FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 41]



Till Geiger
Die Situation in Großbritannien[Fn_1]


Das britische Hochschulsystem
Studiengänge und Berufungspraxis

Im Vereinigten Königreich dominieren zu einem gewissen Grade einige Eliteuniversitäten das gesamte Hochschulsystem. Neben Oxford und Cambridge gehören zu dieser Spitzengruppe u. a. auch das "University College" London, das "Imperial College of Science, Technology and Medicine" und die "London School of Economics" – Hochschulen, die sich gern mit den amerikanischen "Ivy League"-Universitäten vergleichen. Nach wie vor rekrutiert sich ein großer Teil der britischen Eliten, insbesondere zahlreiche Minister, Richter und Spitzenmanager aus den Absolventen dieser Eliteuniversitäten. Dennoch haben sich die anderen Universitäten in den letzten Jahren wichtige Vorteile gegenüber "Oxbridge" verschaffen können, und zwar durch curriculare Reformen, insbesondere durch die Schaffung von zahlreichen inter- oder multidisziplären Studiengängen. Vor allem neu gegründete Universitäten und ehemalige Fachhochschulen ("Polytechnics") haben in den letzten Jahren ihr Lehrangebot systematisch um Kurse wie "European Studies" oder "Media and Film Studies" erweitert und sind dadurch für die Studenten attraktiver geworden. Da in den meisten Fällen neue Kurse lediglich intern von Universitätsgremien genehmigt werden müssen, können curriculare Reformen sehr leicht durchgesetzt werden.

Solche Entwicklungen sind auch durch länderspezifische Umstände geprägt, wie die Entwicklung meines eigenen Fachs, der Wirtschaftsgeschichte, belegt. In den zwanziger Jahren wurde in Großbritannien die Wirtschaftsgeschichte von der Volkswirtschaftslehre getrennt, was zur Gründung von wirtschaftshistorischen Abteilungen an vielen britischen Universitäten führte. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte das Fach eine Blütezeit, befindet sich aber seit etwa zwanzig Jahren im Niedergang. In den letzten fünf Jahren haben fallende Studentenzahlen zur Zwangsvereinigung vieler wirtschaftsgeschichtlicher Abteilungen mit anderen historischen

[Seite der Druckausg.: 42]

Fachrichtungen in großen "Schools of History" geführt. Während es in Deutschland relativ wenig wirtschaftshistorische Lehrstühle gibt, ist die Wissenschafts- und Technikgeschichte sehr viel stärker vertreten als an britischen Universitäten.

Die interdisziplinären Curricula führen zu einem relativ breitgefächerten Stellenangebot auf dem akademischen Arbeitsmarkt und erlauben Kandidaten mit abgeschlossener Promotion, sich auch außerhalb des eigenen Fachs um Dozentenstellen zu bewerben. Im Gegensatz zu Deutschland wird an britischen und nordirischen Universitäten der Lehrbetrieb vor allem von Dozenten bestritten. Die meisten Dozenten treten ihre erste Stelle vor ihrem dreißigsten Geburtstag an.

Im allgemeinen sind britische Universitäten verpflichtet, alle offenen Stellen in der nationalen Fachpresse – z. B. im "Guardian Higher Education Supplement", im "Times Higher Education Supplement" oder im Web (jobs.ac.uk) – auszuschreiben. In den meisten Fällen treffen Berufungskommissionen ("Appointment Boards") eine Vorauswahl unter den eingesandten Bewerbungen und laden zwischen vier und sechs Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch ein. An den meisten Universitäten setzen sich Berufungskommissionen aus Dozenten bzw. Professoren der jeweiligen Fachrichtung, Vertretern anderer Fächer der gleichen Fakultät und zumindest einem Kollegen aus einer anderen Fakultät zusammen. Die Berufungskommission konsultiert auch andere Dozenten und Professoren der Fachrichtung über die Kandidaten, ist aber in ihrer Entscheidung nicht an deren Stellungnahme gebunden. Die Vorstellungsgespräche finden im allgemeinen am gleichen Tag statt. Alle Kandidaten referieren zunächst etwa zwanzig Minuten lang über ihre Forschung und werden dann von der Kommission interviewt. Die Entscheidung hängt von den Publikationen und dem bisherigen Lehrangebot der Kandidaten ab. Sie wird in den meisten Fällen von der Universitätsverwaltung bestätigt, und der "Vice-Chancellor" (Rektor)[Fn_2] ernennt den erfolgreichen Kandidaten bei einer ersten Festanstellung zunächst für drei Jahre auf Probe. In vielen Fällen haben deutsche Kandidaten bessere Voraussetzungen und Fremdsprachenkenntnisse sowie mehr Publikationen als ihre britischen Mitbewerber und werden deshalb häufig Engländern vorgezogen. Auch interne Kandidaten haben nur sehr bedingt bessere Chancen, obwohl Hausberufungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Oxford und Cambridge bilden wegen ihres speziellen Lehrsystems (weitgehender Einzelunterricht von Studenten) eine gewisse Ausnahme und stellen daher, vielleicht auch aus anderen Gründen, häufig ihren eigenen Nachwuchs ein. Nach bestandener Probezeit werden die Dozenten automatisch fest angestellt. Obwohl Hochschullehrer im Vereinigten Königreich keine Beamten sind, können sie praktisch nicht entlassen werden.

