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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

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Deutschland liegt mit einer Selbständigenquote von knapp zehn Prozent in Europa auf dem vorletzten Platz. Ein Defizit des Wirtschaftsstandortes Deutschland, das in den wirtschaftspolitischen Debatten der letzten Jahre nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Dabei ist die große Bedeutung von Unternehmensgründungen für den Strukturwandel von der Industriegesellschaft zur Kommunikations- und Dienstleistungsgesellschaft unbestritten. Existenzgründungen und junge mittelständische Unternehmen sind es, die den Innovationsprozeß vorantreiben, die notwendige Wachstumsdynamik forcieren und zukunftsfähige Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen.

Unternehmensgründungen und deren Dynamik hängen eng mit dem Bildungssystem zusammen. Die Wahrscheinlichkeit des Aufbaus einer selbständigen Existenz nimmt mit dem Bildungsstand zu. Um so bedenklicher ist, daß lediglich 14 Prozent von Deutschlands Hochschulabsolventen ein Unternehmen gründen, während fast jeder Zweite von ihnen im öffentlichen Dienst landet. Angesichts dieses Befunds besteht Einigkeit darüber, daß die Unternehmerausbildung an Universitäten und Hochschulen verbessert werden muß. Symptomatisch für den Nachholbedarf an deutschen Hochschulen ist die Tatsache, daß der erste deutsche Lehrstuhl für Existenzgründung/Entrepreneurship erst am 1. März 1998 an der European Business School (ebs) in Oestrich-Winkel eingerichtet wurde. In den USA ist dieser Zweig der Unternehmerausbildung dagegen bereits seit Anfang der 60er Jahre etabliert und heute an fast allen namhaften Universitäten vertreten. Der Lehrstuhlinhaber für Entrepreneurship an der ebs schätzt, daß in Deutschland rund 60 Lehrstühle benötigt würden, um eine vergleichbare Ausbildungsdichte wie in den USA zu erreichen.

Parallel zur Entwicklung des Fachbereichs Entrepreneurship an Deutschland Hochschulen muß nach Einschätzung des Leiters des Steinbeis-Trans-ferzentrums Neue Produkte auch die praxisorientierte Unternehmerausbildung an Universitäten und Hochschulen deutlich intensiviert werden. Die Studierenden sollten im Rahmen ihrer Ausbildung nicht nur fachliche Qualifikationen erwerben, sondern auch das notwendige Rüstzeug für eine spätere berufliche Selbständigkeit. Um Studenten für Unternehmensgründungen zu begeistern und zu befähigen, bedürfe es jedoch entsprechend geeigneter Hochschullehrer. Die Studenten erwarteten von ihren Professo-

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ren kein "Kreidemanagement an der Tafel", sondern die Fähigkeit, theoretisches Wissen auch in der Praxis anzuwenden.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete regt an, daß künftig die Qualität einer Hochschule nicht nur an ihren Doktoranden, sondern auch an der Zahl der Existenzgründungen gemessen werden sollte. Ein Ansatz, der nach Meinung des Verfreiers des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg zwar Definitionsprobleme und praktische Schwierigkeiten aufwirft, dennoch aber künftig eine größere Bedeutung bei der Mittelvergabe an die Universitäten erlangen sollte. Die Hochschulen sollten zudem verstärkt Zusatzqualifikationen in Form von Lehraufträgen oder Sonderveranstaltungen anbieten. Die geisteswissenschaftlichen Studiengänge sollten in Richtung einer stärkeren Modularisierung und Zertifizierung umstrukturiert werden, um den Studenten eine wesentlich größere Gestaltungsmöglichkeit bei Studieninhalten und -schwerpunkten zu ermöglichen. Hierfür fehle es jedoch noch an der entsprechenden Bundesgesetzgebung.

Zur Verbesserung des Wissens- und Technologietranfers zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft plädiert der SPD-Bundestagsabgeordnete für verstärkte Kooperationen zwischen universitären Forschungseinrichtungen und mittelständischen Unternehmen. Hierfür bedürfe es spezifischer Regelungen beispielsweise zur Förderung des Personalaustausches zwischen Hochschulen, Forschungsinstitutionen und Unternehmen in Form von entsandten Technologieberatern oder der Teilentsendung von wissenschaftlichem Personal. Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg hält es für sinnvoll, verstärkt Praktiker für Lehraufträge an Universitäten und Hochschulen zu gewinnen.

