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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 71]



Rainer Fremdling
Migrantenerfahrungen und deutsche Universitätsreform,
Vorschläge aus niederländischer Sicht I


Einleitung

Mein Beitrag fasst einige Hauptmerkmale des niederländischen Universitäts-wesens zusammen, die meine Frau (Barbara Fremdling) und ich aufgestellt haben, um Studenten aus Deutschland für ein Studium in den Niederlanden (Groningen) zu werben. Der Text war ursprünglich (1999) auf die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät zugeschnitten, jedoch werden die für die Universität allgemein geltenden Kennzeichen, die das Studium in Groningen und wohl auch insgesamt in den Niederlanden mit der Situation in Deutschland kontrastieren, noch im Jahr 2001 in dem offiziellen deutschsprachigen Universitätsführer der Universität Groningen veröffentlicht. Meine Frau und ich sind mitverantwortlich für den Text.[Fn_1]

Vorweg muss ich betonen, dass sich zurzeit nicht mehr alle Merkmale, die vor dem Hintergrund des deutschen Hochschulwesens holzschnittartig-kontrastierend herausgearbeitet wurden, noch stets in dieser Eindeutigkeit als Gegenmodell von Deutschland abheben. So gibt es inzwischen auch an vielen deutschen Universitäten das angelsächsische "Credit Point System" (Bonuspunkte) mit einem kumulativen Studienabschluss. Überdies wird die Einführung der Bachelor/Master-Struktur beide Systeme natürlich stärker aneinander rücken. Im Augenblick ist mir noch nicht ganz klar, wie sich damit das niederländische Hochschulwesen verändern wird.

Im Folgenden nun umreiße ich das niederländische Universitätswesen vor allem auf das Studium, die erste Ausbildungsphase, bezogen. Dabei gehe ich besonders auf die Merkmale ein, die sich in meinen Augen vom deutschen abheben, und aus denen sich Vorschläge für die deutsche Universitätsreform ableiten lassen.

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1. Erste Ausbildungsphase

1.1. Wirtschaftlicher Anreiz für eine studentenorientierte Studiengestaltung

Niederländische Universitäten müssen sich auch wirtschaftlich wie Unternehmen am Markt behaupten. Denn anders als in Deutschland stehen in den Niederlanden die Hochschulen mit ihren Fakultäten im Wettbewerb miteinander. Und das hat handfeste Folgen: Der niederländische Staat verteilt sein Geld nämlich nicht nach dem Gießkannenprinzip über alle Hochschulen, sondern bemisst seine Finanzierung streng nach dem Output und der Produktivität der einzelnen Fakultäten. In ihrer Leistung, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre, werden sie folglich ständig gemessen, miteinander verglichen und von außenstehenden Kommissionen evaluiert. Wichtiger Maßstab im Bereich der Lehre ist die Anzahl der erfolgreichen Studenten. Für jeden Studenten, der bei uns sein Examen ablegt, erhält der betreffende Fakultätshaushalt Staatsmittel. Diese Sicherung oder gar Steigerung der Einnahmen bildet einen hohen wirtschaftlichen Anreiz, eine wachsende Zahl von Studenten zum Studienabschluss zu führen. Mit aus diesem Grunde ist den Fakultäten stark am Erfolg ihrer Studenten gelegen. Um diesen Erfolg zu erzielen, muss das anspruchsvolle wissenschaftliche Studium so gestaltet werden, dass es zu schaffen ist, studentenorientiert also.

1.2. Studienplatzgarantie

Nur wenige Studien in den Niederlanden unterliegen einer Zugangsbeschrän-kung (Numerus clausus) oder einem Umverteilungsverfahren. In Groningen sind zurzeit nur Humanmedizin und Zahnmedizin davon betroffen. Studenten, die sich für einen der (in Groningen) fast siebzig übrigen Studiengänge entscheiden, studieren also ihren Studiengang ohne Wartezeit, ohne Ungewissheit, ohne Abschiebung an einen anderen Studienort.

1.3. Studienfinanzierung

In den Niederlanden sind Studiengebühren von gegenwärtig rund 1 330 Euro pro Jahr selbstverständlich. Darin könnte ein Grund für die gute materielle und personelle Ausstattung der hiesigen Universitäten liegen.

