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[Seite der Druckausg.: 26]


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[Seite der Druckausg.: 27]


Bundeskanzler Gerhard Schröder
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mitteilung für die Presse
Presseservice der SPD 113/01
Berlin, 26. März 2001


Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gedenkt heute, an seinem 100. Geburtstag, ihres langjährigen Vorsitzenden Erich Ollenhauer.

Erich Ollenhauer wurde am 27. März 1901 in Magdeburg geboren. Er stammte aus einer von sozialdemokratischem Gedankengut zutiefst geprägten Familie und wurde bereits mit 15 Jahren aktives Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und trat mit 17 Jahren in die SPD ein. Neben einer kaufmännischen Berufsausbildung hatte Erich Ollenhauer ein Volontariat bei der „Magdeburger Volksstimme" absolviert.

Nach seiner Wahl in den Hauptvorstand der SAJ im Jahre 1920 zog er nach Berlin. Dort war er zuerst als Zweiter Sekretär und Redakteur der Funktionärszeitschrift der SAJ und ab 1923 auch als hauptamtlicher erster Sekretär der Sozialistischen Jugend Internationale (SJI) tätig. 1928 wurde Erich Ollenhauer zum geschäftsführenden Vorsitzenden der SAJ gewählt, die er in den Krisenjahren der Weimarer Republik in Loyalität zur SPD und zu den Gewerkschaften führte. Er trat mit Nachdruck Tendenzen in der Arbeiterjugend entgegen, der Arbeiterbewegung den Rücken zu kehren, denn er wusste: „Ohne Partei und ohne Gewerkschaften sind wir nichts."

Kurz vor dem Verbot der SPD durch das Naziregime wurde Erich Ollenhauer im April 1933 mit 32 Jahren in den Parteivorstand gewählt. Mit den Parteivorsitzenden Hans Vogel und Otto Wels sowie anderen führenden Repräsentanten der SPD verließ er nach einem Beschluss des Parteivorstands noch im selben Jahr

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Deutschland und ging nach Prag. Dort bildeten die geflüchteten Spitzenfunktionäre der Partei einen Exilvorstand, die Sopade. Als 1938 die Besetzung Prags durch deutsche Truppen drohte, mussten die Mitglieder der Sopade nach Paris flüchten. Zwei Jahre später gelang es Ollenhauer und anderen Genossinnen und Genossen nur unter größten Gefahren, aus dem besetzten Frankreich auf Umwegen nach London zu entkommen.

Erich Ollenhauer war dort maßgeblich an der Gründung der „Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien" beteiligt. Diese bot eine politische Heimat nicht nur für Emigrantinnen aus der alten SPD, sondern auch für kleine sozialistische Splittergruppen: der früheren „Sozialistischen Arbeiterpartei" (SAP), dem „Internationalen Sozialistischen Kampfbund" (ISK) und der Gruppe „Neubeginnen". Die „Union" machte es sich zur Aufgabe, „für die Sozialisten in Deutschland zu sprechen, die die Hitlerdiktatur zum Schweigen verurteilt hatte." Zugleich organisierte sie eine Diskussion über die Zukunft Deutschlands nach dem Sturz des Nationalsozialismus und über die Schaffung einer einheitlichen demokratisch-sozialistischen Partei in Deutschland unter bewusstem Ausschluss der Kommunisten.

1942 hielt Erich Ollenhauer in der „Union" eine wichtige Rede, in der er Grundgedanken des späteren Godesberger Programms von 1959 vorwegnahm. Er sah es als notwendig an, neue Schichten der Bevölkerung zu gewinnen, und forderte Toleranz „gegenüber weltanschaulichen, religiösen oder anderen philosophischen Motivierungen einer fortschrittlichen sozialen Einstellung des einzelnen". Er schaffte mit diesen Überlegungen zu Grundrechten und Rechtsstaat, zu parlamentarischem Regierungssystem und innerparteilicher Demokratie die Grundlagen für die Neugründung der SPD nach 1945.

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Im Februar 1946 kehrte Ollenhauer nach Deutschland zurück. In Hannover verstärkte er das „Büro Schumacher", d.h. Kurt Schumachers Initiative zur Bildung einer überregionalen Sozialdemokratischen Partei. Auf dem Gründungsparteitag der neuen SPD im Mai 1946 wurde er zum Stellvertreter des ersten Vorsitzenden Kurt Schumacher gewählt. Erich Ollenhauer und Kurt Schumacher waren von Herkunft und Temperament her sehr unterschiedliche politische Persönlichkeiten. So gelang es Ollenhauer oft, zwischen Kurt Schumacher und dessen politischen Gegenspielern innerhalb der SPD zu vermitteln. In allen wichtigen Sachfragen stand Ollenhauer loyal auf Schumachers Seite.

