FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: 20 (Fortsetzung)]



IV. Europäische Strukturen und deutsche Interessen


Für die deutsche Außenpolitik ist die Osterweiterung der EU – nicht zuletzt angesichts der in den letzten zehn Jahren geweckten Erwartungen - die beste Strategie, Deutschlands Interessen an einer friedlichen Nachbarschaft zu sichern. Die prominente Rolle Deutschlands wird auch in der Übernahme des Erweiterungsressorts in der EU-Kommission durch den deutschen Günter Verheugen deutlich. Allerdings gilt es, die wirklichen Probleme ernsthaft anzugehen, nämlich die nachholende Modernisierung Ostmitteleuropas zu organisieren, dabei die Kohäsion auch innerhalb der alten EU zu erhalten und die erweiterte EU handlungsfähig zu machen. Eine rasche und undifferenzierte Erweiterung erleichtert die Lösung dieser Aufgaben nicht. Die voreilig gemachten Hoffnungen stellen nun einen politischen Ballast dar, der den Zeitdruck und damit die Kosten erhöht.

Dabei kann die deutsche Politik mit der Entwicklung in Ostmitteleuropa weitgehend zufrieden sein.

  • Die Demokratien der Länder Ostmitteleuropas sind relativ stabil. Zwar hat sich kaum eine Regierung länger als eine Legislaturperiode gehalten, aber der Unmut der Bevölkerung über die schlechten sozialen Ergebnisse der Transformation kanalisierte sich überwiegend in demokratischen Alternativen und nicht in rechtsextremen oder orthodox kommunistischen Parteien. Deren relative und phasenweise Stärke und die Fragilität des Parteiensystems (vor allem in der Slowakei, Rumänien und Bulgarien) geben jedoch weiter Anlass zu Sorge und bestätigen Dahrendorfs Diktum, dass die endgültige Verankerung der Demokratie deutlich länger dauert als die Einführung der formalen Regelsystems der Marktwirtschaft und des Rechtsstaates (Dahrendorf 1990:94).

  • Wirtschaftlich hat die Transformationsrezession zwar länger gedauert und ist tiefer ausgefallen als erwartet, doch die meisten Ökonomien befinden sich inzwischen wieder auf einem Wachstumskurs. Aber das Wachstum ist relativ langsam, von Zahlungsbilanz- und Finanzkrisen unterbrochen und von erheblichen sozialen Problemen (wachsende Ungleichheit, Armut, Arbeitslosigkeit) begleitet. Diese Schwächen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Mit der doppelten Integration Ostmitteleuropas in die NATO und die EU sind die Bedingungen für eine friedliche und stabile Entwicklung geschaffen worden. Aber die Verantwortung gerade des größten und reichsten Landes in der Mitte Europas endet nicht bei bloßer Rahmensetzung, sondern umfasst die gesamte Palette seines Einflusses auf den Wohlstand und die Freiheit seiner Nachbarn. In der konkreten Ausgestaltung der Beziehungen, insbesondere des EU-Beitrittsprozesses gilt es, den langfristigen Stabilitäts- und Entwicklungsinteressen der Partnerländer Vorrang vor kurzsichtigen Eigeninteressen und symbolischen Erfolgen einzuräumen - eine Akzentuierung, die in der Vergangenheit nicht immer gelang.

[Seite der Druckausg.: 21]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2002

Previous Page TOC Next Page