Um an den Hochschulen Initiativen zur stärkeren Förderung von Existenzgründungen durch Hochschulabsolventen zu forcieren, hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) den Wettbewerb "Exist - Existenzgründer aus Hochschulen" durchgeführt. Ausgezeichnet wurden Konzepte, durch die Studenten, andere Hochschulangehörige und Absolventen für eine Unternehmensgründung interessiert, ausgebildet, unterstützt und in die Selbständigkeit begleitet werden können. Die Vertreterin des BMBF zeigte sich zufrieden mit der Resonanz auf den Wettbewerb. Die Region Stuttgart hatte sich mit dem Planungskonzept

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PUSH! an dem Exist-Wettbewerb des BMBF beteiligt. PUSH! steht für "Partnernetz für Unternehmensgründungen aus Stuttgarter Hochschulen". Aufgaben des PUSH!-Netzwerks sind die Koordination der unterschiedlichen Angebote und Integration in ein Gesamtkonzept, die Schaffung einer größeren Transparenz des bestehenden Angebots sowie die Nutzung von Synergie-Effekten und den Abbau von Doppelarbeit. Im Rahmen des PUSH!-Netzwerks wird die Bündelung der Angebote der beteiligten Partner an einer zentralen Stelle, der Agentur für Existenzgründungen, und die gezielte Weitergabe der Informationen an die Gründer angestrebt. Die Voraussetzungen für die Institutionalisierung eines Gründungsnetzwerks sind nach Einschätzung des Vertreters der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (wrs) in der Region Stuttgart wegen der Breite und der Tiefe der Forschungslandschaft und der Vielfalt von Maßnahmen und Institutionen zur Unterstützung von Existenzgründungen aus dem Hochschulbereich besonders günstig.

Die Information über die öffentlichen Förderprogramme und Hilfsangebote ist auch eine Aufgabe des beim Landesgewerbeamt Baden-Württemberg angesiedelten Informationszentrums für Existenzgründungen (ifex). Neben allgemeinen Informations- und Beratungsaufgaben bietet das ifex gezielte Angebote für Hochschulabsolventen an. Dazu gehören neben spezifischen Informations-, Qualifikations- und Beratungangeboten insbesondere die Initiierung von Gründerverbunden und das Programm "Junge Innovatoren". Im Rahmen der Initiative Gründerverbunde sollen nach US-amerikanischem und skandinavischem Vorbild in verschiedenen Hochschulregionen Baden-Württembergs Einrichtungen geschaffen werden, die gewährleisten, daß innovative Gründer in der Startphase ihrer Existenzgründung die Ressourcen ihrer Hochschule oder ihrer Forschungseinrichtung nutzen können. Ein solcher Gründerverbund ist die Technologie Transfer Initiative der Universität Stuttgart GmbH (TTI GmbH). Ziel des Programms "Junge Innovatoren" ist es, junge wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Entwicklung innovativer, marktreifer Produkte und Verfahren zu unterstützen. Während dieser Vorbereitungsphase soll der Lebensunterhalt der potentiellen Firmengründer durch eine im Regelfall auf zwei Jahre befristete finanzielle Unterstützung gesichert werden.

Für den Erfolg einer Unternehmensgründung gibt es kein Patentrezept. Die Erfolgsstories von Gründern sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie begründet haben, oder die Branchen, in denen sie erfolgreich sind.

