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Wichtige Nahfrist-Ziele europäischer und internationaler Steuerpolitik

In den letzten Jahren ist vor dem Hintergrund des verstärkten Steuerwettbewerbs die Bereitschaft gewachsen, gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen. Zumindest sollte auf EU-Ebene - und möglichst auch darüber hinaus - angestrebt werden, „unfairen" Steuerwettbewerb mittels gezielter Steuervergünstigungen zu verhindern sowie „Rosinenpicken" von Unternehmen und privaten Haushalten zu unterbinden:

  • Bereits seit Jahren wird über eine bessere Koordination der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen multinationaler Unternehmen diskutiert. Hier sollten möglichst einheitliche Anwendungsgrundsätze vereinbart und in die nationale Steuerpraxis umgesetzt werden.

  • Die Doppelbesteuerungsabkommen müßten an die veränderten Gegebenheiten angepaßt werden. Zu schärfen wären die Mißbrauchsvorschriften, etwa durch Anwendung von Aktivitätsklauseln; ferner sollten Amtshilfe und Auskunftsverkehr der Finanzbehörden über die Grenzen hinweg verbessert werden. Längerfristig sollte darüber nachgedacht werden, bei der Besteuerung der internationalen Direktinvestitionen von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode überzugehen, wie dies in den USA schon seit langem praktiziert wird. Dies würde zahlreichen Mißbrauchsmöglichkeiten entgegenwirken, jedoch einen erheblichen Revisionsbedarf des Doppelbesteuerungsrechts bedeuten sowie das Besteuerungsverfahren verwaltungsaufwendiger gestalten. Vorstellbar wäre in diesem Zusammenhang auch ein multilaterales Doppelbesteuerungsabkommen für die EU, das die bisherigen 105 bilateralen Abkommen zwischen den 15 Mitgliedsländern ersetzen könnte.

  • Ferner sollte der Standortkonkurrenz um Direktinvestitionen mittels Steuervergünstigungen konsequent entgegengewirkt werden. Inwieweit die Übereinkommen zum EU-Verhaltenskodex zur Vermeidung eines unfairen Steuerwettlaufes hier ausreichen, muß die konkrete Umsetzung dieser Regelungen zeigen. Das Problem ist, operationalisierbare Kriterien zu entwickeln (siehe Kasten unten). Letztlich anzustreben wären rechtlich bindende Regelungen in Ergänzung zum bestehenden Beihilferecht, die auch gerichtlich durchsetzbar sind.


Kriterien zur Überprüfung von Steuervergünstigungen

Welche steuerlichen Maßnahmen als unfair und potentiell schädlich anzusehen sind, soll nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission für den Verhaltenskodex anhand eines oder mehrerer der folgenden Kriterien beurteilt werden:

  • Werden besondere Vergünstigungen nur Gebietsfremden des betroffenen Mitgliedstaates oder nur für Transaktionen mit Gebietsfremden gewährt?

  • Wird die inländische Wirtschaft auf andere Weise von Vergünstigungen ausgeschlossen, so daß die Steuerbasis des betreffenden Mitgliedstaates nicht beeinflußt wird?

  • Werden Vergünstigungen gewährt, ohne daß ihnen eine tatsächliche Wirtschaftstätigkeit zugrunde liegt (hier sind vor allem „passive" Betätigungen im Sinne des Außensteuerrechts angesprochen)?

  • Weicht die Gewinnermittlung bei Aktivitäten innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe von international anerkannten Grundsätzen ab, insbesondere von jenen, die im Rahmen der OECD vereinbart worden sind?

  • Fehlt es der Maßnahme an Transparenz, z. B. auch aufgrund einer laxeren Handhabung der Rechtsvorschriften auf Verwaltungsebene?


  • Solange es nicht zu einer abgestimmten (Mindest-)Quellen- oder Abgeltungsbesteuerung auf Kapitalerträge kommt, kann internationale Kooperation der Finanzbehör-

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    den die Wohnsitzlandbesteuerung von ausländischen Engagements gewährleisten. Inwieweit die gegenwärtig vorbereitete Richtlinie der EU dafür die Voraussetzungen bietet, bleibt abzuwarten.

  • Bei der Mehrwertsteuer sollte das Bestimmungslandprinzip so weit wie möglich gewährleistet werden.


Der Wettbewerb der Steuer- und Finanzsysteme braucht Regeln.



Wettbewerb braucht Regeln, zumindest Mindeststandards. Dies gilt auch für einen Wettbewerb der Steuer- und Finanzsysteme in einer sich internationalisierenden Wirtschaft. Ebenso wie die Handelspolitik durch Institutionen wie die EU oder GATT/WTO koordiniert wird, wäre ähnliches auch für die nationalen Steuerpolitiken vorstellbar. Fiskalischer und steuerlicher Wettbewerb, der durchaus eine wichtige Entdeckungsfunktion haben kann, ist durch Harmonisierung in Form von Mindestregulierungen in geordnete Bahnen zu lenken. Dies sollte zunächst in der EU erfolgen. Ergänzende Übereinkommen wären aber auch zwischen den OECD-Ländern oder sogar weltweit unter dem Dach der WTO oder der UN wünschenswert.

[Seite der Druckausg.: Umschlag-Rückseite]

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Die Reihe Eurokolleg greift aktuelle Sachfragen des europäischen Einigungsprozesses auf. Ziel ist es, Problematiken und Politikoptionen von komplexen europäischen Sachverhalten zu diskutieren. Diese Eurokolleg-Broschüre basiert u.a. auf den Ergebnissen unserer Veranstaltung "Steuerpolitik in Europa zwischen Wettbewerb und Harmonisierung - Perspektiven nationaler und europäischer Steuerpolitiken in der EWWU", die die Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin organisiert hat.

Diese Publikation wurde von der Europäischen Kommission finanziell unterstützt.

Der Autor, Stefan Bach, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin

Bezug kostenlos durch die Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Industrieländer, Frau Eva Meiners, 53170 Bonn,

Fax-Nr. 0228-883538

Internet: http://www.fes.de

Redaktion: Anne Seyfferth, Friedrich-Ebert-Stiftung,
Abteilung Internationaler Dialog, 53170 Bonn.

Copyright: Friedrich-Ebert-Stiftung.
Internet: http://www.fes.de

Druck: Druckerei Plump, Rheinbreitbach

ISSN: 0939-7493
ISBN: 3-86077-809-9





Reihe Eurokolleg 41 (1999)


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