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Südosteuropa in der Kosovo-Krise : Sorgen, Hoffnungen, Warnungen / Abteilung Internationaler Dialog, Friedrich-Ebert-Stiftung. - Bonn, 1999. - 15 S. = 60 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 80)
Electronic ed.: Bonn: FES Library, 2000

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




Mai 1999

[Seite der Druckausg.: 1]

Der Krieg hat die Nachbarstaaten der Bundesrepublik Jugoslawien unaufhaltsam in den Strudel der Ereignisse hineingezogen. Kaum konsultiert bei der Planung und beim Beschluß der NATO-Strategie, sind sie nun Ziel von Flüchtlingsströmen, Überflug- und Aufmarschgebiet, Boykotteur und Boykott-geschädigt, zerrissen zwischen der Abneigung gegen die serbischen Täter und Sympathien für die jugoslawischen Opfer.

Die Einschätzungen der Nachbarn geben auch Anregungen für Beurteilungen und Entscheidungen hier. Sie bestimmen vor allem die Chancen regionaler Lösungen. Die folgende Studie konzentriert sich auf die politischen Parteien in Südosteuropa

[Seite der Druckausg.: 2]

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Ungarn: Treues NATO-Mitglied mit Sorgen

Ungarn ist in einer besonders heiklen Position, und zwar aus zwei Gründen: Es ist das einzige NATO-Land mit einer Grenze zu Serbien und es gibt eine beachtliche ungarische Minderheit in der Woiwodina. Trotzdem hat sich das Parlament Anfang April mit 93% hinter die NATO-Strategie gestellt. Die rechts-nationalistische Ungarische Partei für Gerechtigkeit und Wahrheit (MIÉP) hat sich enthalten.

Keine großen Unterschiede zwischen den Parteien

Die Regierungsparteien FIDESZ und FKGP vertreten die Position, daß der Parlamentsbeschluß immer noch die wichtigste Aussage der ungarischen Politik dazu ist. Darin wurden der größte Teil des ungarischen Luftraums und die ungarischen Militärflughäfen für die NATO ohne Einschränkung für den Kosovo-Fall frei gestellt. Sie sind der Meinung, daß die NATO in der heutigen Situation aus Ungarn keinen Bodeneinsatz starten darf. In Einzelpunkten setzen die Parteien Akzente:

  • Zwischen den Regierungsparteien FIDESZ und FKGP besteht der Unterschied darin, daß der FIDESZ die obigen Positionen auch propagiert, während die FKGP ohne Propaganda-Aufwand sich dahinter stellt.
  • Die rechtspopulistische Partei MIÉP fordert von der Regierung, daß Ungarn die Frage des Status von Woiwodina thematisieren soll.
  • Der liberale SZDSZ vertritt die Position, daß das Parlament jetzt der zukünftigen ungarischen Teilnahme in einem Parlamentsbeschluß Schranken setzen soll: Nie Bodeneinsatz aus Ungarn.
  • Die sozialdemokratische MSZP änderte ihre Position von vor einem Monat und möchte nun den Parlamentsbeschluß ändern. Sie möchte aus dem Beschluß die Erlaubnis ohne Beschränkung streichen und sie möchte in den Beschluß aufnehmen, daß keine Form von Angriffen aus Ungarn (auch aus der Luft) gestartet werden können.

Alle Parteien unterstützen die NATO-Strategie, die durch verstärkte Luftangriffe ihre Ziele erreichen will. Gleichzeitig sind sich alle Parteien darin einig, daß zur Zeit kein Einsatz von Bodentruppen aus Ungarn erfolgen soll, wobei MSZP, SZDSZ sich nie Bodeneinsätze aus Ungarn vorstellen können. Keine Partei protestiert gegen den Bodeneinsatz aus anderen Ländern. Die MSZP ist auch gegen den Einsatz ungarischer Truppen im Bodeneinsatz aus allen Ländern.

Über die erwähnten Punkte hinaus sind alle Parteien mit dem Boykott einverstanden. Alle Parteien - besonders die MSZP und der SZDSZ - versuchen, die große Angst der Bevölkerung vor der Verwicklung Ungarns in den Krieg zu vertreten und zu kanalisieren.

Die innenpolitische Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien beurteilen die Ungarn skeptisch: Die Bevölkerung und das Militär stünden eindeutig hinter Milosevic, zum Teil auch die Woiwodina-Ungarn. Die innenpolitische Einheit kann schwer gebrochen werden.

Alle Parteien geben bei der Suche nach einer Friedenslösung nur der NATO eine Rolle. Andere Faktoren (OSZE, UNO, Rußland, etc.) werden hinsichtlich einer Friedenslösung nicht öffentlich diskutiert. Ungarn versucht die NATO-Mitgliedschaft von Slowakei und Rumänien zu fördern.

[Seite der Druckausg.: 3]

Die Ungarn hoffen, daß die verstärkten Luftangriffe Milosevics zum Einlenken zwingen werden. Die ungarische Regierung war der Initiator eines Fonds, der für den Wiederaufbau zuständig sein sollte. Ungarn möchte durch seine Firmen am Wiederaufbau teilnehmen.

Alle Parteien (MIÉP ist die Ausnahme) stellen sich die Lösung der Kriese im Rahmen des Rambouillet-Vertrages vor. Von ungarischer Seite wäre es gefährlich, eine eigene Initiative für eine Modifizierung des Status quo zu machen, weil es auch einen Präzedenzfall für die Woiwodina bedeuten könnte.

Kritische Friedensbewegung

Über das oben geschilderte Parteispektrum hinaus wurde am 2. Mai die Bewegung für den Frieden auf dem Balkan von 50 repräsentativen Intellektuellen gegründet, die zum Teil in unterschiedlichen Parteien eine Rolle spielen. Die Bürgerinitiative fordert die sofortigen Einstellung der Luftangriffen und die Verhandlungen über die Kosovo-Frage. Sie organisieren am 9. Mai einen Friedensmarsch in Budapest. Anregung für die Bürgerinitiative war der Artikel von György Konrád in der FAZ und in Népszabadság.

Wegen der Nachbarschaft und der Woiwodina-Ungarn ist der Angstfaktor in der Bevölkerung größer als in den anderen NATO-Ländern. Der Krieg wird überraschender Weise von einigen liberalen und nationalen Politikern zur Annäherung ausgenutzt, weil die Berufung auf die Menschenrechte und auf das Schicksal der ungarische Minderheit in Woiwodina einen gemeinsamen Nenner haben kann. Die o.g. Unterschiede in den Positionen führen aber auch zu neuen Kontroversen.

