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Teildokument zu: Zur Lage der Frauen in Osteuropa

Frauen sind in allen Ländern das Opfer von Gewalt. Das Ausmaß und die Formen sind nur andeutungsweise bekannt, da eine große Dunkelziffer anzunehmen ist. In Polen ergaben Umfragen, daß 16% der verheirateten und geschiedenen Frauen zumindest gelegentlich (in der Hälfte der Fälle oft) von ihrem Mann geschlagen wurden. Polnische Frauenorganisationen kritisieren auch die Behandlung von schwangeren Frauen in Entbindungskliniken als repressiv und entwürdigend. In Ungarn sind etwa ein Drittel aller 1992 verübten Eigentums- und Gewaltverbrechen an Frauen begangen worden, wobei in 4887 Fällen Gewalt angewandt wurde. Ein Gesetzentwurf gegen Gewalt in der Ehe und sexuelle Belästigung scheiterte 1993 im ungarischen Parlament. Auch das slowakische Recht kennt weder Vergewaltigung in der Ehe noch sexuelle Belästigung als Tatbestände. Einer Leserinnen-Umfrage einer Frauenzeitung zufolge werden ein Drittel der verheirateten Frauen körperlich angegriffen, 18,5% zum Geschlechtsverkehr gezwungen, ein Viertel am Arbeitsplatz belästigt oder sogar vergewaltigt.

1993 wurden in Polen 1313 Vergewaltigungen gemeldet. Für 1986 gaben die Statistiken in Polen 1900 Fälle von Vergewaltigungen Erwachsener (nicht nur, aber sicher überwiegend Frauen) an. Die entsprechenden Zahlen waren für Ungarn 1100 und für Bulgarien 700. In der Slowakei wurden - bei einer geschätzten Dunkelziffer von zwei Drittel - 1990 142 und 1993 125 Vergewaltigungen registriert, wobei 127 bzw. 97 Täter verurteilt wurden.

Die staatliche und nichtstaatliche Unterstützung weiblicher Gewaltopfer hat seit dem Umbruch zugenommen, steckt aber noch in den Anfängen. In Polen gibt es einen Notdienst mit telefonischer Beratung, die überall zum Ortstarif zu erhalten ist. Frauenorganisationen errichten Heime für Gewaltopfer. In Tschechien berät eine Frauenselbsthilfegruppe (''Weißer Kreis der Sicherheit'') Opfer von Verbrechen. In Ungarn erhalten private Einrichtungen für Frauen nur gelegentlich öffentliche Unterstützung. In Budapest gibt es zwei private Stiftungen, die einen Telefonnotruf unterhalten und Beratung anbieten. In der Slowakei gibt es 2-3 Einrichtungen, die Frauen Asyl gewähren. In Bulgarien arbeitet der Frauenverband an der Einrichtung eines Heims. In Rumänien sind über 30 Frauenorganisationen tätig.

Rechtliche und tatsächliche Stellung: Gleiche Rechte, weniger Macht

Die Verfassungen aller betrachteten Länder garantieren die Gleichstellung von Mann und Frau. Sie bezieht sich aber auf formale Rechte. Über die tatsächliche Diskriminierung bestehen unterschiedliche Ansichten. Während in Polen der Ombudsmann die negative Meinung der Frauengruppen teilt, hält die Kirche die Frauen für nicht diskriminiert. In Tschechien gibt es eine Gleichstellungskommission im Parlament. In Ungarn gibt es keine staatlichen Institutionen zur Förderung der Gleichstellung. Das Rechtssystem akzeptiert traditionelle Rollenzuweisungen. So bekommen z.B. Frauen bei Scheidungen auch gegen den Wunsch beider Partner die Kinder zugesprochen.

Die Abtreibung ist in Polen nach dem neuen Gesetz vom 7.1.1993 weitgehend verboten. Ausnahmen sind: Gefährdung von Leben und Gesundheit der Frau, Vergewaltigung oder Inzest und schwere Schädigung des Fötus. Die neue Regierung unter Führung der postkommunistischen Sozialdemokraten will wieder eine soziale Indikation zulassen. In Tschechien und der Slowakei ist die Abtreibungsentscheidung der Frau überlassen (Fristenregelung). Geschieht die Abtreibung nicht aus Gesundheitsgründen, müssen slowakische Schwangere sie selbst bezahlen (zum Preis von ca. ein Drittel des Durchschnittslohns). Liberales Abtreibungsrecht gilt auch in Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Allerdings ist das neue, 1992 in Ungarn verabschiedete Gesetz weniger liberal als die bis dahin gültige Regelung und wäre ohne den massiven Protest der Frauen noch restriktiver ausgefallen. Es gilt bis zur 10. Woche eine

Indikationsregelung. Bei Abtreibung aus sozialen Gründen muß die Frau 10.000 Forint (120,-DM; etwa die Hälfte des Mindestlohnes) zuzahlen. In Rumänien war die Abtreibung unter Ceausescu strikt verboten. Die medizinischen und hygienischen Bedingungen, unter denen die Eingriffe vorgenommen werden, sind daher dort sehr schlecht.

Ein Informationsdienst der Abteilung Industrieländer


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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