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[Seite der Druckausgabe: 16 / Fortsetzung]


3. Duisburg-Marxloh: Ansätze integrativer Stadtteilentwicklung

Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) wurde 1997 vom damaligen BMBau mit der Vorbereitung eines Forschungsfelds „Stadtteile mit Entwicklungspriorität" im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) beauftragt und legte dazu im Januar 1998 eine Expertise [Fn. 1: Becker, Heidede, Thomas Franke, Rolf-Peter Löhr, Robert Sander und Wolf-Christian Strauss: Städte bauförderung und Ressourcenbündelung. Expertise zur Vorbereitung eines Forschungsfelds „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt), Berlin 1998 (Difu-Materialien, Band 3/98).] vor, die unter anderem folgende Forschungsfragen beinhaltet:

  • Identifizierung von Stadtteilen mit Entwicklungspriorität,

  • Leitprogramme und Handlungsstrategien,

  • Verfahren integrierter Förderung und Mitteleinsatz,

  • Management und Organisationsstrukturen sowie

  • Erfolge integrierter Stadtteilentwicklung.

Im Rahmen der Erstellung der Expertise führte das Difu während der zweiten Jahreshälfte 1997 Untersuchungen in Hannover-Linden - einem „klassischen" Sanierungsgebiet -, der Plattenbau-Großwohnsiedlung Leipzig-Grünau und im „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf" Duisburg-Marxloh durch. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf den in Marxloh gewonnenen Forschungsergebnissen.

3.1 Der Stadtteil Duisburg-Marxloh

Der um die Jahrhundertwende entstandene Arbeiterstadtteil Marxloh hat sich im Zuge des Strukturwandels der Montanindustrie seit den siebziger Jahren von einem prosperierenden zu einem „Problemgebiet" Duisburgs entwickelt. [Fn. 2: Vgl. im folgenden vor allem: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nord rhein-Westfalen (Hrsg.): Handlungskonzept Duisburg-Marxloh, Reihe Forum für Stadtteile mit beson derem Erneuerungsbedarf, Dortmund 1995, und Stadt Duisburg (Hrsg.): Projekt Marxloh. Projektbe richt für die Zeit vom 01.07.1994 bis zum 30.04.1996, Duisburg o.J.] Die Hauptmerkmale dieses Wandels sind ein kontinuierlicher Verlust von Arbeitsplätzen - verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit - sowie ein tiefgreifender demographischer Wandel der Bevölkerungsstruktur Marxlohs: Während der Anteil der deutschen Einwohner aufgrund negativer natürlicher Bevölkerungsentwicklung und

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Abwanderung stetig zurückgeht und heute durch Überalterung gekennzeichnet ist, nimmt der Anteil der nichtdeutschen, in erster Linie türkischen Einwohnerschaft aufgrund positiver natürlicher Bevölkerungsentwicklung und einem ebenfalls positiven Wanderungssaldo kontinuierlich zu.

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3.2 Probleme des Stadtteils

Aus diesen Entwicklungen sowie strukturellen Defiziten des Stadtteils resultiert eine Vielzahl von Problemen im Viertel:

  • Spannungen zwischen deutscher und nichtdeutscher Einwohnerschaft, verdeckte Ausländerfeindlichkeit als größtes Problem für die Stadtteilentwicklung in Marxloh, extreme räumliche Segregation beider Gruppen im Stadtteil,

  • hohe Arbeitslosigkeit vor allem durch Arbeitsplatzabbau bei der Thyssen AG als größtem Arbeitgeber der Region und - damit verbunden - sinkende Kaufkraft,

  • steigende Zahl von Transferleistungen abhängiger Einwohner,

  • Abwanderung einkommensstärkerer Haushalte, Kumulation sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen in Marxloh,

  • subjektives Unsicherheitsgefühl bei der deutschen Bevölkerung,

  • veralteter und zu großen Teilen nicht sanierter Wohnungsbestand, Desinvestition seitens Wohnungsbaugesellschaften und privater Hausbesitzer, unzureichende Neubautätigkeiten aufgrund Flächenmangels,

  • unzureichendes Grünflächenangebot,

  • Umweltbelastungen aufgrund der räumlichen Nähe von Wohngebieten und Industrieanlagen,

  • Niedergang des (deutschen) Einzelhandels („Billigangebote", Geschäftsaufgaben) aufgrund des zurückgehenden Absatzmarktes (allgemeiner Kaufkraftverlust; an der eigenen Nationalität orientiertes Konsumverhalten der türkischen Bevölkerung); Geschäftsübernahmen durch türkische Bevölkerung/Expansion der türkischen Ökonomie (wesentlicher Motor der deutschen Ausländerfeindlichkeit),