Wegen der gesperrten Donau als Transportweg und wegen des Boykotts sind bisher 10 Milliarden Forint (ca. 80 Millionen DM) Wirtschaftsschäden entstanden. Der Kontakt Ungarns zu Rußland verschlechterte sich, als der russische Hilfskonvoi an der ungarischen Grenze aufgehalten wurde.

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Das offizielle Kroatien: Verständnisvolle Vertreiber-Demokratur

In Kroatien beurteilt man die Lage in Jugoslawien vor allem vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen, die man während des kroatischen Krieges mit der Passivität der westlichen "Allianz" gemacht hat. Die derzeitige NATO-Strategie wird als Ergebnis US-amerikanischer Machtinteressen dargestellt, weniger als Bündnispolitik. Die NATO-Aktion wird als Präzedenzfall verstanden, der jeder beliebigen militärischen Macht in Zukunft die Tür zu selbständigen Aktionen gegenüber souveränen Staaten öffnet. Dies betrifft auch die Frage eines Einsatzes von Bodentruppen. Es sind dabei Differenzen zwischen verschiedenen politischen Parteien in Kroatien zu beobachten (s.u.).

Zur innenpolitischen Situation in Jugoslawien werden keine eindeutigen Aussagen gemacht. Allerdings ist man sich parteiübergreifend einig, daß die Frage, ob sich Milosevic an der Macht halten kann, die Zukunft der Region bestimmt. Es gilt als voraussehbar, daß es mit Milosevic früher oder später zu neuen Konflikten kommen wird – allerdings sieht man auch keine ernsthafte innenpolitische Alternative.

Die Rolle der internationalen Organisationen wird ebenfalls aufgrund der eigenen Erfahrungen beurteilt: sie werden nicht als konfliktlösende, auf internationalen Konsens

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ausgerichtete und wertorientierte Institution betrachtet, sondern eher als Instrumente im Interessenkonflikt der Länder. Allerdings hält man sich mit Kritik zurück, da man aus eigenen Interessen und Erwartungen (anvisierter kroatischer EU-Beitritt etc.) die Position des Landes bei den verschiedenen Organisationen nicht schwächen will. Trotzdem: Die UN wird als von der NATO als hintergangen betrachtet, die Rolle der OSCE als unwichtig, die EU als zu schwach und den USA unterlegen beurteilt.

Die NATO betrachtet man als Instrument der Amerikaner. Russland beschreibt man als einen vom Westen abhängigen Papiertiger, man mißt ihm allerdings die Rolle bei, eine friedliche Lösung des Kosovo-Problems herbeiführen zu können. Deutschland bringt man am meisten Vertrauen entgegen, jedoch handelt es nicht als selbständige Macht, vielmehr trägt es meist im Hintergrund mit eigenen Initiativen, viel Geld und diplomatischen Geschick zu einer Lösung bei.

Die UCK ist in den Augen kroatischer Politiker zu schwach, um die Last einer Lösung selbständig zutragen.

Die kroatischen Sozialdemokraten (SDP) sind pro-westlich

Die SDP war die erste Partei in Kroatien, die klar ihre Meinung zur NATO-Aktion geäußert hat: sie unterstuetzt die NATO-Aktionen vor allem deswegen, weil fast alle teilnehmenden EU-Staaten sozialdemokratisch regiert sind. Sie unterstützt insbesondere die Initiative Joschka Fischers. Die Ursache des Krieges sehen sie in den Provokationen von Milosevics Regierung. Allerdings glauben sie nicht, daß die Angriffe alleine zum Sturz Milosevics führen, wodurch die Glaubwürdigkeit der NATO in Frage gestellt wird. Die SDP bejaht die Überflugserlaubnis Kroatiens für die NATO.

Die SDP hat ein Interesse daran, daß sich in der Bundesrepublik Jugoslawien eine wirkliche Opposition gegenüber Milosevics Politik entwickelt. Ihre eigene Rolle und die Kroatiens hält sie dabei für wenig einflußreich, vielmehr hängt alles davon ab, wie der Konflikt beendet wird: mit oder ohne Milosevic. Erst der Fall von Milosevics wird demokratischen Prozesse in der Bundesrepublik Jugoslawiens ermöglichen. Man hat die Hoffnung, daß dies auch nationalistischen Kräften in Kroatien vor Augen führt, daß die Unterdrückung demokratischer Rechte nicht zum Erfolg führt

Entscheidend für den Frieden seien die internationalen Kräften, wobei Rußland als zu schwach (finanzielle Abhängigkeit vom Westen) und Deutschland als von seiner Vergangenheit vorbelastet eingestuft wird. Bezüglich der Vorstellung für die territoriale Ordnung nach dem Krieg hat die SDP ein grundsätzliches Interesse daran, daß die Landesgrenzen beibehalten werden (anderes könnte auch erneut die Kroatiens in Frage stellen), d.h. man sieht auch die Zukunft Montenegros in den Grenzen der Bundesrepublik Jugoslawiens.

Die SDP ist sich darüber im Klaren, daß die Kosovo-Krise zu hohen ökonomischen Einbußen in Kroatien führt (Tourismus, Handel); allerdings widerspricht sie der Tendenz, alle ökonomischen Probleme auf diese Krise zu schieben: Kroatien hat weitreichende Probleme, die nichts mit diesem Konflikt zu tun haben.

Tudjman’s HDZ: Machtpolitische Nutzung der Krise

Insgesamt gibt sich die HDZ betont zurückhaltend und äußerlich indifferent hinsichtlich ihrer Stellungnahmen zum Konflikt und den NATO-Aktionen – wohl auch, da die Partei

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keine einheitliche Position vertritt. Die liberalere Strömung um Außenminister Granic plädiert für eine weitergehende Zusammenarbeit mit der NATO, während die konservativen Teile der Partei zwar für eine Regelung der Kosovo–Frage auf Kosten der serbischen Vormachtstrebens sind, jedoch der militärischen Intervention des Westens äußerst skeptisch gegenüberstehen. Der Staatspräsident Tudjman hat bis heute keine Stellungnahme zur Kosovo-Krise abgegeben, vor allem auch keinerlei Kritik an Milosevic.