Fast alle niederländischen Studenten erhalten ein Stipendium vom nieder-ländischen Staat, das im wesentlichen unabhängig vom Einkommen der Eltern ist. Es wird teilweise in Form eines verzinsbaren Darlehens gewährt. Nur bei Studenten, die ausreichende Leistungen erbringen, wird auf die Rückzahlung des Darlehens ganz oder teilweise verzichtet.

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Der Fortschritt im Studium wird an zwei Zeitpunkten gemessen: das erste Mal ein Jahr nach Beginn der Stipendienauszahlung und das zweite Mal zehn Jahre später. Im ersten Jahr der Stipendienauszahlung müssen die Studenten die sogenannte Leistungsnorm von 21 Studienpunkten erreichen, um den Teil des Stipendiums, den sie in diesem Jahr in Form eines verzinsbaren Darlehens erhielten, in eine nichtrückzahlbare Zuwendung umzuwandeln. Nach zehn Jahren wird geprüft, ob die Studenten ihr Studium inzwischen abgeschlossen haben. In diesem Fall wird das Darlehen vom zweiten Stipendienjahr bis zum Ende der für den betreffenden Studiengang festgesetzten Regelstudienzeit entsprechend umgesetzt. Stipendien, die Studenten für die Zeit nach Ablauf dieser Regelstudienzeit erhalten, bleiben also verzinsbare Darlehen. Das Stipendium kann sich aus folgenden vier Teilen zusammensetzen: 1. Basisstipendium, 2. Aufstockungsstipendium, 3. Verzinsbares Darlehen zur Ergänzung und 4. Freifahrtkarte für öffentliche Verkehrsmittel. Die Höhe des Basisstipendiums bemisst sich nach der Wohnsituation: Im Elternhaus wohnende Studenten erhalten weniger als außerhalb wohnende. Der Anspruch auf ein Aufstockungsstipendium hängt vom Einkommen der Eltern ab. Ob dieses Stipendium in eine nichtrückzahlbare Zuwendung umgewandelt wird, ergibt sich aus dem Studienfortgang. Neben dem Basisstipendium und gegebenenfalls dem Aufstockungstipendium hat der Student zur Ergänzung Recht auf ein verzinsliches Darlehen, das allerdings niemals in eine nichtrückzahlbare Zuwendung umgewandelt wird. Die Zeit, für die ein Stipendium beansprucht werden kann, ist einige Jahre länger (zurzeit sind es drei Jahre) als die offiziell für den betreffenden Studiengang veranschlagte Regelstudienzeit. Stipendien für Zeiten jenseits der Regelstudienzeit werden nur als verzinsliche Darlehen vergeben.

1.4. Gewichtung der Studienleistungen

Das am 1. September beginnende Studienjahr wird demnächst wieder in Semest-er und je nach Fachbereich in noch weitere Blöcke aufgeteilt. In einem solchen Block besuchen die Studenten Lehrveranstaltungen verschiedener Fächer. Am Ende einer jeden Phase schließen sie alle besuchten Lehrveranstaltungen mit einer (wiederholbaren) Prüfung ab, die für den Studienabschluss zählt. Nach der drei- bis vierwöchigen Prüfungszeit setzen sie ihr Studium in einer neuen Phase von Lehrveranstaltungen und Hausarbeit fort.

Die Gewichtung geht davon aus, dass der Student 42 Wochen im Jahr hauptberuflich studiert und pro Woche dafür 40 Stunden aufwendet. Jede Lehrveranstaltung wird nach dem Arbeitsaufwand, gemessen in vollen Arbeitswochen, gewichtet. Im Hauptstudium (also die Jahre nach der zumeist einjährigen Einführung) ist eine Spezialvorlesung z. B. mit 6 Arbeitswochen und ein Hauptseminar mit 8 Arbeits-