  • Defizite im (Aus-) Bildungsbereich: Mangel an Kindergartenplätzen, niedriges schulisches Lernniveau aufgrund massiver Sprachbarrieren, hohe Schulabbrecherquote bei nichtdeutschen Jugendlichen (1996: ca. 20%), Schulsegregation, Mangel an Ausbildungsplätzen,

  • Rückentwicklung der kulturellen Infrastruktur sowie

  • insgesamt: Imageverlust Marxlohs.

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3.3 Potentiale Marxlohs

Ansätze für eine integrierte Stadtteilentwicklung liegen sowohl in den baulich-technischen als auch den in der Bevölkerung verankerten Potentialen Marxlohs. Dazu gehören:

  • brachliegende Gewerbeflächen, die sich für eine Erschließung bzw. Reaktivierung eignen,

  • die vergleichsweise günstige Verkehrsanbindung des Stadtteils,

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  • der modernisierungs-/sanierungsfähige Wohnungsbestand des Stadtteils sowie für Neubaumaßnahmen geeignete Innenhöfe (Nachverdichtung),

  • das Engagement nichtdeutscher Einzelhändler sowie die wachsende Kooperationsbereitschaft deutscher Unternehmer,

  • die potentiellen Möglichkeiten zur Schaffung von Ausbildungsplätzen vor allem in der vielfältigen türkischen Ökonomie,

  • die (Aus- und Weiter-) Bildungspotentiale der Bevölkerung,

  • die vorhandenen sozialen Netzwerke als Katalysatoren und Multiplikatoren sowie

  • die historische Bedeutung Marxlohs, seine Urbanität und Multikulturalität, die zur Aufwertung des Stadtteilimages beitragen können.

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3.4 Entwicklungsziele und -strategien, Organisation des Stadtteilmanagements in Marxloh

Nach Auflage verschiedener Konzepte und Programme bildete das 1993 im Rahmen des Programms „Duisburg 2000" beschlossene „ressortübergreifende Stadterneurungsprogramm Hamborn/Marxloh" die wesentliche Grundlage für integrierte Entwicklungsmaßnahmen in diesem Stadtteil. Die konkrete Projektdurchführung lag bis Ende 1998 in Händen des 1994 vor Ort eingerichteten Projektes Marxloh, das aus zwei Teilen bestand:

  1. Die Entwicklungsgesellschaft Duisburg-Marxloh mbH (EGM) war als Sanierungsträgerin in Form einer städtischen Tochtergesellschaft für die Durchführung der baulichen und wirtschaftlichen Erneuerung des Stadtteils verantwortlich und wurde von einem Beirat aus Ratsmitgliedern beaufsichtigt. Zu ihren konkreten Aufgaben gehörten im wesentlichen:

    • Bürgerinformation zu und Bürgerbeteiligung an Stadterneuerungsmaßnahmen,

    • Eigentümer- und Mieterberatung zu Modernisierungs-, Neubau- und Gestaltungsfragen sowie

    • der Umbau denkmalwerter Gebäude zu sozialen und/oder kulturellen Einrichtungen.

  2. Das Aufgabenspektrum des Stadtteilprojekts Marxloh als Teil der Verwaltung umfaßte im wesentlichen:

    • Verbesserung der sozialen Infrastruktur,

    • Verbesserung der Sozialstruktur, des Zusammenlebens zwischen Deutschen und Nichtdeutschen sowie der allgemeinen nachbarschaftlichen Beziehungen,

    • Durchführung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie

    • Bürgerinformation, -beteiligung und -aktivierung.

Seit Anfang diesen Jahres wurde das bisher auf der lokalen Ebene Marxlohs angesiedelte Stadtteilmanangement durch eine auf der gesamtstädtischen Ebene verortete Managementstruktur ersetzt; dies betrifft auch den Stadtteil Bruckhausen, in dem ähnliche Strukturen wie in Marxloh aufgebaut worden waren. Die inhaltlichen Zielsetzungen der Stadtteilarbeit bzw. die

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Notwendigkeit der konkreten Projektarbeit vor Ort bleiben von der Umstrukturierung allerdings unberührt und sind damit nach wie vor aktuell.

