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Vorbemerkung des Herausgebers

[Seite der Druckausg.:5]

Gemeinsam mit dem Institut für soziale Bewegungen der Universität Bochum (Prof. Dr. Klaus Tenfelde) veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrem Berliner Haus am 2. Oktober 2000 eine internationale Konferenz „Demokratischer Sozialismus in Europa seit dem Zeiten Weltkrieg„. Anders als viele andere Veranstaltungen in diesen Tagen sollte dabei nicht primär des 10. Jahrestages der Deutschen Einheit gedacht werden, obwohl diese Thematik sicherlich nicht unerheblich die Diskussion beeinflusst hat. Es ging vielmehr vor allem um die politischen Deutungssysteme in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; denn selbstverständlich kann man sich nicht mit dem Demokratischen Sozialismus beschäftigen, ohne Realsozialismus, Konservativismus und Liberalismus im Blick zu behalten.

Im Hintergrund der Diskussion standen die Fragen: Hat das Scheitern des Realsozialismus auch den Demokratischen Sozialismus diskreditiert? Ist es sinnvoller, an Stelle dieses nun in den Augen vieler auch belasteten Begriffs stärker auf die Begriffe „Sozialdemokratie„ oder „soziale Demokratie„ zu rekurrieren? Gibt es überhaupt einen mehr als semantischen Unterschied zwischen diesen Begriffen, die in der 150jährigen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie über weite Strecken synonym gebraucht wurden, und wenn ja, wo liegt er heute?

Hat der Demokratische Sozialismus sich etwa selbst im 20. Jahrhundert überflüssig gemacht? Oder ist er zum Papiertiger geworden und angesichts von Globalisierung einerseits, von Regionalisierung, aber auch Individualisierung und Differenzierung anderseits zu einer stumpfen Waffe geworden? Kann der Demokratische Sozialismus also angesichts gewandelter politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und kultureller Verhältnisse überhaupt noch die Funktion einer Leitidee wahrnehmen?

[Seite der Druckausg.:6]

Sollte man ihn daher insgesamt aufgeben und statt dessen eine neue Zielmarkierung suchen und verwenden, etwa die eines „Dritten Weges„, nicht zwischen Sozialismus und Kapitalismus, sondern innerhalb des Kapitalismus zwischen Liberalismus und Konservativismus? Oder aber die nicht weniger verschwommene Zielprojektion einer Zivilgesellschaft?

Gilt es im Zuge der Modernisierungsanstrengungen alle Traditionen der Sozialdemokratien und Sozialistischen Parteien in Europa über Bord zu werfen? Oder kommt es in Anlehnung an Jean Jaurès darauf an, die Glut und nicht die Asche des Demokratischen Sozialismus zu bewahren und in diesem Sinne eine radikale Neubesinnung zu riskieren?

So wenigstens hat Willy Brandt, der sich zeitlebens mit dem Demokratischen Sozialismus befasst hat, 1990 gefordert, wenn er formulierte: „Der Demokratische Sozialismus bleibt die historische Bewegung des Fortschritts, aber auf neuen Wegen, wo die alten nicht weiter- oder in die Irre führen.„ Und: „Die politisch gesicherte und gesellschaftlich vollendete Demokratie, das ist und bleibt das Zentrum der Vision vom Demokratischen Sozialismus. Es geht um die Würde des Menschen und seinen unabdingbaren Anspruch, sich in solidarischer Gemeinschaft mit anderen selbst zu bestimmen.„ Ist demgegenüber eine weltanschauliche Generalrevision fällig oder gar überfällig?

Bei der Konferenz wurde versucht, sich diesen Problemen zu nähern, zuerst mit einem auf das 20. Jahrhundert rückblickenden, die Arbeiterbewegungen in Europa und den USA typologisierenden Vortrag von Prof. Dr. Klaus Tenfelde. Darauf folgte ein vorausschauender, erste Konturen einer programmatischen Entwicklung im 21. Jahrhundert sehr, sehr vorsichtig andeutender Vortrag von Prof. Dr. Helga Grebing. Im Anschluss daran wurde über die Ausprägungen und Auswirkungen der demokratisch-sozialistischen Strömungen nach 1945 in Europa im Wandel der Zeit aus nationaler Perspektive unmittelbar diskutiert und nach Perspektiven für die Zukunft gefragt.

[Seite der Druckausg.:7 ]

Referate und Diskussionen werden hiermit, behutsam überarbeitet, einer breiten Öffentlichkeit im Druck übergeben.

Bonn, im Januar 2001

Prof. Dr. Dieter Dowe
Leiter des
Historischen Forschungszentrums
der Friedrich-Ebert-Stiftung



[Seite der Druckausg.:8 = Leerseite ]


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