[Seite der Druckausg.: 43]

Wegen der relativ niedrigen Anfangsgehälter von Dozenten (bis vor kurzem £ 15 000-£ 18 000 jährlich brutto),[Fn_3] ist eine Universitätslaufbahn inzwischen für viele britische Hochschulabsolventen nicht mehr sehr attraktiv. Trotz der längeren Ausbildungszeit und der höheren Studienkosten verdienen die Dozenten zu Beginn ihrer Karriere weniger als angehende Lehrer oder Nachwuchskräfte in der freien Wirtschaft. Da es auch keine regionalen Unterschiede in der Bezahlung gibt, können junge Wissenschaftler in London und einigen anderen Städten kaum mehr eine Eigentumswohnung oder gar ein eigenes Haus erwerben.[Fn_4] Aus diesem Grund können in einigen Fächern wie z. B. in der Volkswirtschaftslehre fast nur noch Ausländer rekrutiert werden.

Die Evaluierung von Forschung und Lehre

Trotz der relativ großen Autonomie der Universitäten hat sich das britische Hochschulsystem in den letzten zwei Jahrzehnten wesentlich verändert, und zwar seit den einschneidenden Reformen der Thatcherregierung in den frühen achtziger Jahren. Zunächst wurde die Regelstudienzeit von vier auf drei Jahre (Schottland von fünf auf vier) reduziert und die Anzahl der Studienplätze erheblich erhöht. Außerdem wurden vier regionale "Higher Education Funding Councils" (Hochschulfinanzierungsräte) für England, Nordirland, Schottland und Wales geschaffen, die die Gelder für den gesamten tertiären Bildungsbereich verteilen. Z. B. unterstützt die größte dieser Organisationen, der "Higher Education Funding Council for England" (HEFCE), insgesamt 71 Universitäten, 17 unabhängige Schulen und Institute der Universität London, 44 "Higher Education Colleges" sowie weiterführende Kurse an 223 "Further Education Colleges".

Der HEFCE definiert seine Aufgabe wie folgt:

    "Working in partnership, we promote and fund high-quality, cost-effective teaching and research, meeting the diverse needs of students, the economy and society."[Fn_5]

Wie diese Erklärung zeigt, legt die britische Regierung großen Wert auf eine ebenso hochwertige wie kosteneffektive Forschung und Lehre. Um dies sicher zustellen und insbesondere die effiziente Verwendung öffentlicher Mittel zu kontrollieren, führt der HEFCE in Zusammenarbeit mit den drei kleineren Finanzierungsräten alle vier Jahre ein national "Research Assessment Exercise" (RAE) durch. Da-

[Seite der Druckausg.: 44]

für müssen alle Fachrichtungen einen ausführlichen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und -projekte vorlegen. Jedes Institut muss der Beurteilungskommission bis zu vier Publikationen pro Dozent zur Prüfung einreichen und erhält dafür eine Zensur zwischen 1 und 5. Diese Zensuren, die sog. "RAE Grades", bestimmen weitgehend die Forschungsmittel, die die Universität dann erhält, aber nicht unbedingt das Budget des jeweiligen Instituts. Allerdings zwingt dieses System insbesondere jüngere Dozenten zu erhöhten Forschungsleistungen, die sich aber nicht immer auf ihre Beförderungschancen auswirkt.

Die Finanzierungsräte führen außerdem Lehrinspektionen durch. Dabei kommt es zu Unterrichtsbesuchen und zu Überprüfungen der Lehrdokumentationen. Alle Dozenten müssen die Lehrziele und die Didaktik ihrer Kurse ausführlich belegen. Die notwendigen Unterlagen für eine Lehrinspektion können selbst in einem kleinen Institut bis zu vierzig Aktenordner umfassen. Nach ihrer Inspektion verfassen die Prüfer einen ausführlichen Bericht und geben jedem Institut eine Zensur zwischen 1 und 24. Bei unzureichenden Ergebnissen (< 18 Punkte) wird die jeweilige Abteilung innerhalb eines Jahres wieder überprüft. Die Finanzierungsräte publizieren über ihre Inspektionen Berichte, die auch auf Web zugänglich sind. Aufgrund dieser Ergebnisse veröffentlichen viele britische Zeitungen Ranglisten von Universitäten. Trotz der beschränkten Aussagekraft solcher Ranglisten werden diese Listen inzwischen von vielen Studenten und ihren Eltern bei der Wahl des Studienorts herangezogen. Die bisherigen Lehrinspektionen haben gezeigt, dass die Lehre im allgemeinen vorzüglich oder befriedigend ist. Allerdings führen Lehrinspektionen wie Forschungsbeurteilungen zu einer zusätzlichen Belastung des Lehrpersonals. Wegen der anfallenden Mehrarbeit haben die Rektoren vor allem der Eliteuniversitäten mehrfach gegen die Lehrinspektionen protestiert und inzwischen die Regierung davon überzeugt, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Resultat steht. Deshalb wird das System der Lehrbeurteilungen z. Zt. überarbeitet und soll auf ein vernünftiges Niveau heruntergeschraubt werden. Allerdings hat die konservative Opposition und die ihr nahestehende Presse diese Reformpläne der Labourregierung heftig kritisiert, und es bleibt abzuwarten, inwieweit sie tatsächlich umgesetzt werden.

