehrten überging zum systematischen Erkenntnisgewinn des Forschers im ständigen Austausch mit anderen Forschern, andererseits aber vornehmlich in jenem

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Bürgertum, das sich in Deutschland, Frankreich und England im 18. Jahrhundert zunächst gegen die Bevormundung durch den absolutistischen Staat im Bereich der Wirtschaft wandte und dann neue Produktionsmethoden entwickelte – Produktionsmethoden, die ihre Fundierung und Weiterentwicklung schon bald darauf – um die Mitte des 19. Jahrhunderts – in den Naturwissenschaften suchten und fanden. Dieser Prozess hatte in der bereits beschriebenen Humboldtschen Organisationsform der Wissenschaft begonnen. Es war ein System der philosophisch-historisch-ästhetischen Bildung, das für die Naturwissenschaften nur wenig Raum ließ. Es gab weder große Institute noch Laboratorien und auch keine bis ins letzte spezialisierte Forschung mit technischen Experten. Auf dieses Bildungssystem traf nun die zunächst zögernd einsetzende, dann immer schneller verlaufende Industrialisierung, die einen schnell steigenden Bedarf an gut ausgebildetem technischen Personal und auch naturwissenschaftlichen Erkenntnissen schuf. Zunächst wurden in Preußen, bald aber auch in Baden oder Hannover, von vorausschauenden Staatsmännern gut funktionierende Systeme von technischen Schulen bis hin zu Technischen Hochschulen geschaffen, die um 1880/1890 den Bedarf an hochqualifiziertem Personal nicht mehr erfüllen und auch nicht den Forderungen nach immer neuen naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen nachkommen konnten. Sie waren nicht im Stande, die Brücke zu schlagen zwischen akademischem Unterricht und der Entwicklung bis hin zur großtechnischen Anwendung. So entstanden neue Institutionen, vor allem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die heutige Max-Planck-Gesellschaft, mit ihrer schnell anwachsenden Zahl von Instituten. Interessanterweise fanden diese Natur- und Ingenieurwissenschaftler ihre Gesprächspartner im internationalen Bereich nicht in den Ländern der alten Welt, die noch lange Agrarstaaten blieben und den Prozess zur Verwissenschaftlichung ihrer Produktion nicht mitmachten. Die kulturwissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und seinen europäischen Nachbarn dauerten dagegen an, ja sie gediehen eigentlich erst in jener Zeit, während die naturwissenschaftlichen Kontakte sich in Europa auf geographische und botanische Forschungen beschränkten, die weder eines organisatorischen Rahmens noch einer institutionalisierten Zusammenarbeit bedurften. So blieb es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Das wechselseitige wissenschaftliche Interesse zwischen Spanien und Deutschland setzte in der Goethezeit ein: In der Weimarer Klassik entdeckten die Deutschen vor allem die großen Werke des spanischen "Siglo de Oro" – Cervantes, Calderón, Lope, Santa Teresa de Jesús, San Juan de la Cruz und Luis de la Puente –, die Spanier dagegen begeisterten sich für die bekannten Romantiker wie Tieck, Eichendorff und die Brüder Schlegel. Im Laufe des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich einzelne deutsche Gelehrte vor allem mit der spanischen Geschichte und Kunstgeschichte. Erst im 20. Jahrhundert entwickelte sich eine institutionalisierte wissenschaftliche Zusammenarbeit, besonders in verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen, doch wurden

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auch einige anwendungsorientierte gemeinsame Forschungsprojekte im naturwissenschaftlichen Bereich durchgeführt. Diese spärliche Kooperation in den Naturwissenschaften ist u. a. auf folgenden Umstand zurückzuführen: An spanischen Universitäten wurde traditionell zwar Theologie, Philosophie, Kanonisches Recht, Rechtswissenschaft, Jura und in einigen Fällen auch Medizin gelehrt, doch fehlte eine Tradition in der Mathematik und solchen Fächern, die man heutzutage als experimentelle Wissenschaften bezeichnen würde und deren unerhebliche Entwicklung sich außerhalb der Universität vollzog. So gab es in Spanien zwar renommierte Denker, Juristen, Spezialisten für Kanonisches Recht und Ärzte, jedoch kaum bedeutende Naturwissenschaftler.

In diesem Zusammenhang muss der entscheidende Einfluss hervorgehoben werden, den die deutsche Philosophie, die im 19. Jahrhundert noch immer ein eminent hohes Ansehen in Europa genoss, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nicht nur auf die spanische Philosophie, sondern auch auf das höhere Bildungswesen dieses Landes ausgeübt hat; dieser Einfluss zeigt sich an der Rezeption dreier philosophischer Strömungen, nämlich des Krausismus, des neukantianischen Positivismus und des Neukantianismus.

Julián Sanz del Río, Professor für Philosophiegeschichte an der Philosophischen Fakultät der Madrider Universität Central – der heutigen Universität Complutense – führte in seiner Einführungsvorlesung im Jahre 1857 in die Grundzüge des Krausismus ein. Zu den Hauptmerkmalen dieses neuen philosophischen Systems, das auf den deutschen Philosophen Karl Christian Friedrich Krause zurückgeht, zählten Liberalismus, Antiklerikalismus und pädagogische Erneuerungsbestrebungen. Der Krausismus, der zeitlich mit den Veränderungen infolge des nach dem damaligen Bildungsminister "Ley Moyano" genannten neuen Hochschulrahmengesetzes zusammenfiel, stellte einen wichtigen Impuls für die spanische Hochschullehre dar. Viele Schüler Sanz del Ríos an anderen spanischen Universitäten trugen mit den Ideen, Normen und Methoden des krausistischen Systems zur Wiedergewinnung des Prestiges der spanischen Universität bei.

José del Perojo, der bei Kuno Fischer in Heidelberg studiert hatte, verbreitete die Ideen der ersten neukantianischen Bewegung in Spanien, den sogenannten neukantianischen Positivismus. Einen noch nachhaltigeren Einfluss sollten die beiden von der Theorie der mathematischen Naturwissenschaften herkommenden Philosophenschulen des Neukantianismus, die Badische und vor allem die Marburger Schule, ausüben.

Im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts setzte in Spanien eine tiefgreifende geistige Erneuerungsbewegung ein, deren Auswirkungen nicht nur im Bereich der Philosophie, sondern im gesamten kulturellen Leben zu spüren sind. In der Philosophie vollzieht sich der Übergang vom Positivismus zu neukantianischen und vitalistischen Strömungen; in der Kultur löst der "novecentismo" (in Katalonien "noucentisme" genannt) den "noventayochismo" – den kulturellen Höhepunkt des 19. Jahrhunderts – ab. Dieser kulturelle Umschwung zeigt sich nach dem 1. Weltkrieg besonders deutlich. Im

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Zusammenhang damit sei auf ein signifikantes Ereignis hingewiesen: Mit dem Ziel, die Unzulänglichkeiten des napoleonischen Universitätsmodells zu überwinden, das – wie bereits dargestellt – in Spanien mit dem Durchbruch der liberalen Revolution nach 1833 von Frankreich übernommen worden war, wurde im Jahre 1907 auf Initiative einer Gruppe von Dozenten der "Institución Libre de Enseñanza" die "Junta de Ampliación de Estudios" (JAE) gegründet, welche die Forschung in den verschiedenen Wissenschaftszweigen fördern sollte. Diese Institution ist eine Vorläuferorganisation des heutigen "Consejo Superior de Investigaciones Científicas" (CSIC), also des Obersten Rats für Wissenschaft und Forschung. Zu den Hauptaufgaben der JAE gehörte die Vergabe von Stipendien an spanische Hochschulabsolventen mit überdurchschnittlichen Studienabschlüssen; diese Jungakademiker bekamen die Möglichkeit, ihre Fachkenntnisse durch ein Aufbaustudium im Ausland zu erweitern. Von den 13 Philosophiestipendiaten, die im Rahmen dieses Studienprogramms ins Ausland geschickt wurden, gingen 12 bezeichnenderweise nach Deutschland[Fn_10] und nur einer nach Frankreich. Dieses Zahlenverhältnis ist besonders aufschlussreich, weil wir daran ablesen können, dass die deutsche Philosophie zum damaligen Zeitpunkt noch immer als die bedeutendste in Europa galt. Unter den verschiedenen philosophischen Richtungen und Philosophen, mit denen die spanischen Stipendiaten in Deutschland in Berührung kamen und von denen sie beeinflusst wurden, ist – abgesehen von den Strömungen der experimentellen Psychologie (Th. Lipps, W. Wundt, C. Stumpf, W. Köhler) – die neukantianische Philosophie mit ihren Teildisziplinen Erkenntnistheorie, Pädagogik, Ethik sowie Politische Philosophie und Sozialphilosophie zweifellos die wichtigste, wobei den Philosophen Paul Natorp, Hermann Cohen und Nicolai Hartmann eine herausragende Rolle zukommt. Bezeichnenderweise wurden die genannten 12 Stipendiaten, die in Deutschland studiert hatten, Hauptträger der besagten geistigen Erneuerung und sollten nicht nur das zeitgenössische politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben Spaniens, sondern auch die Entwicklung der spanischen Wissenschaft und Forschung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entscheidend beeinflussen.

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2. Das spanische Hochschulsystem:
Von der international isolierten zentralistischen Universität des Franco-Regimes zur Hochschulautonomie und Integration in einen europäischen Hochschulraum




2.1. Die Hochschulreform: "La Ley de Reforma Universitaria" (LRU, 1983)[Fn_11]

Wenige Jahre nach der sogenannten "Transición", dem friedlichen Übergang von der Franco-Diktatur zur parlamentarischen Monarchie, wollte sich die junge spanische Demokratie mit einem neuen Hochschulrahmengesetz, der "Ley de Reforma Universitaria" (LRU), am 25. August 1983 eine Rechtsgrundlage und ein Bezugssystem für eine echte Hochschulautonomie[Fn_12] schaffen, d. h. Freiheit der Lehre und Forschung und damit Unabhängigkeit von staatlichen (und kirchlichen!) Interessen, wie dies in der Präambel dieses Gesetzes zur Hochschulreform niedergelegt ist. In der Einleitung sind die Funktionen der Universität im Dienst der Gesellschaft – Lehre, Studium, Forschung – basierend auf dem Prinzip der Hochschulautonomie – also der akademischen Lehr-, Forschungs- und Studienfreiheit verankert. Die folgenden Teile beziehen sich auf die Funktion, den Rechtsstatus und den Aufbau der Hochschulen (Teil I), ihre Regierungsorgane (Teil II), den Hochschulrat ("Consejo de Universidades") (Teil III), das Hochschulstudium (Teil IV), die Hochschullehrer (Teil V), das nicht-wissenschaftliche Personal (Teil VI), das Wirtschafts- und Finanzwesen der Universitäten (Teil VII) und auf die Privatuniversitäten (Teil VIII). Den Schlussteil des Reformgesetzes bilden 9 Ergänzungsbestimmungen, 13 Übergangsbestimmungen, 3 Schlussbestimmungen und 1 Aufhebungsbestimmung, welche dem neuen Hochschulrahmengesetz zuwiderlaufende Verfügungen außer Kraft setzt.

Bereits neun Jahre nach Beschluss der LRU wurde 1992 ein Gesetzgebungsprozess

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zu ihrer Modifizierung und damit zur Lösung der sich inzwischen abzeichnenden schwerwiegenden universitären Probleme – der "Inzucht" ("endogamia"), Vetternwirtschaft ("enchufismo"), der Kriecherei ("servilismo") und der prekären beruflichen Situation vieler Hochschullehrer ("inestabilidad") – eingeleitet. Dieses erste Projekt fiel den allgemeinen Wahlen und dem Regierungswechsel zum Opfer. Der damalige Bildungsminister, Alfredo Pérez Rubalcaba, ließ verlauten, dass die Gesetzesnovelle die neu entstandenen Probleme beseitigen würde. Schon damals sollten die Auswahlausschüsse bei der Stellenbesetzung verändert werden, laut Rubalcaba mit dem Ziel, "ein größeres Maß an Objektivität" zu erreichen und die zahlenmäßig beunruhigende "Inzucht" zu beseitigen. Im Mai 1994 legte Pérez Rubalcabas Amtsnachfolger Gustavo Suárez Pertierra ein neues Reformprojekt vor, das keine wesentlichen Neuerungen im Vergleich zum vorherigen aufwies. Auch dieser zweite Reformversuch war zum Scheitern verurteilt: Wäre das Parlament nur eine Woche später aufgelöst worden, hätte die Gesetzesvorlage zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes verabschiedet und das Reformgesetz im Staatsbulletin ("Boletín Oficial del Estado", BOE) veröffentlicht werden können. Der 1999 von Esperanza Aguirre, der Ministerin für Bildung und Kultur, ausgearbeitete dritte Entwurf zur Modifizierung und Aktualisierung des Hochschulrahmengesetzes musste aufgrund des Ministerwechsels ebenfalls auf Eis gelegt werden. Auch Mariano Rajoy, Frau Aguirres Nachfolger im Amt, zählte die Hochschulreform zu seinen Prioritäten und wollte das Projekt eingehend studieren sowie einen Dialog mit den betroffenen Sektoren einleiten, bevor es den Abgeordneten der beiden Kammern des spanischen Parlaments zum Beschluss der Modifizierungen vorgelegt werden sollte, doch dieses Vorhaben wurde ebenfalls vereitelt...

