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[Seite der Druckausgabe: 17]


Ziele der Europäischen Strukturfonds

Mit den Strukturfonds (Regional-, Sozial-, Agrar-, Kohäsions- und Fischereifonds) und ihren Gemeinschaftsinitiativen verfolgt die Europäische Union das Ziel, die Beschäftigung und insbesondere die Frauenbeschäftigung zu fördern. Seit 1994 wurde der Grundsatz der Chancengleichheit für Männer und Frauen als „übergeordnetes" Entwicklungsziel in die Strukturfonds-Rahmenverordnung aufgenommen. Im Unterschied zu den anderen „übergeordneten" Entwicklungszielen, wie etwa der Berücksichtigung ökologischer Belange, hat die Frauenförderung Eingang in die Zielbestimmungen der EU-Strukturfonds gefunden. So heißt es u.a. in der Rahmenverordnung: „Die Chancengleichheit für Männer und Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist ein Gemeinschaftsziel, und die strukturpolitische Aktion muß zur Erreichung dieses Ziels beitragen.


In landesspezifischen Programmen werden die europäischen Fördermittel für Maßnahmen zur Qualifizierung, Wiedereingliederung und Existenzgründungsberatung von Frauen eingesetzt.


Die Förderphilosophie der Europäischen Strukturfonds stützt sich auf die vier Grundprinzipien Konzentration, Programmplanung, Kofinanzierung und Partnerschaft Das Prinzip der Konzentration verlangt eine Bündelung der Mittel auf „vorrangige" Ziele. Insgesamt kennt die EU die in der nachstehenden Übersicht zusammengefaßten sieben Ziele. Insbesondere in der Definition zu Ziel 3 wird explizit die Berücksichtigung der Chancengleichheit von Frauen herausgestellt.

Die Programmplanung sieht vor, daß die nationalen/regionalen Stellen auf Basis eines Beihilfeantrages den Rahmen beantragen, in dem die europäischen Mittel eingesetzt werden sollen. Dazu legen die Mitgliedstaaten einen einzigen Beihilfeantrag der Europäischen Kommission vor, der alle Entwicklungspläne für Maßnahmen nach den Zielen 1 -4,5b und 6 enthält. Die Europäische Kommission verabschiedet daraufhin ein Gemeinschaftliches Förderkonzept (GFK), in dem die operationellen Interventionen enthalten sind. Außerdem verfolgt die Programmorientierung einen integrativen Ansatz, der vor allem die Maßnahmen der regionalen Wirtschaftspolitik mit den Maßnahmen der Arbeitsmarkt-, Gleichstellungs- und Qualifizierungspolitik verknüpfen will.

Nach dem dritten Grundprinzip - der Kofinanzierung - werden die geplanten nationalen/regionalen Maßnahmen von der Europäischen Kommission nicht zu 100 vH finanziert. Vom Projektnehmer/der Projektnehmerin wird in Abhängigkeit von der Höhe der strukturellen Probleme ein gewisser Eigenanteil erwartet. So kann z.B. der EU-Beitrag in Ziel 1-Gebieten bis zu 75 vH der Kosten betragen, die restlichen 25 vH steuern Mitgliedsland, Region oder Projektträger bei. Die gängige Praxis in bezug auf den Einsatz der EU-Mittel sieht in Deutschland so aus, daß die Strukturfonds-Mittel und die zur Kofinanzierung bereitgestellten Finanz

mittel in landesspezifischen Programmen gebunden werden.

Die Förderphilosophie der Europäischen Strukturfonds stützt sich auf die vier Grundprinzipien Konzentration, Programmplanung, Kofinanzierung und Partnerschaft

Bund und Bundesländer haben zu Beginn der aktuellen Förderperiode (1994 - 1999) aus den Strukturfonds mitfinanzierte frauenspezifische Förderprogramme und Maßnahmen aufgelegt. Es handelt sich i.d.R. um Maßnahmen zur Qualifizierung von Frauen, Wiedereingliederung von Frauen nach einer Phase der Nichterwerbstätigkeit (Motivations- und Orientierungskurse), Existenzgründungsberatung und Beratungseinrichtungen zur Frauenförderung. So wird z.B. in Nordrhein-Westfalen durch die Zahlung eines Qualifizierungs- und Kinderbetreuungszuschusses den Frauen die Teilnahme an den Qualifizierungsmaßnahmen ohne größere finanzielle Belastung erleichtert.