Wirtschaftliche Probleme des Landes werden heute als Folgen des Kriegs bezeichnet und gerechtfertigt – natürlich auch, um das Versagen der eigenen Wirtschaftspolitik im Wahljahr zu kaschieren. Allerdings rechnet man auch mit Vorteilen: Im politischen Bereich erwartet man aufgrund des internationalen Kooperationswillens eine schnellere Einbindung in westliche Integrationsprozesse, im wirtschaftlichen Bereich durch die erhoffte Entschädigung für die entstehenden Schäden einen neuen Schub für die Wirtschaft in Form notwendiger Investitionen.

Man hat sich auf eine stufenweise Öffnung zu Serbien eingestellt, jedoch nur in Form gutnachbarschaftlicher Beziehungen. Die HDZ befürchtet weitere Destabilisierung der Region infolge der Lösung des Kosovo-Problems (Grenzänderung, albanische Frage in Mazedonien). In der HDZ (zumindest in Teilen der Partei) spürt man leichte Sympathien für eine Autonomie Montenegros.

Liberale Parteien: Volle Zustimmung zur NATO

Die LS gibt den NATO-Aktivitäten volle Zustimmung, während die HSLS nur vorsichtige Unterstützung kundtut. Beide liberale Parteien erhoffen sich als Zukunftsperspektive für die Region ein Ende des Milosevic-Regimes, sehen aber seine Position noch immer als gefestigt an.

Die maßgebliche Rolle bei einer Friedenslösung sehen HSLS und LS bei der EU und der NATO, die Rolle Deutschland beurteilen sie dabei als eher unbedeutend.

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Bosnien-Hercegovina: Auch in der Haltung zum Kosovo gespalten


Die multiethnische SDP setzt auf Demokratisierung

Die SDP beschreibt die Regierung in Belgrad als ein faschistisches Regime, das man mit allen Mitteln aufhalten muß. Da friedliche Mittel versagten, ist die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt. Die NATO-Strategie ist angemessen, und es wäre gefährlich, sie nicht bis zum Schluß durchzuhalten. Bewaffnete Truppen im Kosovo und eine Rückkehr der Vertriebenen sind angesichts der bosnischen Erfahrung unverzichtbare Bedingungen.

Falls die Luftangriffe nicht zu diesem Erfolg führen, ist der Einsatz von Bodentruppen notwendig und gerechtfertigt. Die Kosovo-Flüchtlinge sollten möglichst heimatnah untergebracht werden, nicht in weit entfernte Länder ausgeflogen werden – dies erleichtert die Rückkehr nach dem Krieg (bosnische Erfahrung).

Bosnien-Hercegovina gibt der NATO und deren Mitgliedsländern volle Solidarität und Unterstützung. Die innenpolitische Lage in Jugoslawien sei mangels Informationen von außen schwer zu beurteilen. Zwar existiert eine Opposition sowie Menschen, die mangels "Linientreue" im Gefängnis sitzen, aber die meisten Bürger in Jugoslawien ste-

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hen hinter Slobodan Milosevic, woran vor allem die zehnjährige Medienblockade Schuld hat. Die SDP erwartet eine noch stärkere Polarisierung der politischen Kräfte innerhalb der Jugoslawien bis zur Einstellung der Kampfhandlungen.

Eine wirkliche und langfristige Friedenslösung für die Jugoslawien und die Region setzt den Fall des Milosevic- Regimes voraus. Erst nach Anerkennung der Bedingungen der NATO wird Raum für das Engagement von internationalen Organisationen frei – bis dahin sollen NATO und UCK agieren. Anschließend besteht der Bedarf an größerer, konkreterer und vor allem rechtzeitiger Unterstützung seitens des Westens.

Die Folgen des Konflikts auf Bosnien-Hercegowina bestehen vor allem im Flüchtlingsproblem aus Jugoslawien und in wirtschaftlichen Schäden (vor allem in der Republika Srpska). Die SDP schätzt, daß die nationalistischen Strömungen in Bosnien-Hercegowina nach Kriegsende an Zulauf verlieren – vor allem in der Republika Srpska. Man geht allgemein davon aus, daß die politischen Spannungen in der Region bald nach Einstellung der Kampfhandlungen nachlassen.

Laut SDP gibt es seither noch keinerlei Ansätze für eine regionale Kooperation zwischen Bosnien-Herzegowina und den Nachbarstaaten. Vorstellung für die territoriale Ordnung nach dem Krieg reichen vom Zerfall Jugoslawiens, einem selbständigen Montenegro und einem Kosovo, das weitgehende Autonomie innerhalb Jugoslawiens erhält, zu einem stabilen Mazedonien.

Die muslimische SDA vertritt einen harten anti-serbischen Kurs

Das Belgrader Regime, das soviel Elend über die ganze Region gebracht hat, muß man mit allen Mitteln bekämpfen und stürzen. Friedliche Mittel wie Verhandlungen können keinen Erfolg haben. Die NATO-Strategie wird befürwortet, allerdings soll die Gefahr ziviler Opfer minimiert werden. Der Einsatz von Bodentruppen wird als unvermeidlich angesehen. Bosnien-Herzegowina möchte mehr in die Lösung der Krise einbezogen werden und gibt der NATO volle Unterstützung für ihre Aktion (Überflugrechte etc.).

Wegen der Informationsblockade ist die innenpolitische Lage in Jugoslawien schwer zu beurteilen. Die demokratischen Kräfte gelten als zu schwach, um selbständig einen politischen Wechsel herbeizuführen. Ohne die Teilnahme der jugoslawischen Armee wird es zu keinem Regierungswechsel kommen. Der einzige Weg für eine Friedenslösung ist die Absetzung von Slobodan Milosevic.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat lediglich die NATO eine entscheidende Rolle, die der UCK ist unwichtig. Andere internationale Organisationen können erst nach einem Friedensschluß aktiv werden. Die Teilnahme der Deutschen innerhalb der NATO – Truppen wird begrüßt und geschätzt.

Wie die SDP sieht auch die SDA die Folgen des Konflikts auf Bosnien-Herzegowina vor allem im Flüchtlingsproblem aus Jugoslawien und in wirtschaftlichen Schäden (vor allem in der Republika Srpska). Sie schätzt, daß die nationalistischen Strömungen in der Republika Srpska nach Kriegsende an Zulauf verlieren. Man geht allgemein davon aus, daß die politischen Spannungen in der Region bis zur Einstellung der Kampfhandlungen eher noch wachsen.

Laut SDA gibt es seither noch keinerlei Ansätze für eine regionale Kooperation zwischen Bosnien-Herzegowina und den Nachbarstaaten.