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Daher kann es das Erfolgsrezept für Unternehmensgründungen nicht geben. Der Geschäftsführer der Microtec Systems GmbH bezeichnet es jedoch als unabdingbar, daß der Unternehmensgründer voll und dauerhaft hinter seinem Produkt steht. Übertriebene Hoffnungen auf einen schnellen Erfolg würden sich oftmals als Illusion erweisen. Ein Gründer brauche einen langen Atem und die notwendige Belastbarkeit, um solche Phasen zu überstehen. Hierzu sei wichtig, sich vor der Gründung sehr genau über seine Motivation im Klaren zu sein und sich bewußt vor Augen zu halten, daß die Existenzgründung große Chancen, aber auch erhebliche Risiken berge. Die Gründerin des JBT Daten- und Textservice unterstreicht die Notwendigkeit einer robusten Physis und Psyche, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden zu können. Zudem sei eine sehr hohe Frustrationsgrenze vonnöten, damit die unvermeidlichen Rückschläge nicht gleich zu einer existentiellen Belastung würden. Dies sei auf Dauer nur in einem privaten Umfeld möglich, das den Selbständigen den Rücken frei hält. Die Lebenspartnerin bzw. der -partner müsse den Gründer uneingeschränkt unterstützen. Der Geschäftsführer der botronic bochtler electronic GmbH ergänzt, daß ein Unternehmensgründer bereit sein muß, sein Privatleben dem geschäftlichen Erfolg unterzuordnen. Fünf Jahre ohne Urlaub und andere Einschränkungen dürften für ihn kein Problem darstellen.

Der Geschäftsführer der Microtec Systems GmbH gibt zu bedenken, daß eine gute Vorbereitung für den Erfolg einer Existenzgründung entscheidend sei. Dort gemachte Fehler könnten mittel- und langfristig fatale Auswirkungen haben. Der Product-Engineering-Student von der Fachhochschule Furtwangen bestätigt die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorbereitung auf die Unternehmensgründung. Er habe sich im Rahmen seines Studiums entschlossen, nach Studienabschluß ein Dienstleistungsunternehmen zu gründen. Zur Vorbereitung habe er zunächst eine Ideensammlung erstellt, bei der sich zehn Unternehmensideen ergaben. Diese Ideen habe er jeweils auf Marktchancen und Realisierbarkeit überprüft, wobei sich schließlich die Architekturvisualisierung als geeignetste Unternehmensidee herauskristallisiert habe.

Der erste Schritt bei einer Existenzgründung sollte nach Darstellung des Leiters des Sfeinbeis-Transferzentrums Neue Produkte an der Fachhochschule Villingen-Schwenningen stets die Ausarbeitung des Gründungskonzepts sein. Um den Geschäftserfolg dauerhaft zu sichern, sollte dabei

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vermieden werden, die Gründung ausschließlich ideenfixiert anzugehen. Eine solche Herangehensweise sei geprägt durch ein sehr klassisches "Ingenieurdenken", bei dem eine höchst problematische Risikokonzentration im letzten Schritt, dem Vertrieb, vorliege. Die Alternative hierzu sei das "Marketingdenken", die Orientierung am Kundennutzen. Hier folge dem Ideenimpuls als zweiter Schritt die Beschaffung der notwendigen Informationen aus Sicht derer, die das Produkt kaufen oder realisieren sollen. Aus Sicht der Gründungsberatung empfiehlt er, etwas mehr Marketingdenken als Ingenieurdenken an den Tag zu legen.

Außerdem sollten die Gründer nicht anhand von Einzelfaktoren entscheiden, sondern nach dem Ganzheitlichkeitsprinzip. Die Produktanforderungen müßten gleichzeitig aus den Blickwinkeln der Technik, des Marktes und der Organisation gesehen werden. Beim Existenzaufbau müsse systematisch an Hand eines Leitfadens vorgegangen werden. Beim Einstieg in ein neues Produkt oder Unternehmen sei die Frage entscheidend, welche Chancen es habe und welche zentralen Anforderungen zu erfüllen seien. In der Phase der Projektierung müßten ein Geschäftsplan und Investitionsrechnungen erstellt werden, die aussagekräftige Zahlen einschließlich der Abläufe und der Zahlen für das kommende Jahr enthielten. Erst danach könne die systematische Realisierung erfolgen. Dauerhaft erfolgreich werde ein Unternehmensgründer jedoch nur dann sein, wenn er über eine langfristig angelegte Planung und ein effizientes Geschäfts-Controlling verfügt.