Nach dem frühen Tode Schumachers wurde Ollenhauer im Sommer 1952 Parteivorsitzender und Vorsitzender der Bundestagsfraktion der SPD. Er führte die Politik seines Vorgängers fort und bekleidete beide Ämter bis zu seinem Tode im Dezember 1963. Im Parlament zeichnete er sich durch faire und betont sachliche Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner aus. In der Partei verstand es Erich Ollenhauer zwischen Traditionalisten und Reformern zu vermitteln und auszugleichen und so viele Neuerungen auf den Weg zu bringen. Um der Einheit der Partei willen war er zu manchem Zugeständnis bereit. So konnten 1958 ein neues Organisationsstatut und 1959 das Godesberger Grundsatzprogramm verabschiedet werden. Dort definierte sich die SPD zum ersten Mal in ihrer Geschichte als Volkspartei.

Mit Energie und Ausdauer hatte es Erich Ollenhauer geschafft, den Zusammenhalt der Partei zu festigen. Nach zwei herben Wahlniederlagen 1953 und 1957 ging er auf eigenen Wunsch 1961 nicht erneut als Kanzlerkandidat ins Rennen. Er förderte stattdessen nachdrücklich die Kandidatur des jüngeren Willy Brandt.

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Auf der Trauerfeier für Erich Ollenhauer würdigte der neue Parteivorsitzende Willy Brandt seinen Vorgänger mit den Worten: „Unter seiner Führung gewann die Sozialdemokratische Partei Deutschlands das Gesicht, das der Zukunft zugewandt ist. Dieser Mann hat wirklich gedient. Die ganze Bundesrepublik hat ihm dafür Dank gesagt, denn sie spürte, dass ihm das Wohl des Ganzen näher stand als der Nutzen einer Partei. Unser Volk hat einen Mann verloren, dessen Herz für die Menschen schlug. Bescheidenheit, Bedachtsamkeit und Lauterkeit des Wollens trugen ihm Achtung und Liebe ein. Dieser ausgeglichene Mann war ein Mann des Ausgleichs. Ein Meister in der Kunst des Möglichen, in der Zusammenfassung von Kräften und Gedanken."

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Reihe Gesprächskreis Geschichte
der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Heft 9
Ausstellungskatalog: Friedrich Ebert 1871-1925. Vom Arbeiterführer zum Reichspräsidenten, Bonn 1995 (72 S.)

Heft 13
Dieter Dowe (Hrsg.), Kurt Schumacher und der „Neubau" der deutschen Sozialdemokratie nach 1945, Bonn 1996 (192 S.)

Heft 15
Dieter Dowe (Hrsg.), Herbert Wehner (1906 - 1990) und die deutsche Sozialdemokratie, Bonn 1996 (64 S., vergriffen, nur im Internet abrufbar)

Heft 16
Helmut Schmidt, Carlo Schmid 1896 - 1979, Bonn 1996 (24 S.)

Heft 18
Peter Steinbach, Widerstand gegen den Nationalsozialismus - eine „sozialistische Aktion"? Zum 100. Geburtstag Carlo Mierendorffs (1897-1943), Bonn 1997 (104 S.)

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Peter Steinbach, Für die Selbsterneuerung der Menschheit. Zum einhundertsten Geburtstag des sozialdemokratischen Widerstandskämpfers Adolf Reichwein, Bonn 1998 (48 S.)

Heft 24
Diether Posser, Erinnerungen an Gustav W. Heinemann, Bonn 1999 (21 S.)

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Heft 34
Dieter Dowe, Ferdinand Lassalle (1825 - 1864). Ein Bürger organisiert die Arbeiterbewegung, Bonn 2000 (29 S.)

Heft 36
Dieter Dowe, „Agitieren, organisieren, studieren!" Wilhelm Liebknecht und die frühe deutsche Sozialdemokratie, Bonn 2000 (30 S.)

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Peter Steinbach, "Schafft die Einheit!" Wilhelm Leuschner 1890 – 1944, Bonn 2000 ( 40 S.)

Heft 39
Dieter Dowe/Dieter Wunder (Hrsg.), Verhandlungen über eine Wiedervereinigung statt Aufrüstung! Gustav Heinemann und die Eingliederung der Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis, Bonn 2000 (80 S.)

Heft 40
Teresa Löwe, Der Politiker Eduard Bernstein. Eine Untersuchung zu seinem politischen Wirken in der Frühphase der Weimarer Republik (1918 – 1924), Bonn 2000 (158 S.)

Heft 42
Erich Ollenhauer (1901 –1963). Ein Leben für die deutsche Sozialdemokratie. Reden zum 100. Geburtstag am 27. März 2001, Bonn 2001 (32 S.)

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