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Teildokument zu: Umstrittene Wahlen in Albanien

Die Regierung besorgt ihre Wiederwahl

Die Demokratische Partei (PD) wurde 1990 gegründet und war die wichtigste Oppositionskraft beim Sturz des alten Regimes. Bei den letzten Wahlen im März 1992 hatte sie 92 der 140 Sitze gewonnen und darauf die Regierung gestellt. Die Partei wird autoritär vom albanischen Präsidenten Sali Berisha geleitet, dessen Führungsstil den Austritt vieler Gründungsmitglieder provozierte, von denen einige die "Demokratische Allianz" bildeten. Auf dem Parteitag im April 1996 ersetzten junge Berisha-Anhänger wie Besnik Gjongecaj die alten Antikommunisten im Vorstand.

Berisha hat die Jahre seiner Herrschaft genutzt, um seine Anhänger in Machtpositionen auf allen Ebenen zu plazieren. Als "Partei der Macht" verfügte sie auch über zahlreiche Möglichkeiten der direkten und indirekten Beeinflussung der Wahlen. In umstrittenen Verfahren ging die Regierung immer wieder gegen Oppositionspolitiker vor. Auch im Vorlauf der Wahlen nutzte sie u.a. das "Gesetz gegen Völkermord", um Oppositionskandidaten auszuschalten. Bei den Wahlen gewann sie 105 der 115 Direktmandate (darunter alle 17 der Nachwahlen vom 16. Juni) und 15 Listenmandate dank ca. 65% der Zweitstimmen.

Die Sozialisten wählen den Boykott

Bisher stärkste Oppositionspartei war die "Sozialistische Partei" (PS), die 1991 aus der kommunistischen Arbeiterpartei hervorgegangen war und 1992 bei den Wahlen 32 Sitze gewonnen hatte. Der Vorsitzende Fanos Nano sitzt seit 1993 wegen eines Bestechungsvorwurfs im Gefängnis. In der Partei existieren unterschiedliche Strömungen, teils mit mehr orthodoxer Orientierung um den stellvertretenden Vorsitzenden Servet Pullembi, teils mehr reformkommunistisch-sozialdemokratisch um Ilir Meta.

Die Partei bemüht sich um Sozialdemokratisierung und um eine Annäherung an die linke Mitte, aber die alten Kräfte in ihr sind noch relativ stark. Programmatisch tritt sie für die Reformen und die Westorientierung ein. Sie hat auch vor der Wahl mit der demokratischen Opposition zusammengearbeitet. Angesichts einer Vielzahl von Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen rief die PS am ersten Wahltag noch vor
Schließung der Wahllokale um 18:00 Uhr zum Boykott auf und setzte diesen an den beiden anderen Wahlterminen im Juni fort. Das offizielle Ergebnis von fünf Direkt- und fünf Listenmandaten - es entspricht 20% der Zweitstimmen - spiegelt insofern nur einen Teil ihrer wirklichen Stärke wider. Die Sozialisten wollen das neue Parlament boykottieren und ihre Sitze dort nicht einnehmen.



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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