Neben einer erfolgsversprechenden Geschäftsidee und einer professionellen Vorbereitung bedarf es jedoch auch der notwendigen finanziellen Ausstattung, ohne die Investitionen und Innovationen nicht möglich sind. Unverändert ist in Deutschland der klassische Bankkredit die Hauptfinanzierungsquelle für Unternehmen. Doch gerade bei Existenzgründern und jungen Unternehmen sind die Kreditinstitute zurückhaltend und knüpfen die Kreditvergabe oftmals an besonders hohe Anforderungen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete hält die Risikoscheu der deutschen Kreditinstitute für einen der Hauptgründe, warum in Deutschland viele Unternehmensgründungen und Innovationen scheitern. Der Geschäftsführer der botronic-bochtler electronic GmbH berichtet, daß die Kundenberater bei den Banken nicht in der Lage gewesen seien, seine Idee angemessen zu bewerten. Der Geschäftsführer der Microtec Systems GmbH empfiehlt, sich nicht nur auf eine Bank zu verlassen, sondern parallel mit mehreren Ban-

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ken zu verhandeln. Nur so behalte man gegenüber den Banken einen gewissen Freiraum.

Diese Probleme können auch durch die öffentlichen Förderprogramme nur teilweise entschärft werden. Heute werden in Deutschland auf Bundes-, Länder- und EU-Ebene sowie von Kommunen und regionalen Trägern mehr als 1.000 verschiedene Förderprogramme angeboten - eine Vielfalt, die es vielen Existenzgründern und Unternehmern faktisch unmöglich macht, das für sie geeignete Programm zu identifizieren. Der Geschäftsführer der botronic-bochtler electronic GmbH berichtet, daß er die Suche nach einem geeigneten Förderprogramm aufgegeben habe, da sie zu viel Zeit verschlang. Der SPD-Bundestagsabgeordnete plädiert dafür, die unübersichtliche Vielzahl der Förderprogramme der öffentlichen Hand zielgruppenorientiert zu bündeln. Unternehmer hätten insbesondere in der Gründungsphase anderes zu tun, als sich durch einen Berg von Antragsformularen zu kämpfen, um das für sie optimale Programm herauszufinden. Nach dem Vorbild der Gemeinschaftsaktion "Gründungs- und Wachstumsfinanzierung" der Deutschen Ausgleichsbank, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Investitionsbank NRW sollte künftig für Antragstellung und -bearbeitung nur noch ein Ansprechpartner zuständig sein.

Der Geschäftsführer der TTI GmbH befürchtet, daß ein solcher Ansatz zu einer "Mammutbehörde" führen wird. Regionale Anlaufstellen seien sinnvoller, da zu befürchten sei, daß viele Gründer nicht bereit seien, sich an eine weit entfernt ansässige zentrale Einrichtung zu wenden. Dem wird von dem SPD-Bundestagsabgeordneten entgegen gehalten, daß bei der Gemeinschaftsaktion "Gründungs- und Wachstumsfinanzierung" lediglich das Verfahren verbessert wurde; eine neue "Behörde" wurde nicht geschaffen. In Nordrhein-Westfalen müsse der Gründer jetzt nicht mehr verschiedene Anbieter und ihre Programme vergleichen, sondern könne sich an eine zentrale Stelle (DtA oder Investitionsbank NRW) wenden, die das für ihn geeignete Programm heraussucht und die gesamte Antragsabwicklung vornimmt. Die Gemeinschaftsaktion sei ein wegweisender Schritt zu dem Ziel, die Existenzgründungs- und Mittelstandsförderung transparenter und konsistenter zu gestalten. Um den Zugang zu den Programmen zu erleichtern, sollte zudem das in der Praxis oftmals kontraproduktive Hausbankenprinzip bei der Vermittlung der zinsverbilligten Darlehen überprüft werden.

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Angesichts der bestehenden Probleme bei der Kreditfinanzierung gewinnen Finanzierungsalternativen insbesondere für Dienstleistungs- und technologieorientierten Unternehmensgründungen zunehmend an Bedeutung. Als chancenreichste Finanzierungsmöglichkeit für junge wachstumsstarke Unternehmen gilt die Finanzierung mittels Venture Capital (VC). Während diese Finanzierungsform in den USA seit Jahrzehnten mit großem Erfolg praktiziert wird, ist sie in Deutschland noch relativ selten. Nach Einschätzung des SPD-Bundestagsabgeordneten wird heute in Deutschland viel zu viel Geld in Beton und Boden investiert, statt in Köpfe und Können. Dies liege vor allem an den bestehenden steuerlichen Fehlanreizen, die zu einer gigantischen Fehlallokation des Anlagekapitals in Deutschland geführt hätten. Statt neue Subventionstatbestände zugunsten von Wagniskapital zu schaffen, empfehle sich der Abbau bestehender Fehlanreize. Durch einen steuerlich unverzerrten Wettbewerb aller Anlageformen könnte Kapital für das chancenreiche Investment "Beteiligung am Produktivkapital" mobilisiert werden.

