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[Seite der Druckausg.: 1-2 : Titelseiten]

[Seite der Druckausg.: 3]

Vorbemerkung des Herausgebers

Am 16. November 1998 fand in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn eine Podiumsdiskussion statt, die gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Bonn der Deutsch-Israelischen Gesellschaft abgehalten wurde. Als Thema dienten zwei Zitate aus einem Dialog:

„Mein Vater war doch kein Verbrecher – und doch hat er einem verbrecherischen Regime gedient."

Warum trifft uns das heute noch?

Über dieses Problem diskutierten Frau Prof. Dr. Erika Weinzierl von der Universität Wien, Bundesminister a.D. Dr. Erhard Eppler, Dr. Klaus Naumann vom Hamburger Institut für Sozialforschung. Die Moderation lag bei dem geschäftsführenden Herausgeber des Berliner Tagesspiegels, Dr. Hermann Rudolph.

Die Podiumsdiskussion stand in unmittelbarem Kontext der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944, die kurz zuvor in Bonn gezeigt worden war. Wo auch immer diese Ausstellung in der Vergangenheit präsentiert wurde, hat sie die Menschen innerlich aufgewühlt und sie in ihrem Selbstverständnis in Frage gestellt. Es war natürlich einfacher, mit der eigenen Geschichte bzw. der der älteren Generation umzugehen, solange man die furchtbaren Greueltaten des nationalsozialistischen Deutschland eingrenzen zu können glaubte, und zwar auf eine relativ kleine, geschlossene Gruppe von Individuen wie der SS und dem SD. Damit war es möglich geworden, das Böse sozusagen einzuhegen und damit auszugrenzen, sich selbst aber von dem mörderischen Geschehen abzuheben und zu distanzieren, ja, die eigene, subjektiv empfundene Opferrolle zu unterstreichen oder aber eine solche Rolle im nachhinein erst zu konstruieren.

Die Wissenschaft hat auf diese Lebenslüge vieler Menschen zwar schon vor Jahrzehnten hingewiesen und zunehmend die Verstrickungen von Wehrmachtseinheiten in den nationalsozialistischen Rasse- und Vernichtungskrieg sowie dessen Billigung und Unterstützung durch Teile der Wehrmachtsführung herausgestellt. Aber diese Erkenntnisse sind eben doch nicht in das öffentliche Bewußtsein vorgedrungen. Dies ist teilweise dem Goldhagen-Buch und erst recht, so kann man mit Blick auf weitere Kreise wohl sagen, der Wehrmachtsausstellung gelungen. Nicht zuletzt

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ist das ein Ergebnis des zugespitzten Untertitels „Verbrechen der Wehrmacht", der im Prinzip jeden Wehmachtsangehörigen in die nationalsozialistischen Verbrechen einbezieht und damit an den äußeren oder inneren Pranger stellt.

Im Unterschied zu den meisten Begleitveranstaltungen zur Wehrmachtsausstellung sollten auf der Veranstaltung des Gesprächskreises Geschichte nicht Ausmaß und Verlauf von Wehrmachtsverbrechen konkret ausgeleuchtet und diskutiert werden. Vielmehr sollte der Umgang der heutigen Generationen mit diesen Problemen erörtert werden. Es galt zu ergründen, weshalb eine solche Ausstellung mehr als 50 Jahre nach Kriegsende eine so hoch emotionalisierte Diskussion mit Demonstrationen und Gegendemonstrationen hervorrufen kann.

Im Auge zu behalten ist dabei die Ambivalenz von Emotionen. Einerseits können sie im Sinne der griechischen Tragödie eine Katharsis, eine Läuterung, fördern; andererseits aber auch die notwendigen Erkenntnisprozesse belasten, unter Umständen auch behindern und verhindern.

Die vielbesuchte Veranstaltung wurde vom Fernsehsender „Phoenix" übertragen. Auf vielfältigen Wunsch wird hiermit eine leicht überarbeitete Fassung der Podiumsdiskussion im Druck vorgelegt.

Bonn, im März 1999 Dr. Dieter Dowe
Leiter des Historischen
Forschungszentrums



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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