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Nach Einstellung der Kampfhandlungen und Wechsel der Belgrader Regierung müßte Jugoslawien unter internationales Protektorat gestellt werden, bis die demokratische Kräfte im Land stark genug sind, um selbst zu regieren. Die Unterstützung seitens des Westens war bisher zwar beträchtlich, sollte sich aber mehr am wirtschaftlichen Wiederaufbau/ Entwicklung orientieren (im Gegensatz zur Nothilfe). Bei den Vorstellungen für die territoriale Ordnung nach dem Krieg erwartet die SDA einen Zerfall Jugoslawiens mit einer Autonomie für Kosovo, Montenegro und Vojvodina; Mazedonien bleibt unverändert.

Die kroatische HDZ haßt das Milosevic-Regime

Für die HDZ besteht die einzige Möglichkeit für einen langfristigen Frieden in der Region in der Beseitigung des faschistischen Regimes in Jugoslawien. Die NATO-Strategie wird als gut und wirkungsvoll beurteilt, muß aber bis zum Ende durchgehalten werden. Der Einsatz von Bodentruppen muß auf jeden Fall stattfinden, Jugoslawien und Kosovo müssen unter internationales Protektorat gestellt werden.

Das größte Problem in Jugoslawien die einseitige Information der Bevölkerung durch die 10 Jahre lange Medienblockade durch das Regime. Dies führt dazu, daß sich Milosevic weiterhin als Retter des Landes darstellen kann. Nach Einstellung der Kampfhandlungen muß der Westen dabei helfen, daß sich in Jugoslawien demokratische Kräfte formieren, organisieren und in die Lage versetzt werden, die Macht zu übernehmen.

Man wünscht sich eine stärkere Einbeziehung von Bosnien-Herzegowina: den NATO-Ländern werden zur Lösung des Konflikts alle bosnischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Es besteht sehr wenig Spielraum für ein Engagement der internationalen Organisationen, bevor die NATO ihre Arbeit beendet hat und ein Protektorat einführt ist. UCK spielt aufgrund mangelnder Bewaffnung eine untergeordnete Rolle.

Wie die beiden anderen Parteien (SDP, SDA) sieht auch die HDZ die Folgen des Konflikts auf Bosnien-Herzegowina vor allem im Flüchtlingsproblem aus Jugoslawien und wirtschaftlichen Schäden. Der Bedarf an wirtschaftlicher Unterstützung und Wiederaufbau von Infrastruktur steigt.

Die HDZ erwartet eine Stärkung von nationalistischen Kräften in der Republika Srpska durch den Jugoslawien-Krieg. Bis zur Einstellung der Kampfhandlungen wird Jugoslawien versuchen, die Länder in der Region weiter zu destabilisieren. Laut HDZ gibt es seither noch keinerlei Ansätze für eine regionale Kooperation zwischen Bosnien-Hercegowina und den Nachbarstaaten.

Ähnlich wie die anderen Parteien rechnet auch die HDZ bezüglich der territorialen Ordnung nach dem Krieg mit dem Zerfall Jugoslawiens, einem selbständiges Montenegro, einer vollen Autonomie des Kosovo innerhalb von Jugoslawien und einem Mazedonien in den bestehenden Grenzen.

Die serbische Sozialdemokraten (SNSD – Republika Srpska) suchen nach friedlichen Lösungen

Die SNSD gibt die Verantwortung für die heutige Lage der Jugoslawien alleine Milosevic und seiner Politik im Kosovo während der letzten 10 Jahre. Sie verurteilen ebenfalls die

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Veränderungen in der Jugoslawien- Regierung (Absetzung von Draskovic), da es dem politischen "Gleichgewicht" geschadet hat.

SNSD war immer für friedliche Lösungen von Problemen. Die Lösung aller Krisen müßten unter dem Dach der UN gesucht werden. Mit Aggression ist nichts zu bewirken – sie produziert eine humanitäre Katastrophe und bildet keine Basis für Schritte in eine friedliche Zukunft. Diese Katastrophe wird sich noch verschlimmern – die SNSD hat kein Verständnis für Angriffe auf zivile Ziele.

Obwohl erklärt wurde, daß die NATO-Angriffe eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern sollten – für die die aktuellen Regierungen in Serbien und Jugoslawien verantwortlich gemacht werden – haben die Angriffe eine Ausweitung der Katastrophe bewirkt. Die humanitären Organisationen, Nachbarländer und die NATO selbst wurden damit vor unlösbare Probleme gestellt.

SNSD begrüßt die Friedensinitiativen seitens des Vatikans, Kontaktgruppe und Rußland: Gewalt und Krieg werden als Mittel zur Konfliktlösung abgelehnt, man bedauert alle unschuldigen Opfer, ob Zivilisten oder Soldaten.

Der nahe Krieg mit dem "Brudervolk" destabilisiert auch die Republika Srpska. Emotionale Ausbrüche in der Bevölkerung sind nicht auszuschließen. Die SNSD unterstützt friedliche Proteste in der Republika Srpska. Die aktuelle Konfliktlage wird von nationalistischen Kräften in der Republika Srpska dazu genutzt, die jetzige Regierung zu kippen und an die Macht zu kommen.

Die Republika Srpska sollte in ihren jetzigen Grenzen bewahrt werden, was auch für Jugoslawien ein konstruktives Zeichen wäre. Die Zerstörungen der wirtschaftlichen Infrastruktur in Jugoslawien hat ökonomische Folgen für die Republika Srpska, deren Außenhandel zu über 50% mit der Jugoslawien abgewickelt wurde.

SNSD ist gegen jegliche Nutzung des Territoriums der Bosnien-Hercegowina für den NATO-Einsatz (Überflug, etc.). Es gilt vor allem, den Frieden in Bosnien-Hercegowina zu bewahren und das Land nicht in den Konflikt hineinzuziehen. Die SNSD sieht die Gelegenheit für die OSZE als regionale Organisation, sich aktiv an Vorschlägen und Umsetzung der politischen Lösungen zu beteiligen. Sie muß dabei die Rechte Jugoslawiens als souveränen Staat respektieren, sowie die Rechte aller Bürger und nationalen Minderheiten.

Eine Lösung kann nur erreicht werden, wenn sich die europäischen Länder verpflichten, die Bombardierung einzustellen. Danach sollte die UN die Federführung der Friedensverhandlungen übernehmen. Der Friedensprozeß hängt davon ab, ob sich die demokratischen Prozesse in den Ländern Ex-Jugoslawiens fortsetzen. Das Kosovo-Problem kann nur als Teil einer Strategie für die ganze Balkan-Region gelöst werden.

