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Stadt 2000 : Metropolen- und Großstadtentwicklung / von Karl-Dieter Keim ; Peter Busch. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1993. - 10 S. = 48 Kb, Text . - (Reihe Eurokolleg ; 26). - ISBN 3-86077-241-4
Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1999

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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[Essentials]

  • Die Neustrukturierung der internationalen Arbeitsteilung verändert die Strukturen und Aufgaben der Großstädte nachhaltig.
  • Die bestehenden Stadtplanungskonzepte müssen grundsätzlich überdacht werden.
  • Sind kulturelle Besonderheiten eine Ressource der Großstadtentwicklung?
  • Gerade Großstädte stehen vor immensen ökologischen und sozialen Herausforderungen.
  • Die Steuerbarkeit der Entwicklung: Stadtplanung und/oder Stadtmanagement?
  • Die Notwendigkeit der Einbeziehung aller ethnischen und sozialen Gruppierungen.


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Zusammenfassung

1. Metropolen und einige andere Großstädte werden vom internationalen Kapital, das sich dort konzentriert, als Zentren der räumlichen Strukturierung von Produktion und intemationaler Vermarktung genutzt. Das führt zu neuartigen Verflechtungen und zu einer Hierarchiebildung der Städte untereinander. Gleichzeitig wird die Zukunft der europäischen Großstädte in einem gesamträumlichen Zusammenhang gesehen. Ihre Bedeutung innerhalb interregionaler Entwicklungsbänder bzw. innerhalb der eigenen Region wird abnehmen.

2. Die westeuropäischen historischen Versuche, städtebauliche und regionalpolitische Lösungen für das Wachstum der Metropolen zu entwickeln, sind inzwischen fragwürdig geworden. Weder die bewußte "Auffüllung" eines Ballungsraumes (Paris) noch das Entlastungs- und Begrenzungskonzept (London) lassen sich weiter als Modernisierungsstrategien beibehalten. Neuartige vernetzte Raum- und Zeitstrukturen haben sich für Konsumtion, für Produktion, für Kommunikation, für Haushaltsführung etc. herausgebildet. Diese sind nur teilweise territorialer Art und lassen sich daher auch nicht über Flächen- und Standortentscheidungen steuern. Die begrenzte Wirksamkeit einer flächensparenden Innenentwicklung oder einer restriktiven Verkehrspolitik in den Städten verdeutlichen den Bedarf an neuen, stärker regionalisierten Planungen.

3. Noch vermögen die europäischen Metropolen mit ihrer jahrhundertelangen Geschichte und reichen kulturellen Vielfalt ein eigenständiges Profil aufzuweisen. Die technologisch-wirtschaftliche Modernisierung wurde im 20. Jahrhundert aufgenommen und für ein weltoffenes urbanes Leben nutzbar gemacht. Trotz starker Belastungen haben es die Globalisierung der Wirtschaftszweige und die Angleichungstendenzen der Medienkultur nicht vermocht, den jeweils spezifischen Charakter der einzelnen Metropolen aufzulösen. Das „Europa der Regionen" wird immer auch geprägt durch diese Qualität der europäischen Zentren.

4. Weltstädte bzw. wirtschaftliche Ballungsräume sind Zielorte für Migranten. Dies führt' unerwünscht, zu räumlichen und sozialen Polarisierungen mit immensen sozialen Folgekosten. Die Fähigkeit, Migrations- und Segregationsfolgen in ein heterogenes, aber insgesamt funktionierendes großstädtisches Zusammenleben zu überführen, variiert von Metropole zu Metropole erheblich. Im letzten Jahrzehnt ist vermehrt versucht worden' über Bildungs- und Kulturprogramme zusätzlich die Attraktivität der eigenen Metropole zu erhöhen, und auf diese Weise soziale und ökologische Belastungen zu Überlagern.

5. Die sich neu herausbildenden europäischen Regionen haben neue Entwürfe der regionalisierten Wirtschaftspolitik und der räumlichen Planung hervorgebracht. Auf der einen Seite werden mit beträchtlichem Personal- und Zeitaufwand planerische Grundlagen für die Regionalentwicklung insbesondere für die Infrastrukturpolitik, geschaffen. Auf der anderen Seite ist jedoch festzuhalten. daß durch punktuelle Standortentscheidungen von großen Unternehmen oder durch staatlich bzw. kommunal geförderte Großveranstaltungen vollendete Tatsachen geschaffen werden, die ebenfalls strukturprägend sind, jedoch ohne demokratische Planungsverfahren zustande kommen.