Als der Präsident der Rektorenkonferenz, Saturnino de la Plaza, am 22. Januar 1999 auf einer Pressekonferenz feststellte, dass ein "Fluch auf der Hochschulreform laste",[Fn_13] sprach er damit allen Hochschulangehörigen aus dem Herzen. Immerhin hatte sich dieser Reformprozess, an dem bis dahin insgesamt sechs Bildungsminister mitgewirkt hatten, zu jenem Zeitpunkt bereits über sieben Jahre hingezogen, ohne Erfolge zu zeitigen, obwohl sich alle Betroffenen bezüglich der zu behebenden Missstände einig waren.

2.2. Die Reform der Hochschulreform: "La Ley Orgánica de Universidades" (LOU, 2001)

Während die bisherigen Reformvorschläge zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes allerdings auf Teil V der LRU – die Hochschullehrer – beschränkt blieben, ist im Jahre 2001 im besagten Reformprozess eine grundsätzlich neue Situation eingetre-

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ten: Im Gegensatz zu ihrem Amtsvorgängern ging es der derzeitigen Bildungsministerin, Pilar del Castillo, nicht mehr um eine Reform der LRU, sondern um die Einführung eines neuen Hochschulrahmengesetzes, "La Ley Orgánica de Universidades" (LOU).[Fn_14]

Nachdem die Ministerin die Rahmenrichtlinien ihres "Anteproyecto" (Vorprojekt) der LOU am 19.4.2001 der Ministerkonferenz vorgelegt hatte, gingen im Ministerium ca. 800 verschiedene Eingaben mit Kommentaren und Verbesserungsvorschlägen zu ihrem "Borrador del Anteproyecto" (Entwurf des Vorprojekts) ein. Sie waren von den Regierungen der Autonomen Regionen, der Rektorenkonferenz und anderen universitären Gremien, u. a. von Dozentenfachverbänden, Gewerkschaften, Studenten usw. verfasst worden. Im Laufe dieser Diskussionsphase wurde der Text vom Hochschulrat, bestehend aus Vertretern der Autonomen Regionen, Rektoren und Parlamentariern, eingehend studiert, und 400 Diskussionsbeiträge wurden berücksichtigt. Parallel zur Arbeit der Expertenkommissionen kam es zu einer öffentlichen Debatte, an der sich nicht nur alle Sektoren der Universität, sondern auch Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur beteiligten und konkrete Verbesserungsvorschläge zum Entwurf einbrachten. Sie war also der Kulminationspunkt einer nunmehr fast zehn Jahre andauernden Diskussion um die einhellig akzeptierte Notwendigkeit, die LRU zu reformieren. Weitgehende Einigkeit bestand auch bezüglich der immer wieder diagnostizierten Probleme:

  • Mangel an Flexibilität und Effizienz im Hochschulbetrieb.
  • Notwendigkeit einer Verbesserung der Kriterien bei der Stellenbesetzung.
  • Notwendigkeit einer größeren Mobilität von Studierenden und Lehrenden.
  • Fehlende Instrumente zur Potenzierung der Forschung.
  • Mangelhafte Integration der Universität in die Gesellschaft.
  • Fehlende Rechtsinstrumente bei den Autonomen Regionen zur Ausübung ihrer Kompetenzen in Hochschulangelegenheiten.

Auch über die generelle Zielsetzung der Reform als langfristig verlässliches Instrument für eine moderne und wettbewerbsfähige Wissenschaft und Forschung waren sich die verschiedenen Gruppen einig:

  • Verbesserung der Qualität des Hochschulsystems mittels adäquater Evaluierungs- und Akkreditierungsmethoden.
  • Förderung der Qualifikationsmöglichkeiten der Hochschullehrer, stärkere

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    Berücksichtigung der Kompetenz von Bewerbern bei Auswahlverfahren und damit Verbesserung der Qualität der Lehre.

  • Schaffung von effizienteren und flexibleren Hochschulverwaltungsorganen.
  • Verbesserung der Qualität der Forschung durch Verfahren zur Förderung der Forschungstätigkeit.
  • Einführung von Kontrollmaßnahmen, um die Verantwortlichkeit der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft zu steigern.[Fn_15]

Die Mehrzahl der spanischen Universitätsangehörigen war sich zwar über die Mängel und die Reformziele einig, vertrat jedoch die Meinung, dass die in der LOU vorgesehenen Maßnahmen zur Lösung der Probleme gänzlich verfehlt seien. Diese Polemik um die Hochschulreform in Spanien, die sich in den Printmedien, vor allem der Tagespresse, aber auch in ca. 850 Internet-Dokumenten spiegelte, trat im "heißen Herbst" des vergangenen Jahres, bevor das neue Hochschulrahmengesetz dem Parlament zum Beschluss vorgelegt wurde, in eine entscheidende Phase: So rief die Studentengewerkschaft für den 25. Oktober 2001 zu einem Streik und "Kampftag" an der Universität auf, um energisch gegen die von der Regierung aufgezwungene Reform zu protestieren.[Fn_16] Trotz des vehementen Protests der Rektorenkonferenz, aber auch einzelner Hochschulrektoren – z. B. des Rektors der Universität Barcelona, Joan Tugores –, die in ihren Ansprachen anlässlich der feierlichen Eröffnung des neuen Hochschuljahres die geplante LOU anprangerten, was von Regierungschef Aznar als "korporativer Firlefanz" abgetan wurde, wollte der Premierminister, gestützt auf die absolute Mehrheit seiner Partei im Parlament, die Verabschiedung "seines" neuen Hochschulrahmengesetzes durchsetzen, "koste es, was es wolle".[Fn_17] Aznar beharrte am 26. September vor dem spanischen Parlament darauf, dass die neue Hochschulreform "den überholten, veralteten Progressismus" überwinden müsse. Seine wiederholten Disqualifizierungen richteten sich an alle Vertreter des Bildungssektors, welche sich gegen "seine" LOU aussprachen, u. a. die Rektoren.[Fn_18] Die Opposition, also alle Fraktionen mit Ausnahme der Regierungspartei ("Partido Popular") und der sie unterstützenden katalanischen und

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kanarischen Nationalisten, monierten den "antidemokratischen" Entstehungsprozess des Vorprojekts, legten Änderungsanträge zum Gesamttext der Gesetzesvorlage vor und verlangten, diesen Text zurückzuziehen, da er ihrer Meinung nach den auf die Universitäten zukommenden Herausforderungen nicht gewachsen sei und zudem die Hochschulautonomie verletze. Als häufiges Argument wurde auch der absehbare Qualitätsverlust im Bereich der Lehre vorgebracht, der in krassem Widerspruch zur prätendierten Verbesserung der Lehre stehe. Die Bildungsexpertin der sozialistischen Fraktion, Carme Chacón, erklärte, dass das Vorprojekt zur LOU weder geeignet sei, das spanische Hochschulsystem in einen europäischen Hochschulraum zu integrieren, noch die auf dem Arbeitsmarkt eingetretenen Veränderungen zu bewältigen. Außerdem seien einige der Probleme, die vor 18 Jahren schon in der LRU bestanden, keineswegs gelöst, unter anderem das der Hochschulleitung, das der Hochschullaufbahn und der Berufungsverfahren und nicht zuletzt das der Finanzierung der Hochschulen. Die Sozialisten (PSOE) wollten daher einen alternativen Text zu der von der Regierung vorgeschlagenen LOU vorlegen, mit Hilfe dessen die Forschung und die "virtuelle" Lehre potenziert, die Hochschulautonomie verstärkt und die Finanzierung der spanischen Universitäten dem europäischen Durchschnitt angepasst werden könnte.[Fn_19] Doch dazu kam es nicht mehr. Obwohl die Studenten von Oktober bis Dezember 2001 einen Streiktag nach dem anderen ausriefen, die Professoren die Protestaktionen mit Manifesten gegen die LOU unterstützten, die Universitäten mit Boykott drohten und die Rektorenkonferenz sich in ihrem Kommuniqué vom 26.11.2001 dem auf den 1.12.2001 angesetzten "Marsch auf Madrid" anschloss, peitschten die Abgeordneten der konservativen regierenden Volkspartei das Paket in einer Dauersitzung von 17 Stunden durch den zuständigen Ausschuss und fegten alle Änderungsanträge der Opposition vom Tisch. Am 21.12.2001 wurde der Gesetzentwurf mit geringfügigen Modifizierungen vom Parlament verabschiedet und im BOE veröffentlicht.

Während die Protestaktionen nach dem Inkrafttreten der LOU allmählich abflauten, passten die einzelnen Universitäten ihre Statuten bereits an das neue Hochschulrahmengesetz an und wählten ihre Gremien auf Rektorats- und Fakultätsebene nach den LOU-Bestimmungen, wie dies bei der Wahl des neuen Rektors der Universität Valencia am 27.2.2002 schon der Fall war[Fn_20] und an den Madrider Universitäten Autónoma und Complutense noch im April dieses Jahres geschah. Immerhin gelangte die Rektorenkonferenz an Hand einer Studie, mit der sie eine Expertenkommission aus Verfassungs- und Verwaltungsrechtlern beauftragt hatte, zu dem Schluss, dass in der LOU die Hochschulautonomie und die Freiheit der Lehre schwer beeinträchtigt sei und zudem den Privatuniversitäten ein verfassungswidriger Sonderstatus eingeräumt werde. Daher unterstützte der Präsident der Rektorenkonferenz, Saturnino de la Plaza, in einem

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Schreiben an die sozialistische Oppositionspartei ausdrücklich die Verfassungs-beschwerde, welche die Sozialistische Partei (PSOE) zusammen mit dem Wahlbündnis der Vereinigten Linken ("Izquierda Unida" IU) inzwischen eingereicht hat. Als Hauptargument führen die Kläger an, dass das neue Hochschulrahmengesetz aufgrund der Einmischung des Staates in inneruniversitäre Angelegenheiten und wegen der Diskriminierung der staatlichen gegenüber den privaten – insbesondere kirchlichen – Universitäten gegen die spanische Verfassung verstoße.[Fn_21]

2.3. Bisherige (LRU) und zukünftige Situation (LOU) in zentralen Bereichen des spanischen Hochschulsystems

Im Folgenden sollen die in der einschlägigen Sektion des Kolloquiums zur Debatte stehenden zentralen Aspekte "Bewerbungen und Karrieremuster", "Wissenschaftliche Infrastruktur", "Lehre", "Forschung", "Motivation" sowie "Wissenschaftliche und gesellschaftliche Integration" an spanischen Universitäten erörtert werden. Anhand eines Vergleichs zwischen der bisherigen Situation (LRU-Bestimmungen) und den Veränderungen nach Inkrafttreten des neuen Hochschulrahmengesetzes (LOU) werden die Arbeitsbedingungen der einheimischen und ausländischen Dozenten an spanischen Hochschulen am Beispiel der Madrider Universität Complutense (UCM) aus meiner Sicht dargestellt[Fn_22] und durch die Erfahrungen der befragten deutschen Migranten an anderen spanischen Hochschulen ergänzt.

