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[Seite der Druckausgabe: 5]


1. Insolvenzen als Herausforderung für die neue Insolvenzordnung

Die Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete wertete die große Teilnehmerzahl der Konferenz als ein Indiz für den beträchtlichen Klärungsbedarf, den die neue Insolvenzordnung auslöste. 1998 habe es im Vergleich zu 1997 eine Steigerung um vier Prozent (121 Firmen) bei den Insolvenzen gegeben. Innerhalb Sachsens habe das Amtsgericht Chemnitz mit 1064 Gesamtvollstreckungsverfahren die Mehrzahl der Insolvenzfälle bearbeitet, gefolgt vom Amtsgericht Dresden mit 1013 Fällen und vom Amtsgericht Leipzig mit 827 Verfahren. Rund 73 Prozent dieser Fälle wurden mangels Masse abgelehnt. Man rechne damit, daß in Sachsen der Ausfall an Gläubiger-Forderungen etwa 4 Mrd. DM betrage.

Diese Zahlen könne man als eine Bereinigung des Marktes im Osten, vor allem in der Baubranche, interpretieren. Eine solche Auffassung sei sehr verbreitet, ebenso auch der Hinweis, daß es 1998 insgesamt mehr als 45.500 Gewerbeneuanmeldungen gegeben habe, aber nur 38.800 Gewerbeabmeldungen. Daraus werde der Schluß gezogen, daß insgesamt eine positive Bilanz vorliege. Zwar sei es richtig, daß die Insolvenzen auch marktbereinigend wirkten. Aber für sie persönlich - nicht nur als Abgeordnete - sei jede Firmenpleite eine Pleite zu viel. Dies nicht nur wegen der finanziellen Verluste, sondern auch wegen des Verlustes weiterer Arbeitsplätze.

In Deutschland habe es im ersten Halbjahr 1998 ca. 17.300 Gesamtinsolvenzen - davon 14.000 Unternehmensinsolvenzen - gegeben. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das bei den Gesamtinsolvenzen eine Steigerung um 4 Prozent, bei den Unternehmensinsolvenzen um 3 Prozent. In den neuen Bundesländern hätten im ersten Halbjahr 1998 102.000 Menschen wegen Insolvenzen ihren Arbeitsplatz verloren. Insgesamt gingen in Deutschland 1998 als Folge von 34.000 Insolvenzen Pleiten 500.000 Arbeitsplätze verloren. [Fn. 1: Werner Behrens: „Von der Gründung in die Pleite„, Süddeutsche Zeitung vom 5. Juli 1999, S. 22]

[Seite der Druckausgabe: 6]

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stehe Deutschland zwar nicht sehr schlecht da - am höchsten sei der Insolvenzquotient in Frankreich, Schweden und Luxemburg. Deutschland bewege sich im Mittelfeld. Es gebe 107 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen, in Europa hingegen durchschnittlich 120 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen. Trotz dieser im Vergleich nicht so düsteren Bewertung, müsse man aber alles dafür tun, betonte sie, um den Umfang der Insolvenzen zu reduzieren und die Wirtschaft anzukurbeln.

Sie erinnerte daran, daß die neue Insolvenzordnung eine „schwere Geburt" gewesen sei. Man müsse sich vor Augen führen, daß sich immer zwei Interessensparteien gegenüberstünden: Gläubiger und Schuldner. Es sei wichtig zu wissen, daß sich viele Bundesländer mit den Beratungen über die neue Insolvenzordnung schwer getan hätten, weil sie neue finanzielle Belastungen im Zuge der Umsetzung des Gesetzes befürchteten. Das Saarland, Bayern und Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein hätten sich 1994 im Vermittlungsausschuß für eine spätere Inkraftsetzung der neuen Insolvenzordnung als zum 1. Januar 1999 ausgesprochen, nämlich zum 1. Januar 2002. Die Beratungen über das neue Gesetz hätten sich aufgrund unterschiedlicher Auffassungen bis zum November 1998 hingezogen.

Das eigentliche Ziel des neuen Gesetz sei es, die Insolvenzverfahren zu vereinfachen und die Gerichte zu entlasten, indem zunächst zwischen Schuldnern und Gläubigern eine außergerichtliche Einigung angestrebt werden solle. Schuldnerberatungsstellen der Kommunen, Kirchen und der freien Wohlfahrtspflege hätten diese Aufgaben zu übernehmen. Die Praxis werde zeigen, ob dieses Ziel erreicht werde oder nicht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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