Wie dieser kurze Abriss zeigt, hat sich das Hochschulsystem im Vereinigten Königreich seit den frühen achtziger Jahren stark gewandelt. So positiv die energischen Reformen den an Reformstau gewöhnten Deutschen vorkommen mögen, so gibt es doch auch negative Begleiterscheinungen. Der Übergang zur Massenuniversität war von einer ständigen Kürzung der Hochschuletats begleitet. Die Bemühungen der Regierung, die Verantwortlichkeit der Universitäten gegenüber der Gesellschaft zu verbessern, führten zu erheblichen zusätzlichen Belastungen des Lehrpersonals. Die Universitäten reformierten schließlich ihre Verwaltungsstrukturen, um besser auf die ständigen Veränderungen reagieren zu können. Dies führte zu einer Managerkultur, die die Kollegialität in den Instituten zu untergraben droht.

[Seite der Druckausg.: 45]

Deutsche Migranten an britischen und nordirischen Universitäten

Nach den statistischen Erhebungen der "Higher Education Statistical Agency" (HESA)[Fn_6] arbeiteten im letzten akademischen Jahr (2000/2001) 23 845 ausländische Wissenschaftler (17 %) an den Universitäten des Vereinigten Königreichs. Von den Ausländern sind 2 216 deutsche Staatsbürger.[Fn_7] Ihr Anteil betrug damit 1,6 % aller und 9,3 % der ausländischen Wissenschaftler. Fast die Hälfte davon hatte Forschungsstellen inne (siehe Tabelle 1). Damit waren sie in der Forschung relativ stark vertreten, in den höheren Besoldungskategorien (Professor und "Senior Lecturer") aber unterrepräsentiert. Der Anteil der Deutschen unter den Dozenten entsprach ungefähr ihrem Gesamtdurchschnitt. Die Kategorie "other grades" betrifft "andere Lehrkräfte", die nicht nach der universitären Gehaltsskala bezahlt werden, z. B. Lektoren auf Stundenbasis, deren Stundenzahl aber bei mindestens 26 % des normalen Deputats liegt.

Tabelle 1: Anteil der deutschen Hochschullehrer an britischen und nordirischen Universitäten, 2000/2001[Fn_8]

Besoldungsgrad

Deutsche

Andere Staats-bürger

Akad. Angestellte

Anteil in Prozent

Professors

122

13.313

13.435

0,9 %

Senior lecturers & researchers

201

23.624

23.825

0,8 %

Lecturers

689

49.110

49.799

1,4 %

Researchers

1.041

37.890

38.931

2,7 %

Other grades

163

13.028

13.191

1,2 %

Grand Total

2.216

136.965

139.181

1,6 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

[Seite der Druckausg.: 46]

39 % der Deutschen sind Frauen (siehe Tabelle 2). Ihr Anteil ist unter den "anderen Lehrkräften" mit beinahe 60 % am höchsten. Unter den Dozenten und Forschern lag der Frauenanteil leicht über dem deutschen Durchschnitt, in den höheren Besoldungskategorien sind sie mit 13,1 % (Professoren) und 26,9 % ("Senior Lecturers") extrem unterrepräsentiert. Auf den unteren Gehaltsstufen spiegelte die Verteilung zwischen männlichen und weiblichen Lehrkräften ungefähr die allgemeine Verteilung an britischen Universitäten wieder. Nur bei den "anderen Lehrkräften" war er höher (58,9 % gegenüber 44 %); es ist anzunehmen, dass viele dieser Frauen aus persönlichen Gründen in Großbritannien leben und nebenher als Sprachlehrerin oder Lektorin für Deutsch an den Universitäten arbeiten.[Fn_9]

Tabelle 2: Frauenanteil unter den deutschen Hochschullehrern an britischen und nordirischen Universitäten

Besoldungsgrad

Frauen

Männer

Deutsche

Frauenanteil

Professors

16

106

122

13,1 %

Senior lecturers & researchers

54

147

201

26,9 %

Lecturers

277

412

689

40,2 %

Researchers

422

619

1 041

40,5 %

Other grades

96

67

163

58,9 %

Grand Total

865

1 351

2 216

39,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Beinahe ein Drittel aller deutschen Hochschullehrer arbeitet in den Naturwissenschaften (siehe Tabelle 3). Die zweitgrößte Gruppe lehrt oder forscht in den Geisteswissenschaften (ungefähr 20 %), die sich aus 281 Personen in den Sprachwissenschaften und 172 in den anderen Geisteswissenschaften zusammensetzt. Eine etwa gleich große Gruppe ist in den medizinischen Fächern beschäftigt (19 %). Das verbleibende Viertel ist weitgehend in den Sozialwissenschaften (13 %) oder den Ingenieur- und Technologieinstituten angestellt.