2.3.1. Bewerbungen und Karrieremuster

Gemäß Teil V der LRU wurde die Personalstruktur wie folgt reformiert:

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Zu den einschneidenden Neuerungen der LRU gehört nicht nur die Differenzierung der Hochschullehrertypen, sondern auch die Veränderung ihres Status sowie die Neubestimmung ihrer Funktionen und Kompetenzen: Im Gegensatz zu den früheren "Profesores Agregados" und "Profesores Adjuntos", dem Lehrstuhl "zugeordnete" bzw. "beigeordnete" verbeamtete Dozenten, ist der in der LRU neugeschaffene "Profesor Titular" in Lehre und Forschung de jure vom "Catedrático" (Lehrstuhlinhaber) unabhängig. Dies gilt in gewisser Weise auch für "Profesores Ayudantes", wissenschaftliche Assistenten, die in ihrer akademischen Ausbildung und bei der Ausübung ihrer Lehrverpflichtungen wie die anderen Hochschullehrer nicht mehr vom Ordinarius, sondern vom "Departamento" (Institut bzw. Fachbereich) abhängen. Zwar sind die vor 1983 durchaus üblichen Praktiken, dass wissenschaftliche Assistenten wie selbstverständlich die Aktentasche "ihres" Professors trugen oder diesen zwischen zwei Lehrveranstaltungen zur Messe in die neben der Aula Magna gelegene Kapelle begleiteten, längst nicht mehr denkbar, doch ist trotz der juristisch sanktionierten Unabhängigkeit der jungen Hochschullehrer im spanischen Universitätsbetrieb noch immer ein stark hierarchisches Denken zu spüren, das sich vor allem bei Abstimmungen in Institutskonferenzen bemerkbar macht. Wer will sich schon seine Karriere verbauen, indem er z. B. gegen den Fachbereichsleiter oder andere Ordinarien stimmt, die später bei seiner Verbeamtung mit Sicherheit im Prüfungsausschuss sitzen?

Eines der Hauptziele der LRU war der Abbau der befristeten Stellen der "Profesores No Numerarios" (PNNs, Nicht-Ordinarien), also unterbezahlter Lehrkräfte, die Anfang der achtziger Jahre über 60 % der Hochschullehrer stellten und in manchen Fakultäten bis zu zwei Drittel des Lehrangebots bestritten. Ein Teil von ihnen wurde im Rahmen der sogenannten "Reconversión" nach 1983 verbeamtet, ein weiterer Teil der

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Gruppe der "Profesores Asociados" zugeordnet.

Am Beispiel der Madrider Universität Complutense, der größten spanischen Universität mit 103 701 immatrikulierten Studierenden und 6 053 Hochschullehrern, lässt sich exemplarisch ablesen, wie sich die Zahlenverhältnisse zwischen verbeamteten und angestellten Hochschullehrern nach 18 Jahren LRU eingependelt haben: Den 3 453 Beamten (C 2 - C 4) stehen noch immer 2 546 Dozenten mit Zeitvertrag gegenüber, ein Großteil davon "Profesores Asociados"; im Fachbereich Germanistik ist die Zahl der "Profesores Asociados" mit befristeten Verträgen (15) nach wie vor sogar höher als die der Beamten (13):

Zahlenmäßige Verteilung der Hochschullehrer im Hochschuljahr 2001/2002


Zahlenmäßige Verteilung der Hochschullehrer im Hochschuljahr 2001/2003

Laut LRU (Teil V, Art. 33, Abs. 3) können spanische Universitäten "mittels zeitlich befristeter Verträge ’Profesores Asociados’ (PA) anstellen, und zwar unter den Bedingungen, die in den jeweiligen Statuten vorgesehen sind. Es muss sich bei diesen ’Profesores Asociados’ erwiesenermaßen um renommierte Wissenschaftler bzw. Fachleute handeln, die normalerweise außerhalb der Universität tätig sind." Tatsächlich erfüllen die wenigsten dieser angestellten Lehrkräfte die vom Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen, denn ein "renommierter Wissenschaftler" würde die prekäre berufliche Lage eines PA wohl kaum akzeptieren: Alljährlich, wenn es um die Verlängerung seines Vertrages geht, muss er sich der möglichen Willkür der Entscheidungsgremien in seinem Fachbereich aussetzen, wobei seine Stelle jedes Mal auf dem Spiel steht. Sicherlich würde sich ein "qualifizierter Fachmann" auch nicht mit dem angebotenen

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Hungerlohn zufrieden geben, der den angestellten Dozenten zum "Pluriempleo", also zu einer Mehrfachbeschäftigung zwingt, was sich selbstverständlich negativ auf die Qualität der Hochschullehre auswirkt.

Die große Zahl der "Profesores Asociados" an spanischen Hochschulen (z. Z. über 23 000) hat sicher mit dem spektakulären Anstieg der Studentenzahlen in den letzten 15 Jahren (von 600 000 auf über 1 500 000) zu tun, zum anderen signalisiert sie aber auch die Mittelknappheit der Universitäten, die auf diese billigen Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen zurückgreifen, weil die Gelder zur Einrichtung neuer Professuren nur spärlich fließen.

Meines Erachtens ist es nur legitim, wenn ein "Profesor Asociado" eine feste Anstellung mit einer entsprechenden Besoldung an der Universität anstrebt, an der er schon mehrere Jahre zur Zufriedenheit seines Fachbereichs gelehrt und geforscht hat. Im Zusammenhang mit der prekären beruflichen Situation der nicht verbeamteten Hochschullehrer ist auch die sogenannte universitäre "endogamia" (Inzucht) bei Berufungsverfahren zu verstehen, die durch die bisherige Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse bei "oposiciones" (Berufungsverfahren) bedingt ist: Von den fünf Mitgliedern der Prüfungskommission gehören zwei der Universität an, welche die Stelle ausschreibt, was in den meisten Fällen dazu führt, dass der bereits an dieser Universität lehrende Kandidat die Professorenstelle bekommt. Somit stellt die an deutschen Universitäten verpönte "Hausberufung" an spanischen Hochschulen den Regelfall dar. Dieses "interne" Berufungsverfahren sollte m. E. nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein, da Dozenten der betreffenden Universität die Lehr- und Forschungsbedingungen bereits gut kennen und ihr Lehrangebot daher schneller und effizienter auf die dortigen Bedürfnisse einstellen können als Bewerber, die von anderen Hochschulen kommen.

Während in Deutschland gerade die Abschaffung der international fragwürdigen Habilitation zugunsten alternativer Qualifikationswege für angehende Hochschulprofessoren diskutiert wird, sieht die LOU ausgerechnet die "habilitación" als unabdingbare Einstellungsvoraussetzung für "Profesores Titulares" und "Catedráticos" (Professoren auf Lebenszeit) vor. Allerdings wird in Spanien unter Habilitation etwas völlig anderes verstanden als in Deutschland: Sie soll nicht das Ergebnis jahrelanger selbstständiger Forschung sein. Vielmehr handelt es sich um eine Prüfung vor einem siebenköpfigen staatlichen Gremium, das vom Bildungsministerium für jedes Fach eingesetzt wird. Diese "habilitación" gehört zu den umstrittensten Aspekten der Reform, da sie nach Meinung von Experten die im bisherigen Auswahlverfahren durch "oposiciones" bestehenden Probleme (z. B. die "Inzucht") zwar zum Teil löst, andererseits aber – laut Opposition und Gewerkschaften – einen "Rückfall in die Franco-Zeit" bedeutet, denn der Zentralstaat verschafft sich durch diese dem französischen "concours" oder italienischen "concorso" vergleichbare zentrale Qualifikationsprüfung einen direkten Zugriff auf die Auswahl der Professoren.

Im Rahmen der LOU sollen außer den bislang existierenden Hochschullehrertypen

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im Angestelltenverhältnis noch drei weitere eingeführt werden:

ul

"Profesor Ayudante Doctor" (wissenschaftlicher Assistent mit abgeschlossener Promotion; max. 4 Jahre Anstellung bei positiver externer Evaluation).
"Profesor Contratado Doctor" (wissenschaftlicher Assistent mit mindestens vierjähriger Lehr- und Forschungserfahrung nach der Promotion; Einstellung nach positiver externer Evaluation).
"Profesor Colaborador" (Lehrbeauftragter mit abgeschlossenem Studium; Einstellung nach positiver externer Evaluation).

/ul

Beim Thema "Karrieremuster" ist es m. E. auch aufschlussreich, einen Blick auf das Einkommen spanischer Hochschullehrer zu werfen.

Besoldung der Hochschullehrer an spanischen Universitäten (Januar 2002)

Catedrático (C 4, 35 Dienstjahre)

Peseten

Sueldo base (Grundgehalt)

164.410

11 "Trienios" (Dienstalterzulage)

69.465

Complemento de destino (Dienststellenzuschlag)

129.497

Complemento específico gral. Docente (Allg. Lehrzulage)

146.004

Compl. productiv. invest.: "Sexenios" (Forschungszulage)

98.059

Evaluación docente: "Quinquenios" (Lehrzulage)

116.012

I.R.P.F. (Steuern: 27,88%)

- 201.703

Derechos pasivos (Altersversorgung)

- 13.715

MUFACE (Beamtenversicherung)

- 6.005

Netto-Gehalt

502.044 = 3 011,35 €

Profesor Titular (C 3, 25 Dienstjahre)

Peseten

Sueldo base (Grundgehalt)

164.410

8 "Trienios" (Dienstalterzulage)

50.520

Complemento de destino (Dienststellenzuschlag)

116.602

Complemento específico gral. docente (Allg. Lehrzulage)

68.112

Compl. productiv. invest.: "Sexenios" (Forschungszulage)

------

Evaluación docente: "Quinquenios" (Lehrzulage)

53.799

I.R.P.F. (Steuern: 22,96%)

- 116.807

Derechos pasivos (Altersversorgung)

- 13.715

MUFACE (Beamtenversicherung)

- 6.005

Netto-Gehalt

316.916 = 1.904,10 €

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Profesor Asociado Extranjero Permanente (23 Dienstjahre)
(TEU-Niveau: C 2)

Peseten

Sueldo base (Grundgehalt)

164.410

7 "Trienios" (Dienstalterzulage)

------

Complemento de destino (Dienststellenzuschlag)

104.049

Complemento específico gral. docente (Allg. Lehrzulage)

24.543

Compl. productiv. invest.: "Sexenios" (Forschungszulage)

------

Evaluación docente: "Quinquenios" (Lehrzulage)

------

I.R.P.F. (Steuern: 16,34%)

- 47.877

Cuota obrera del RGSS (Angestelltenversicherung)

- 20.384

Netto-Gehalt

224.741 = 1.350,12 €

An diesen drei Beispielen, die als exemplarisch für das derzeitige Besoldungssystem an spanischen Universitäten ausgewählt wurden, fällt zunächst auf, dass Hochschullehrer in Spanien nicht nur niedrigere Gehälter und Löhne als andere spanische Beamte im höheren Dienst bzw. höhere Angestellte im öffentlichen Dienst mit vergleichbarer Ausbildung und Qualifikation (z. B. Juristen oder Mediziner in Behörden) beziehen, sondern dass ihre Bezüge auch unter den in anderen europäischen Ländern üblichen liegen, meines Wissens sogar unter denen im Nachbarland Portugal, ganz zu schweigen von deutschen Professorengehältern.[Fn_24] Die Situation ist noch gravierender, wenn man die verhältnismäßig hohen Lebenshaltungskosten im Großraum Madrid berücksichtigt (für ein 40m2-Apartment muss man in den Außenbezirken monatlich mindestens 420 Euro Miete bezahlen, in der Innenstadt kann es sogar bis zu 780 Euro kosten, und eine im Stadtzentrum gelegene Mietwohnung mit 80m2 ist nicht unter 1 500 Euro zu bekommen). Die Entfernung des Wohnsitzes vom Dienstort spielt bei der Besoldung keine Rolle, und auch Familienstand und Kinderzahl schlagen sich im Gehalt nicht in Form eines "Familienzuschlages" nieder.

"Catedráticos" und "Professores Titulares" erhalten außer dem Grundgehalt sog. "Trienios", eine Dienstalterzulage, die alle drei Jahre aufgestockt wird, sowie eine alle fünf Jahre automatisch erhöhte Lehrzulage. Außerdem können sie alle sechs Jahre eine Evaluierung ihrer Forschungstätigkeit beantragen. Die Forschungsergebnisse werden von einem nationalen Fachgremium evaluiert, und eine positive Evaluierung schlägt

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sich in zusätzlichen Bezügen nieder. Das Desiderat bei der deutschen Hochschulreform, dass ein Teil der Besoldung der Hochschullehrer leistungsbezogen und regelmäßigen Überprüfungen unterworfen sein sollte, ist in Spanien zumindest für die verbeamteten Hochschullehrer zum Teil schon realisiert, wenn auch auf freiwilliger Basis und nur bezogen auf die Forschungstätigkeit, nicht jedoch auf die Lehrtätigkeit.

Im Gegensatz zu den spanischen Professoren beziehen die wenigen festangestellten Ausländer, "Profesores Asociados Extranjeros Permanentes" (an der UCM z. B. nur 4 von über 6 000 Dozenten!), – trotz vergleichbarer Lehr- und Forschungsaufgaben – lediglich ein Grundgehalt, jedoch keine Dienstalterzulage ("Trienios"), ein Zuschuss, den sogar spanische nicht-wissenschaftliche Angestellte im öffentlichen Dienst (z.B. Pedelle) bekommen. Ausländischen Hochschullehrern mit unbefristeten Verträgen werden auch keine Lehr- ("Quinquenios") und Forschungszulagen ("Sexenios") gewährt, da diese ebenfalls nur spanischen Hochschulbeamten vorbehalten sind.