Dies sei zugleich ein Beitrag zur Initiierung einer "Beteiligungskultur" in Deutschland. Beteiligung am Produktivvermögen bedeute die Beteiligung an den Ideen von Menschen und die Ermöglichung, daß sie ihre Ideen auch unternehmerisch umsetzen können. Dagegen habe der Darlehensgeber verständlicherweise das primäre Interesse, sein ausgeliehenes Kapital zurückzuerhalten. Entsprechend risikoscheu müsse sich der Darlehensnehmer verhalten. Wer sich aber mit eigenem Kapital an dem Erfolg oder dem Mißerfolg einer Idee oder eines Unternehmens beteilige, verfolge einen grundsätzlich anderen Ansatz. In den USA hätten die sogenannten "Business Angels", also private Beteiligungskapitalgeber, maßgeblichen Anteil an der Finanzierung von Existenzgründern und jungen Unternehmen. Dies müsse auch in Deutschland üblich werden. Hierzu bedürfe es aber auch Maßnahmen, um den Exit aus solchen Beteiligungen zu verbessern. Private Investoren gingen solche Beteiligungen ein, weil sie sich von der späteren Veräußerung der Beteiligung über den Kapitalmarkt eine stattliche Rendite erwarteten. Hier erwiesen sich jedoch die Defizite des deutschen Kapitalmarktes als problematisch. Um den Exit zu erleichtern, müsse das Going-public für junge Unternehmen erleichtert und ein spezielles Börsensegment geschaffen werden, das unterhalb des Neuen Marktes angesiedelt ist und zur Finanzierung kleiner und mittlerer High-Tech-Unternehmen dient.

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Ein Unternehmen zu gründen ist zwangsläufig mit dem Eingehen eines erheblichen Risikos verbunden. Denn im Gegensatz zum angestellten Arbeitnehmer handelt der Unternehmer auf sein eigenes ökonomisches Risiko; er profitiert vom Erfolg des Unternehmens, haftet aber auch mit seinem privaten Kapital bei einem Mißerfolg. In Deutschland gab es bislang - im Gegensatz zu anderen Ländern - faktisch keine Möglichkeit zur zweiten Chance. Wer das Risiko der Selbständigkeit auf sich nahm und dabei scheiterte, haftete bisher 30 Jahre. Zum 1.1.1999 trat nun endlich das neue Insolvenzrecht in Kraft. Damit besteht jetzt für Einzelkaufleute und private Verbraucher die Möglichkeit, sich in einem geregelten Verfahren binnen des überschaubaren Zeitrahmens von sieben Jahren von ihren Schulden zu befreien.

Die Unternehmensgründer bestätigen übereinstimmend die Bedeutung der neuen Insolvenzordnung. Bislang schwebe das Risiko der lebenslangen Verschuldung wie ein Damoklesschwert über jedem, der sich in Deutschland selbständig mache. Neben das finanzielle Risiko des haftenden Unternehmers tritt aber unverändert die Gefahr der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Ein als Pleitier gebrandmarkter Mensch bekommt in Deutschland nur selten eine zweite Chance. Der SPD- Bundestagsabgeordnete sieht hierin keine primäre Aufgabe für die Politik, sondern eine Frage von Leitbildern in der Gesellschaft. Im Grunde sollte derjenige, der etwas wagt, aber nicht auf Anhieb Erfolg hat, ein höheres Ansehen und Vertrauen genießen, wenn er es trotz oder wegen dieser Erfahrungen ein zweites Mal probiert. Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg unterstreicht, daß die Politik den einzelnen Bürgern nicht deren Berufsrisiko abnehmen könne. Aufgabe der Politik sei es jedoch, möglichst gute Rahmenbedingungen für den Erfolg und insbesondere gleiche Startchancen zu schaffen und das Berufsrisiko im Hinblick auf das Scheitern möglichst klein zu halten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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