Das Partnerschaftsprinzip sieht vor, daß die Europäische Strukturpolitik mit den staatlichen europäischen, nationalen und regionalen Ebenen sowie mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern umgesetzt wird. Hinsichtlich der Umsetzung des Partnerschaftsprinzips für die Chancengleichheit von Männern und Frauen in den Europäischen Strukturfonds ist festzustellen, daß die Beteiligung von Akteurinnen stärker

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an die Initiativen der Gemeinschaftsprogramme NOW und ADAPT (siehe unten) geknüpft sind als an die Begleitausschüsse, die in den letzten Jahren im Rahmen der allgemeinen europäischen Strukturpolitik in den einzelnen Ländern zu den verschiedenen Zielen aufgebaut wurden.

Ein zentraler Schwerpunkt eines der fünf Europäischen Strukturfonds, des Sozialfonds (ESF), ist die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. In der Sozialfonds-Verordnung wird dieser Aspekt ausdrücklich hervorgehoben. Dort heißt es, daß die Mittel zur „Förderung der Chancengleichheit für Frauen und Männer im Hinblick auf die Beschäftigung, insbesondere in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, und insbesondere für Frauen, die über keine beruflichen Qualifikationen verfügen oder die nach einer Phase der Nichterwerbstätigkeit wieder in das Berufsleben zurückkehren wollen" eingesetzt werden sollen. Gleichzeitig können die mit Mitteln aus dem ESF finanzierten Aktivitäten insbesondere in den strukturschwächsten Gebieten (in den Ziel 1-Regionen; dazu zählen vorwiegend Staaten wie Italien, Griechenland, Portugal, Spanien und Irland sowie in der Bundesrepublik Deutschland die ostdeutschen Bundesländer) durch die finanzielle Förderung aus einem anderen der fünf Strukturfonds, dem Regionalfonds (EFRE), unterstützt werden. Es ist über den EFRE grundsätzlich möglich, die infrastrukturelle Ausstattung, z.B. den Bau von Kinderkrippen, zu fördern ebenso handwerkliche Tätigkeiten sowie die Gründung kleiner Unternehmen zugunsten von Frauen. Es ist hier das Anliegen der Europäischen Kommission, bei der Umsetzung des EFRE besonders Frauen zu berücksichtigen, so daß die getätigten Aktionen sich nicht nur auf traditionell männlich dominierte Sektoren und Branchen (z.B. Industrie, Landwirtschaft) konzentrieren sollen.

Förderkonzepte in den neuen Bundesländern geben keine Antwort auf die strukturelle Diskriminierung der Frauen am Arbeitsplatz

Auf den ersten Blick sind all diese Aktivitäten im Rahmen der europäischen Strukturpolitik positiv zu bewerten, da sie auf die Frauenförderung abstellen; auf den zweiten Blick aber nehmen die Interventionen zugunsten der Frauen im Verhältnis zu der Vielzahl an Fördermöglichkeiten, die die EU-Strukturfonds den Mitgliedsländern eröffnen, einen verschwindend geringen Raum ein. Daneben fällt außerdem auf, daß die Frauenförderung auf die sozialpolitische Dimension abstellt. So gibt z.B. kein Förderkonzept in den neuen Bundesländern eine Antwort auf die strukturelle Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt, obwohl gerade dort fast alle Industriearbeitsplätze für Frauen in den letzten Jahren weggebrochen sind, wie z.B. in der Backwarenindustrie in Mecklenburg-Vorpommern oder in der Bekleidungsindustrie in Sachsen.