6. Die Politik der Metropolen- und Großstadtentwicklung besteht nicht nur aus Kommunalpolitik. Viele Entscheidungen auf der staatlichen wie auf der EU-Ebene wirken sich ebenso direkt aus wie die strukturbildenden Entscheidungen der mächtigen Wirtschaftsakteure, vor allem der Großkonzerne Banken und Versicherungen. Daher bestehen Steuerungschancen der Stadtentwicklung nur bei Bündelung der Aktivitäten unterschiedlicher Akteure; für die Regionalplanung gilt prinzipiell dasselbe. Die Kommunen sind mit dem Doppelanspruch, die weltweiten technologisch-wirtschaftlichen Entwicklungen aufzunehmen und gleichzeitig mit sozialen und ökologischen Belastungen fertig zu werden, strukturell überfordert. Kleinteilige Formen der Gemeinwesenbildung oder der demokratischen Artikulation müssen gefördert werden. Neue Formen der politischen Willensbildung, die den veränderten Kompetenzen auf regionaler und überregionaler Ebene angemessen sind, sind dringend zu entwickeln. Der Aufbau von Städtenetzwerken kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

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1. Neustrukturierungen der internationalen Arbeitsteilung und ihre Folgen für die Großstädte

Die räumlichen Neustrukturierungen der internationalen Arbeitsteilung zeigen sich in zwei unterscheidbaren Bewegungsformen. Erstens bilden sich im globalen Maßstab Finanz- und Dienstleistungszentren heraus (World-City-Hypothese von John Friedmann): als primäre Zentren in Westeuropa London, Paris, Rotterdam, Frankfurt/ Main und Zürich, als sekundäre Zentren Wien Brüssel, Madrid und Mailand. Entscheidender Indikator ist dabei der Umfang des (finanz-) wirtschaftlichen Lenkungspotentials unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Zu den hauptsächlichen Tendenzen der sich neu strukturierenden kapitalistischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften gehören:

  • die Flexibilisierung von Produktion und Arbeitsmarkt,
  • die Internationalisierung von Produktion und Kapitalverwertung,
  • die Deregulierung überkommener politisch-institutioneller Steuerungsmechanismen,
  • die Durchkapitalisierung immer weiterer gesellschaftlicher Bereiche einschließlich der Träger staatlicher Aufgaben.

Zweitens löst im europäischen Maßstab der EU-Binnenmarkt Regionalisierungen im Sinne neuer wirtschaftlicher Aktionsräume aus. Das gewohnte Bild der europäischen Großstädte mit ihrer herausragenden Sonderstellung wandelt sich. Diese Städte werden nach Funktion und Bedeutung starker in einen regionalisierten Zusammenhang eingebunden. Durch den Aufbau von Städtenetzwerken tragen die Großstädte selbst zur Bildung europäischer Regionen bei, realisiert Über Wirtschaftsbeziehungen, Verkehrsausbau und gemeinsame Kulturprogramme. Sie werden aber auch gleichzeitig enger an den besonderen Bedarf der sie umgebenden Region herangeführt, dem sie sich oft entzogen haben.

Die zunehmende Fragmentierung in einzelne Politik- und Lebensbereiche

Beide Bewegungen stellen das gewohnte Konzept des Nationalstaates in Frage. Die politische Ordnung, in der Regel nationalstaatlich verfaßt, wird durch Kompetenzverlagerungen, durch eine neue Orientierungssuche und durch den Ruf nach anderen institutionellen Formen ebenfalls in Bewegung versetzt. Politikfelder und Politikformen haben sich bereits zu andern begonnen. Eine einheitliche Raumund Stadtpolitik, die auch die räumliche Organisation sozialer Aufgaben einschließt, existiert nicht mehr. Zu unterschiedlich sind die Wachstums- bzw. Stagnationsprozesse in den einzelnen Ländern und Metropolen. Stattdessen kommt es mehr und mehr zu einer fragmentierten Herausbildung einzelner Politikbereiche. Nur in den Staaten, in denen ein funktionierendes föderales System besteht, kann über Formen der vertikalen Politikverflechtung und der begrenzten kommunalen Eigenständigkeit in gewissem Umfang eine politische Integration noch erreicht werden. Die politische Zersplitterung äußert sich am schärfsten in einem Auseinanderfallen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Raume einerseits, sowie der sozialräumlichen Nähe ("Locality") und der alltäglichen Lebenswelt der Stadtbevölkerung andererseits.

Je mehr einzelne europäische Großstädte die Kennzeichen einer "Weltstadt" aufweisen, desto deutlicher scheinen sie eine eigene Raumstruktur auszubilden.

Diese Raumstruktur dient zum einen dazu, die Zentralitat, das heißt die hohe Kommunikationsdichte, die starke Forschungs- und Innovationskapazität sowie die Bündelung von Funktionen für die umgebende Region aufrecht zu erhalten. Insofern verkörpert die metropolitane Raumstruktur die Anschubkraft für die Entwicklung einer Region und für die In Wert-Setzung im weltwirtschaftlichen Zusammenhang. Zum anderen zeigt die Raumstruktur eine scharfe funktionale Trennung zwischen einem Dienstleistungssektor mit viel Geld, eigener Infrastruktur und weltweiten Kooperationen einerseits, und einem Schattensektor mit zerfallender Infrastruktur und hoher Arbeitslosigkeit andererseits. Zum Beispiel bieten Firmen in Paris an, umfangreiche Texte über Schreibsysteme billig herzustellen. Die Aufträge werden mittels moderner Informationstechnik in Vietnam ausgeführt, die Verbindung von Arbeit und Region ist aufgehoben. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Städter zu, die ihr Mindesteinkommen nur noch im informellen Sektor sichern können.