Dennoch haben die wissenschaftlichen Migranten keinen Grund zur Klage, zumindest nach Ansicht vieler ihrer spanischen "Asociado"-Kollegen, denen es dienstrechtlich und finanziell noch schlechter geht: Zum einen ist der Vertrag eines spanischen "Profesor Asociado" (PA) jeweils auf ein Hochschuljahr befristet, und die Verlängerung hängt von einem positiven Gutachten des Fachbereichs ab. Zum anderen verdient ein PA (Stufe 2: Lehrbefähigung im Hauptstudium) mit einer vollen Stelle (9 Stunden Lehrverpflichtungen) monatlich nur 1 162,31 Euro; ein teilzeitbeschäftigter PA mit 6 Wochenstunden bezieht lediglich 527,60 Euro und einer mit 3 Wochenstunden gar nur 258,54 Euro (Stand: Januar 2002).

Immerhin ist im Rahmen der LOU eine Evaluierung für alle Hochschullehrer in Lehre und Forschung vorgesehen, was letztlich – sobald die dafür benötigten Geldmittel zur Verfügung stehen – auch den ausländischen Lehrkräften an spanischen Hochschulen zugute kommen wird.[Fn_25]

Seit dem Inkrafttreten des Abkommens von Maastricht im Jahre 1992 können an spanischen Universitäten auch EU-Bürger de jure in den Beamtenstand aufrücken. An der Universität Barcelona gibt es bereits den Präzedenzfall einer italienischen Staatsbürgerin, die dieses Recht eingeklagt hat.[Fn_26] Bei gleicher Qualifikation werden in der Regel allerdings noch immer spanische Staatsbürger ausländischen Bewerbern vorgezogen, selbst wenn diese eine langjährige Lehr- und Forschungserfahrung an einer spanischen Hochschule aufweisen können. Allerdings ist diese Vorgehensweise, bei der

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eine gewisse Furcht vor ausländischer Konkurrenz mitspielen mag, angesichts der Stellenknappheit durchaus verständlich.

Bezeichnenderweise handelte es sich in zwei der Fälle, in denen im Fachbereich Germanistik bei der Besetzung von Professorenstellen ("Profesores Titulares") erstmals deutsche Wissenschaftler bevorzugt wurden, um neu geschaffene Studiengänge (Deutsch als Nebenfach im Studiengang Anglistik an der Universität Cádiz und an der Universität des Baskenlandes in Vitoria-Gasteiz), so dass es noch keine entsprechend qualifizierten spanischen "Hauskandidaten" gab. Im dritten Fall (Germanistik als Hauptfach an der Universität Salamanca) hatte die deutsche Kandidatin durch Heirat die doppelte Staatsbürgerschaft angenommen und bewarb sich als Spanierin. Erfahrungsgemäß ist es an etablierten Instituten mit langer Tradition und einem alteingesessenen Kollegium viel schwieriger, als Ausländer eine Professur auf Lebenszeit zu bekommen, als an neuen Instituten, an denen die betreffende Fachrichtung erst im Aufbau begriffen ist. Dies zeigt der Fall eines anderen deutschen Kollegen, der sich an einer traditionsreichen spanischen Universität mehrmals um eine Verbeamtung beworben hat, aber jedes Mal an den – wie er sich ausdrückte – "mafiaähnlichen Strukturen" gescheitert ist.



2.3.2. Wissenschaftliche Infrastruktur

Als ich in den achtziger Jahren als erste Dozentin immer wieder den einzigen Overhead-Projektor an der Philologischen Fakultät der Universität Complutense verlangte, geschah das sehr zum Leidwesen der zahlreichen uniformierten Pedelle, in der Regel pensionierte Unteroffiziere, von denen es auf jedem Stockwerk mindestens fünf gab und deren Hauptfunktion neben dem Verteilen der Post offensichtlich darin bestand, mit einem markige "¡(Es la hora!" (Die Zeit ist um!) den monotonen Redefluss des auf einem erhöhten Podest "ex cathedra" dozierenden Professors zu unterbrechen.

Seitdem hat sich bezüglich der Infrastruktur von Lehre und Forschung an unserer Fakultät viel geändert. Die Einführung moderner Medien vollzog sich parallel zum Abbau der Institution der "Pedelle", jenes personalen Relikts aus der Franco-Zeit. Inzwischen besitzt die Philologische Fakultät nicht nur eine umfangreiche Bibliothek, die über Internet weltweit mit den entsprechenden Fachbibliotheken verbunden ist, sondern auch Sprachlabore und einen Computerraum mit Internetanschlüssen für Studenten. Dieses Angebot wird im Fachbereich Germanistik ergänzt durch eine gut bestückte Fachbibliothek. Der Einsatz von Overhead-Projektoren (die inzwischen nicht mehr von Pedellen zu jeder Lehrveranstaltung gebracht werden müssen, sondern in den Hörsälen stehen) sowie anderen audiovisuellen Medien wie CDs, Videofilmen und neuerdings sogar Beamern, gehört ganz selbstverständlich zum pädagogischen Alltag. Es werden jedoch nicht nur "fertige" Medienprodukte in die Lehre einbezogen, sondern es wird

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auch in Zusammenarbeit mit der spanischen Fernuniversität, dem Goethe-Institut, dem spanischen Germanistenverband und anderen Institutionen fachspezifische Software entwickelt. Parallel dazu laufen Pilotprojekte zum Transfer von Lerninhalten auf Multimedia und zum computer- und netzgestützten Lehren und Lernen.

Das "Centro Superior de Idiomas Modernas" (CSIM), ein Sprachenzentrum an der Philologischen Fakultät mit einem Lehrangebot für Hörer aller Fakultäten, bietet Kurse in 22 europäischen und außereuropäischen Sprachen an.[Fn_27] Mit der gezielten Vermittlung und Evaluation von Sprachkompetenzen ist diese Institution bewusst auf das europäische Angebot zugeschnitten. Hier können die Studenten neben ihrem Fachstudium auch Fremdsprachenkenntnisse und sogar fachsprachliche Kompetenz in der Fremdsprache erwerben. Die besuchten Kurse werden mit den jeweiligen "Credits" und Zertifikaten im europäischen Ausland anerkannt.

Der "Servicio Informático de Apoyo a la Docencia e Investigación" (SIADI, Informatikdienst für Lehre und Forschung) im Rechenzentrum der Universität Complutense bietet alljährlich Fortbildungskurse für Dozenten und Forscher an (Internet, Word 2000, Excel 2000, Access 2000, Power Point 2000, Windows 2000 Professional, SPSS, Statgraphics, SAS, Maple...). Trotz alledem scheitern manche interessante Initiativen an bürokratischen Hürden. So wollte z. B. ein ehemaliger Student des Fachbereichs Germanistik an der UCM von einer deutschen Universität aus per Internet ein deutsch-spanisches Landeskundeseminar organisieren. Ich brachte sein Anliegen auf der nächsten Fachbereichskonferenz vor. Die Mehrzahl der Kollegen begrüßte zwar diese Initiative, doch wurde das bilaterale Seminarprojekt schließlich mit dem Argument abgelehnt, dass "nicht alle unsere Studenten einen eigenen Computer besitzen".

Als Beispiel für die mangelhafte Planung und geringe Effizienz im Management und bei der Verteilung der Ressourcen sei die Tatsache angeführt, dass das in jedem Hochschuljahr für die Anschaffung von Büchern bestimmte Geld in den Fachbereichen der Philologischen Fakultät oft kurzfristig, ja von einem Tag auf den anderen, ausgegeben werden muss. Die geradezu chronische Finanzmisere spiegelt sich im Fachbereich Germanistik der UCM u. a. in der Tatsache wider, dass für insgesamt 32 Lehrkräfte nur 1 Sekretär zur Verfügung steht.

Last not least möchte ich noch eines der Hauptprobleme an der größten spanischen Universität mit ihren über 100 000 Studenten und 6 000 Lehrkräften ansprechen: den Platzmangel infolge der sprunghaft angestiegenen Studentenzahlen in den letzten 15 Jahren. Dabei schneiden die "klassischen" geisteswissenschaftlichen Studiengänge besonders schlecht ab: So teilen sich in unserem Institut z. B. vier bis sechs Dozenten je ein ca. 12-15 m2 großes Büro, mit Ausnahme des Institutsleiters, dem ein "Einzelzim-

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mer" zusteht. Jedes Büro ist zwar mit einem Computer ausgestattet, doch wie soll man in diesen beengten Verhältnissen konzentriert arbeiten können, zumal, wenn ein anderer Kollege gerade Sprechstunde hat? Angesichts der akuten Raumnot plädieren einige Hochschullehrer dafür, die Universitätskapelle in einen Hörsaal oder mehrere Büros umzufunktionieren, während andere ein solches Ansinnen als Sakrileg energisch von sich weisen... Der durch den starken Anstieg der Studentenzahlen verursachte räumliche Engpass ist nur durch den Bau eines weiteren Fakultätsgebäudes zu beheben, und ein solches ist auch seit über 10 Jahren geplant. Angesichts der anhaltenden Verschuldung der UCM (20 Millionen Euro Defizit im laufenden Hochschuljahr) wurde das Bauprojekt allerdings immer wieder verschoben. Nach neuesten Informationen soll der Neubau jedoch im Hochschuljahr 2002/2003 bezugsfertig sein und mit einer Aula für 2 000 Personen, 180 Büros, 7 Konferenzräumen, 7 Räumen für Gruppenarbeit und 4 Büros für Pedelle die Raumnot vorerst beheben.

Trotz aller Modernisierungsbestrebungen sind die Lehr- und Forschungsbedingungen an spanischen Hochschulen generell nach Einschätzung der befragten deutschen Kollegen schlechter als an deutschen, was die "materielle Ausstattung", die Bibliothekssituation und den Stellenwert der Informatik in Lehre und Forschung anbelangt.

2.3.3. Lehre[Fn_28]

Die "selectividad", eine bisher für alle spanischen Universitäten verbindliche Zulassungsprüfung zum Hochschulstudium, soll im Rahmen der LOU abgeschafft werden. Stattdessen werden an den einzelnen Universitäten eigene Aufnahmeprüfungen eingeführt. Die Neuregelung des Hochschulzugangs hängt jedoch auch von der Verabschiedung der geplanten "Ley de Calidad de la Enseñanza" (Gesetz zur Neuregelung des Schulwesens mit Einführung einer Reifeprüfung) ab.[Fn_29] In der LOU ist zum einen das Recht der akademischen Lehrzentren begründet, die Studierfähigkeit von Bewerbern für ein spezifisches Ausbildungsangebot zu überprüfen, zum anderen aber auch das

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Recht der Studienbewerber auf freie Hochschulwahl.

Die europaweite Forderung einer Flexibilisierung und Differenzierung der Studienstruktur und einer internationalen Durchlässigkeit des Hochschulsystems mit eurokompatiblen Studiengängen und stärkerer Modularisierung, verbunden mit einem "Credit-Point-System", ist an spanischen Universitäten zumindest formal bereits in die Praxis umgesetzt worden. Spanische Curricula sind stark modular ausgerichtet und bestehen aus drei Zyklen:

  • 3-jähriges Grundstudium (in manchen Studiengängen mit Diplom-Abschluss).
  • 2-jähriges Hauptstudium (mit "Licenciatura"-Abschluss).
  • 1- oder 2-jähriges Aufbau- bzw. Postgraduiertenstudium (Promotion oder spezifische Titel der betreffenden Universität).