Die Europäischen Strukturfonds sind so angelegt, daß mit ihrer Hilfe nationale strukturpolitische Interventionen begleitend gefördert werden. Mit dem Instrument der sog. Gemeinschaftsinitiativen führt die Europäische Kommission eine eigenständige Strukturpolitik durch. Die Gemeinschaftsinitiativen sollen besondere Problembereiche aufgreifen, die für den Zusammenhalt in der EU von großem Interesse sind. Insgesamt 13 GIs kennt die Europäische Kommission. Sie reichen von der Förderung des ländlichen Raumes bis zur Unterstützung von Grenzräumen. Dazu zählt die Europäische Kommission auch die Förderung gleicher Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. Die EU hat eigens zur Verfolgung dieses Ziels die Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung/NOW geschaffen; ergänzend kann auch die Gemeinschaftsinitiative ADAPT, die die Anpassung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an die industriellen Wandlungsprozesse und an die Veränderungen der Produktionssysteme erleichtern will, zur Förderung der Frauenbeschäftigung in den Mitgliedstaaten beitragen.

Frauenförderung verschwindend gering im Verhältnis zu anderen Fonds der EU



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Gemeinschaftsinitiative: Beschäftigung

Die Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung mit dem Aktionsbereich NOW (New Opportunities for Women - Neue Chancen für Frauen) verfolgt das Ziel, gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen, insbesondere in den Förderschwerpunkten Ausbildung, zukunftsorientierte Beschäftigung und Führungspositionen, finanziell zu unterstützen. Mit dem Instrument NOW will die EU in ihren Mitgliedstaaten vor allem Maßnahmen fordern, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind. Denn die traditionellen Instrumente konnten bisher nicht dazu beitragen, die Benachteiligung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden.

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NOW will die Vernetzung und transnationale Zusammenarbeit vergleichbarer Projekte in den EU-Mitgliedstaaten fördern. NOW-Projekte müssen insgesamt vier Grundsätze erfüllen:

  1. Transnationalität, d.h. in NOW-Projekten arbeiten Akteurinnen aus mehreren Mitgliedstaaten zusammen;

  2. Innovation, d.h. die NOW-Projekte dienen der Einführung neuer Ideen;

  3. Ansatz „von unten nach oben", d.h. die Bedarfsermittlung wird auf örtlicher, regionaler Ebene herausgearbeitet und schließlich

  4. Multiplikatoreffekte, d.h. die positiven Aspekte der geförderten NOW-Maßnahmen sollen auf andere übertragbar sein.
NOW-Projekte müssen vier Grundsätze erfüllen: Transnationalität, Innovation, „von unten nach oben" und Multiplikator effekte



New Opportunities for Women: Wie wird NOW genutzt?

Der vielfältige Einsatzbereich von NOW soll exemplarisch anhand zweier Projekte vorgestellt werden:

1. Mit Unterstützung von NOW wird im Raum Wiesbaden ein Projekt finanziert, das darauf abzielt, Frauen während ihres Erziehungsurlaubs weiterzuqualifizieren. Mehrere mittelständische Unternehmen haben sich zu einem Verbund zusammengeschlossen, um die Qualifizierung ihrer Beschäftigten während des Erziehungsurlaubs zu sichern und zu fördern.

2. In Thessaloniki (Griechenland) ist ein Zentrum zur Förderung der Frauenbeschäftigung mit NOW-Mitteln gegründet worden. Es fördert die Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben mit Hilfe von Ausbildungs-, Beratungs- und Informationsmaßnahmen. Dazu gehören Ausbildung in Bürotechnik, in computergestützter Kleiderkonfektion sowie die Beratung in Unternehmensgründung usw. In Verbindung zu diesen Aktivitäten werden flankierende Sozialmaßnahmen, wie ein Dienst für psychologischen Beistand und ein Kinderbetreuungsdienst, angeboten.