Unterschiedliche Dimensionen der Metropolenentwicklung

Angesichts der europäischen Verhältnisse überzeugt der Versuch nicht, den Metropolenbegriff auf die "Weltstädte" (entsprechend der World-City-Hypothese) einzuengen. Die europäische Metropolenentwicklung scheint eher zwischen den Koordinaten einer nachindustriellen Modernisierung (durchaus im weltweiten Zusammenhang), einer europäischen Regionalisierung und einer Pflege der eigenen historischen Besonderheiten zu verlaufen. Zum Beispiel wird die künftige Rolle Berlins als einer möglichen mitteleuropäischen Metropole davon abhängen, wie gut es gelingt, den Anspruch auf eine überregionale Bedeutung mit einer Konsolidierung der eigenen städtischen Strukturen und mit einem tragfähigen Konzept der intraregionalen Entwicklung zu verbinden.

Die osteuropäischen Metropolen und Hauptstädte bleiben hier systematisch außer Betracht. Mit Sicherheit werden Städte wie Moskau, St. Petersburg, Budapest und Prag eine wichtige Ausstrahlung im zukünftigen Europa erlangen können. Inwieweit sie in die globalen Wirtschaftsbeziehungen eingebunden sein werden, bleibt ungewiß, doch sollten die aktuellen Bemühungen, neue Kooperationen aufzubauen, aufmerksam beobachtet werden. Umgekehrt wird auch die Öffnung der westlichen Länder nach Osteuropa wesentliche Auswirkungen auf die Rollenverteilung in Europa mit sich bringen. So gibt es in Wien die Absicht, mit den Städten Brno (Brünn) und Bratislava ein enges Städtenetzwerk aufzubauen; zusammen mit den Stadtregionen von Budapest und Prag bilden sie eine zukünftige mittelosteuropäische Region von etwa 15 Millionen Einwohnern.

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2. Die Unzulänglichkeit bisheriger Konzepte und die Notwendigkeit neuer Problemlösungsansätze

Problemlösungen, wie sie mit Instrumenten der räumlichen Entwicklung versucht worden sind, müssen für die westeuropäischen Metropolen auf einer nächsthöheren Ebene neu formuliert werden. Die Struktureffekte werden gering bleiben, wenn weiterhin versucht wird, lediglich die gebaute Umwelt zu erneuern bzw. zu modernisieren, oder wenn versucht wird, durch Ausbau der Verkehrsbeziehungen die funktionale Verflechtung, wie sie in den Pendlerströmen zum Ausdruck kommt, zu verbessern. Problematisch sind daher die sich weiter ausdehnenden Siedlungen ("sprawls"), vor allem bekannt aus den nordamerikanischen Städten, aber ebenso die eleganten neuartigen Einkaufszentren ("super malls") mit ihren Zusammenballungen von Konsum-, Büro- und Wohnflächen. Beide Modelle leben von einer hohen Mobilitätsbereitschaft der Bewohner und von einem hohen ökologischen Verschleiß.

Die flächenmäßige Ausdehnung der Metropolen und Großstädte in das Umland gilt nur als begrenzt vermeidbar. Es reicht nicht aus, wenn in einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure Regionalkonzepte aufgestellt werden, die eine differenzierte Entwicklung in einer großräumigen, den neuen europäischen Bedingungen entsprechenden Region vorsehen. Nach wie vor herrscht das Paradigma der funktionalen Trennung (Zonierung) vor: Wohnen und Arbeit, Einkauf und Erholung finden in getrennten Zonen statt und werden über entsprechende Verkehrsstränge miteinander verbunden. Dieses Prinzip bringt—wie alle Stadtbewohner jeden Tag erfahren—immense Belastungen und soziale Verödungen mit sich; zudem erweist es sich mehr und mehr als zu starr für die postmodernen Formen städtischer Ökonomie und Lebensstile. Auch das raumordnerische Modell der "zentralen Orte" scheint für solche Aufgaben nicht mehr angemessen. Es ermöglicht zwar den staatlichen Planungsinstanzen, einzelne Funktionen auf angebbare Orte hinzulenken—soweit diese Funktionen staatlich beeinflußbar sind—, oder auch nach der zentralörtlichen Gliederung abgestufte Förderungskonzepte zu praktizieren. Die Dynamik der künftigen Regionalentwicklung und die Legitimierung ihrer begrenzten Steuerung erfordern jedoch zusätzliche Handlungskonzepte:

  • Für die Großstädte selbst sind neue Handlungskonzepte offenbar dann effektiver, wenn sie sich an den Grundsätzen der Systemorganisation und der offenen Planungsprozesse ausrichten. Das bedeutet für die Innenentwicklung eine stärkere Konzentration auf die (finanziell vertretbare) Infrastrukturpolitik, auf die Anerkennung der kultur- und gruppenspezifischen Stadtviertel sowie auf die Förderung eines Stadtimages, in dem diese Merkmale enthalten sind.
  • Neben Ballungsräumen, in denen vor allem aus ökologischen Gründen eine weitere ungebremste Expansion nicht mehr in Betracht kommen kann, gibt es vor allem im südeuropäischen Raum Metropolen, die weiterhin auf das Modell einer "offenen Stadt" setzen (z. B. Athen). Es liegen dort Erfahrungen vor, die zahlreiche Elemente einer insgesamt positiven Selbstregulierung aufweisen. Die Zukunftsentwicklung der Großstadt wird als Ergebnis der Zielsetzung und Machtausstattung aller am gesellschaftlichen Prozeß beteiligten Gruppen und Individuen betrachtet. Hier wirken in einem gewachsenen Zusammenspiel die verschiedenen Teilbereiche der städtischen Wirtschaft, Politik und Lebenswelt zusammen. Derartige Regulationsformen, innerhalb derer die staatliche Planung lediglich einen Faktor des Wirkungszusammenhangs darstellt, sind in den südeuropäischen Ländern häufiger ausgeprägt, weil dort bestimmte soziale Netzwerke bestehen und kein striktes Planungsverständnis praktiziert wird. So entsteht eine hohe Flexibilität der Nutzung und eine Absicherung der ökonomischen und sozialen Anpassungsfähigkeit des städtischen Raumes. Durch die Trennung von Boden und Kapital wird eine kleinteilige Ökonomie ermöglicht. In vielen Städtebaulichen Situationen lassen sich über Einzelfallentscheidungen Lösungen finden, die einen günstigen Ausgleich privater und öffentlicher Interessen bedeuten. Erst jenseits dieser Regulationsformen stellen sich Aufgaben der administrativen Planung, die selbstverständlich einer ungebremsten Expansion und einer ansteigenden ökologischen Belastung entgegenwirken muß.
  • Es darf nicht verkannt werden, daß durch die weltweiten wirtschaftlichen Abhängigkeiten und die Auswirkungen des EU-Binnenmarkts ein erhöhter Konkurrenzdruck der großen Städte untereinander entstanden ist, der weiter wachsen wird. Unter dem Zwang, möglichst viele ökonomische Kapazitäten zugunsten der eigenen Metropole zu binden und so die erwerbstätige Bevölkerung mit Arbeitsplätzen und gehobener Komsumtion zufriedenzustellen, ist manche Stadtregierung bereit, die vernünftigen Maßstäbe der räumlichen Entwicklung hintanzustellen. Dies gilt vor allem dann, wenn im Vergleich zu den "Weltstädten", also zu den modernen, auch außereuropäisch gefragten Dienstleistungszentren, ein Nachholbedarf postuliert wird.


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3. Kulturelle Besonderheiten als Ressource für Großstadtentwicklung?

Die Vielfalt und Lebendigkeit der europäischen Metropolen und vieler anderer Großstädte gründet sich häufig auf herkömmliche Formen kultureller und wirtschaftlicher Aktivitäten. Kulturelle Einrichtungen waren nach dem Muster der Residenzstädte entstanden; die Arbeiterbewegung, auch in ethnisch gemischter Zusammensetzung, brachte eigene Wohn- und Gesellungsformen (z. B. Arbeitergesangvereine, Sportvereine etc.) hervor; aus dem städtischen Bürgertum entstanden spezifische Institutionen der Öffentlichkeit (z. B. Zeitungen). Manches davon hat überdauert, trotz der Zerstörungen im 20. Jahrhundert und trotz der massiven Neustrukturierungen im Zuge der nachindustriellen Wirtschaftsentwicklung. Wird auf diese Weise nicht ein Modell des 19. Jahrhunderts immer neu bestätigt?

Über "Kultur" wird in Planerkreisen wenig diskutiert. Vor allem in den Ländern mit den romanischen Sprachen gilt offenbar der technologische Fortschritt als identisch mit dem kulturellen Anpassungsprozeß; Modernisierung ist gleichzeitig Dynamik der Kultur. Kultur in ihren ausdifferenzierten Teilbereichen (Kunst, Wissenschaft, Moral) wird zudem nicht unmittelbar als Gegenstand von Planung verstanden.

Die Diskussion über Metropolen- und Großstadtentwicklungen kann freilich ohne die Thematisierung der kulturellen Aspekte nicht auskommen. Sind doch die wesentlichen Metropolen selbst die Verkörperung der europäischen Kulturen mit ihrem vielfältigen, widersprüchlichen, historischen Erbe. Auch galten die Hauptstädte lange Zeit als der Toleranzraum, in dem unterschiedliche ethnische Kulturen beieinander und miteinander leben konnten.