Diese dreigliedrig aufgebauten Studiengänge, die zu einem kumulativen Studienabschluss führen, sind seit der Curricula-Reform mit einem "sistema de créditos", also einem "Credit-Point-System", verbunden.[Fn_30] Die 324 "Créditos" des jüngst reformierten Studienplans "Deutsche Philologie" an der UCM,[Fn_31] der hier als Beispiel herangezogen werden soll, verteilen sich auf fünf Studienjahre (60/66/66/66/66 = 324) und folgende Fächertypen:

  • "Materias Troncales" (Pflichtfächer an allen spanischen Hochschulen, die diesen Studiengang anbieten).
  • "Materias Obligatorias" (Pflichtfächer nur an der betreffenden Universität, hier: UCM).
  • "Materias Optativas" (Wahlfächer aus dem Studiengang "Deutsche Philologie" der betreffenden Universität, hier: UCM).
  • "Créditos de libre configuración" (Wahlfächer aus anderen Studiengängen der betreffenden Universität, hier: UCM, die mindestens 10 % der "Créditos" des Gesamtstudiums ausmachen müssen).[Fn_32]

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Soviel zur formalen Gliederung des Studiengangs Germanistik.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob mit den reformierten Lehrplänen an spanischen Universitäten bereits die Ziele der Bologna-Erklärung aus dem Jahre 1999 realisiert seien, der zufolge bis zum Jahre 2010 ein einheitliches, gesamteuropäisches Bildungssystem eingeführt werden soll: Studiengänge mit drei Zyklen, bestehend aus Grund-, Haupt- und Postgraduiertenstudium mit einem "Credit-Point-System" und Diplomabschlüssen zwischen den einzelnen Zyklen. Die geplante bildungspolitische Konvergenz soll die Mobilität der Hochschulabsolventen fördern und ihre Integration in den gesamteuropäischen Arbeitsmarkt erleichtern. Doch der erste Eindruck trügt: Trotz formaler Übereinstimmung bestehen grundsätzliche Unterschiede zwischen dem Bologna-Modell und den neuen spanischen Curricula: Während im europäischen "Credit-System" der selbstständigen Arbeit der Studierenden bei der Aneignung und Verarbeitung der vermittelten Lehrinhalte eine wichtige Bedeutung beigemessen wird, bescheinigen die "Créditos" in Spanien lediglich eine bestimmte Anzahl von besuchten Unterrichtseinheiten.

Bezüglich der Lehrmethoden und -inhalte ist festzustellen, dass die Zeiten, in denen den drei "Marías" – den Fächern "Leibeserziehung", "Religion" und "Politische Bildung" – eine zentrale Bedeutung im Grundstudium jeder Fachrichtung zukam, längst vorbei sind, obwohl die direkt neben der Aula Magna gelegene Uni-Kapelle der Philologischen Fakultät der UCM noch an die ehemals symbiotische Verquickung von Hochschulausbildung und katholischer Frömmigkeit erinnert. Geblieben sind jedoch die traditionellen Lehrmethoden eines "verschulten" Hochschulwesens: Überblicksvorlesungen zur Vermittlung von enzyklopädischem Wissen. Die Massenveranstaltungen in überfüllten Hörsälen und der volle Stundenplan erlauben es den Lehrenden wie den Studierenden kaum, sich neben der meist unkoordinierten Vermittlung bzw. Aneignung von bloßem Faktenwissen wissenschaftstheoretisch und systematisch mit den Grundlagen ihrer Fachrichtung auseinander zu setzen.

Trotzdem war ich in meinen über zwanzig Dienstjahren stets um die Ausübung der "Freiheit der Lehre" bemüht und habe diese nicht nur auf Lehrinhalte bezogen, sondern war auch darauf bedacht, anstelle der üblichen "Ex cathedra"-Vorlesungen dialogische Arbeitsformen einzuführen. Unter anderem benutzte ich meine venia docendi dazu, die Studenten davon zu überzeugen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den Fakten anhand mehrerer Quellen "wissenschaftlicher" ist als das gewohnte Auswendiglernen von Daten mit Hilfe von Vorlesungsmitschriften oder anhand eines einzigen Lehrbuchs.

Mit ähnlichen Versuchen, Elemente aus dem deutschen Seminarbetrieb in die – trotz scheinbarer Wahlmöglichkeiten – straff durchorganisierten Studienprogramme und den verschulten Universitätsbetrieb zu übernehmen, experimentieren auch die befragten deutschen Kollegen. Trotz der Schwierigkeit, Studieninhalte zu verändern oder zu variieren, versuchen sie mit mehr oder weniger Erfolg, stärker monographisch

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orientierte Lehrveranstaltungen mit Seminarcharakter einzuführen (Referate, schriftliche Hausarbeiten, mündliche Prüfungen als zusätzliche Evaluationsform neben den üblichen Klausuren, intensivere Implikation der Studierenden in den Veranstaltungen, teilnehmerfreundliche Sitzordnung, Bericht der Doktoranden über den Stand ihrer Arbeit usw.) – das alles mit dem Anspruch, das relativ niedrige wissenschaftliche Niveau zu heben und das Kanonwissen der Studenten durch Erkenntnisinteresse zu ersetzen. Ein solches Experimentieren der Lehrenden mit "lockeren" Arbeitsformen wird von den Lernenden nach anfänglicher Skepsis meist positiv aufgenommen, in manchen Fällen kann es jedoch auch zu einem Autoritätsverlust der Dozenten führen.

Angesichts des beunruhigend hohen Prozentsatzes von Studienabbrechern im Grund- und Hauptstudium[Fn_33] werden die verschiedenen Studiengänge an spanischen Universitäten seit einigen Jahren im Rahmen des 1. und 2. "Plan Nacional de Calidad de las Universidades" evaluiert. Auch an der UCM fand bereits eine Evaluierung von 44 der insgesamt 66 Fachrichtungen mit Hilfe einer Umfrage unter Lehrenden und Lernenden statt, die von einem Expertengremium ausgewertet und in einem Bericht festgehalten wurde. In diesem Bericht sind die Schwachstellen im Lehrbetrieb, in der Infrastruktur, beim wissenschaftlichen und administrativen Personal sowie bei der Motivation der Studenten verzeichnet.[Fn_34]

Das Lehrangebot an spanischen Hochschulen wird durch den 3. Zyklus ergänzt. Die Teilnahme an solchen Postgraduiertenkursen – meist zur Vorbereitung auf die Promotion – setzt ein abgeschlossenes Hochschulstudium voraus. In den Doktorandenkursen werden Themen vertieft, die bereits in Lehrveranstaltungen des Grund- und Hauptstudiums behandelt wurden. Allerdings verlagert sich der wissenschaftliche Diskurs nun von der bloßen Rezeption des Stoffes zur kritischen Reflexion und eigenständigen Produktion der Studenten. Sobald ein Doktorand die erforderlichen Seminare erfolgreich abgeschlossen hat, kann er sich auf das Thema seiner Dissertation konzentrieren. Mit der Absolvierung der Doktorandenkurse entfällt auch das an einigen deutschen Universitäten noch immer übliche Rigorosum, auf das sich deutsche Doktoranden in der Regel im Alleingang vorbereiten müssen, so dass sich die mündliche Prüfung an spanischen Hochschulen auf eine "Verteidigung der Doktorarbeit" vor einem fünfköpfigen Fachkomitee beschränkt, an dem auch externe – sogar ausländische – Prüfer teilnehmen können. Dagegen hat der Betreuer bzw. die Betreuerin der Dissertation in diesem Prüfungsausschuss weder Platz noch Stimme.

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Internationale Abschlüsse, z. B. Bachelor- und Masterabschlüsse, wie sie zur Zeit in Deutschland diskutiert und an einigen deutschen Hochschulen und Fachhochschulen bereits angeboten werden,[Fn_35] sind in Spanien schon seit einigen Jahren fester Bestandteil des Lehrangebots, in der Regel als sogenannte "Títulos propios" (Eigene Abschlüsse) der jeweiligen Universitäten (Unterrichtssprache: Spanisch oder Englisch). Solche Postgraduierten-Kurse stellen eine Alternative zur Promotion dar und richten sich an international orientierte Studenten. Sie zeichnen sich durch einen hohen akademischen Standard und straff organisierte Programme, Arbeit in kleinen Gruppen und individuelle Betreuung durch Tutoren aus. Als Beispiel möchte ich das Angebot der Madrider Universität Complutense vorstellen:

  • "Magister Universitario" (Master)
    Voraussetzungen: Nachweis eines abgeschlossenen Hochschulstudiums an einer spanischen oder ausländischen Hochschule; in Ausnahmefällen Nachweis von Berufserfahrung auf dem betreffenden Fachgebiet. In der Regel zweijähriges Aufbaustudium (mindestens 50 "Credits", theoretische und praktische Lehrveranstaltungen).[Fn_36]
  • "Especialista Universitario"
    Voraussetzungen: wie beim "Magister Universitario" (mindestens 30 "Credits", theoretische und praktische Lehrveranstaltungen).
  • "Experto Universitario"
    Voraussetzungen: wie beim "Magister Universitario" oder Nachweis eines abgeschlossenen Grundstudiums bzw. eines dreijährigen Diplom-Studiums, z. B. an einer Fachhochschule (mindestens 25 "Credits").[Fn_37]

Im Rahmen der Kooperation mit ausländischen Universitäten spielt auch die Förderung von Auslandsstudien eine wichtige Rolle. Die Möglichkeit eines einjährigen Studiums an einer ausländischen Universität mit Hilfe eines ERASMUS/SOCRATES-Stipendiums – im Falle der Germanistikstudenten an der UCM meist an einer deutschen oder österreichischen Partneruniversität – wird von den Betroffenen sehr positiv aufgenommen. So verläuft z. B. der Studenten- und Dozentenaustausch zwischen der UCM und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der im Jahre 1996 von mir in die Wege geleitet wurde, äußerst zufriedenstellend. Allerdings werden auf Grund der unterschiedlichen Organisation der Lehre – Überblicksvorlesungen an spanischen Hoch-

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schulen, Forschungsseminare an deutschen Universitäten – noch nicht alle in Deutschland und anderen EU-Ländern erbrachten Studienleistungen automatisch von der spanischen Heimatuniversität anerkannt. Die bisherige Inkompatibilität der Studienpläne wirkt sich also negativ auf die akademische Mobilität spanischer Studenten aus.

2.3.4. Forschung

Infolge der traditionellen Trennung von Lehre und Forschung sind die Universitäten und Technischen Hochschulen in Spanien primär (bzw. fast ausschließlich) für die Lehre zuständig, während der dem französischen "Centre National de Recherche Scientifique" (CNRS) vergleichbare "Consejo Superior de Investigaciones Científicas" (CSIC, "Oberster Rat für Wissenschaft und Forschung") mit der Forschung befasst ist.[Fn_38] Diese Tatsache hat der spanische Professor José Antonio Marina erst kürzlich in überspitzter Weise formuliert:

    "Meines Erachtens ist die Universität in Spanien eine Lehranstalt und erst in zweiter Linie eine Forschungsinstitution. Ich bin mir dessen bewusst, dass dies nicht ohne Weiteres akzeptiert wird. Ich glaube, dass ein guter Hochschullehrer viel studieren muss, aber er braucht selbst keine Forschungen durchzuführen. Vielmehr muss er viel wissen und gut unterrichten können."[Fn_39]

Unter Forschung versteht man in Spanien vor allem naturwissenschaftliche Forschung – bezeichnenderweise entspricht der spanische Terminus "Ciencia" nicht etwa dem deutschen Begriff "Wissenschaft", wie zu erwarten wäre, sondern bedeutet "Naturwissenschaft"; bei einer solchen Gleichsetzung von "Wissenschaft" mit "Naturwissenschaft" ist es nicht verwunderlich, dass die Forschung im Bereich der Human- oder Kulturwissenschaften – im Gegensatz zu Wissenschaftszweigen wie Genetik oder Nuklearbiologie – nur wenig gefördert wird. Aber selbst in den Naturwissenschaften ist es nicht viel besser um die Forschungsbedingungen bestellt, was ich mit einem Beispiel belegen möchte: Der inzwischen verstorbene spanische Biochemiker und Nobelpreisträger Severo Ochoa, der in den achtziger Jahren aus den USA zurückgekehrt war, um sein Know-how in den Dienst seines Landes zu stellen, musste wenige Jahre später bedauernd König Juan Carlos I. mitteilen, dass er nicht in Spanien bleiben könne, weil hier keine ausreichende Infrastruktur für seine empirischen Untersuchungen vorhanden sei. Ochoa steht damit in der Tradition des spanischen Medizin-Nobelpreisträgers San-

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tiago Ramón y Cajal, der schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts an den damaligen spanischen König Alfons XIII. schrieb: "Euer Majestät haben mir zwar einen Tisch und einen Stuhl zur Verfügung gestellt, aber allein damit kann ich noch keine Experimente durchführen..."

Dieser bedauerlichen Lage soll durch einen Notstandsplan abgeholfen werden, wie Anna Birulés, die derzeitige Ministerin für Wissenschaft und Technologie am 18. September 2001 bekannt gab.[Fn_40] Im Rahmen dieses Programms, das bezeichnenderweise den Namen "Programa Ramón y Cajal" trägt, sollen Stellen für 800 spanische Spitzenforscher aus 24 Bereichen – einschließlich Sozialwissenschaften – geschaffen werden, von denen 160, also 20 %, zur Zeit im Ausland (vor allem in den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich) leben und arbeiten. Solche individuellen Maßnahmen zur Repatriierung spanischer Wissenschaftler können m. E. weder den Brain Drain ins Ausland stoppen noch Spanien als Wissenschaftsstandort attraktiv machen, da sie notgedrungen an der Struktur des spanischen Forschungsbetriebs scheitern müssen.