[Seite der Druckausg.: 47]

Tabelle 3: Deutsche Hochschullehrer nach Arbeitsbereichen

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäf-tigten

Medicine, Dentistry and Health

429

19,36 %

25.73 %

Agriculture, Forestry and Veterinary Science

29

1,31 %

1.82 %

Biological, Mathematical and Physical Sciences

735

33,17 %

20.23 %

Engineering and Technology

237

10,69 %

12.80 %

Architecture and Planning

20

0,90 %

1.90 %

Administrative, Business and Social Studies

287

12,95 %

17.18 %

Language Based Studies

281

12,68 %

4.55 %

Other Arts

172

7,76 %

9.28 %

Education

18

0,81 %

5.66 %

Non-academic cost centres

8

0,36 %

0.84 %

Grand Total

2216

100,00 %

100,00 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Wie die Tabellen 3 und 4 zeigen, ist der Anteil der deutschen Staatsbürger in den Sprach- und den Naturwissenschaften einschließlich der Mathematik am höchsten, überdurchschnittlich waren sie auch in der Land- and Forstwirtschaft einschließlich der Veterinärmedizin, den anderen Geistes- sowie den Ingenieurwissenschaften vertreten (siehe Tabelle 4). Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Deutschen in den Erziehungswissenschaften am geringsten ist und lediglich ein Siebtel des Durchschnitts beträgt. Im Gegensatz dazu betrug der Anteil der Deutschen in den Sprachwissenschaften nicht ganz das Dreifache ihres durchschnittlichen Prozentsatzes.

Tabelle 4: Wissenschaftsbereiche mit überdurchschnittlichem Frauenanteil

Frauen-anteil

Männer-anteil

Gesamt-anteil

Agriculture, Forestry and Veterinary Science

2,15 %

0,60 %

1,14 %

Biological, Mathematical and Physical Sciences

2,78 %

2,55 %

2,60 %

Engineering and Technology

1,56 %

1,29 %

1,33 %

Language Based Studies

5,62 %

3,33 %

4,40 %

Other Arts

1,75 %

1,10 %

1,33 %

Grand Total

1,70 %

1,53 %

1,59 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

[Seite der Druckausg.: 48]

Natürlich bietet eine Analyse, die nur auf diesen neun großen Wissenschaftsfeldern beruht, ein recht grobes Bild der Arbeitsfelder deutscher Hochschullehrer an britischen Universitäten. Andererseits entsprechen diese neun Wissenschaftsgebiete an vielen Universitäten oft den Fakultäten. Allerdings bietet die HESA eine weitere Unterteilung des Datensatzes in 19 akademische Fachrichtungen an. Dieser erweiterte Datensatz erlaubt eine etwas eingehendere Analyse der Lehr- und Forschungstätigkeit von Deutschen an britischen Universitäten. Leider bietet diese Unterteilung nur für die Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften genauere Daten an, nicht für die Sprach- und Geisteswissenschaften. Wie Tabelle 5 zeigt, arbeiten knapp ein Viertel aller Deutschen in der Physik (23,5 %) und ein Siebtel in der Biologie (14,5 %). Auch in der Mathematik liegt ihr Anteil über dem Anteil des Fachgebiets an der Gesamtzahl der Hochschullehrer. Tabelle 5 zeigt, dass in kleineren Fachgebieten wie der Veterinärmedizin zwar in absoluten Zahlen nicht viele Deutsche tätig sind, ihr relativer Anteil aber trotzdem sehr hoch ist. Bemerkenswert ist der hohe Frauenanteil unter den Physikern (siehe Tabellen 5 und 6). Dafür liegt in den medizinischen Fächern, den Sozialwissenschaften und der Mathematik der Prozentsatz der Männer höher und ist in der Informatik sogar doppelt so hoch. Nach der Physik und der Biologie sind die meisten Deutschen in den Sprachwissenschaften (11 %) beschäftigt, ihr Prozentsatz ist mehr als doppelt so hoch wie der Anteil der Sprachwissenschaften an der Gesamtbeschäftigung. Auffallend ist die geringe Zahl der Deutschen in der Betriebswirtschaftslehre sowie in den Rechts- und Sozialwissenschaften.

Tabelle 5: Deutsche Hochschullehrer nach Hauptfachrichtung

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäf-tigten

Medicine & dentistry

95

4,3 %

4,9 %

Subjects allied to medicine

73

3,3 %

7,9 %

Biological sciences

371

16,7 %

13,3 %

Veterinary science

11

0,5 %

0,3 %

Agriculture & related subjects

12

0,5 %

0,8 %

Physical sciences

411

18,5 %

10,5 %

Mathematical sciences

100

4,5 %

3,2 %

Computer science

75

3,4 %

3,1 %

Engineering & technology

110

5,0 %

7,9 %

Architecture, building & planning

18

0,8 %

1,3 %

Social, economic & political studies

206

9,3 %

11,3 %

Law

27

1,2 %

2,0 %

[Seite der Druckausg.: 49]

Business & administrative studies

51

2,3 %

4,5 %

Librarianship & information science

11

0,5 %

0,9 %

Languages

250

11,3 %

5,5 %

Humanities

130

5,9 %

4,8 %

Creative arts & design

51

2,3 %

4,3 %

Education

16

0,7 %

4,0 %

Combined

29

1,3 %

1,5 %

Invalid ACCDIS supplied/ACCDIS not applicable

169

7,6 %

7,8 %

Grand Total

2 216

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Tabelle 6: Fächer mit überdurchschnittlichem Deutschenanteil