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wochen angesetzt, obwohl die betreffenden Veranstal-tungen parallel nebeneinander faktisch über ein ganzes Semester verteilt sind. Eine Arbeitswoche ist das Äquivalent eines Studienpunktes, der für das Examen zählt. Die Regelstudiendauer ist gegenwärtig in den meisten Studiengängen auf vier Jahre (oder 168 Studienpunkte) normiert, und der Student erreicht diese 168 Punkte im allgemeinen nach fünf Jahren. In Deutschland ist die durchschnittliche Verweildauer an den Universitäten bekanntermaßen weit höher. Grob gerechnet entspricht ein niederländischer Studienpunkt 1,5 ECTS des demnächst europaweit einzuführenden Punktesystems ("European Credit Transfer System"). Bei der klaren Strukturierung und feststehenden Gewichtung jeder einzelnen Lehrveranstaltung kann der Student sein Studium zeitlich von Beginn an in jedem Einzelschritt bis zum absehbaren Ziel klar überschauen, planen und steuern. Das halte ich für ausgeprägt studenten-orientiert.

1.5. Lernpsychologische Aufteilung des Stoffes

Die breit angelegte Einführungsphase macht die Studenten mit allen wissenschaftlichen Teildisziplinen und fachspezifischen Arbeitsmethoden vertraut. In vielen Studiengängen nimmt diese Einführung rund ein Jahr ein. Bei diesem verpflichtenden Grundprogramm werden die Studenten intensiv betreut und haben kaum noch eigene Wahlmöglichkeiten. Diese ein wenig schulmäßig anmutende Studieneinführung schützt die (in den Niederlanden deutlich jüngeren) Abiturienten davor, sich hilflos einem Berg aufgetürmten Wissens ausgesetzt zu sehen. Vielmehr werden ihnen die ersten Schritte für den weiteren Aufstieg – ein bisschen schulmäßig – geebnet. Die niederländischen Universitäten wollen und brauchen, wie gesagt, erfolgreiche Studenten. Im Verlauf des Studiums werden den Studenten von Jahr zu Jahr immer mehr Wahlmöglichkeiten zwischen zahlreichen Studienvarianten eingeräumt. Und innerhalb der eingeschlagenen Variante können die Studenten sich aus bestimmten Wahlpflichtfächern und reinen Wahlfächern ihr eigenes Fächerspektrum zusammenstellen. Wie ein Fächer breitet sich das Studium nach dem verpflichtenden Grundstudium zu immer größerer akademischer Freiheit aus. In stets wachsender Selbsttätigkeit konzentrieren sich die Studenten auf die Spezialgebiete, die ihnen liegen.

Manche Studiengänge ermöglichen hochmotivierten Studenten schon die weitgehend freie Gestaltung des Studiums und eine frühe Mitwirkung an der wissenschaftlichen Forschung, sobald sich ihre Eignung dazu abzeichnet.

Diese Entwicklung vom breiten Pflichtprogramm für alle Studenten eines Studienganges zur individuellen Vertiefung des Stoffes eigener Wahl halte ich für ausgeprägt studentenorientiert.

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1.6. Kumulativer Studienabschluss

Die propädeutischen Fächer bilden die schwerste Hürde des Studiums. So wirkt bereits die Basisphase zu Beginn selektiv. Als Faustregel gilt: Wer die Einführung schafft, wird das Studium insgesamt erfolgreich abschließen. In die Anfangsphase unausweichliche Hürden einzubauen, mag hart erscheinen. Doch erspart dieser Aufbau den Studenten, denen das eingeschlagene Studium nicht liegt, spätere Enttäuschungen. Auch diese frühzeitige Selektion kann man deshalb als studenten-orientiert interpretieren.

Es gibt keine Abschlussprüfung am Ende des Studiums, sondern die Studenten bestehen das Examen kumulativ mit jeder Lehrveranstaltung, die sie erfolgreich abschließen. Die Teilnahme an allen Kursen, auch an Vorlesungen, wird geprüft und zensiert. Durch die Aufteilung in Teilexamen – über das gesamte Studium hin verteilt – wird folgendes erreicht:

Erstens entfällt der Examensdruck am Ende des Studiums;

zweitens lässt sich die Erarbeitung des Prüfungsstoffes nicht jahrelang hinausschieben, sondern muss kontinuierlich erfolgen;

drittens sichert die zeitliche Kopplung der Prüfung an die Lehrveranstaltung eine gezielte Vorbereitung;

viertens machen die nachvollziehbaren Bewertungen aller Einzelprüfungen das Gesamtexamen planbar und berechenbar.