Die SNSD ist gegen den Einsatz von Bodentruppen in Jugoslawien. Was die Vorstellungen für die territoriale Ordnung nach dem Krieg betrifft, so ist die SNSD ist für den Fortbestand Jugoslawien in den aktuellen Grenzen und hofft, daß es zu keinem neuen Krieg um die Selbständigkeit Montenegros kommt.

[Seite der Druckausg.: 9]

Die serbischen Nationalisten (SDS – Republika Srpska) sind loyal zu Milosevic

Die SDS ist der Meinung, daß ein friedliches, demokratisches Land angegriffen worden ist und der Westen damit ein kapitales Verbrechen begangen hat. Serbien ist dabei genauso unschuldig wie Milosevic selbst. Serbien soll sich verteidigen bis zum letzten Mann. Alles andere wäre Verrat. Die NATO-Strategie wird abgelehnt, NATO ist ein Aggressor und Okkupator. Die SDS unterstützt Milosevic in allen Punkten, aber sie betont, daß sie das nur verbal tun kann. Sie bezeichneten alle Gegner Milosevics in der Republika Srpska als Verräter und schlechte Patrioten.

Die SDS ist gegen den Einsatz von Bodentruppen. Sie ist der Meinung, daß Serbien den Kosovo verteidigen muß und man dafür alle Menschen mobilisieren sollte, auf freiwilliger Basis auch in der Republika Srpska. Die einzigen Verbündeten der Serben sind Rußland und China, die ihnen in dem Konflikt zur Seite stehen werden. Mit dem Westen sollte man überhaupt keinen Dialog führen.

Folge dieses Konflikts in der Republika Srpska ist die massive Verschlechterung der Wirtschaftslage. Die Wirtschaft der Republika Srpska war an Serbien angebunden. Seit Beginn der Luftangriffe sind zusätzlich 30.000 Arbeiter beschäftigungslos geworden.

Nach Meinung der SDS soll Milosevic hart bleiben und kein "Ultimatum" der NATO unterzeichnen, sowie keine Bodentruppen im "serbischen heiligen Land" Kosovo akzeptieren. Die UCK ist für sie eine terroristische Organisation, die vernichtet werden muß. Die SDS ist gegen Amerikaner, und beschuldigt die Europäer, diesen die Hauptrolle auf dem Balkan überlassen zu haben.

Für die SDS ist die Tragödie der Albaner im Kosovo ein Tabuthema: die Albaner sind selbst schuld, weil sie mit Serben nicht auskommen konnten, sie hatten im Kosovo alle Freiheit. Entsprechend treten sie für eine territoriale Ordnung nach dem Krieg ein, bei der Jugoslawien bestehen bleibt und Kosovo und Montenegro keine Selbständigkeit erhalten.

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Bulgarien: Linke gegen NATO-Angriffe

Bulgarien ist vom Krieg selbst hart getroffen. Er erzwingt eine teure und zeitraubende Umleitung des größten Teils des Autoverkehrs und des Handels zwischen Bulgarien und Mittel- und Westeuropa über Rumänien. Der Krieg wird das Interesse der ausländischen Investoren an der ganzen Region reduzieren. Er belastet die Umwelt, insbesondere die Donau und dadurch das Schwarze Meer. Aber auch Luft und Boden sind besonders in den Grenzregionen verschmutzt. Die Opposition meint, daß die Regierenden versuchen werden, ihre Schwächen und Fehler mit dem Krieg zu erklären. Außerdem beginnt eine nicht registrierte türkische Partei Forderungen für Autonomie großer Gebiete mit überwiegender türkischer Bevölkerung zu stellen.

Die meisten Leute (mehr als 70%) sind gegen den Krieg. Sie haben Angst, daß der Krieg auch Bulgarien betreffen wird. Dafür sprechen die Umweltprobleme und die sechs auf bulgarisches Territorium gefallenen Raketen, wobei ein Haus in Sofia beschädigt wurde. Außerdem meinen viele, daß die Unterstützung für die Albaner die bulgarischen Türken bewegen könnte, ihrerseits eine Autonomie oder Unabhängigkeit zu verlangen (was auch schon ansatzweise geschieht - siehe oben). Die rechte Regierung und die türkische Partei Bewegung für Rechte und Freiheiten unterstützen den Krieg. Die meisten anderen Parteien, darunter die vier Parteien der Linken sind dagegen.

[Seite der Druckausg.: 10]

Während die bulgarische Regierung ihre pro-westliche Haltung unter anderem durch Freigabe des Luftraumes signalisiert, ist die bulgarische Linke, die derzeit in der Opposition ist, skeptischer. Sie umfaßt folgende sozialistische und sozialdemokratische Parteien:

  • Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) – vertreten im Parlament, größte Oppositionskraft, reformkommunistisch
  • Bulgarische Eurolinke (BEL) – vertreten im Parlament, sozialdemokratische Abspaltung von den Sozialisten
  • Bulgarische Sozialdemokratische Partei (BSDP) – nicht vertreten im Parlament, Traditions-Sozialdemokraten
  • Vereinigter Block der Arbeit (VBA)- nicht vertreten im Parlament

Die linken Parteien mit Ausnahme der BEL haben sich von Beginn an gegen die NATO-Intervention in Jugoslawien gewandt. Inzwischen vertritt auch die BEL diese Ansicht. Jetzt meinen die vier Parteien, daß der Krieg die Probleme in der Region nicht lösen, sondern vertiefen kann.

Am 25. März stimmte die BEL für eine Erklärung des Parlaments, in der die Bemühungen der NATO zur Lösung des Kosovo-Problems unterstützt werden, aber die Nichteinmischung im Krieg unterstrichen wird. Die anderen drei Parteien waren dagegen. Bei der Abstimmung der Genehmigung für die Benutzung des bulgarischen Luftraumes durch die NATO stimmten sowohl die BSP auch die BEL dagegen. Dagegen waren auch die BSDP und VBA. Die Genehmigung wurde erteilt durch die Stimmen der regierenden Rechten und der Partei der türkischen Minderheit – Bewegung für Rechte und Freiheiten.

Die vier Parteien sind der Meinung, daß die Opposition in Jugoslawien schwach ist. BEL, BSDP und VBA denken, daß der Westen diese Opposition massiv unterstützen soll.