Frauen-anteil

Männeranteil

Gesamtanteil

Biological sciences

2,14 %

1,89 %

2,00 %

Veterinary science

4,12 %

1,05 %

2,29 %

Physical sciences

3,46 %

2,65 %

2,80 %

Mathematical sciences

2,07 %

2,26 %

2,22 %

Computer science

0,99 %

1,94 %

1,72 %

Languages

4,33 %

2,33 %

3,29 %

Humanities

1,94 %

1,98 %

1,96 %

Grand Total

1,70 %

1,53 %

1,59 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Von den rund 200 deutschen Sozialwissenschaftlern an britischen Universitäten arbeitet die Hälfte in der Volkswirtschaftslehre und der Politologie (siehe Tabelle 7). Während der Anteil der Deutschen unter den Volkswirten dem Anteil des Fachbereichs entspricht, arbeiten überdurchschnittlich viele Deutsche in politologischen Instituten. In den anderen Sozialwissenschaften liegt der Anteil der Deutschen wesentlich unter dem Anteil der Fachrichtung an der Gesamtbeschäftigung in diesem Wissenschaftsbereich. Wie Tabelle 8 zeigt, ist der Anteil der deutschen Frauen in der Politologie überdurchschnittlich hoch. Dies bestätigt die Erfahrung der von mir befragten deutschen Kolleginnen, dass es extrem schwierig ist, als Frau auf einen politologischen Lehrstuhl in Deutschland berufen zu werden.

[Seite der Druckausg.: 50]

Tabelle 7: Anteil der Deutschen in den Sozialwissenschaften

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäftigten

Economics

53

25,73 %

23,24 %

Sociology

33

16,02 %

23,23 %

Politics

50

24,27 %

11,25 %

Other & unknown

70

33,98 %

42,28 %

Grand Total

206

100,00 %

100,00 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Tabelle 8: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen in den Sozialwissenschaften

Frauenanteil

Männeranteil

Gesamtanteil

Economics

1,09 %

1,56 %

1,45 %

Sociology

0,78 %

1,03 %

0,90 %

Politics

4,44 %

2,24 %

2,83 %

Other & unknown

1,10 %

1,01 %

1,05 %

Grand Total

1,25 %

1,36 %

1,31 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Beinahe die Hälfte aller Deutschen in den Sprachwissenschaften sind in Germanistikabteilungen tätig (siehe Tabelle 9). Dieser Anteil ist vielleicht geringer als erwartet, aber erklärt sich damit, dass dieser Wissenschaftsbereich Sprachzentren und fachübergreifende Gebiete wie "European Studies" einschließt. Fast ein Viertel aller Hochschullehrer in der Germanistik sind Deutsche, unter den Frauen beträgt ihr Anteil sogar ein Drittel (siehe Tabelle 10).

Tabelle 9: Anteil der Deutschen in den Sprachwissenschaften

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäftigten

German language, literature & culture

111

44,4 %

6,3 %

Other & unknown

139

55,6 %

93,7 %

Grand Total

250

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

[Seite der Druckausg.: 51]

Tabelle 10: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen in den Sprachwissenschaften

Frauenanteil

Männeranteil

Gesamtanteil

German language, literature & culture

33.65%

15.24%

23.27%

Other & unknown

2.56%

1.39%

1.95%

Grand Total

4.33%

2.33%

3.29%

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

In den anderen geisteswissenschaftlichen Fächern arbeiten 130 Deutsche, von denen etwa 40 % in der Geschichte tätig sind. Der Frauenanteil liegt unter den deutschen Historikern deutlich über dem Anteil der Männer. In den anderen Fächern ist das Verhältnis umgekehrt, auch wenn der Anteil der Deutschen nicht wesentlich von den Durchschnittswerten abweicht (siehe Tabellen 11 und 12).

Tabelle 11: Anteil der Deutschen in den anderen Geisteswissenschaften

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäf-tigten

History

51

39,2 %

42,6 %

Economic & social history

3

2,3 %

4,3 %

Other & unknown

76

58,5 %

53,1 %

Grand Total

130

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Tabelle 12: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen in den anderen Geisteswissenschaften

Frauenanteil

Männeranteil

Gesamtanteil

History

2,08 %

1,69 %

1,81 %

Economic & social history

1,59 %

0,90 %

1,05 %

Other & unknown

1,85 %

2,33 %

2,16 %

Grand Total

1,94 %

1,98 %

1,96 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

[Seite der Druckausg.: 52]

Wie sieht die regionale Verteilung der deutschen Hochschullehrer aus? Wie Tabellen 13 und 14 zeigen, sind überdurchschnittlich viele Hochschullehrer an den Universitäten in East Anglia, im Südosten, im Londoner Raum und in Schottland beschäftigt. Mit der Ausnahme der relativ hohen Anzahl in East Anglia weicht weder die regionale Verteilung noch die Geschlechterverteilung unter den Deutschen wesentlich von dem allgemeinen nationalen Trend ab.