Im Prinzip können die Studenten diese Prüfungen, so oft sie wollen, wiederholen; faktisch so lange, wie sie ihr Studium und ihren Lebensunterhalt finanzieren können.

Nach dem erfolgreichen Abschluss einer Lehrveranstaltung (Prüfung) erhält der Student einen Schein mit der Zensur und den für die Veranstaltung vorgesehenen Studienpunkten. Wenn mit allen Scheinen zusammen die für den Studiengang benötigten Punkte akkumuliert sind, wird dem Studenten sein Zeugnis in niederländischer und lateinischer Ausfertigung im Rahmen einer kleinen Zeremonie in einer persönlichen Atmosphäre überreicht.

So lange das Bachelor-Master-Modell noch nicht eingeführt ist, erhalten die meisten Studenten damit den niederländischen akademischen Grad "drs" (Diplom, Magister), der ursprünglich den Status als "Doctorandus" bezeichnete und die formelle Zulassung zur Promotion verlieh. Schon lange hat er sich verselbständigt und wird – anders als in Deutschland – sogar häufig als Titel zusammen mit dem Namen geführt.

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1.7. Menschliches Maß gegen Masse

Als Faustregel gilt: Im fortschreitenden Prozess der Spezialisierung und Individualisierung, beginnend im 2. Studienjahr, vor allem aber im 3. und 4. Jahr, schrumpft die Gruppengröße. Hauptseminare zählen oft nur 15 bis maximal 30 Studenten, und Oberseminare für Abschlusskandidaten und Doktoranden haben 6 bis 8 Teilnehmer. Schon im ersten Studienjahr werden die Studenten intensiv betreut. Einführungsvorlesungen werden zwar auch bei uns oft in großen Gruppen abgehalten, doch für die begleitenden Veranstaltungen teilen sich diese Gruppen auf. Erstens gehören zu den Vorlesungen Übungen mit etwa 35 Studenten, in denen der dozierte Stoff und die Pflichtliteratur in zu Hause vorzubereitenden Aufgaben besprochen wird. Zweitens kommen die Studenten zur Gruppenarbeit regelmäßig zusammen, wo sie, von Dozenten betreut, Gruppenaufgaben mit nicht mehr als 6 Studenten erarbeiten. Drittens erhält in vielen Studiengängen jeder Student einen Dozenten als Mentor, mit dem in Gruppen von etwa 12 Studenten kleinere praktische Aufgaben und Techniken erlernt werden, die nicht unmittelbar an die Lehrveranstaltungen gekoppelt sind. Hier wird auch der Studienfortgang besprochen. Der Dozent ist hier nicht in erster Linie Experte seines Fachgebietes, sondern Betreuer des einzelnen Studenten.

1.8. Selbsttätigkeit, Praxisnähe und neuester Forschungsstand

Vielfältige Arbeitsweisen sind darauf gerichtet, dass der Student zunehmend sein Studienprogramm selbst mitgestaltet. Praktische Fertigkeiten wie Berichte schreiben, Zusammenarbeit im Team und Präsentation eines Themas werden in Gruppen trainiert. Unabhängig vom Studiengang unterhalten die Universitäten feinmaschige Netze zur Betreuung, Beratung und zum Training verschiedener Fertigkeiten für ihre Studenten.

In vielen Studiengängen (Wirtschaftswissenschaften, Medizin...) ist das Studium ausgeprägt praxisorientiert. Das Erlernte wird auf "case studies" (Fallstudien) angewendet. Die Examensarbeit geht häufig aus einem Betriebspraktikum hervor. Das Praktikum ist dann Teil des mit Punkten bewerteten Studienprogramms. In Vorbereitung sind sogar noch weitergehende Studienpläne wie das "duale" Lernen. Darin werden Studenten von großen Unternehmen, Staatsbehörden oder einem Forschungsinstitut "adoptiert", um so wissenschaftliches Lernen mit praktischer Anwendung zu verbinden.