Derartige Merkmale scheinen gegenwärtig allerdings Überlagert zu werden durch eine wirtschaftspolitische Instrumentalisierung. Es sind zahlreiche Bemühungen zu beobachten, die traditionellen kulturellen Einrichtungen und Aktivitäten der eigenen Stadt als positiven Standortfaktor für ihre zukünftige wirtschaftliche Position innerhalb des "Europas der Regionen" herauszustellen. Vermarktungs- und Imagebildungsstrategien gehören heute zum selbstverständlichen Bestandteil einer offensiven Stadtpolitik.
Paris kann weiter davon zehren, im 19. Jahrhundert als Hauptstadt Europas angesehen worden zu sein. Für Rotterdam scheinen vor allem drei kulturelle Elemente von hervorragender Bedeutung zu sein: Stadt der Arbeit, die Vorstellung ihrer Einzigartigkeit, Nischen für kulturelle Aktivitäten (insbesondere Kunst und Architektur). Berlin tut sich schwer, seine wechselvolle Geschichte als kulturelles Potential darzustellen, versucht stattdessen mit großem Aufwand, moderne Kulturprogramme zu inszenieren.

Die meisten Besonderheiten der europäischen Metropolen sollten nicht als strukturelle Hindernisse bei der Durchsetzung weltweiter Wirtschaftsbeziehungen begriffen werden. Sie bilden vielmehr eine eigene Qualität, die bei allen künftigen Neustrukturierungen und Modernisierungen angemessen zu berücksichtigen sind. Das kulturelle "Europa der Regionen" kann der bedeutsame eigenständige Akzent sein im Vergleich zu den globalen Wirtschaftsräumen in Nordamerika und Ostasien.

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4. Soziale und ökologische Herausforderungen


Verschärfung ökonomisch bedingter Verteilungskonflikte?

Die Sogwirkung der Metropolen wird nur scheinbar in den westeuropäischen Ländern geschwächt, indem versucht wird, die Anzahl der Einwanderer vor allem durch restriktive Mannahmen zu begrenzen. Zwischen reicheren und ärmeren Ländern werden sich die Wanderungsprozesse dennoch weiter fortsetzen. Insbesondere muß mit höheren Zuwanderungszahlen aus den osteuropäischen Ländern gerechnet werden. Die Migrationsprozesse sind allerdings nicht auf Wanderungen zwischen einzelnen Staaten begrenzt. Gerade aus den Entwicklungsländern sind zudem (Binnen-) Wanderungen hohen Ausmaßes zwischen den unterschiedlichen Regionen bekannt; mit diesen ist auch in den ost- und südeuropäischen Ländern zu rechnen, die bisher wirtschaftlich eine Randstellung einnehmen. Insgesamt werden heftige Verteilungskonflikte erwachsen. Infolge der räumlichen Neustrukturierungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt, wird die Suche nach Arbeit und Lebensunterhalt zu bisher ungewohnten Zu- bzw. Abwanderungen führen. Diese gelten grundsätzlich als kaum steuerbar, doch müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um ein vorübergehendes oder dauerhaftes Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung zu ermöglichen.

In Paris, Barcelona, Athen oder in den Metropolen Englands scheint es keine erkennbaren neuen Migrationsprobleme zu geben. Für die mitteleuropäischen Länder, insbesondere Deutschland, handelt es sich dagegen um qualitativ neue Erfahrungen. In reichen Industrieländern kann offenbar eine steigende Zuzugsrate als Bedrohung des erreichten Lebensstandards interpretiert werden. Andere Länder mit Zentren, die eine industrielle Modernisierung nachholen wollen, was begrenzt auch für die ostdeutschen Bundesländer gilt, bringen wenig Verständnis dafür auf, wenn die reicheren Nationalstaaten in der gesamteuropäischen Debatte ihre Wohlstandssicherung und einen begrenzten Ressourcenverbrauch favorisieren, damit sie in der internationalen Konkurrenz attraktiv bleiben können.

Auch innerhalb der einheimischen Bevölkerung gibt es Verlierer der neuen wirtschaftlichen Entwicklung. Die großen Städte weisen mehr und mehr Merkmale sozialer Polarisierungen auf, die sich räumlich (durchaus differenziert) in Segregation und Ghettobildung niederschlagen. Es erscheint derzeit unklar, welche Antworten die Metropolen auf sozial nachteilige Folgen der Umstrukturierungen anzubieten vermögen—insbesondere Antworten auf Arbeitslosigkeit, Dequalifizierung, Konflikte zwischen ethnischen Gruppen. Eine gedeihliche Zukunft der Metropolen wird wesentlich davon abhängen, inwieweit es gelingt, für die heterogen zusammengesetzte Großstadtbevölkerung angemessene Formen des Miteinanders ohne Ausgrenzung und Diskriminierung zu finden (soziale Inklusion).