Tabelle 13: Regionale Verteilung der Deutschen im britischen Universitätssystem

Region

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäf-tigten

North

72

3,2 %

4,5 %

Yorkshire & Humberside

145

6,5 %

8,6 %

East Midlands

105

4,7 %

6,6 %

East Anglia

179

8,1 %

4,0 %

South East

439

19,8 %

15,4 %

Greater London

469

21,2 %

20,0 %

South West

125

5,6 %

5,9 %

West Midlands

137

6,2 %

6,7 %

North West

154

6,9 %

9,7 %

Scotland

267

12,0 %

11,6 %

Wales

87

3,9 %

4,7 %

Northern Ireland

37

1,7 %

2,2 %

Grand Total

2 216

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Tabelle 14: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen nach Regionen

Region

Frauenanteil

Männeranteil

Gesamtanteil

North

1,26 %

1,08 %

1,15 %

Yorkshire & Humberside

1,26 %

1,18 %

1,21 %

East Midlands

1,26 %

1,09 %

1,15 %

East Anglia

3,51 %

3,05 %

3,21 %

South East

2,13 %

2,01 %

2,05%

Greater London

1,73 %

1,65 %

1,68 %

South West

1,89 %

1,32 %

1,52 %

West Midlands

1,50 %

1,44 %

1,47 %

[Seite der Druckausg.: 53]

North West

1,27 %

1,07 %

1,15 %

Scotland

1,84 %

1,55 %

1,65 %

Wales

1,32 %

1,31 %

1,32 %

Northern Ireland

1,01 %

1,28 %

1,19 %

Grand Total

1,70 %

1,53 %

1,59 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Während etwa zwei Drittel aller Hochschullehrer an den "old universities" (d. h. Universitäten, die vor der Universitätsreform von 1992 geschaffen wurden) beschäftigt sind, arbeiten dort knapp 86 % aller Deutschen (Kategorie 1 und 2 in Tabelle 15). Kategorie 1 setzt sich aus den zehn besten Universitäten in der letzten Forschungsbeurteilung zusammen. Kategorie 2 enthält die anderen alten Universitäten, während Kategorie 3 die nach 1992 geschaffenen Universitäten und Kategorie 4 alle übrigen Institutionen im Hochschulbereich auflistet. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Deutschen an den Universitäten in "Kategorie 1" überdurchschnittlich hoch ist (siehe Tabelle 15). Entspricht der Anteil der Deutschen an den anderen alten Universitäten ungefähr dem Gewicht dieses Bereichs, so ist ihr Anteil an den besten Forschungsuniversitäten mit knapp 31 % beinahe 75 % größer als der Anteil dieser Kategorie an der Gesamtbeschäftigung. Hingegen entsprechen der Frauen- und der Männeranteil an den alten Universitäten dem nationalen Trend. In den beiden anderen Institutionskategorien ist der Frauenanteil höher als der Männeranteil, aber ihr Anteil liegt trotzdem wesentlich unter dem zu erwartenden Durchschnittswert.

Tabelle 15: Deutsche im britischen Universitätssystem nach Institutionskategorie

Institutionskategorie

Deutsche

Anteil an allen Deutschen

Anteil an allen Beschäf-tigten

1

684

30,9 %

18,2 %

2

1 219

55,0 %

48,2 %

3

257

11,6 %

25,1 %

4

56

2,5 %

8,6 %

Grand Total

2 216

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

[Seite der Druckausg.: 54]

Tabelle 16: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen nach Institutionskategorie

Institutionskategorie

Frauenanteil

Männeranteil

Gesamtanteil

1

2,77 %

2,67 %

2,70 %

2

1,96 %

1,74 %

1,82 %

3

0,98 %

0,57 %

0,74 %

4

0,70 %

0,30 %

0,47 %

Grand Total

1,70 %

1,53 %

1,59 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Die folgenden Tabellen untersuchen die Beschäftigung von deutschen Hochschullehrern an den zehn besten Forschungsuniversitäten (Kategorie 1). Dabei fällt auf, dass der Anteil der Deutschen an folgenden Hochschulen überdurchschnittlich hoch ist: Oxford, Cambridge, "London School of Economics and Political Science", dem "Imperial College of Science, Technology and Medicine", und der Universität Essex (siehe Tabelle 18). Dieses Ergebnis legt nahe, dass die qualitativ besten und bekanntesten Hochschulen am ehesten hochqualifizierte deutsche Akademiker berufen. Es wäre interessant zu untersuchen, ob bzw. wie viele von ihnen vorher dort studiert oder zumindest promoviert haben. Leider lässt der Datensatz für diese Studie eine solche weitergehende Untersuchung nicht zu. Die Geschlechterverteilung ergibt keine besonderen Abweichungen vom allgemeinen Trend (siehe Tabelle 18).

