FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:

ANHANG: DOKUMENTE
[von Kurt Schumacher]



[24.]
„Die braune Schmach ist schlimmer als die schwarze Schmach".
Rede am 9.7.1932 anläßlich des Wahlkampfauftaktes zur Reichstagswahl auf dem Stuttgarter Marktplatz


STW Nr. 159 v. 11.7.1932.

Heute kann man die Probe auf das Exempel machen, ob Stuttgart rot oder braun ist. Heute antworten einmal die Leute, die der lächerliche Zwerg Goebbels „süddeutsches Pack" und „Kanaille" genannt hat. Das Volk sieht endlich die Gefahr, sieht hinter der Regierung der Barone und ihren Hakenkreuzlern den Aufstand der Lebensuntüchtigen, der privilegierten Schmarotzer und des nationalsozialistischen Untermenschentums. (Stürmische Zustimmung)

Der letzte Stuttgarter Prozeß über die Vorfälle in der Altstadt hat die „Qualitäten" dieser Bewegung wieder einmal ins rechte Licht gestellt. Diese moralische und intellektuelle Verwahrlosung zeigt Niederungen, die der marxistisch geschulten Arbeiterschaft unbekannt sind. Und die Führer der Hakenkreuzler könnten in keiner anderen Bewegung eine Rolle spielen.

Es ist der Abfall des Klassenkampfs, zusammengefegt aus allen Gassen und Gossen! (Allgemeine Zustimmung)

Diese braune Schmach ist tausendmal schlimmer als es die schwarze Schmach je gewesen ist. Durch keinen verlorenen Krieg, durch keine Demütigung ist Deutschland in den Augen der Welt so erniedrigt worden wie durch das Hitlertum. (Großer Beifall)

An den Stuttgarter Plakatsäulen hängt ein Dokument unmenschlicher Niedertracht, das uns beweist, daß der Nationalsozialismus nur die braune Sumpfblase im Sumpf des verfaulenden Kapitalismus ist. Diese Plakate sprechen vom „marxistischen Führergesindel" und den „bezahlten Landesverrätern der Eisernen Front". (Minutenlange Pfuirufe und große Bewegung) Ich begrüße es, daß sich der Nationalsozialismus hier ohne Maske zeigt, denn jetzt kann ich antworten, daß der Nationalsozialismus die Zuflucht aller Lumpen, auch der bezahlten Spitzel fremder Mächte ist. Der SA-Führer und Franzosenspitzel Feldmann, die Polenspione in Schneidemühl, die Pfälzer Separatisten, der ganze aus dem Kriege übrig gebliebene Spionageschmutz sind dort keine Einzelfälle. Wie kann es auch anders sein bei einer Partei, die Gelder aus fremden Ländern nimmt, die von Peischek und den Skodawerken (Schneider-Creuzot) sich beschmieren läßt und die von derselben Schwerindustrie finanziert wird, die 1916 monatlich 250.000 Tonnen Stahl über die Schweiz nach Frankreich lieferte. (Stürmische Entrüstung)

Die braune Armee bedeutet den letzten Trumpf des Kapitalismus, der, wirtschaftlich bankrott, sich mit den Mitteln politischen Terrors halten will. Sie ist das stärkste Hemmnis gegen sozialistische Wirtschaftsgestaltung. Jetzt ist die Regierung der Feudalen nur möglich durch die Zustimmung der nationalsozialistischen Führer. Jetzt werden den Armen 1.500 Millionen genommen und die Nazis dürfen ihre Uniformen tragen. Jeder Deutsche zahlt 25 Mark Zulassungsgebühr für die braunen Schädlinge.

Das Schachergeschäft Hitler - von Schleicher ist das größte Unglück für Deutschland! (Stürmischer Beifall) Vergeblich versuchen jetzt die Nazis von den Baronen abzurücken. Ohne Hitler kein Papen, ohne Papen keine Beraubung der Ärmsten und keine Terrorfreiheit.

Das Hakenkreuz ist das Judaskreuz, die braune Uniform ist der Judaslohn für den Volksverrat, Adolf Hitler ist der Judas Ischariot des deutschen Arbeitsvolkes. (Stürmischer anhaltender Beifall) Warum protestieren die Nazis nicht gegen die Notverordnung, warum stürzen sie von Papen nicht wegen Lausanne? Warum sind sie mit einer Restzahlung zufrieden, wie der „Völkische Beobachter" am 4. Juli schrieb? Wer hörte in Lausanne den Schlag mit der deutschen Faust auf den Tisch? (Tausendfache Zurufe: Niemand!) Wer hörte einen Widerruf der „Kriegsschuldlüge"? (Vielfache Rufe: Niemand!) Wir hörten nur französisch parlieren, sahen keines der politischen Probleme gelöst, sahen von Papen hinter die Linie Brünings zurückweichen. Der Kanzler hat erklärt, er vertrete das ganze nationale Deutschland. Wir verbitten uns diese Beleidigung, wir wollen von einem Papen nicht vertreten sein. (Zustimmung)

Unsere Politik hat die Erleichterungen geschaffen, das Volk hat sich vom Youngplan freigehungert und Papen hat weniger erreicht, als jede andere Regierung erreicht hätte. (Beifall) Von solchen Staatsmännern gehen bei uns 13 auf ein Dutzend. Das nächstemal schicken wir einen Unterkassierer von unserer Partei dahin, der macht es besser. (Stürmische Heiterkeit) Die Eiserne Front ruft euch zum Kampf! Der 31. Juli ist kein gewöhnlicher Wahltag. Sozialismus und Demokratie haben hier Gelegenheit, sich zu erproben in gigantischem Messen der Klassenkräfte. Wir allein schaffen die große einige Nation, die nicht mehr zerissen ist durch den Gegensatz von Unterdrücker und Unterdrückten.

Der 1. August 1932 soll der erste Tag der Offensive für den Sozialismus sein! (Jubelnder Beifall) Der Weg führt nur über die Zerschlagung des Hakenkreuzes. Geschlossen marschieren wir in diesem Kampf. (...) [Die folgende Schlußpassage der Rede ist nicht überliefert.]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2000

Previous Page TOC Next Page