Die Parteien denken, daß nur über die UNO eine Friedenslösung möglich ist. Rußland soll aktiv mitwirken. Die Friedensbemühungen Deutschlands werden begrüßt.

Es finden regelmäßig Treffen der Präsidenten von Bulgarien, Rumänien und der Türkei bzw. Bulgarien, Rumänien und Griechenland statt. Es laufen Vorbereitungen für die Gründung einer gemeinsamen Militäreinheit mit Soldaten aus der Türkei, Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Mazedonien und Albanien mit Sitz in Plovdiv. Es finden bilaterale Treffen der Außenminister der Balkanländer statt. Am 14.-15. Mai 1999 fand eine FES-Konferenz mit den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien aus der Region mit der SPD statt, deren übereinstimmende Meinung im folgenden Kasten zu finden ist:

[Seite der Druckausg.: 11]

Sofia-Konferenz zum Kosovo

Dialog Südost-Europa der Friedrich Ebert Stiftung
am 14./16. Mai 1999 in Sofia, Bulgarien

Am Ende der Veranstaltung wurden folgende Punkte festgehalten, über die unter den Teilnehmern Einigkeit bestanden hat:

  1. Der schon vor dem Kosovo-Konflikt schwierige Transformationsprozeß der Länder Südosteuropas wurde durch den Krieg noch einmal deutlich verlangsamt.
  2. Eine wirtschaftliche Erholung und Annäherung an Europa wird nur durch eine erhebliche ökonomische und politische Unterstützung von außen möglich sein.
  3. Das militärische Engagement des Westens bringt auch die Verantwortung mit sich, maßgeblich an der Beseitigung der Folgen des Krieges mitzuwirken.
  4. Die internationalen Wiederaufbaumaßnahmen sollten nicht nur über die nationalen Regierungen laufen, sondern es sollten alle gesellschaftlichen Kräfte der betroffenen Länder mit einbezogen werden.
  5. Die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte muß gewährleistet werden. Die demokratischen Strukturen in allen Ländern Südosteuropas müssen gestärkt werden um den Nationalismus zurückzudrängen.
  6. Mit dem derzeitigen Belgrader Regime bleibt Jugoslawien ein Destabilisierungsfaktor für die Region. Die Demokratisierung Jugoslawiens bleibt deshalb eine für die Stabilität der Region unabdingbare Voraussetzung.
  7. Die Vertreibung des kosovarischen Volkes ist ein großes Unrecht. Die Kosovo-Albaner müssen die Möglichkeit erhalten in ihre Heimat zurückzukehren. Ihre Rückkehr muß mit einer internationalen, militärischen friedenssichernder Präsenz garantiert werden
  8. Die Einrichtung eines Stabilitätspakts mit Südosteuropa wird einhellig begrüßt. Dieser Pakt soll auch den Integrationsprozeß der Länder Südosteuropas in die euro-atlantischen Strukturen beschleunigen. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Verhandlungen des Paktes muß sichergestellt werden.
  9. Der auf der Konferenz in Sofia geführte Dialog soll - insbesondere auch mit den sozialdemokratischen Parteien der Bundesrepublik Jugoslawien - fortgeführt werden.

Sofia, am 15. Mai 1999


Die Parteien sind sich einig, daß nur eine politische Lösung möglich ist. Je länger der Krieg dauert um so schwieriger kann ein Kompromiß gefunden werden. Sie verweisen darauf, daß der Krieg die Länder in der Region wirtschaftlich schwächt und die Nationalisten in diesen Ländern (sowohl unter den nationalen Mehrheiten als auch unter den Minderheiten) stärkt. Damit entsteht eine reale Gefahr von neuen ethnischen Konflikten und Kriegen. Besonders gespannt ist die Situation in Mazedonien. Das Problem mit den Flüchtlingen insgesamt wird schwer zu lösen sein.

Die Parteien erwarten eine wirtschaftliche Hilfe für das Land im Rahmen des Paktes für Stabilität und Sicherheit und daß sie in den Prozeß der Festlegung dieser Hilfe einbezogen werden, obwohl sie in Opposition sind. Außerdem wünschen die Parteien für sich selbst eine größere Unterstützung seitens der europäischen Sozialdemokratie.

[Seite der Druckausg.: 12]

Die Parteien sind der Meinung, daß der Krieg zu keinen Grenzveränderungen führen soll, damit keine Hoffnungen für neue zukünftige Grenzveränderungen entstehen. Kosovo sollte eine breite Autonomie, aber im Rahmen von Serbien bekommen (weil, wenn Kosovo den gleichen Status wie Montenegro bekäme, dies bedeuten würde, daß es das Recht hätte, die Föderation zu verlassen). Anderenfalls würden eine Reihe von weiteren Konflikten in Jugoslawien, Mazedonien, Bulgarien und Rumänien folgen.

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Mazedonien: Ethnische Akzente bestimmen die Haltung

Mazedonien gehört zu den Hauptleidtragenden des Konflikts. Es hat selbst eine starke albanische Minderheit, die auch mit einer Partei an der Regierung beteiligt ist. Zwischen Albanern und der übrigen Bevölkerung ist die Haltung zum Kosovo-Konflikt naturgemäß sehr unterschiedlich. Vor allem die nicht-albanische Bevölkerung befürchtet, daß die Flüchtlinge nicht zurückkehren. Mazedonien unterhielt enge Handelsbeziehungen zu Jugoslawien (65% der Exporte und 20% der Importe), die jetzt unterbrochen sind.

Das mazedonische Parlament hat sich im März 1999 gegen die Nutzung des nationalen Territoriums zum Angriff gegen Nachbarländer einschließlich Jugoslawiens erklärt.

Sozialdemokraten kritisieren die NATO und wollen politische Lösung

Die bis 1998 regierenden postkommunistischen Sozialdemokraten (SDSM), die sich jetzt in der Opposition befinden, kritisieren die NATO-Aktion. Sie meinen, daß die politischen Mittel nicht hinreichend ausgeschöpft wurden. Die Angriffe waren kontraproduktiv und haben Milosevic gestärkt. Mazedonien soll sich weiter aus dem Krieg heraushalten, aber gleichzeitig seine Westorientierung beibehalten.

Die UNO, Rußland und China sollten aktiv in eine Friedenslösung involviert werden. Die OSZE sollte in den Kosovo zurückkehren. Deutschland sollte sich stärker engagieren. Von der EU erwartete man vor allem Hilfe, am besten in Form eines „Marshall-Planes".