Bisher sind die institutionellen Rahmenbedingungen für wissenschaftliches Arbeiten an spanischen Universitäten denkbar ungünstig, und zwar aus drei Gründen: Zum einen sind Studenten wie Dozenten in dem strapazierenden Lehrbetrieb des "verschulten" spanischen Hochschulwesens völlig ausgelastet, so dass sie kaum Zeit für Forschungsarbeiten finden.[Fn_41] Zwar werden die Lehrveranstaltungen durch die neue Einteilung des früher durchgehenden Hochschuljahres in zwei semesterartige "Quatrimestres" von der 1. bis 3. Februarwoche unterbrochen, doch finden zu dieser Zeit die Semesterabschlussklausuren mit den entsprechenden Korrekturen statt, so dass an längere Forschungsvorhaben nicht zu denken ist. Die Forschung bleibt folglich auf die Vorlesungspause in den heißen Sommermonaten (Mitte Juli-Ende August) beschränkt,[Fn_42] denn in den vorlesungsfreien Monaten Juni und September finden die Jahresabschlussklausuren und mündlichen Prüfungen der einzelnen Fächer statt, und selbst vom 1.-15. Juli haben alle Dozenten Präsenzpflicht, da in diesen beiden Wochen wichtige Institutskonferenzen stattfinden. Solche zeitintensiven administrativen Aktivitäten, zu denen neben den besagten Konferenzen auch zahlreiche Kommissionen auf Instituts- und Fakultätsebene gehören, gehen natürlich zu Lasten von Lehre und Forschung, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Aktivitäten in einigen Fällen

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zum Selbstzweck werden, wie auch das täglich erscheinende BOE für manche einheimischen Kollegen die wichtigste "Fachlektüre" darstellt. Kurz: An spanischen Universitäten herrschen alles andere als "ideale" Forschungsbedingungen.

Zu der "forschungsfeindlichen" zeitlichen Organisation des Lehrbetriebs gesellt sich ein weiterer Störfaktor: An spanischen Hochschulen fehlt – wie bereits erwähnt – jene enge Verbindung zwischen Lehre und Forschung, die an deutschen Universitäten schon im Grundstudium durch Propädeutik-Veranstaltungen und Einführungsseminare in Forschungsmethoden und -techniken sowie durch praktische Anwendung in Referaten und Hausarbeiten gezielt gefördert wird. Die im Fachbereich Germanistik der UCM vor wenigen Jahren eingeführten "Trabajos Académicamente Dirigidas" (TADs), eine Art Proseminare, bei denen die Studenten von einem sie individuell betreuenden Hochschullehrer stufenweise mit den verschiedenen Arbeitsschritten beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten vertraut gemacht wurden, – vom 2. bis 5. Studienjahr mussten insgesamt vier solcher Hausarbeiten bei verschiedenen Betreuern geschrieben werden – sind inzwischen wegen "Überlastung" der Studenten wieder abgeschafft worden. Wenn an spanischen Universitäten überhaupt Forschung betrieben wird, dann erst im sogenannten "3. Zyklus", also nach Abschluss eines Grund- und Hauptstudiums, bei dem es vordringlich darum geht, positives Wissen zu vermitteln, aber nicht darum, die Studierenden mit Methoden und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens vertraut zu machen.

Der dritte Grund für die Forschungsmisere in Spanien ist m. E. in den knapp bemessenen Mitteln zu suchen, die von staatlicher Seite für die Hochschulforschung zur Verfügung gestellt werden. Zur Illustration dieses Sachverhalts und der geradezu sprichwörtlichen Budgetknappheit möchte ich ein Beispiel aus meinem direkten Umfeld anführen: Im laufenden Studienjahr 2001/2002 stehen den 29 Hochschullehrern des Fachbereichs Germanistik an der UCM zusammen rund 6 000 Euro für Forschungszwecke zur Verfügung.[Fn_43] Das bedeutet, dass sie bei ihrem ohnehin niedrigen Einkommen ihre Forschungsreisen bzw. ihre Teilnahme an Kongressen weitgehend aus eigener Tasche finanzieren müssen, denn die wenigen Forschungsstipendien privater Stiftungen (z. B. Banken und Sparkassen wie die Caja Madrid oder die katalanische Caixa) sind für Doktoranden und junge Nachwuchswissenschaftler reserviert.

Zur Behebung dieses Notstands wird im neuen Hochschulrahmengesetz eine Kooperation der Hochschulforschung mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen angestrebt, aber auch Verbundprojekte zwischen Forschung und Wirtschaft – Maßnahmen also, die zu einer Steigerung der Forschungstätigkeit beitragen sollen.

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Auf Grund persönlicher Erfahrung – als Mitglied eines fünfköpfigen spanisch-deutschen Forscherinnenteams in einem Gruppenprojekt zur kontrastiven Phraseologie, das seit 1996 vom spanischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie finanziert wird –, aber auch an Hand der Befragungsergebnisse – u. a. Projekte zur Gestaltung des Unterrichts "Deutsch als Fremdsprache" (DaF) in der Auslandssituation an der Universität Cádiz, seit 1994 – kann ich behaupten, dass deutsche Migranten spanischen Kollegen gegenüber nicht benachteiligt sind, wenn es um die Aufnahme in ein Gruppenforschungsprojekt geht, im Gegenteil: Sie werden als qualifizierte – im Falle der Germanistik: muttersprachliche – Fachleute sogar dringend gebraucht. Aus der Umfrage resultiert darüber hinaus, dass auch Einzelforschungsprojekte deutscher Hochschullehrer in Spanien von spanischer Seite gefördert werden – z. B. ein von der Universität des Baskenlandes von 1996 bis 1999 finanziertes Projekt zur methodologischen Restrukturierung des DaF-Unterrichts.

Hinsichtlich der Forschungsaufenthalte der in Spanien tätigen deutschen Wissenschaftler in ihrem Ursprungsland hat die Befragung ergeben, dass es sich in fast allen Fällen um Kurzaufenthalte handelte: Teilnahme an Kongressen, kurze Forschungsreisen zwecks Bibliotheksstudien oder Dozentenaustausch im Rahmen des SOCRATES-Programms. Gastprofessuren an deutschen Universitäten sind keinem der Befragten angeboten worden.

In zwei Fällen wurden diese Reisen von den deutschen Wissenschaftlern selbst, in zwei weiteren aus Mitteln der spanischen Hochschule oder im Rahmen des SOCRATES-Programms finanziert. Alle Befragten gaben übereinstimmend an, dass ihre individuellen Forschungsprojekte von keiner deutschen Institution gefördert worden seien. Dieses Ergebnis bestätigt die Tatsache, dass deutsche Wissenschaftler – im Gegensatz zu ihren spanischen Fachkollegen – in der Regel von deutschen Förderungsmaßnahmen (z. B. DAAD-Stipendien für Studien- oder Forschungsaufenthalte für ausländische Wissenschaftler in Deutschland) ausgeschlossen sind.[Fn_44]

Obwohl eine individuelle Förderung deutscher Migranten an ausländischen Hochschulen durch eine deutsche Institution bisher nicht möglich ist, besteht neuerdings immerhin eine Förderungsmöglichkeit durch den DAAD im Rahmen des bilateralen Wissenschaftleraustauschs. Bei diesem projektbezogenen Austausch werden Personen gefördert, die an einem bestimmten Vorhaben der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und einem anderen Land beteiligt sind. An einer solchen "Acción Integrada Hispano-Alemana", die im spanischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie beantragt werden muss, haben bereits zwei der befragten Kollegen teilgenommen.

Angesichts der knappen Forschungsmittel in Spanien begrüßen alle Interviewten

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den beim Migrantenkolloquium in Bonn am 13.10.2001 formulierten Antrag: Deutsche Wissenschaftler im Ausland sollten bei der finanziellen Förderung ihrer Forschung ihren in der Bundesrepublik tätigen Kollegen gleichgestellt werden, d. h. sie sollten die Möglichkeit haben, selbständig Anträge zur Sachförderung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu stellen, insbesondere bei deutschlandbezogener Forschung, für die außerhalb Deutschlands aus begreiflichen Gründen wenig Unterstützung zu finden ist.[Fn_45]

2.3.5 Motivation. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Integration

Bei der Entscheidung, in eine fremde Lebenswelt – im vorliegenden Fall nach Spanien – auszuwandern, spielen unterschwellig oft kulturelle und anthropogeographische Wunschbilder mit, deren Wurzeln in der deutschen Romantik mit ihrer Idealisierung des mediterranen Südens zu suchen sind. Solche Idealvorstellungen, die sich in einem Fragebogen natürlich nicht erfassen lassen, stellten sich in persönlichen Gesprächen mit den befragten Kollegen in einigen Fällen als das tatsächliche Hintergrundmotiv für die Migration heraus.

Unter den langfristig in Spanien tätigen deutschen Wissenschaftlern lassen sich bei den Gründen für ihre Migration zwei Gruppen unterscheiden: Mit einer Ausnahme gaben die befragten Personen übereinstimmend "persönliche Gründe" an oder erklärten noch expliziter: "wegen einer Partnerschaft", "wegen Heirat". Demgegenüber nannte nur ein Informant, der nach der Promotion als DAAD-Lektor nach Spanien ging, den Stellenmangel an deutschen Universitäten als Grund. Die Gruppe derjenigen, die aus privaten Gründen nach Spanien gekommen oder im Lande geblieben sind, überwiegt zahlenmäßig also stark gegenüber der "1-Mann-Gruppe", bei der allein berufliche Gründe zur Migration führten.

Die Interviews gaben auch Aufschluss über den Zeitpunkt der Emigration: Fast alle befragten Kollegen sind erst nach ihrem Studienabschluss in Deutschland nach Spanien gekommen, nur eine der befragten Personen hatte – schon verheiratet mit einem Spanier – an einer spanischen Universität studiert und an einer anderen promoviert. An der letzteren wurde sie zunächst als Lehrbeauftragte angestellt und später als "Profesora Titular" verbeamtet.

In Übereinstimmung mit der persönlichen Motivation ihres Aufenthaltes in Spanien hatten sich alle Kollegen – mit Ausnahme des ehemaligen DAAD-Lektors – von Spanien aus um ihre Stellen beworben und wurden hier in den Hochschuldienst aufgenommen. In zwei Fällen haben die Lehrverpflichtungen allerdings nur wenig mit dem

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absolvierten Studium tun: Es handelt sich um einen Romanisten und Historiker sowie um einen Vergleichenden Literaturwissenschaftler, die auf dem Gebiet der Hispanistik promoviert haben, nun jedoch im Bereich der Germanistik lehren.

Entgegen dem Heterostereotyp vom "integrationsoffenen" Südländer, das auf das Kollektivverhalten in Italien zutreffen mag, ist die Aufgeschlossenheit gegenüber Ausländern an spanischen Hochschulen nicht übermäßig groß. Auf Grund des geradezu sprichwörtlichen spanischen Stolzes werden von ausländischen Kollegen kommende konstruktive Vorschläge zur Verbesserung des Lehrbetriebs häufig als "Einmischung" oder gar "Bevormundung" disqualifiziert, besonders wenn es sich um neue Mitglieder des Lehrkörpers handelt. Hat sich der deutsche Kollege jedoch mit den gängigen Denk- und Kommunikationsmustern vertraut gemacht und ist bereit, das noch immer stark hierarchische Netzwerk von Beziehungen zu akzeptieren, das den Hochschulbetrieb bestimmt, so steht seiner Integration auf wissenschaftlich-beruflicher Ebene nichts mehr im Wege.

Auf Grund meiner langjährigen Mitgliedschaft in mehreren spanischen und internationalen Fachverbänden – u. a. der Spanischen Gesellschaft für Vergleichende Literaturwissenschaft, zu deren Vorstand ich seit 1999 gehöre – sowie meiner Tätigkeit als Mitherausgeberin der "Revista de Filología Alemana" (1993 ff.), der ersten spanischen Fachzeitschrift für Germanistik, und des Jahrbuchs "Humboldtiana: Rezeption deutscher Literatur und Kultur in Spanien" (1983 ff.), pflege ich intensive wissenschaftliche Kontakte zu meinen spanischen Fachkollegen. Die Befragungsergebnisse bestätigen, dass mein Fall keine Ausnahme darstellt: Alle Informanten betonen, dass sie in jeder Hinsicht – wissenschaftlich wie organisatorisch – mit allen Rechten und Pflichten in den Lehr- und Forschungsbetrieb ihres jeweiligen Instituts eingebunden sind: U. a. sind sie an der Curricula-Planung beteiligt, bekleiden akademische Ämter – einer der deutschen Kollegen ist bereits Fachbereichsleiter – und sitzen in Gremien akademischer Selbstverwaltung. Sie betreuen Magister- und Doktorarbeiten, zwei Kollegen gehören spanischen Fachverbänden an, und einige nehmen – wie bereits gezeigt – an Gruppenforschungsvorhaben teil, kurz: Die befragten deutschen Wissenschaftler in Spanien haben sich in einer für sie ungewohnten Hochschullandschaft mehr oder weniger befriedigend integriert.

