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Zusammenfassung

Wie die Arbeitsgesellschaft im 21. Jahrhundert aussehen wird, darüber wird heute viel spekuliert. Unklar ist, ob das Gesamtbild moderner Gesellschaften sowie Inhalt und Formen von Arbeit in der Zukunft durch Uniformität oder Vielgestaltigkeit geprägt sein werden. Der transatlantische Dialog versucht, auf diese Fragestellung einige Antworten zu geben. Der Dialog ist ein Meinungs- und Gedankenaustausch, weniger ein Vergleich, denn im Falle von Deutschland und den USA würde man wahrscheinlich Äpfel mit Birnen vergleichen, nur um zu dem Ergebnis zu kommen, beides sei Obst.

Die Arbeitsgesellschaft befindet sich aber tatsächlich im Umbruch. Soviel steht jetzt fest. Sichtbare Anzeichen dafür sind z.B. die Entstehung neuer Branchen, neuer Arbeitsformen, anderer Arbeitsbedingungen und die Veränderungen in der Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotentials. Der Umbruch findet in einer Zeit statt, in der die Globalisierung voranschreitet und neue Technologien in einem sehr rasanten Tempo entwickelt werden. Internationalisierung ist zwar „in„, Globalisierung manchmal auch ein Mythos: Die verschiedenen Themenfelder des deutsch-amerikanischen Austausches zeigen aber, daß einige Entwicklungen durchaus ähnlich sind, andere indes ganz anders ausfallen, so daß kaum von einem Angleichungsprozeß gesprochen werden kann. Voreilige Schlüsse wären also unangebracht, aber beide Länder können voneinander lernen, wie der Wandel im nationalen Kontext diskutiert und mit welchen Instrumenten versucht wird, ihn zu steuern.

Die länderspezifischen Unterschiede sind nach wie vor groß. In Deutschland wird z.B. mit der hohen Arbeitslosigkeit gekämpft, in den USA dagegen mit der starken sozialen Ungleichheit und ihren Folgen von Armut und Kriminalisierung. Noch sind wir weit davon entfernt, in einer Weltgesellschaft zu leben. Die „Best Practice„ gibt es daher auch nicht. Manchmal ist die USA ein Vorbild, wenn dort z.B. hohe Beschäftigungsquoten erreicht werden, das nächste Mal werden vielleicht ganz andere Länder zum Referenzmodell, falls sie wirtschaftlich gut dastehen.

Die Ergebnisse des transatlantischen Dialogs sind daher reichhaltig und vielfätig, aber sie markieren durchaus den Weg in die Zukunft der Arbeitsgesellschaft.

Ein wesentliches Merkmal der künftigen Arbeitsgesellschaft werden neue Arbeitsformen sein. In amerikanischen Betrieben verbreiten sich sogenannte Hochleistungsarbeitssysteme. Sie beruhen vor allem auf Teamarbeit und der direkten Beteiligung von Beschäftigten an betrieblichen Problemlösungen. Diese Form von Arbeit steigert die betriebliche Leistungsfähigkeit, erneuert die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen und verbessert die sozialen Arbeitsbeziehungen im Betrieb. Die Beschäftigten brauchen dafür auch neue Qualifikationen: Sie müssen z.B. über die Arbeit kommunizieren und ihre Interessen durchzusetzen lernen.

Im Hochleistungsarbeitssystem finden sich schon erste versteckte Hinweise darauf, daß industrie- in wissensökonomische Strukturen transformieren. Eine Trendanalyse in Deutschland konkretisiert diesen Wandel: Hierzulande verändert eine Kommunikationsrevolution Praktiken und Beziehungen innerhalb der Wirtschaft, Arbeit wird zur Wissensarbeit, Normarbeit verliert an Bedeutung und traditionelle Arbeitnehmer könnten zu Arbeitskraftunternehmern werden.

Damit sind aber auch die Herausforderungen an die Bildungspolitik angesprochen. Nicht nur die Qualifikationsinhalte müssen dem Wandel von Arbeit angepaßt werden, auch das Bildungsverhalten der Menschen muß sich ändern. Nur lebenslanges Lernen wird ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten. Das zeigt sich in beiden Ländern. In den USA wird praxisgerechte Ausbildung immer wichtiger. Sie darf aber nicht nur kurzlebigen Verwertungsinteressen untergeordnet werden. Dann kann sie die Beschäftigungsfähigkeit auf Dauer nicht sichern. Das deutsche duale System der beruflichen Bildung hat einen guten internationalen Ruf. Trotzdem muß auch in Deutschland modernisiert werden, damit die Bildungspolitik mit dem Wandel der Arbeitsgesellschaft Schritt halten kann: Z.B. durch die Modularisierung von Ausbildung sowie kürzere, praxisorientierte Ausbildungszeiten.

In der Arbeitswelt bewegt sich also einiges. Dadurch ändern sich auch die Rahmenbedingungen für die Tarif- und Betriebspolitik und die industriellen Beziehungen schlechthin. Die USA und Deutschland unterscheiden sich hier erheblich. In den USA führen die Gewerkschaften inzwischen einen Überlebenskampf. Nicht nur eine heterogene Arbeitnehmerschaft, sondern auch neue Human-Resource-Manager und fortschrittliche Arbeitgeber machen ihnen das Leben schwer. Aber auch ohne gewerkschaftliche Rückendeckung müssen Konflikte gelöst werden. Neue Konfliktregelungsmechanismen haben in den USA Konjunktur. Zugleich entstehen auch neue Formen des sozialen Dialogs zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik, um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel zu steuern. Alternative Modernisierungskoalitionen sichern den sozialen Konsens neu ab.

Sozialer Konsens wird in Deutschland auch über die Tarifautonomie und die Mitbestimmung hergestellt. Tarifpolitik zu betreiben wird allerdings schwieriger. Flächentarifverträge scheinen zu erodieren und werden als zu enges Korsett für die Betriebe empfunden. Das es auch anders geht, zeigen innovative Konzepte, die durch Ergänzungstarifverträge Tarif- und Betriebspolitik besser verknüpfen und auf der Basis moderner Regelungen schon den Wandel in der Arbeitswelt berücksichtigen. Aber auch die Mitbestimmungspolitik wird schwieriger. Noch ist nicht ausgemacht, ob die Mitbestimmung vom deutschen Erfolgsmodell zu einem internationalen Auslaufmodell werden könnte. In Deutschland hat sie ihren Praxistest jedenfalls bestanden, nicht nur zum Nutzen der Arbeitnehmer, sondern auch zum wirtschaftlichen Nutzung der Betriebe. Dort bringt die Mitbestimmung so etwas wie eine Extrarendite.

Im Bereich der industriellen Beziehungen liegen die USA und Deutschland recht weit auseinander. Auch die Arbeitsgesellschaft von morgen dürfte daran nicht so schnell etwas ändern. Von einer Europäisierung der industriellen Beziehungen sind wir noch entfernt – erst recht von ihrer Globalisierung diesseits und jenseits des Atlantiks.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2000

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