Die Handlungsfelder des gesamten Projektes Marxloh leiteten sich im wesentlichen aus einem von der SPD Ende 1996 formulierten Leitbild für eine ganzheitliche Entwicklung Marxlohs sowie dem Antrag der Stadt Duisburg auf Fördermittel aus der EU-Gemeinschaftsinitiative für städtische Gebiete URBAN ab. Sie lauten:

  • Stadterneuerung: unter anderem Sanierungs- und Umnutzungsmaßnahmen, Partizipation der Bevölkerung an Planungsprozessen,

  • Beschäftigung und Qualifizierung: umfangreiche ABM-Angebote im gewerblichen und Dienstleistungs- bzw. sozialen Bereich,

  • Sozialstruktur und Infrastruktur: Schaffung von Begegnungs-, Veranstaltungs- und Freizeiteinrichtungen, Angebot sozialer Dienstleistungen, Förderung von sozialen Netzwerken und der Kommunikation im Stadtteil,

  • Kulturelle/Interkulturelle Arbeit: multikulturelle Zusammensetzung des Stadtteilprojektes, Zusammenarbeit des Projektes mit nichtdeutschen Vereinen und Initiativen, interkulturelle Veranstaltungsangebote/Einzelprojekte,

  • Lokale Ökonomie: Einrichtung eines Büros für Wirtschaftsentwicklung unter anderem zur Beratung von Unternehmern, Investoren und Existenzgründern, Förderung der Kooperation von Unternehmern, Immobilienbesitzern, Finanzinstituten etc.; Projektentwicklung beschäftigungswirksamer Einrichtungen; gewerbliches Fassadenprogramm zur Verbesserung der Stadtgestalt bzw. Attraktivitätssteigerung an Einzelhandelsstandorten,

  • Wohnen und Wohnumfeld: unter anderem Bestandsverbesserung durch Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen, Beratungsangebote für private Neubau- und Modernisierungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung/Gestaltung des öffentlichen Raums;

  • Öffentlichkeitsarbeit: unter anderem umfangreiche Bewohnerbeteiligung an Planungsprozessen, Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse, Herausgabe einer zweisprachigen Ortsteilzeitung, Informationsveranstaltungen.

Im Vordergrund der Arbeit steht - so der Vertreter des Difu - die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens aller Bevölkerungsteile Marxlohs sowie die Bindung der Jugendlichen an ihren Stadtteil.

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3.5 Finanzielle Förderung der Erneuerungsprojekte in Marxloh

Die Förderkulisse zur Projektfinanzierung in Marxloh setzt sich im wesentlichen aus Mitteln

  • der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN zur Förderung integrierter Ansätze der Stadtteilentwicklung,

  • verschiedener Förderprogramme nordrhein-westfälischer Landesministerien im Rahmen des integrierten Handlungskonzeptes „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" sowie

  • der Bundesanstalt für Arbeit (ABM)

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zusammen. Fördervoraussetzung im Rahmen des Programms „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" ist - ähnlich wie bei der Gemeinschaftsinitiative URBAN - die Erarbeitung eines integrierten Handlungskonzeptes mit ganzheitlichem innovativem Ansatz seitens interessierter Kommunen.

Zur Koordination von Verfahrensfragen, Flexibilisierung der jeweiligen Förderwege und Angleichung von Förderprogrammen an die tatsächlichen Bedarfe der lokalen Umsetzungsebenen wurde auf Landesebene zwar eine „Interministerielle Arbeitsgruppe" eingerichtet, der alle relevanten Ressorts angehören (vgl. Punkt 1.2 in diesem Heft). Dennoch sind sowohl die Antrags- als auch Bewilligungsverfahren im Rahmen der einzelnen Förderprogramme nach wie vor sektoral und individuell nach jeweils eigenen Förderrichtlinien organisiert, weshalb die Beantragung von Fördermitteln der verschiedenen Ressorts mit einer Vielzahl unterschiedlicher Antragsverfahren und zuständiger Bewilligungsbehörden bzw. Ansprechpartner verbunden ist. Dem integrierten Handlungsansatz auf der konzeptionellen Ebene steht also - so der Vertreter des Difu - eine fragmentierte Verfahrenslandschaft in der Praxis gegenüber.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach Möglichkeiten und Methoden der Bündelung von Fördermitteln für die bzw. auf der lokalen Umsetzungsebene. In Marxloh wurden bisher investive und nicht-investive Fördermittel sowohl auf der Gesamtebene des Zielgebietes als auch innerhalb der Einzelprojekte, in jedem Fall aber projektbezogen auf der Umsetzungsebene und unter Federführung des Projektes Marxloh gebündelt. Dabei entstanden spezifische Probleme:

  • Die verschiedenen Fördertöpfe sind untereinander nicht abgestimmt und müssen erst auf der Projektebene kompatibel gemacht werden. Unterschiedliche Antragsverfahren verschiedener Förderprogramme erschweren die Bündelung auf der Projektebene.