Auch der Grad der gesellschaftlichen Integration, die in den Bereich der individuellen Lebensentscheidungen fällt, wird von allen befragten Kollegen positiv beurteilt. Diese weitgehend gelungene Integration ist den Befragungsergebnissen zufolge nicht zuletzt auf die persönliche Einbindung in eine Partnerschaft oder Ehe mit spanischen Partnern oder auf eine Familiengründung zurückzuführen, so dass die privaten Beziehungen zum gesellschaftlichen Umfeld im Gastland nicht besser sein könnten.

Angesichts dieser Akkulturation stellt sich die Frage einer Rückgliederung für manche Migranten überhaupt nicht mehr, selbst dann nicht, wenn die ursprünglichen persönlichen Bindungen zu einem spanischen Partner nicht mehr bestehen und die

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Betroffenen inzwischen wieder getrennt leben oder verwitwet sind. Auch in diesen beiden Fällen sind die wissenschaftlich-professionellen Bindungen offensichtlich so stark, dass sie trotz ihrer veränderten Lebensumstände in ihrem Gastland Spanien bleiben wollen, zumal die Berufsaussichten in Deutschland altersbedingt (49 bzw. 62 Jahre alt) nicht gerade rosig sind... Dabei werden die Kontakte zu Deutschland nach wie vor auch von den länger in Spanien lebenden deutschen Wissenschaftlern gepflegt, und die jährliche Aufenthaltsdauer im Heimatland schwankt zwischen 2 Wochen und 3 Monaten.

Eine der befragten Personen würde im Rahmen eines "Sabbaticals", das eine größere Mobilität und intensivere Zusammenarbeit mit deutschen Forschern erlaubt, eventuell eine Gastprofessur in Deutschland annehmen, muss aber erst einmal 25 Dienstjahre absolvieren.

Eine endgültige Rückkehr in die Bundesrepublik schließen manche der Befragten mit einem kategorischen "Nein" aus ihren Zukunftsplänen aus. Für den jüngsten Informanten (39 Jahre alt, 7 Jahre in Spanien) wäre es "aus familiären, kulturellen und beruflichen Gründen reizvoll, nach Deutschland zurückzukehren", ein anderer (49 Jahre alt, 22 Jahre in Spanien) schwankt und beantwortet die betreffende Frage mit "Jein", und nur für einen der interviewten Kollegen (51 Jahre alt, 17 Jahre in Spanien) käme eine endgültige Rückkehr "als Möglichkeit in Betracht", falls ihm eine vergleichbare Stelle angeboten würde. Bezeichnenderweise ist es gerade derjenige, der aus beruflichen Gründen nach Spanien gekommen war.

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3. Schlussfolgerungen und Ausblick

Zweifellos hat sich die spanische Gesellschaft in den letzten 25 Jahren, nach der Überwindung der Isolierung in der Franco-Zeit, stark verändert. Auf Grund des allgemeinen Konsenses darüber, dass der Demokratisierungsprozess nicht durch eine "Abrechnung" mit den Verantwortlichen der Diktatur gefährdet werden dürfe, blieben jedoch Machtstrukturen und pressure groups, z. B. ständische Korporationen, in zentralen Bereichen der Gesellschaft unangetastet – Korporationen, die noch heute als Lobbys fungieren und zu denen auch die Ordinarien der spanischen Hochschulen zählen.

Auf Grund dieser korporativen Interessen waren seit Beginn des 19. Jahrhunderts alle wie auch immer gearteten Versuche, das spanische Hochschulwesen "von innen" zu reformieren, zum Scheitern verurteilt, so dass die betreffenden Reformgesetze von den Politikern jeweils von außen, gewissermaßen über die Köpfe der Betroffenen hinweg, verabschiedet werden mussten. In dieser Beziehung unterscheidet sich die LOU keineswegs von früheren Hochschulreformen: Es handelt sich um ein von der Bildungsministerin, Pilar del Castillo, und ihren Beratern ausgearbeitetes eklektisches

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Modell. Bezeichnenderweise machte dieser Beraterstab Anleihen bei verschiedenen europäischen Hochschulrahmengesetzen, ohne die von der Reform Betroffenen zu konsultieren. Ob die in der LOU verankerten Zielsetzungen und strukturellen Erneuerungen allerdings rasch in die Praxis umgesetzt werden und damit zum besseren Funktionieren der spanischen Universitäten beitragen können, ist nicht zuletzt eine Frage der Finanzierung und des Umdenkens.

Der heikelste Aspekt dieses Gesetzeswerks ist sicherlich das Problem der Finanzierung. In keinem anderen Land der EU wird weniger Geld für Hochschulbildung ausgegeben als in Spanien: Nur 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind es gegenüber einem Durchschnitt von 1,5 Prozent in den westlichen Industrieländern. Daher fordern die spanischen Gewerkschaften eine Anhebung des Etats für die Hochschullehre und Forschung auf mindestens 1,6 % des Bruttoinlandsprodukts.

Über diesen Befund machen sich inzwischen auch Experten aus anderen Ländern der EU Gedanken, wie ein jüngst in der Wochenzeitung "Die Zeit" erschienener Artikel belegt. Die Autorin, Stefanie Müller, gibt ihrer Befürchtung darüber Ausdruck, dass José María Aznars eiserne Sparpolitik im Bereich der Bildung und Wissenschaft langfristig wohl zu Lasten der spanischen Wirtschaft gehen wird:

    "Spaniens Bildungsinvestitionen liegen um 40 % unter dem EU-Durchschnitt – das öffentliche Schulsystem ist kaum noch zu finanzieren, viele Unternehmen bemängeln die schlechte Ausbildung an den Universitäten. Der geringe Stellenwert von Forschung und Entwicklung hat Spanien zudem bei der Produktivität weit zurückgeworfen – nur Portugal und Griechenland stehen innerhalb der EU noch schlechter da."[Fn_46]

Falls nicht mehr Mittel für die Hochschulbildung bereitgestellt werden,[Fn_47] besteht die Gefahr, dass sich mit der LOU ein duales Bildungssystem in Spanien einschleicht: Die mittellosen staatlichen Hochschulen werden bald den überproportionalen Studentenzustrom infolge struktureller Unterbesetzung nicht mehr bewältigen können und gezwungen sein, in verschulten Massenvorlesungen das akademische "Fußvolk" auszubilden, welches das Studium oft nur als eine Warteschleife vor der Arbeitslosigkeit (40 % der Jugendlichen) ansieht. Die vom Staat in der LOU begünstigten Privatuniversitäten könnten sich zu Einrichtungen wie "Oxbridge" in England oder den "Grandes Écoles" in Frankreich entwickeln, die nur eine zahlungskräftige Elite auf künftige Spitzenpositionen vorbereiten.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre m. E. durch eine andere Art von "Dualisie-

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rung" möglich: ein duales System der Berufsausbildung mit einer gezielten Förderung der Berufsschulen, die den Ansturm auf die Hochschulen bremsen könnten. Da ein solches in Spanien bisher nicht existiert, studieren selbst Optiker, Physiotherapeuten und Krankenschwestern an der Universität und kommen zwar theoretisch gebildet, praktisch aber weitgehend unerfahren in den Beruf. Daher sind in Spanien auch prozentual doppelt so viele Studenten wie in Deutschland immatrikuliert, weil hier mittlere Ausbildungsmöglichkeiten wie in der Bundesrepublik gänzlich fehlen. Eine solche berufspraktische Ausbildung könnte die spanischen Universitäten entlasten und gleichzeitig auch als Modell für eine praxisorientierte, effizientere Hochschulausbildung dienen. Desiderat wäre eine Universität, die sich nicht nur als Selbstverwaltungsmodell, sondern auch als Dienstleistungsbetrieb, nicht nur als Hort akademischer Freiheit, sondern auch als marktorientierte Lehr- und Forschungs-GmbH wie in den Niederlanden versteht.[Fn_48] Sie sollte sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft stellen, die Diskussion mit der Öffentlichkeit suchen und zu zentralen Themen der Politik, Wirtschaft und Kultur Stellung nehmen. Dies ist zumindest die Wunschvorstellung der Väter des neuen Hochschulrahmengesetzes, und daher haben sie den "Consejo Social" geschaffen, der das wichtigste Verbindungsglied zwischen Hochschule und Gesellschaft darstellt: Dieser "Gesellschaftsrat", dem außer dem Rektor und zwei weiteren Universitätsvertretern Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens angehören, hat nämlich vor allem die Aufgabe, die Beziehungen zwischen der Universität und der breiten Öffentlichkeit zu fördern.

Umdenken bedeutet nicht zuletzt: Steigerung der Leistungsbereitschaft, Mobilität von Professoren und Studenten sowie Harmonisierung des spanischen Bildungssystems mit dem anderer EU-Staaten. Wenn dies gelingt, werden die spanischen Hochschulen zweifelsohne auch für ausländische Wissenschaftler und Studenten an Attraktivität gewinnen.

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    [Fußnoten]

    1. - Fast ein Drittel dieser Hochschulen sind erst in den letzten zehn Jahren gegründet worden; 48 davon sind staatlich, 10 privat, und 6 unterstehen der Katholischen Kirche. In Madrid gibt es insgesamt 12 Universitäten, in Barcelona 7. Quellen: Website des Rechenzentrums der Universität Alicante (Stand: 5. Juni 2001) sowie eine Liste der Universitäten im Netz spanischer Forschungseinrichtungen (rediris.es) (Stand: März 2002).

    2. - Quelle: Deutsche Botschaft (Stand: November 2001). Daneben existieren noch einige "freie", in der Regel zeitlich begrenzte Lektorate mit Lektoren von deutschen Partneruniversitäten.

    3. - Germanistik an Hochschulen in Spanien: Verzeichnis der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer in Spanien, Zusammenstellung Monika Guttack, DAAD 1997. Germanistik und Deutsch an den spanischen Hochschulen: Institute, Lehrkräfte und Studenten, zusammengestellt von Luis Acosta, Asociación Madrileña de Germanistas, 1997 (Neuauflage demnächst).

    4. - Meines Wissens gibt es nur einen unerheblichen Prozentsatz von Nicht-Germanisten unter den deutschen Wissenschaftlern an spanischen Universitäten: Dazu gehört der ehemals an der UCM lehrende und 1998 verstorbene Jurist Manfred v. Schiller oder der Wirtschaftswissenschaftler Albrecht Ritschl, der von 1994-1999 als Professor an der Pompeu Fabra-Universität in Barcelona lehrte, und ein Historiker an der Universität des Baskenlandes in Vitoria, dessen Namen ich jedoch nicht ermitteln konnte.

    5. - C4-Professuren deutscher Wissenschaftler gibt es meinen Nachforschungen zufolge – zumindest im Bereich der Germanistik – an spanischen Hochschulen bisher nicht.

    6. - Zur Geschichte der spanischen Hochschule cf. die fundierte Untersuchung des Rechtshistorikers Mariano Peset und des Medizinhistorikers José Luis Peset, La Universidad Española (Siglos XVIII y XIX): Despotismo Ilustrado y Revolución Liberal, Madrid 1974.

    7. - Cf. Wilhelm Voßkamp, Bildung ist mehr als Wissen: Die Bildungsdiskussion in historischer Perspektive, in: AvH-Mitteilungen 76 (2000), S. 31-40.

    8. - In der von mir betreuten unveröffentlichten Magisterarbeit von María Solana Quesada, Comparación de los sistemas universitarios español y alemán (2000), wird ein systematischer Vergleich zwischen dem heutigen spanischen und deutschen Hochschulsystem betr. Zulassungsbestimmungen, Hochschultypen, Fächertypen, Evaluierung der Studienleistungen, Lehrbetrieb, Abschlüssen und universitären Einrichtungen durchgeführt.

    9. - Cf. die maschinenschriftliche Fassung des gleichnamigen Vortrags von Wolfgang Treue (1977) sowie die mündlichen Informationen von Diego Núñez; ausführlicher in: D. Núñez, La mentalidad positiva en España: desarrollo y crisis, Madrid 1975 (21986).