Hohe Zuwanderungsraten können—vor allem wenn die Städte bisher ethnisch kaum pluralisiert waren—zu krisenhaften qualitativen Veränderungen bei den großstadttypischen demokratischen Strukturen und zur Abkehr vom Bild der städtischen offenen Gesellschaft führen. Dies bleibt freilich weniger ein Problem der Zuwanderer, sondern mehr eine Herausforderung an das Selbstverständnis der Einheimischen und an die Bildung neuer politischer Institutionen, die als Konsequenz aus einer veränderten Sozialstruktur die demokratischen Teilnahmerechte neu zu bestimmen haben.

Nachhaltige Entwicklung ("Sustainable Development") als Zielsetzung kommunalen Handelns

Die gravierenden ökologischen Belastungen, die in allen Metropolen auftreten, zeigen die Grenzen der Großstadtentwicklung am schärfsten auf. Bis heute gelingt es in keiner Metropole, den Individual- und Geschäftsverkehr soweit zurückzudrängen, daß die Luft- und Lärmbeeinträchtigungen abnehmen. Gerade die europäischen Städte sind aber nicht länger in der Lage, ohne tiefgreifende Beschädigungen diesen Trend länger mitzumachen. Dasselbe gilt im Prinzip für die Ver- und Entsorgungsprobleme. Wasser- und Energieversorgung, Abwasserreinigung und Abfallbeseitigung bedeuten für die großen Städte immense Anforderungen an ihre technische Infrastruktur, die sie bei dem gegenwärtigen Anspruchsniveau nicht mehr einlösen können. Dies gilt besonders für zahlreiche Großstädte in der Bundesrepublik, die kurz vor dem "Müllkollaps" stehen. Erst langsam beginnen einige Metropolen, Konzepte nach dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ("sustainable development") auszuarbeiten, also nur noch solche Lösungen zu realisieren, die für die aktuellen Bedürfnisse ausreichend sind, ohne aber gegenüber den zukünftigen Generationen die materiellen Lebensgrundlagen zu gefährden.

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5. Steuerbarkeit der Entwicklung: Die Notwendigkeit von Planung und Management?

Neue Antworten für die künftige Entwicklung der Metropolen und Großstädte in Europa müssen in zwei Schwerpunktbereichen gesucht werden:

  • verbesserte Organisationsformen der metropolitanen Regionen hinsichtlich der weltwirtschaftlichen Herausforderungen,
  • Bereitstellung von ausreichenden Lebensbedingungen für die benachteiligten Teile der Großstadtbevölkerung.

Die städtischen Zentren müssen einerseits ihre politisch-administrative Struktur (Ressortgliederung, Fachkompetenz, Verwaltungshandeln) so verändern, daß sie kompetent und effektiv die weltwirtschaftlichen Entwicklungen aufnehmen und im Hinblick auf die eigene Situation die geeigneten Maßnahmen ergreifen können. In diesem Zusammenhang wird häufig das Motto "Management statt Planung" vertreten. Gemeint ist damit, daß die Langfristigkeit und Schwerfälligkeit der administrativen Planung zugunsten einer flexiblen, produktorientierten Stadtpolitik zurückgedrängt wird. So ist zu beobachten, daß mehr und mehr große Einzelprojekte, die strukturpolitische Effekte haben werden, an den planerischen Grundlagen vorbei durch gesonderte Verfahren politisch durchgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für Großereignisse, die international Aufsehen erregen, wie z. B. Olympische Spiele, Weltausstellungen, Kulturhauptstädte Europas. Sie werden zur Verbesserung der eigenen Infrastruktur genutzt und als Chance zur Positionsverbesserung in der internationalen Konkurrenz der großen Städte wahrgenommen. Aber auch unterhalb dieser Ebene sind allenthalben Bemühungen um Konzepte des Stadtmarketings und einer managementorientierten Konzipierung der Steuerungsaufgaben festzustellen.

Fachleute aus den europäischen Metropolen betonen ebenfalls daß die künftige Metropolenentwicklung, auch wenn sie sich an den ökonomischen Neustrukturierungen ausrichten müsse, wirksamer zu kontrollieren sei. Dazu gehört auch die Beibehaltung einer langfristigen, strategischen Planung. Das Prinzip der "nachhaltigen Entwicklung" erscheint für die meisten metropolitanen Situationen inzwischen als unverzichtbar, kann jedoch nur über restriktive Festlegungen schrittweise realisiert werden. Auch das Leitbild des "qualitativen Wachstums", das immer wieder genannt wird, läßt sich nur praktizieren, wenn die notwendigen Rahmensetzungen verbindlich sind und zudem Teilentscheidungen über Wachstumsverzicht durchgesetzt werden. Es sind mühsame Prozesse zu organisieren, in denen über Prioritäten entschieden wird, die Ausgleichsmöglichkeiten für die nicht-verwirklichten Alternativen vorsehen und die im Sinne einer demokratischen Planung die andauernde und verbindliche Interessenabwägung leisten. So gesehen, stehen gegenwärtig den meisten Großstädten unzureichende Instrumente und Organisationsformen zur Verfügung.