Tabelle 17: Deutsche an den 10 besten Forschungsinstitutionen[Fn_10]

Universität

Deutsche

Anteil an allen Deut-schen

Anteil an allen Beschäf-tigten

The University of Cambridge

147

21,5 %

17,1 %

Imperial College of Science, Technology & Medicine

110

16,1 %

14,7 %

The University of Oxford

156

22,8 %

16,8 %

London School of Economics and Political Science

24

3,5 %

2,9 %

The Institute of Cancer Research

9

1,3 %

2,1 %

The University of Warwick

35

5,1 %

5,9 %

[Seite der Druckausg.: 55]

University College London

92

13,5 %

17,8 %

Cardiff University

39

5,7 %

6,9 %

University of Manchester

54

7,9 %

13,3 %

The University of Essex

18

2,6 %

2,5 %

Grand Total

684

100,0 %

100,0 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Tabelle 18: Frauen- und Männeranteil unter den Deutschen an den 10 besten Forschungsinstitutionen

Universität

Frauen-anteil

Männeranteil

Gesamtanteil

The University of Cambridge

3,59 %

3,29 %

3,39 %

Imperial College of Science, Technology & Medicine

2,95 %

2,95 %

2,95 %

The University of Oxford

3,66 %

3,69 %

3,68 %

London School of Economics and Political Science

3,03 %

3,45 %

3,31 %

The Institute of Cancer Research

1,38 %

1,98 %

1,66 %

The University of Warwick

2,06 %

2,50 %

2,35 %

University College London

2,21 %

1,94 %

2,04 %

Cardiff University

2,29 %

2,20 %

2,23 %

University of Manchester

2,04 %

1,35 %

1,60 %

The University of Essex

3,61 %

2,56 %

2,89 %

Grand Total

2,77 %

2,67 %

2,70 %

Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH

Erfahrungen deutscher Migranten an britischen Universitäten

Die meisten von mir befragten deutschen Migranten an britischen Universitäten haben sich nicht bewusst entschieden, ins Ausland zu gehen. In den meisten Fällen war die Migration eine direkte Folge ihres Studienaufenthalts im Ausland. Viele meiner Informanten haben wie ich im Ausland studiert, weil ihnen das Studienangebot dort mehr zusagte oder sie die Möglichkeit hatten, früher ihr Studium abzuschließen. Aus meiner eignen Lehrerfahrung weiß ich, dass vielen deutschen Studenten das verschultere und straffer organisierte Studium in Großbritannien mehr zusagt. Meine Gesprächspartner waren alle durchweg der Meinung, dass die kürzere Studienzeit des 3-jährigen "Bachelors" in den Geistes- und Sozialwissenschaften

[Seite der Druckausg.: 56]

ausreicht und mit einem deutschen Studienabschluss vergleichbar ist. Der höhere Grad der Spezialisierung im britischen Studium würde es ihnen erlauben, in ihrem Fachgebiet einen ähnlichen Ausbildungsstand wie in Deutschland zu erreichen. Einige von ihnen betonten, dass nach ihrer Meinung deutsche Studiengänge mit nicht relevantem Lehrstoff überladen sind. So stellte einer meiner Gesprächspartner in Frage, ob ein Student der Volkswirtschaft wirklich von den in Deutschland üblichen Einführungsvorlesungen in Rechts- und Betriebswissenschaften profitieren würde. Obwohl deutschen Studenten oft zum Studium im Ausland geraten wird, ist es nach wie vor schwer, mit einem im Ausland erworbenen Hochschulabschluss an einer deutschen Universität zu promovieren, da häufig ausländische Studienabschlüsse nicht anerkannt werden. Zum Beispiel lehnt es der DAAD nach meinen eigenen Erfahrungen und den Aussagen anderer deutscher Migranten ab, deutsche Staatsbürger, die im Ausland studiert haben, zum Weiterstudium am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz oder als "Postdoctoral Fellows" bei der NATO zu fördern. Dadurch werden Deutsche mit ausländischen Hochschulabschlüssen beinahe gezwungen, im Ausland zu bleiben. Dazu eine persönliche Erfahrung: Nach Abschluss meines Volkswirtschaftsstudiums an der Hochschule von St. Gallen war es für mich quasi unmöglich, an einer deutschen Universität bzw. am europäischen Hochschulinstitut zu promovieren. So stand ich vor der Wahl, entweder in der Schweiz weiterzustudieren oder aber an einer anderen ausländischen Universität. Nach meinem Masterabschluss an der "London School of Economics" ergab sich die Möglichkeit, im Rahmen eines Forschungsprojekts weiter dort zu bleiben. Auf der Suche nach einer geförderten Doktorandenstelle hatte ich wiederum in Deutschland keinen Erfolg und erhielt dann ein "Teaching Postgraduateship" an der Universität Aberdeen. Im Rahmen dieser Stelle lehrte ich deutsche Geschichte und promovierte über britische Wirtschaftsgeschichte. Obwohl lediglich zeitweiliges Mitglied des Instituts, wurde ich von Anfang als gleichberechtigter Kollege behandelt und voll in alle Entscheidungsprozesse integriert. So wurde ich weiter in das britische Hochschulsystem eingebunden. Von vielen anderen Migranten erfuhr ich ebenfalls, dass sie durch das Studium in England zu ihrer wissenschaftlichen Laufbahn gelangten. Einer zweiten Gruppe von deutschen Migranten mit deutscher oder nicht britischer Promotion eröffnete das relativ offene britische System die Möglichkeit, frühzeitig eine Laufbahn als Hochschuldozent anzustreben. Wie ich persönlich fühlen sich die von mir befragten Migranten voll in ihre Abteilungen integriert. Keiner meiner Informanten wurde als Ausländer gegenüber britischen Kollegen benachteiligt. Als Hindernis einer Rückkehr ins deutsche Hochschulsystem steht für die meisten Migranten nach wie vor die Habilitation. Meine Informanten würden bei einer Rückkehr nach Deutschland auf einem Lehrstuhl bestehen, da sie in einer Mittelbaustelle ihre relativ große Freiheit in Lehre und Forschung preisgeben müssten. Es war überraschend, dass kaum einer von ihnen Forschungskontakte mit deutschen Universitäten hatte. Dies wurde zum Teil mit der eher abweisenden Einstellung vieler