    10. - Der Ortega-Kreis, zu dem neben José Ortega y Gasset auch Julián Besteiro, Fernando de los Ríos, Eloy Luis André, Agustín Viñales Pardo, Rafael Sánchez de Ocaña y Fernández, Manuel García Morente, Ramón Pérez de Ayala, José Mingarro San Martín, Juan Bautista Terrassa Pugés, Juan Francisco Yela Utrilla und Antonio Linares Herrera gehörten.

    11. - Bei der Übertragung der spanischen Bezeichnungen wurden in terminologischen Zweifelsfällen zwei Fachwörterbücher zur Hochschulterminologie zu Rate gezogen: das vom DAAD herausgegebene Wörterbuch "Begriffe aus Wissenschaft und Hochschule (Deutsch - Spanisch) / Terminología de la Enseñanza Superior (Español - Alemán)", Bonn, 21994, sowie das vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur edierte "Terminologiewörterbuch Hochschulwesen, Bd. 3: Deutsch - Spanisch [auch: Spanisch - Deutsch]", Wien 2000. In vielen Fällen konnten die terminologischen Fragen durch Konsultation der beiden Wörterbücher jedoch nicht gelöst werden. Entweder waren die betreffenden spanischen Begriffe mit ihren deutschen Entsprechungen gar nicht verzeichnet, oder es handelte sich um freie, teilweise eindeutig falsche Übersetzungen. Als gravierendes Beispiel sei der zentrale hochschulrechtliche Fachbegriff "oposición" angeführt, der in "Begriffe..." überhaupt nicht aufgenommen ist und im "Terminologiewörterbuch" (S. 127) nicht als "staatliche (Wettbewerbs)-Prüfung zur Verbeamtung", sondern völlig unzutreffend als "Einspruch" übersetzt wurde.

    12. - Bei der Namensgebung der in den siebziger Jahren – also noch in der Franco-Zeit – gegründeten drei "Universidades Autónomas" in Madrid, Barcelona und Bilbao handelte es sich lediglich um Vokabelkosmetik von Seiten des Regimes: Diese neuen Universitäten waren nämlich bezüglich Finanzierung, Lehrplänen, Ernennungsmodalitäten usw. genauso fest ins zentralistische, dirigistische spanische Hochschulsystem eingebunden wie die damals schon bestehenden "traditionellen" Hochschulen.

    13. - El Mundo, 2.2.1999.

    14. - In dem 106-seitigen, von der Universität Santiago de Compostela ausgearbeiteten zweispaltigen Vergleich zwischen den einzelnen Artikeln der "Ley de Reforma Universitaria" und denen des "Anteproyecto de Ley Orgánica de Universidades" vom 4.5.2001 kommen die Unterschiede zwischen beiden Gesetzestexten deutlich zum Ausdruck. Quelle: Website der Universität Santiago de Compostela.

    15. - Vergleicht man diese spanischen Reformziele mit den Reformvorschlägen der deutschen Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, in ihrer Informationsschrift "Mut zur Veränderung: Deutschland braucht moderne Hochschulen. Vorschläge für eine Reform", Bonn, April 1999, so sind erstaunliche Parallelen festzustellen, z. B.: "Eine regelmäßige Evaluierung von Forschung und Lehre muss selbstverständlich werden" (S. 2), "Qualität in Lehre und Forschung" (S. 8), "Neugestaltung des Qualifikationswegs des wissenschaftlichen Nachwuchses bis hin zur Professur" (S. 9), "Forschung durch Kooperation stärken" (S. 16) und "Wissenschaft muss sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen" (S. 9).

    16. - ABC, 22.9.2001.

    17. - Joan Tugores in: La Vangardia, 21.9.2001; José María Aznar in: La Vangardia, 20.9.2001.

    18. - El País, 27.9.2001.

    19. - ABC, 25.9.2001.

    20. - El Mundo, 28.2.2002.

    21. - El Mundo, 8.2.2002.

    22. - Nach einer im Oktober 2001 veröffentlichten Studie über die Qualität von Lehre und Forschung an den staatlichen Universitäten in Spanien steht die größte Universität des Landes bezeichnenderweise auf Platz 2, nach der Universidad Autónoma in Barcelona, cf. "Gaceta Complutense", 5.3.2002, S. 3.

    23. - Quelle: Guía de la Universidad Complutense 2001-2002, Madrid 2001, S. 21.

    24. - Allein das Grundgehalt (ohne Berücksichtigung der Familienzuschläge) der Professoren in Deutschland bewegt sich z. Z. (Stand: 1.1.2000) zwischen 6 210 DM (C 2, 6. Alterstufe, ca. 31 Jahre) und 11 110 DM (C 4, 15. Alterstufe, ca. 49 Jahre und älter); bei Professoren der Besoldungsgruppe C 4 kann diese Bandbreite je nach "Berufungsgewinn" nicht unerheblich ausgedehnt werden (Quelle: Bericht der Expertenkommission "Reform des Hochschuldienstrechts", verabschiedet am 7. April 2000, S. 37). Auch im Ruhestand liegen die Bezüge verbeamteter Hochschullehrer in Spanien weit unter den Gehältern ihrer emeritierten Kollegen in Deutschland: Nach 35 Dienstjahren darf die monatliche Pension eines "Catedrático" oder "Profesor Titular" 1 500 Euro nicht übersteigen. Vgl. zur Situation in Portugal der Beitrag von F.-W. Heimer, unten S. 157, Anm. 3.

    25. - Da die LOU lediglich den gesetzlichen Rahmen für die Hochschulreform steckt, keineswegs jedoch ihre Finanzierung sicherstellt, lässt die Realisierung der neuen Richtlinien wohl noch einige Monate, vielleicht sogar 1-2 Jahre, auf sich warten. Diese Vermutung wird durch einen Beschluss der Regionalregierung der Autonomen Region Madrid vom 7. Februar 2002 bestätigt, nach dem der Status quo bei der Stellenbesetzung bis auf weiteres beibehalten wird (BOE, 11.2.2002).

    26. - El País, 28.3.1995.

    27. - Englisch, Deutsch, Schwedisch, Norwegisch; Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Galicisch, Katalanisch; Griechisch; Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Serbokroatisch; Finnisch; Türkisch; Arabisch; Hindi, Chinesisch, Japanisch; Suaheli.

    28. - Der Hochschulbetrieb liegt übrigens nicht nur Gesetzgebern und Reformern am Herzen, sondern ist inzwischen auch zum Gegenstand von Romanfiktionen avanciert: Sechs Jahre, nachdem in Deutschland Dietrich Schwanitz' Romanbestseller "Der Campus" (Frankfurt/M. u.a. 1995; Taschenbuchausgabe München 1996) erschienen ist, jene geistreich-vergnügliche bis sarkastische Uni-Persiflage, die von Sönke Wortmann sogar fürs Kino verfilmt wurde, ist nun ein spanisches Pendant veröffentlicht worden: Francisco Parra Lunas Roman "Campus adentro" (Drinnen auf dem Campus, Madrid 2001), ein heiteres bis kritisch-seriöses Genrebild des Unibetriebs, verbunden mit einem Plädoyer für mehr Rationalität und Gerechtigkeit in dieser intellektuellen Institution par excellence.

    29. - Dieser Gesetzentwurf ist nicht zuletzt als Reaktion auf das schlechte Abschneiden des spanischen Bildungssystems in der Pisa-Studie zu verstehen. Wie in Deutschland brachte "Pisa 2000" auch in Spanien die gegenwärtige Schulmisere und den Bildungsnotstand in der Konsum- und Spaß-Gesellschaft an den Tag.

    30. - 1 "Crédito" = 10 Vorlesungs- oder Seminarstunden. Nach dem erfolgreichen Abschluss einer Lehrveranstaltung erhält der Studierende einen Schein mit der Zensur und den für die betreffende Veranstaltung vorgesehenen Studienpunkten. Sobald die für den Studiengang benötigten Punkte akkumuliert sind, wird ein Zeugnis mit dem entsprechenden Studienabschluss ausgestellt. Mit diesem Verfahren entfällt eine Abschlussprüfung am Ende des Studiums.

    31. - BOE, 20.7.2001. Den Curricula-Reformprozess habe ich gewissermaßen hautnah miterlebt, da ich im Jahre 1993 als Vertreterin des Fachbereichs "Deutsche Philologie" an der Entwicklung des neuen Studienganges "Übersetzungswissenschaft" beteiligt war.

    32. - Inzwischen wurden an der UCM bereits 77 neue Studienpläne erneut "reformiert", wobei die Zahl der "Créditos" in den einzelnen Pflicht- und Wahlfächern zur Entlastung der Studenten drastisch reduziert wurde (maximal 345 "créditos", 207 davon im Grundstudium und 138 im Hauptstudium), wie es im Königlichen Erlass des Jahres 1998 vorgesehen ist (Real Decreto 778/1998; Gaceta Complutense, 5.6.2001, S. 9).

    33. - An der UCM schließen nur 34 % der Immatrikulierten ihre Hochschulausbildung in den von den Curricula vorgesehenen Zeiträumen ab; 9 % brechen ihr Studium bereits im ersten Studienjahr ab, 19 % schaffen keinen Studienabschluss, und 47 % bestehen die Semesterabschlussprüfungen mit Verspätung – im Falle der Fachrichtung "Deutsche Philologie" beläuft sich die Wiederholerquote sogar auf 63 %! (Gaceta Complutense, 19.2.2002, S. 2-3.)

    34. - Gaceta Complutense, 5.2.2002, S. 9.

    35. - Cf. DAAD (Hg.), Undergraduate, Graduate und Postgraduate Degree Programmes in English and German. International Courses in Germany. Edition 2000, Bonn 42000.

    36. - Im Falle des "Magister Universitario de Traducción" des Postgraduierten-Hochschulinstituts für Übersetzungswissenschaft müssen z. B. 54 "Credits" absolviert werden (cf. Informationsblatt des Instituts zum Lehrprogramm 2001/2003).

    37. - Quelle: Die am 17.1.2001 veröffentlichte und für das Hochschuljahr 2001/2002 gültige "Normativa de las Titulaciones propias de la Universidad Complutense" (Hochschuleigene Studienabschlüsse der Madrider Universität Complutense).

    38. - Bezeichnenderweise sind die beiden wissenschaftlichen Tätigkeiten Lehre und Forschung institutionell getrennt, d. h. zwei verschiedenen Ministerien unterstellt: die Lehre dem Erziehungsministerium die Forschung dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie.

    39. - Gaceta Complutense, 20.3.2002, S. 2.

    40. - El País, 19.9.2001.

    41. - Die "Lehrverpflichtungen" von Hochschullehrern mit einer vollen Stelle belaufen sich auf insgesamt 36 Wochenstunden, wobei 9 Stunden auf die eigentlichen Lehrveranstaltungen entfallen, die restlichen für deren Vorbereitung und die Betreuung der Studenten in Tutorien und Sprechstunden, aber auch für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben vorgesehen sind.

    42. - An manchen spanischen Universitäten sind verbeamtete Hochschullehrer inzwischen berechtigt, nach 25 Dienstjahren ein "Año sabático" ("sabbatical") zu beantragen. Dieses vorlesungsfreie Jahr bietet erstmals die Möglichkeit, ein längeres Forschungsprojekt in Spanien oder im Ausland durchzuführen.

    43. - Seit 1994 werden diese spärlichen Mittel nicht mehr den einzelnen Lehrenden entsprechend den erbrachten Forschungsergebnissen zur Verfügung gestellt, sondern den Fachbereichen zugeteilt, deren Mitglieder im Jahresbericht quantitativ und qualitativ überdurchschnittliche Forschungsleistungen nachweisen können. Der Fachbereich sorgt dann für eine "proportionale" Verteilung der Forschungsmittel unter den einzelnen Wissenschaftlern.

    44. - DAAD (Hg.), Studium und Forschung in Deutschland: Förderungsmöglichkeiten für ausländische Hochschulangehörige (Ausgabe 2001/2002), Bonn 2000, S. 26.

    45. - Inzwischen abgelehnt, cf. Demm, oben, Anm. 21 auf SS. 14.

    46. - Stefanie Müller, Schatten im Sonnenland, in: Die Zeit, 27.3.2002, S. 27.

    47. - In dieser Hinsicht könnte sich Spanien ein Beispiel an seinem Nachbarland Portugal nehmen, das seit seinem EU-Beitritt einen guten Teil der Mittel, die ihm aus den Strukturfonds zufließen, auf Bauten und Ausstattung von Hochschulen sowie auf wissenschaftliche Forschung (Promotions- und post-doc-Stipendien, Projekte) verwendet; cf. Franz-Wilhelm Heimer, unten S. 157.

    48. - Cf. den Beitrag von Rainer Fremdling, oben S. 72.



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