Zweifellos ebnet diese Praxisverbundenheit mit anwendungsbezogenen Lehrinhalten und Methoden einen reibungslosen Übergang ins Berufsleben, von der sowohl die Wirtschaft als auch die Hochschulabsolventen profitieren. Zuweilen kommt es mir allerdings so vor, als schwappten in dieser hohen Flexibilität bloße

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Modewellen hoch. Ernster zu nehmen ist jedoch ein Einwand, den gegenwärtig in Groningen vor allem Studenten erheben: danach räume die Praxisorientiertheit der Wirtschaft einen zu großen Einfluss auf Lehre und Forschung ein.

Mehr noch als in Deutschland führen viele Studiengänge die Studenten durch das Studium der (häufig englischsprachigen) Originalliteratur an den neuesten Forschungsstand heran. Man wartet also nicht ab, bis die neuen Forschungs-ergebnisse – viel später erst – ihren Niederschlag in didaktisch aufbereiteten Lehrbüchern finden. Zunehmend ist in einzelnen Lehrveranstaltungen und in ganzen Schwerpunkten bis hin zu vollständigen Studiengängen nicht mehr Niederländisch, sondern Englisch Unterrichtssprache.

2. Zweite Ausbildungsphase

(oder nach Einführung der Bachelor-Master-Struktur: dritte Phase)

Gemeint ist die Promotion. Doktoranden erhalten in der Regel ein zeitlich auf vier Jahre befristetes Gehalt (einschließlich der Sozialabgaben). Das Gehalt der niederländischen Forschungsgemeinschaft für einen "Onderzoeker in Opleiding" (OIO) oder das Gehalt eines "Assistenten in Opleiding" (AIO) ist mit einem jährlich von 3 159 bis 4 511 Gulden gestaffelten Monatsgehalt deutlich höher als in Deutschland. In der Regel sind die Doktoranden in Forschungskollegs ("Onderzoekscholen") eingebunden, in denen sie vor allem im ersten Jahr Kurse/Kolloquien auf hohem Niveau absolvieren. Zumeist finden diese Kurse auf nationaler Ebene statt, d. h. Doktoranden eines Faches aus den ganzen Niederlanden treffen sich dazu. Die Forschungskollegs sind überwiegend – anders als die deutschen Graduiertenkollegs – monodisziplinär organisiert. Einige, wie z. B. das N.W. Posthumus Institut (für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), bündeln alle Aktivitäten ihrer Disziplin auf nationaler Ebene.

3. Die Position eines Professors

Die Promotion ist der höchste Grad an niederländischen Universitäten; eine Habilitation gibt es nicht. Durch weitere wissenschaftliche Arbeiten ausgewiesen, kann ein Doktor zum Professor berufen werden. Das niederländische System schreibt kein festes Lehrdeputat vor. Die Fakultäten bestimmen inzwischen die Verhältnisse zwischen Lehr- und Forschungszeit flexibel selbst. Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Groningen z. B. gesteht Forschungszeiten zwischen 30 % und 70 % zu. Ein Mitglied (fellow) eines Forschungskollegs, das nach strengen Kriterien (sprich:

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eine Reihe internationaler Publikationen) ausgewählt wird, kann in der Regel 50 % seiner Zeit für Forschung verwenden. Für Lehrstuhlinhaber gibt es keine festen Zusagen über Mitarbeiter und Doktoranden. Die Zuordnung richtet sich nach erbrachten Forschungsleistungen und den Anforderungen des zentral festgestellten Lehrplans. Assistenten wie im deutschen System gibt es nicht.

4. Fazit

Das niederländische System ist in fast jeder Hinsicht dem deutschen überlegen. Es ist überaus flexibel, effizient und – für manchen Hochschullehrer unangenehm – leistungsorientiert. So kann es weitgehend als Modell für deutsche Universitäten dienen, allerdings mit einer bedeutsamen Einschränkung: die überproportional zahl-reichen Hausberufungen auf allen Ebenen der Hierarchie (Dozenten bis Lehrstuhl-inhaber) und damit einhergehend die vielen Ernennungen zu außer-planmäßigen Professoren aufgrund nicht immer voll nachvollziehbarer (Haus-)Berufungsver-fahren.



    [Fußnoten]

    1. - Die Broschüre ist über die zentrale Studentenberatungsstelle der Rijksuniversiteit Groningen, STAG, Postbus 72, 9700 AB Groningen zu beziehen.



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | July 2003

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