  • Die unterschiedlichen Laufzeiten der verschiedenen Förderprogramme erschweren innerhalb konkreter Projekte oftmals eine zeitgleiche Bündelung der zum Einsatz kommenden Mittel.

  • Die Maßnahmengebundenheit der Fördergelder verhindert eine flexible Mittelverwendung auf der Projektebene. Dies gilt vor allem für umfangreiche Förderprogramme, da bereits während der Antragsphase die projektscharfe Verwendung relativ hoher Summen festgelegt werden muß.

Die fehlende Flexibilität beim Fördermitteleinsatz zur Bedienung kurzfristiger Projektanforderungen konnte bisher nur durch gute persönliche Kontakte der Projektleitung zu allen relevanten ministeriellen Ansprechpartnern kompensiert werden. Als Alternative zur Bündelung unterschiedlicher Fördermittel auf der Umsetzungsebene und zur Erreichung einer größeren Flexibilität bei der Maßnahmenfinanzierung wurden aus den Reihen des Stadtteilmanagements folgende Verbesserungsvorschläge bzw. Forderungen geäußert:

  • Auf der geldgebenden Seite ist eine bessere Koordinierung der Fördertöpfe analog dem auf der Projektebene verfolgten ganzheitlichen Ansatz notwendig.

  • Für die Umsetzungsebene der konkreten Projektarbeit wird eine größere Flexibilität beim Mitteleinsatz bzw. ein feststehendes Budget ohne limitierenden Zeithorizont und ohne

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  • Maßnahmenbindung gefordert, das entweder bei einer federführenden landesministeriellen Stelle oder im Projekt selbst angesiedelt werden sollte.

Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen scheint bei der Bündelung öffentlicher Fördermittel die qualitative Komponente der „bündelnden" Arbeit durch die Projektakteure auf der konkreten Umsetzungsebene vor Ort größere Bedeutung zu haben als das rein quantitative Zusammenspiel unterschiedlicher Fördertöpfe. Individuelles Engagement und die Vernetzung aller relevanten Akteure sind derzeit der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Realisierung integrierter Handlungskonzepte, wie der Vertreter des Difu ausführte.

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3.6 Partizipation und Erreichbarkeit der Quartiersbevölkerung

Als hauptsächliches Partizipationsverfahren im Rahmen der Marxloher Stadtteilarbeit wurden bislang Runde Tische als ebenenübergreifende Kommunikationsplattform für alle Akteure - unter anderem Verwaltungsmitarbeiter, Bezirks- und Kommunalpolitiker sowie Quartiersbevölkerung - zur Identifikation von Problemen und Lösungsmöglichkeiten angeboten.

Die Erreichbarkeit der Quartiersbevölkerung im Rahmen der Stadtteilarbeit wurde als mehr oder weniger problematisch dargestellt. Beispielsweise konnten zum Zeitpunkt der Untersuchung erst zwei anstelle der ursprünglich vorgesehenen 40 bis 50 Marxloher Einwohner als Mediatoren zwischen Projektlandschaft und Quartiersbevölkerung gewonnen werden. Die Gruppe der nichtdeutschen Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren war zum Zeitpunkt der Untersuchung sowohl von den Projektmitarbeitern als auch Eltern und nichtdeutschen Organisationen kaum bzw. zunehmend weniger erreichbar. Auch die Gruppe der deutschen Mittelschichtsangehörigen - überwiegend ältere Einwohner -, die sich größtenteils mit den negativen Entwicklungstrends im Stadtteil abgefunden und daher in die Passivität zurückgezogen hat, wurden durch das Projekt Marxloh nur wenig angesprochen. Die Bemühungen der Projektmitarbeiter um eine stärkere Partizipation der türkischen Bevölkerung insgesamt waren zwar teilweise erfolgreich, reichten aber nach eigenen Darstellungen noch nicht aus. Insgesamt stellt sich die Frage, ob die Erreichbarkeit der Marxloher Bevölkerung durch eine stärkere Motivations- und offensivere Öffentlichkeitsarbeit zu erhöhen ist.