Die UCK sollte entwaffnet werden. Der Kosovo sollte zwar Teil Jugoslawiens bleiben, aber ebenso wie Montenegro eine breite Autonomie erhalten. Jugoslawien sollte eine Konföderation in den bestehenden Grenzen bilden. Milosevic dürfte eine solche Neuordnung nach dem Ende des Krieges politisch nicht überleben.

Vom Westen und der EU erwartet die SDSM umfangreiche Hilfe, um die durch die Zerstörung der serbischen Wirtschaft verursachten Probleme zu lindern. Mazedonien sollte an die EU assoziiert werden. Davon erhofft man sich eine Zunahme ausländischer Investitionen.

Die mazedonischen Albaner vertrauen auf die NATO

Die Partei der Demokratischen Prosperität (PDP) ist eine von zwei Parteien der albanischen Minderheit in Mazedonien. Die zweite Partei hat sich von der PDP abgespalten und ist jetzt an der Regierung beteiligt, während die PDP in der Opposition ist.

Die PDP hält die NATO-Aktion für berechtigt, da Jugoslawien alle friedlichen Kompromisse (Rambouillet) abgelehnt habe. Sie erwartet, daß bei längerem Krieg die Opposition

[Seite der Druckausg.: 13]

in Jugoslawien erstarkt und die Serben einlenken. Dann sei eine Neuordnung auf der Grundlage der fünf Forderungspunkte der NATO denkbar und wünschenswert.

Die UNO sei wahrscheinlich wenig geeignet, um eine Lösung herbeizuführen. Aber in einer Friedensordnung sollte die OSZE die zivile Seite überwachen, während weiter eine starke NATO-Präsenz in der Region erforderlich sei. Im autonomen Kosovo könnte die UCK als Polizei eine friedliche Rolle übernehmen. Zwar rechnet die PDP mit einem politischen Wechsel in Belgrad; sollte er aber ausbleiben, so befürwortet sie eine Selbständigkeit Montenegros und des Kosovo. Die Integrität Mazedoniens soll gewahrt bleiben.

Die EU soll mehr Hilfe an Albanien, Montenegro und Mazedonien leisten. Es ist besser Geld in die wirtschaftliche und politische Stabilisierung zu investieren als in den Krieg. Die regionale Kooperation würde durch ein demokratisches Jugoslawien enorm erleichtert.

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Albanien: Einig gegen Milosevic

Die Albaner tragen die Hauptlast der Flüchtlingsströme und haben naturgemäß eine enge Bindung an ihre Landsleute aus dem Kosovo. Alle wichtigen politischen Parteien, Sozialisten (PSSH), Sozialdemokraten (PSDSH) und Demokraten (PDSH) unterstützen die NATO-Aktion. Sie unterscheiden sich nur in Nuancen der Beurteilung. Alle Parteien billigen die Stationierung von NATO-Streitkräften in Albanien und die Gewährung von Überflugrechten. Sie befürworten einen Einsatz von Bodentruppen - auch von albanischem Territorium aus.

In der Beurteilung der Lage in Jugoslawien unterstreichen die Sozialdemokraten die zivilgesellschaftlichen Aspekte. Sie sehen die tieferen Ursachen in der mangelhaften Demokratie und setzen auch auf die serbische Opposition, während die regierenden Sozialisten stärker den zwischenstaatlichen Charakter des Konflikts betonen.

Alle Parteien sehen in der UNO und in einer Beteiligung Rußlands ein wichtiges Element zur Lösung der Krise. Sie erwarten oder erhoffen sich einen unabhängigen, selbständigen Kosovo - zumindest nach einer Übergangsphase. Konflikte treten zwischen ihnen auf, wenn es um die Zusammensetzung einer künftigen Regierung eines solchen Kosovo geht. Während die sozialistische Regierung stärker auf die UCK setzt, tritt die Demokratische Partei mehr für eine pluralistische Koalition aller politischen Kräfte ein.

Alle Parteien wünschen sich eine massive Hilfe der EU und des Westens sowohl für Albanien als auch für den Kosovo. Eine regionale Kooperation wäre zwar erstrebenswert, hängt aber ebenfalls von den internationalen Organisationen ab, die die Rahmenbedingungen verbessern müssen.

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Verdrehte Fronten in Griechenland

Direkt nach dem Beginn der Luftangriffe erreichte Simitis - offensichtlich als Sicherheitsfaktor - in den Umfragen höhere Prozente als in der Mitte der Wahlperiode (1998); inzwischen sind seine Prozente leicht gesunken, er profiliert sich jedoch nach wie vor als der zuverlässigste "Krisenmanager". Die große Mehrheit der griechischen öffentlichen Meinung ist gegen den Angriff auf Serbien; dies ist jedoch nicht vereinfacht dadurch zu erklären, daß die Griechen christlich-orthodox und deshalb "Freunde" Serbiens sind.

[Seite der Druckausg.: 14]

Vielmehr handelt es sich um ein allgemeines Gefühl der Verunsicherung im Hinblick auf eine mögliche Destabilisierung der ganzen Region. Ein Teil der Griechen sieht z.B. auch den EWWU-Kurs des Landes durch den Krieg bedroht, da die griechische Wirtschaft davon direkt betroffen ist (v.a. Außenhandel, Tourismus). Schließlich wird es für Griechenland eine harte Probe sein, wenn türkische NATO- Flugzeuge oder gar Bodentruppen durch den griechischen Luftraum oder durch griechisches Bodenterritorium in den Kosovo geschickt werden sollen.

Die Regierungspartei PASOK sucht konstruktive Lösungen für die Region

Die beiden großen Flügeln der PASOK ("Modernisten" und "Traditionalisten") sind sich zum Thema "NATO-Einsatz" einig darüber, daß Griechenland über keine Ermessensfreiheit zu einer unabhängigen Haltung verfügt und daß es gemeinsam mit den anderen NATO-Ländern einen Weg gehen muß. Zur Überraschung auch seiner eigenen "Traditionalisten", die oft in der Vergangenheit nationalistische und philoserbische Positionen vertreten hatten, war der Hauptgegner von Simitis Verteidigungsminister Tsochatzopoulos der erste, der die ethnische Säuberung, die Milosevic gegen die Kosovaren betreibt, wörtlich verurteilte.