Die EU hat die Fördermittel von NOW bestimmten Sektoren vorbehalten; förderfähig sind danach die „Wirtschaftszweige der Zukunft"(ohne daß diese näher definiert sind), Sektoren und Berufe mit unterdurchschnittlichem Frauenanteil, der Pflegebereich, ländliche Regionen sowie Arbeitsplätze und Tätigkeiten im familiären Bereich. Insbesondere solche Aktionen sollen im Rahmen von NOW prioritär behandelt werden, an denen die Sozialpartner aktiv beteiligt sind. Als förderfähige Maßnahmen sind in der Bundesrepublik Deutschland für NOW die Entwicklung von geeigneten Ausbildungs-, Orientierungs-, Beratungs- und Beschäftigungssystemen, die Vermittlung von Qualifizierung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Unterstützung bei der Gründung von Kleinbetrieben ausgewiesen.



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Gemeinschaftsinitiative: ADAPT

Ergänzend zur Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung mit dem Aktionsbereich NOW fördert die Gemeinschaftsinitiative ADAPT Maßnahmen, die einen Beitrag zur Anpassung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an den strukturellen Wandel leisten. ADAPT verfolgt insgesamt fünf Ziele:

  • die beschleunigte Anpassung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den industriellen Wandel,

  • die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe,

  • die Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch entsprechende Weiterentwicklung des Arbeitskräftepotentials mit Hilfe verbesserter Qualifikationen und erhöhter interner und externer Flexibilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

  • Gewährleistung größerer beruflicher Mobilität sowie

  • die Antizipierung und Beschleunigung der Entwicklung neuer, insbesondere arbeitsintensiver Arbeitsplätze und Aktivitäten.

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Förderfähige Maßnahmen sind unter ADAPT Projekte, die der innovativen betrieblichen und außerbetrieblichen Qualifizierung hinsichtlich der Bereiche neue Technologien, Arbeitsverfahren und Betriebsführung dienen. Erforderlich ist die Beteiligung von Partnern aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten an dem ADAPT-Projekt.

Grundsätzlich verdienen Programme wie ADAPT und NOW viele Nachahmer. Es muß aber gleichzeitig herausgestellt werden, daß bisher die europäische Chancengleichheit zwischen Frauen und Männer in den strukturpolitischen Konzepten angesichts des ausgewiesenen Finanzrahmens einen viel zu geringen Stellenwert einnimmt. Auch zeigen sich bei den EU-geförderten Programmen zugunsten der Integration von Frauen auf dem europäischen Arbeitsmarkt zwei gravierende Probleme, die insbesondere für die Frauenpolitik eine schwere Hürde darstellen:

Zu geringer Stellenwert für die europäische Chancengleichheit von Männern und Frauen

  1. Die Suche nach transnationalen Partnerinnen: Es finden sich nur schwer Frauen aus mehreren EU-Ländern zusammen, die gemeinsam an einem transnationalen Projekt arbeiten wollen.

  2. Die Bereitstellung der Kofinanzmittel: Viele Länder wenden nur einen geringen Ko-finanzierungsanteil für Frauenprojekte auf. Der Eigenanteil der Projektnehmerinnen ist daher zwangsläufig sehr hoch. In der Regel ist aus dem privaten Bereich kein Unternehmen bereit, Finanzmittel im erforderlichen Umfang bspw. zur Förderung von Personen mit niedrig bewerteten Tätigkeiten - was im hohen Maße Frauen sind - zur Verfügung zu stellen.

Schwere Hürden für die Frauenpolitik



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Förderung von Frauennetzwerken

Ein weiterer Ansatzpunkt der Europäischen Kommission, die Frauen auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu fördern, ist die finanzielle Unterstützung von Frauennetzwerken. Das bedeutendste Netzwerk ist das Europäische Netzwerk für die Durchführung berufsbildender Maßnahmen für Frauen (IRIS). Ziel von IRIS ist die Förderung der beruflichen Qualifikation und Integration der Frauen auf dem Arbeitsmarkt im europäischen Integrationsprozeß über die Verknüpfung von innovativen Einzelmaßnahmen der Mitgliedstaaten und über die Organisation eines Informations- und Know-how-Transfers zwischen nationalen und internationalen Frauenprojekten. In das Netzwerk werden nur solche Projekte aufgenommen, die innovative und übertragbare Konzepte und Aktivitäten zur Verbesserung der beruflichen Qualifizierung von Frauen entwickeln bzw. erproben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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