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8. Das neue Insolvenzrecht - die Möglichkeit zur zweiten Chance

Ein Unternehmen zu gründen ist zwangsläufig mit dem Eingehen eines erheblichen Risikos verbunden. Denn im Gegensatz zum angestellten Arbeitnehmer handelt der Unternehmer auf sein eigenes ökonomisches Risiko; er profitiert vom Erfolg des Unternehmens, haftet aber auch mit seinem Kapital bei einem Mißerfolg. Im schlimmsten Fall droht dem gescheiterten Unternehmer sogar der Verlust seines gesamten Vermögens. In Deutschland gibt es bislang - im Gegensatz zu anderen Ländern - faktisch keine Möglichkeit zur zweiten Chance. Wer das Risiko der Selbständigkeit auf sich nimmt und dabei scheitert, haftet nach bisherigem Recht 30 Jahre oder, falls die Verjährung unterbrochen wird, sogar lebenslang für dabei verursachte Schulden.

Den Ergebnissen des SOEP zufolge scheitern zehn Prozent der Existenzgründer innerhalb des ersten Jahres, binnen der ersten drei Jahre gibt im Westen jeder vierte Existenzgründer auf, im Osten sogar fast jeder Dritte. Und nach fünf Jahren hat im Westen jeder dritte Gründer aufgegeben, im Osten sind es sogar 40 Prozent. Die Gründe für das Scheitern von Unternehmensgründungen sind vielschichtig. Letztendlich scheitern die meisten Unternehmen an Finanzierungsproblemen. Hinter diesem Befund verbergen sich aber häufig die ursächlichen Gründe wie Managementprobleme oder fehlerhafte Markteinschätzungen. Aber natürlich können auch externe Gründe für das Scheitern eines Unternehmens verantwortlich sein. Der überraschende Ausfall eines Hauptkunden kann ebenso zum Konkurs führen wie das Verhalten der Hausbank, die temporäre Liquiditätsengpässen zum Anlaß nimmt, Kredite fällig zu stellen. [ Fn.11: Zur "Pannenhilfe" in Krisenphasen eines Unternehmens hat die DtA das Instrument der "Runden Tische" geschaffen. Gemeinsam mit dem Unternehmer, den örtlichen Kammern und den Hausbanken soll hier nach Lösungen gesucht werden. Im Einzelfall finanziert die DtA die Einschaltung eines Unternehmensberaters, der die Probleme im Unternehmen aufdeckt und ein Lösungskonzept erarbeitet. Laut DtA -Angaben können fast 70 Prozent der Unternehmen, die einen "Runden Tisch" aufsuchen, gerettet werden. ]

Der SPD-Bundestagsabgeordnete begrüßt, daß zum 1.1.1999 endlich das vom Deutschen Bundestag bereits im April 1994 beschlossene neue Insolvenzrecht in Kraft tritt. Die für die Umsetzung verantwortlichen Bundeslän-

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der hatten ein früheres Inkrafttreten aufgrund personeller und sachlicher Engpässe an den Gerichten für unmöglich erachtet. Das Insolvenzrecht löst die alte Konkursordnung von 1877 und die Vergleichsordnung von 1935 ab. Erstmals besteht dann für Einzelkaufleute und private Verbraucher die Möglichkeit, sich in einem geregelten Verfahren binnen des überschaubaren Zeitrahmens von sieben Jahren von ihren Schulden zu befreien. Voraussetzung ist, daß sie sich vor und während des Insolvenzverfahrens "korrekt" verhalten und ihr pfändbares Einkommen innerhalb einer siebenjährigen Wohlverhaltensphase den Gläubigern zukommen lassen.

Die Unternehmensgründer bestätigen übereinstimmend die Bedeutung der neuen Insolvenzordnung. Bislang schwebe das Risiko der lebenslangen Haftung für Schulden wie ein Damoklesschwert über jedem, der sich in Deutschland selbständig mache. Die Gründerin von JBT erläutert, daß sie zwar im derzeitigen Stadium ihres Unternehmens keine Zeit habe, über die Folgen eines Konkurses nachzudenken. Aber natürlich wisse sie sehr genau, daß sie in einem solchen Fall sehr tief fallen werde und deshalb Geld für einen solchen Fall zurücklegen müsse. Der Geschäftsführer der Microtec Systems GmbH empfiehlt jedem potentiellen Gründer, sich vor diesem Hintergrund der möglichen individuellen Konsequenzen sehr genau zu überlegen, ob er das Risiko einer Existenzgründung auf sich nehmen wolle. Der Geschäftsführer der botronic-bochtler electronic GmbH erläutert, daß er im Laufe seiner siebenjährigen Tätigkeit insgesamt mehrere Unternehmen hat scheitern sehen. Da die Betroffenen als Unternehmer oder Geschäftsführer nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert sein konnten, fielen sie sofort in die Sozialhilfe. Und die, die einen neuen Arbeitsplatz fanden, sahen sich mit hohen Lohnpfändungen konfrontiert, da die Banken natürlich auf die Rückzahlung ihrer Kredite bestanden. Das Scheitern eines Unternehmers in Deutschland sei eine "böse Sache".