Eine besondere Schwierigkeit besteht in der politischen Kontrolle der mächtigen wirtschaftlichen Akteure. Die kommunalpolitischen Handlungsmöglichkeiten sind recht begrenzt; sie sind in den meisten Metropolen durch staatliche Zuständigkeiten und durch die Delegation von Großprojekten an "Developers" abgelöst. Räumliche Planungen, die ordnende oder integrierende Funktionen wahrnehmen sollen, stoßen deshalb häufig ins Leere. Es ist stattdessen notwendig, die strukturpolitisch wichtigen Entscheidungen der wirtschaftlichen Akteure politisch zu kontrollieren, und die öffentliche Verantwortung gegenüber Strukturentscheidungen ihnen gegenüber durchzusetzen. Das Interesse an weltwirtschaftlich bedeutsamen Unternehmen oder Handelsbeziehungen darf nicht dazu führen, daß mächtige Wirtschaftsakteure dem konkreten Standort einer Großstadt gegenüber ignorant auftreten.

Nochmals ist zu betonen, daß die Auseinandersetzungen mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu einer bewußteren Hinwendung zur eigenen Region verbunden sein muß. Es wird nicht mehr möglich sein, daß sich einzelne Metropolen nur als eigenständige (Solitäre) Kraftzentren verstehen, die nach eigener Vorstellung internationale Verbindungen pflegen. Nur ein ausgewogenes Wechselverhältnis zwischen Metropole und Region wird eine längerfristige Tragfähigkeit hervorbringen. Dazu gehört auch, einzelne Funktionen mehr als bisher zu dezentralisieren und solche Lösungsversuche zu bevorzugen, die im Falle eines ausbleibenden Erfolgs wieder korrigiert werden können. Investitionsentscheidungen und Nutzungsfestlegungen können in den äußeren Zonen der metropolitanen Regionen nicht mehr dem Prinzip der räumlichen Funktionstrennung folgen, sondern bedürfen flexibler und anpassungsfähiger Konzepte von sich überlagernden Raumstrukturen; d. h., die Bereitstellung von Wohnraum, Arbeitsplätzen und öffentlichen Einrichtungen räumlich möglichst zu verbinden. In diesem wohlverstandenen Sinne könnte durchaus von einem Management der räumlichen Umwandlungen gesprochen werden.

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6. Soziale und politische Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppierungen


Integration sozialpolitischer Maßnahmen und deren Erwägung in zentralen Politikbereichen

Die Fragen der räumlichen und wirtschaftlichen Entwicklung müssen mit der Notwendigkeit verknüpft werden, allen Teilen der Großstadtbevölkerung angemessene Lebensbedingungen zu sichern. Ausbildungs- und beschäftigungspolitische Maßnahmen stehen dabei an erster Stelle. Es ist offensichtlich, daß die großstädtischen Zentren eigene Programme in dieser Richtung entwickeln müssen. Warum sollte es nicht möglich sein, zwischen Europäischer Union, nationaler Regierung und Großstadtregierung gemeinsame und mittelfristig konzipierte Mannahmen zu ergreifen? Ansätze zu einer konkreten Zusammenarbeit zwischen der EU und verschiedenen Städten bilden zum Beispiel die Programme zugunsten von Langzeitarbeitslosen und zur Förderung der örtlichen Entwicklung (ERGO) sowie das Programm "Armut 3." Das von der EU-Kommission finanzierte Programm fördert innovatorische und verschiedene Lebensbereiche einschließende Initiativen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung auf der lokalen Ebene in Zusammenarbeit mit Kommunen, engagierten Verbänden und anderen staatlichen und nicht staatlichen Organisationen. Auch in dieser Hinsicht ist der regionale Bezug der Metropolen von eminenter Bedeutung, denn vielfach können in der näheren Umgebung der zentralisierten Stadt neue Arbeitsmöglichkeiten im Infrastrukturbereich oder in mittelständischen Betrieben geschaffen werden. Die ansteigenden sozialen Polarisierungen zwischen einzelnen Gruppen der Stadtbevölkerung haben häufig in der Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt ihre Ursache. Keine Großstadtpolitik kann auf längere Sicht die dadurch entstehenden sozialen Spannungen und Brüche auffangen. Es reicht auch nicht aus, auf die Hilfemöglichkeiten der Sozialpolitik zu vertrauen, zumal deren Finanzierbarkeit ohnedies mehr und mehr in Frage steht.

Die beschäftigungspolitischen Überlegungen müssen die Situation der Immigranten und insgesamt der ausländischen Bevölkerung einschließen. Ethnische Konflikte können nicht bewältigt werden, wenn Feindseligkeiten unter dem Vorwand genährt werden, die ausländischen Mitbürger würden den Einheimischen die Arbeit und die Wohnungen wegnehmen. Politiker und Verwaltungsleute haben die Aufgabe, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Leistungen der ausländischen Mitbürger zu informieren, und diese in die Handlungsprogramme zur Verbesserung der materiellen Situation einzubeziehen. Dies gilt auch für den Bereich der Wohnungspolitik.