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3.7 Erfolgskontrolle

Eine Evaluierung der Projektarbeit in Marxloh war zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht möglich, da die konkrete Projektumsetzung erst begonnen hatte. Dennoch konnte bereits 1997 davon ausgegangen werden, daß eine Erfolgskontrolle der geleisteten Arbeit und damit auch der Effektivität der zum Einsatz gekommenen Fördermittel sehr schwierig sein würde. Als Möglichkeiten einer Erfolgskontrolle wurden unter anderem genannt:

  • Abgleichung der in den Projektanträgen formulierten Zielsetzungen mit den tatsächlichen erzielten Projektergebnissen im Stadtteil,

  • statistische Begleitforschung,

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  • Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt bei Absolventen von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (in Marxloh lag diese zum Zeitpunkt der Untersuchung im Bereich Kindererziehung bei 60%, im gewerblichen Bereich bei weniger als 5%),

  • Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze oder

  • Umfang privater Investitionen beispielsweise im Bereich Wohnungsbau/-modernisierung.

Alle genannten Indikatoren beschränken sich ausschließlich auf meßbare Faktoren. Unmöglich wird dagegen die Quantifizierung „weicher", nicht zu operationalisierender Faktoren wie beispielsweise „Lebensqualität" oder „Lebensgefühl", die allerdings für die Projektarbeit in Marxloh eine sehr große Rolle spielen.

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3.8 Perspektiven der Weiterentwicklung

Zum Fortbestehen der Marxloher Projektlandschaft über das Ende des URBAN-Förderzeitraumes (Ende 1999) hinaus herrschte zum Zeitpunkt der Untersuchung eher Skepsis. Allgemein wurde befürchtet, die Maßnahmenförderung könne auslaufen, ohne selbsttragende gesellschaftliche und ökonomische Strukturen geschaffen zu haben.

Das Problem des dauerhaften friedlichen Zusammenleben deutscher und nichtdeutscher Bevölkerungsgruppen könnte sich angesichts des prognostizierten Anstiegs des nichtdeutschen Bevölkerungsanteils auf rund 65% bis zum Jahr 2010 noch verschärfen. Als weitere Entwicklungstrends wurde angegeben, den „Wettlauf" um den Erhalt von Arbeitsplätzen vor allem bei Thyssen längst verloren zu haben und damit erfolgreiche Absolventen von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an andere Stadtteile bzw. andere Städte zu verlieren. Auch der Fortzug einkommensstärkerer Haushalte wurde als nicht aufhaltbar bezeichnet.

Im Bereich Wirtschaftsförderung stellte sich insbesondere der Bereich Beratung und Förderung von Existenzgründern als nicht unproblematisch dar, weil vor allem die türkische Bevölkerung überwiegend auf eigene Netzwerke zurückgreift und daher die Dienste der EGM kaum benötigte, während die deutsche Bevölkerung von diesen Angeboten zwar intensiveren Gebrauch macht, in vielen Fällen allerdings nicht die nötigen Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Selbständigkeit mitbringt.

Positive Ausstrahlungseffekte der Projekte über das Gebiet Marxlohs konnten zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht festgestellt werden, weil die überregionale Bedeutung des CentrO Oberhausen als starker Konkurrenzfaktor wirkt und das noch immer vorhandene Negativimage des Stadtteils („Land der langen Messer") positive Ausstrahlungseffekte eher verhindert.

Generelle Kritik an der Projektarbeit wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung vereinzelt zu folgenden Punkten geäußert:

  • anstelle der Entwicklung singulärer „Vorzeigeprojekte" wäre eine von Anfang an stärkere Fokussierung auf „harte" Entwicklungsmaßnahmen in den Bereichen Wohnungsbau, Infrastruktur, Kriminalitätsbekämpfung etc. sinnvoller gewesen,

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  • trotz aller partizipativen Strukturen des Projektes Marxloh wurden sämtliche Maßnahmen von oben gesteuert,

  • angesichts der Bevölkerungsprognose für das Jahr 2010 (s.o.) wäre eine stärkere Konzentration der Maßnahmen auf die nichtdeutsche Bevölkerung realistischer gewesen.

Als Forderungen für eine effektivere zukünftige Projektarbeit wurden vor allem genannt:

  • Verbesserung der Fördermodalitäten,

  • stärkere Einbeziehung wichtiger privatwirtschaftlicher Akteure in die Projektarbeit,

  • Aufstockung des festen Personalstamms des Projektmanagements,

  • Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit,

  • Verbesserung der Begleitforschung.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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