Neben das finanzielle Risiko des haftenden Unternehmers tritt die Gefahr der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Ein derart als Pleitier gebrandmarkter Mensch bekommt in Deutschland nur selten eine zweite Chance. Der SPD-Bundestagsabgeordnete sieht hierin keine primäre Aufgabe für die Politik, sondern eine Frage von Leitbildern in der Gesellschaft. Im Grunde sollte derjenige, der etwas wagt, aber nicht auf Anhieb Erfolg hat, ein höheres Ansehen und Vertrauen genießen, wenn er es trotz oder wegen dieser Erfahrungen ein zweites Mal probiert. Hinfallen sei nicht schlimm, schlimm sei nur, nicht wieder aufzustehen. Gesellschaft, Politik, Banken

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und Wirtschaft sollten einem solchen Menschen beim Wiederaufstehen helfen. Demnach sollte das Scheitern einer beruflichen Selbständigkeit weder bei Personalchefs noch bei Banken ein negatives Entscheidungskriterium sein. Statt dessen sollten sie jemandem, der etwas gewagt habe, aber aus nachvollziehbaren Gründen gescheitert sei, eine zweite Chance geben. In den USA herrsche diesbezüglich eine völlig andere Mentalität. Bekanntlich stelle Microsoft-Chef Bill Gates bevorzugt Menschen ein, die beim Versuch, sich selbständig zu machen, gescheitert seien. Gates begründe dies damit, daß sie über unternehmerisches Denken und einen gewissen Wagemut verfügten. Gleiches sollte für die Banken gelten, die jemanden, der es ein zweites Mal mit einer Existenzgründung versuche, nicht zurückweisen sollten. Vielmehr sollte es von Vorteil sein, daß dieser Mensch bereits negative Erfahrungen gemacht habe und wisse, welche Fehler er beim zweiten Mal zu vermeiden habe.

Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg unterstreicht, daß es in den USA ein anderes Verständnis von Existenzgründungen und -gründern in der Gesellschaft gibt. In der Tat werde dort jemand, der bereits ein- oder mehrmals beim Aufbau eines Unternehmens gescheitert sei, nicht gesellschaftlich stigmatisiert, sondern erhalte oftmals problemlos eine weitere Chance. Dies sei weniger eine Frage des Geldes, als vielmehr eine ideelle Frage des gesellschaftlichen Wertesystems. Die Politik könne den einzelnen Bürgern nicht deren Berufsrisiko abnehmen. Aufgabe der Politik sei es jedoch, möglichst gute Rahmenbedingungen für den Erfolg und insbesondere gleiche Startchancen zu schaffen und das Berufsrisiko im Hinblick auf das Scheitern möglichst klein zu halten.

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Anhang

Checklisten der Deutschen Ausgleichsbank für Unternehmensgründer [ Fn.12: Deutsche Ausgleichsbank: Erfolgskurs. Ihr Weg zum Gründungskapital, Bonn, Oktober 1998]



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Auswertung und Auflösung des Tests

Addieren Sie Ihre Punktzahl aus den Antwortalternativen, und lesen Sie dann die folgende Bewertung. Ein solcher kurzer Selbstcheck kann nur erste Hinweise geben Suchen Sie in jedem Fall das Gespräch mit professionellen Beratern und mit Ihrer Familie, die von Ihrem Vorhaben üblicherweise direkt betroffen ist und daher nicht nur um Rat, sondern auch um Unterstützung gebeten werden sollte.

0-14 Punkte:

Sie sollten sich noch einmal die Frage stellen, ob Sie wirklich eine unternehmerische Selbständigkeit anstreben wollen oder ob Sie als Angestellte/r nicht doch ein für Sie persönlich besser geeignetes Arbeitsumfeld vorfinden

15-20 Punkte:

Das Ergebnis fällt für Sie nicht eindeutig aus Es wird nicht deutlich genug, ob Sie besser in abhängiger Beschäftigung oder als Selbständige/r arbeiten sollten Suchen Sie nach zusätzlichen Informationen, und reden Sie mit möglichst vielen Menschen, zu denen Sie Kontakt haben, über dieses Thema

20-30 Punkte:

Sie stehen emotional, aber auch von der praktischen Motivation her voll hinter der Entscheidung, sich selbständig zu machen. Offensichtlich bringen Sie auch persönlich und im Hinblick auf Ihre Umfeldbedingungen die entsprechenden Voraussetzungen für eine unternehmerische Selbständigkeit mit.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Heinz Klandt, Stiftungslehrstuhl für Gründungsmanagement und Entrepreneurship, European Business School, Oestrich-Winkel.

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Der Unternehmensplan ist sozusagen das Konzept für Ihre Existenzgründung. In ihm beschreiben Sie alle für Ihre Geschäftsidee wichtigen Punkte - auch solche, die sich für Sie als Hindernis oder Schwierigkeit erweisen könnten. Je ausführlicher diese Beschreibung ausfällt, desto besser. Denn wenn Sie mit Ihrer Bank über Geld reden, müssen Sie einen detaillierten Unternehmensplan vorlegen. Die Bank beurteilt auf der Grundlage Ihres Unternehmensplans, ob sie Ihre Geschäftsidee für realistisch, umsetzbar und damit auch für finanzierbar hält.

Der nebenstehende Fragenkatalog hilft Ihnen, einen Unternehmensplan zu erarbeiten. Er kann notwendigerweise nur einen Orientierungsrahmen vorgeben.

Erweitern Sie ihn deshalb um Fragen und Gesichtspunkte, die für Ihre Geschäftsidee von Bedeutung sein können.

(Übrigens: Die gesonderten Checklisten Investitionsplan, Liquiditätsplan, Finanzierungsplan und Rentabilitätsvorschau sind Bestandteil des Unternehmensplans.)

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Verkleinerte Darstellung des Liquiditätsplanes Bild vergrößern


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