Besonders kompliziert erscheint die Frage, ob Konzentrationen von Angehörigen derselben ethnischen Herkunft in einzelnen Stadtteilen gefördert werden sollen oder nicht. Eine systematische Ghettobildung im Sinne der Abdrängung "unerwünschter" Mitbürger in "Reservate" ist gewiß unerwünscht und begünstigt Diskriminierungen. Auf der anderen Seite muß aber akzeptiert werden, daß die Angehörigen der ethnischen Gruppen ein eigenes soziales Netz des Zusammenlebens aufbauen möchten und dies am leichtesten realisieren können, wenn sie möglichst zahlreich im selben Stadtteil wohnen und arbeiten. Es kann in manchen Fällen angebracht sein, die dafür notwendige spezifische Infrastruktur in einzelnen Stadtteilen gezielt zu fördern.

Es wird vorgeschlagen, den Gesichtspunkt der Gemeinwesenbildung auch bei der Metropolen- und Großstadtentwicklung stärker zu betonen. Dazu gehört, daß stadtplanerische Programme und wirtschaftspolitische Entscheidungen auch am Gesichtspunkt der Sozialverträglichkeit zu messen sind. Die sozialstrukturellen Ausgangsbedingungen gehören dann ebenso zu den Entscheidungskriterien wie die sozialen Folgen, die aus einer zu treffenden Entscheidung resultieren könnten. Derartige Gesichtspunkte lassen sich schwerer durchsetzen, wenn einzelne sektorale Aufgaben mehr und mehr dereguliert werden, also den privaten Anbietern unter marktförmigen Bedingungen überlassen bleiben. Bei Angeboten der "kollektiven Konsumtion" bleibt eine öffentliche Verantwortlichkeit bestehen, auch wenn diese Aufgaben in privatisierter Form wahrgenommen werden.

Neue Formen politischer Partizipation

Durch die überregionale Orientierung der Metropolen besteht die Gefahr, daß die Möglichkeit erlebter bzw. erlebbarer demokratischer Prozesse bei der Zielbestimmung wie bei der Praxis der Großstadtentwicklung in unzuträglicher Weise abnimmt. Dies wird in den Fällen noch verstärkt, in denen über Großprojekte strukturpolitische Entscheidungen ohne demokratisches Planungsverfahren getroffen werden. Die Erfahrungen mit Partizipation in der Stadt- und Regionalentwicklung sind durchaus unterschiedlich. In einigen Ländern, zum Beispiel in Frankreich und Großbritannien, dominiert eine nationale, zentral aufgebaute Planung, die neben dem parlamentarischen System kaum Mitwirkungsmöglichkeiten zuläßt. In einigen anderen europäischen Ländern, zu nennen sind Dänemark und die Bundesrepublik, sind die Entscheidungsstrukturen wesentlich offener, jedoch bleiben dadurch die Mitwirkungsmöglichkeiten unverbindlich und von partikularen Interessen bestimmt. Auch die deutschen Erfahrungen sind insgesamt zwiespältig; die großen Erwartungen aus den siebziger Jahren sind einer Ernüchterung gewichen, gegenwärtig dominiert eher das Gefühl, von wesentlichen Strukturentscheidungen als Bürger ausgeschlossen zu sein.

Es ist dringend notwendig, in diesem Bereich neue Vorschläge und Formen zu entwickeln, damit die soziale Kompetenz der Stadtbürger insgesamt stärker zum Tragen kommen kann. Sie verfügen in vielen Fragen Über ein reichhaltiges Erfahrungswissen, vermögen Gesichtspunkte der Identitätsbildung und der Interessenvielfalt zu artikulieren und sind in geeigneter organisatorischer Form (Beiräte, Stadtforen, Ausschüsse, o.ä.) durchaus imstande, auch komplizierte Kontrollaufgaben, zusammen mit Politikern und Fachleuten, wahrzunehmen. Den globalen—den wirtschaftlichen Bedingungen unterworfenen—Metropolenentwicklungen sind kleinteilige Formen demokratischer Teilhabe in unterschiedlichen dezentralen Einheiten entgegenzusetzen. Ebenso bilden Städtenetzwerke zu einzelnen Politikfeldern ein innovatives, den Zentralisierungen entgegenwirkendes Organisationsmuster.

Die regionale Einbindung der Metropolen und Großstädte bietet die Voraussetzung dafür, daß die demokratische Teilhabe verbessert werden kann. Metropolenpolitik ist gewiß nicht nur Kommunalpolitik; wenn jedoch die regionalen Aufgaben in tragfähiger Weise durch übergreifende kommunale Organisationen mitbestimmt werden, können die staatlichen Direktiven entsprechend zurücktreten und es kann sich eine kulturell bestimmte Vorstellung von Zugehörigkeit und regionaler Identität herausbilden, die dann tatsächlich die Bezeichnung "Metropole" rechtfertigt.


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