Die Regierung und die PASOK-Partei, die neulich in einer Broschüre unter dem Titel "Griechenland: Friedens-, Entwicklungs-, Stabilitäts- und Sicherheitskraft auf dem Balkan" ihre Position zur Kosovo-Krise erläuterte, sind allerdings der Meinung, daß die Luftangriffe nicht zu den erwünschten Ergebnissen geführt haben, da die ethnische Säuberung dadurch beschleunigt und Milosevic gestärkt worden ist. Die heutige Haltung der PASOK (und der Regierung) besteht in folgenden Punkten:

  • Sie befürwortet eine politische Lösung des Problems, unter Einbeziehung der UNO, der OSZE und Rußlands.
  • Griechenland widerspricht den NATO-Entscheidungen nicht ("die Eigenschaft des NATO-Mitglieds hat auch Verpflichtungen als Folge"), will aber an den Luftangriffen bzw. am Einsatz von Bodentruppen nicht beteiligt sein.
  • Es müssen Entwicklungspläne für den Balkan durchgesetzt werden (im Rahmen des NATO-Gipfels schlug Simitis einen Marshall-Plan für den Balkan vor); der Balkan muß demnach in eine "europäische Architektur" integriert werden.
  • Die griechische Armee soll zu Zwecken von humanitärer Hilfe anwesend sein.
  • PASOK schlägt ein "Stabilitätspakt für den Balkan" vor, der die Sicherheit der Grenze garantieren soll (die Grenzen sollen unberührt bleiben, die Menschen- und Minderheitsrechte sollen respektiert werden); als Teil dieses Paktes soll ein permanenter Mechanismus zur Konfliktlösung gegründet werden.
  • Alle bewaffneten Kräfte müssen aus dem Kosovo zurückgezogen werden, die Flüchtlinge sollen zurückkehren, breite internationale Kräfte sollen sich da installieren, die EU-Vorschläge für die Kosovo-Region sollen durchgesetzt werden.

Die Oppositionspartei Nea Dimokratia kritisiert Europa

Nea Dimokratia wünscht sich ein Europa, das zur Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO "nein" sagen würde; die Kosovo-Krise hat einen breiten "Euroskeptizismus" in der Partei angeregt, Parteiführer Karamanlis betont fast täglich "von einem solchen Europa hatten wir nicht geträumt", der Parteisprecher Spiliotopoulos nennt Europa bei jeder Gelegenheit einen "Zwerg". Alte Partei- und Regierungschef Mitsotakis sprach von einer "Dummheit", die "noch schlimmer sei als ein Verbrechen" und bedauerte diejenigen im Westen, die leichtsinnig die Großalbanien-Visionen der Kosovo-Albaner ernährt hatten.

[Seite der Druckausg.: 15]

Der Jugoslawien-Konflikt bietet der Nea Dimokratia einen einfachen Weg, die Regierungspartei und ihre Loyalität gegenüber der NATO zu schlagen; die Oppositionspartei versucht davon zu profitieren, daß die griechische öffentliche Meinung mehrheitlich gegen den NATO-Eingriff ist. Damit rückt allerdings die konservative Partei in eine europa-kritische Position, die ihrer Tradition fremd ist, indem sie z.B. links-populistische Schlagworte wie "Nein zum Europa der Buchhalter" (als "Buchhalter wird der PASOK-Führer und Ministerpräsident Simitis von seinen Gegnern bezeichnet) annimmt. Gleichzeitig mit der als "passiv" kritisierten Außenpolitik der Regierung wird auch der EWU-Kurs des Landes indirekt von den Konservativen in Frage gestellt, was für große Verlegenheit bei den Europapolitikern der Nea Dimokratia gesorgt hat. Letztere behaupten jedoch, daß die anti-europäischen Töne keine Wurzeln in der Partei haben, daß der Parteiführer selbst "in der Realität" ein überzeugter Europäer ist und daß er schlicht versucht, vor den Europa-Wahlen von der Stimmung gegen den Krieg in der Bevölkerung zu profitieren.

Nach dem verteidigungspolitischen Sprecher der Nea Dimokratia sollte Griechenland die NATO-Entscheidung zum Luftangriff "mit doppeltem Vorbehalt" unterzeichnen, was an die entsprechende Haltung des alten Papandreou erinnert. Der alte Parteiführer der Nea Dimokratia, M. Evert, unterscheidet zwischen Strategie und Taktik. Der Strategie nach gehört Griechenland zu Europa und zur NATO, die Taktik erfordert die Verteidigung der nationalen Interessen und des Rechts, auch gegen die heutige Politik von EU und NATO.

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In Rumänien überwiegen Kritik und Sorgen

Die Mehrheit der Bevölkerung steht auf Seite der Serben. 75,8% lehnen bei Umfragen das Eingreifen der NATO ab, obwohl immer noch 56,9% für den Beitritt Rumäniens zur NATO sind. Die Regierung hat den Luftraum für die NATO geöffnet. Aber vor allem die Angriffe in Voivodina (Novi Sad) beunruhigen die Bevölkerung.

In den Medien wird den Vermittlungsversuchen Rußlands mehr Aufmerksamkeit geschenkt als denen Deutschlands.

Rumänien befürchtet wirtschaftliche Nachteile durch die Schließung der Donau und das Embargo, obwohl auch schon in der Vergangenheit das Embargo oft durchbrochen wurde - angeblich mit Billigung höchster Regierungsstellen. Das Land erwartet entsprechend finanzielle Unterstützung durch die EU und die USA. Auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen fordert die Regierung Tagegelder von 15 USD/Aufgenommenem. Sie hat aber auch schon Hilfskonvois nach Albanien geschickt.

Die politischen Parteien haben eine zwiespältige Haltung zum Kosovo-Konflikt.

  • Petre Roman, Senatspräsident und Vorsitzender der Demokratischen Partei, schwankt zwischen Verteufelung der NATO und Unterstützung ihrer Aktionen.
  • Bei der PSDR (rumänischen Sozialdemokraten), Roman’s ehemaligen Allianzpartner, gibt es keine klare Position zum Kosovo, da sie durch heftige innere Streitigkeiten absorbiert ist.
  • Die Oppositionspartei PDSR (Postkommunisten) und ihr Vorsitzender Ion Iliescu, der gute Beziehungen zu Milosevic unterhält, versucht ebenfalls, beide Seiten des Konflikts zu berücksichtigen.

Diese Ausgabe von Politikinformation Osteuropa beruht auf Interviews, Erkundigungen und Berichten unserer Mitarbeiter in Südosteuropa


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