[Seite der Druckausg.: 57]

deutscher Professoren gegenüber deutschen Migranten begründet. Eine andere Hürde stellt offenbar die unterschiedliche Lehrweise in den einzelnen Fächern dar. Im übrigen zeigt das Beispiel von (Lord) Ralph Dahrendorf, dass die Rückkehr in das deutsche Hochschulsystem nicht unproblematisch ist.

Obwohl einige meiner Informanten für eine Einschränkung ihrer Lehrfreiheit durch die Lehrinspektionen in England fürchteten, überwog das positive Moment. Insbesondere wurde auf die offenere Einstellung gegenüber neuen inter- und multidisziplinären Studiengängen hingewiesen, die pädagogisch engagierten Hochschullehrern größere kreative Möglichkeiten böten. Dies war überhaupt eines der wichtigsten Argumente: dass das britische Hochschulsystem jungen Wissenschaftlern eine weitaus größere Selbständigkeit und Entfaltungsfreiheit in Forschung und Lehre biete als das deutsche.

[Seite der Druckausg.: 58]




    [Fußnoten]

    1. - Dieser Aufsatz basiert auf einer Reihe von Interviews mit deutschen Migranten an britischen Universitäten und auf meinen persönlichen Erfahrungen als "Research Officer" an der "London School of Economics and Political Science", als "Teaching Postgraduate" in deutscher Geschichte an der Universität Aberdeen und als "Lecturer" in Wirtschafts- und Sozialgeschichte bzw. "European Studies" an der "Queen’s University" Belfast. Momentan lehre ich als Lehrkraft am Historischen Seminar der Universität Manchester. Ich danke zahlreichen Kollegen, die mir ausführlich über ihre Erfahrungen im britischen Universitätssystem berichtet haben. Ausserdem bin ich Chris Harvey von der "Higher Education Statistical Agency" (HESA) verpflichtet, der er mich bei der Auswahl der statistischen Daten für diese Studie beraten hat, sowie dem "Faculty Research Support Fund", der die Kosten für die Bereitstellung der statistischen Daten durch die HESA übernommen hat.

    2. - Der Vice-Chancellor ist ein renommierter Akademiker mit weitgehender Verwaltungserfahrung, der sich vollständig dem Management der Universität widmet. Der Vice-Chancellor oder die Principals schottischer Universitäten werden vom Senat der Universität nach einer offenen Stellenausschreibung berufen. Hausberufungen für den Posten des Vice-Chancellor sind die Ausnahme.

    3 - Umgerechnet etwa 24 000 bis 29 000 Euro. Seit dem 1. September 2001 ist das jährliche Bruttoanfangsgehalt für Dozenten auf £20 267 erhöht worden, das entspricht einem Nettomonatsgehalt von ungefähr £1 000, also 1 600 Euro. Vgl. Anhang: Salary Scales 2001/2002, S. 57.

    4. - In Großbritannien wohnt nur etwa ein Drittel der Bevölkerung zur Miete.

    5 - http://www.hefce.ac.uk/AboutUs/

    6 - Es ist typisch für die Kommerzialisierung des britischen Hochschulwesen, dass die HESA ihre Daten nur gegen hohe Gebühren abgibt, selbst nach Berücksichtigung einer Ermäßigung von 50 Prozent für wissenschaftliche Zwecke. Der "Faculty Research Support Fund" der Universität Manchester hat dankenswerterweise schließlich diese Kosten übernommen.

    7 - An den britischen Universitäten arbeiteten im akademischen Jahr 2000/2001 rund 140 000 Wissenschaftler. Quelle: email Chris Harvey-Till Geiger, 22.8. 2002.

    8 - Auf Grund der vertraglichen Vereinbarung mit der HESA durfte ich die Kategorien in den Tabellen nicht übersetzen.

    9 - Von den 96 deutschen Frauen unter den "anderen Lehrkräften" arbeiten 57 oder 59 % in den Sprachwissenschaften (einschließlich Sprachzentren) und 23 oder 24 % in Germanistikabteilungen. Quelle: Higher Education Statistical Agency, Staff Data 2000/01 – 10082_CH)

    10 - Die Universitäten sind nach ihrer Rangfolge in der Forschungsqualitätstabelle ("THES league table of excellence") erstellt vom "Times Higher Education Supplement", 14.12.2001, S. 7, sortiert.



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | July 2003

Previous Page TOC Next Page