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2. Erfahrungen aus einzelnen Bundesländern

Seit der Wende in Deutschland hat sich generell die Zahl der Touristen (sowohl bei den Ankünften als auch bei den Übernachtungen) kontinuierlich gesteigert und weist noch immer zweistellige Zuwachsraten auf - wenn sich auch das Tempo der Zunahme teilweise deutlich verringert und somit auf einen gewissen Sättigungseffekt hinweist.

Bei einem exemplarischen Vergleich der Übernachtungszahlen in drei neuen Bundesländern1 wird deutlich, daß der Tourismus in den einzelnen Bundesländern verschiedene Schwerpunkte bzw. Spitzen hat: So ist bei Mecklenburg-Vorpommern nur eine, wenn auch sehr deutlich ausgeprägte, Saisonspitze zu erkennen; dies ist ein deutlicher Hinweis auf Sommer- bzw. Bade- und Wassersporttourismus, wo ein Großteil der Gäste auf die Sommermonate entfällt. Eine ähnliche Konstellation weist die Statistik von Brandenburg auf, wobei allerdings die Saison-"Spitze" sich gleichmäßiger auf Mai bis Oktober erstreckt. Der Tourismus in Brandenburg ist ebenfalls hauptsächlich in Zusammenhang mit Wasser bzw. Gewässern zu sehen. Allerdings ist Bade- und Wassersport hier offenbar besser mit Wandern und Naturerlebnis zu kombinieren, so daß sich der Tourismus nicht nur auf die besonders warmen Monate Juni bis August konzentriert. Daraus folgt aber auch für Mecklenburg-Vorpommern, daß sich die Anstrengungen hier auf eine Ausdehnung der Saison bzw. auf die besucherschwachen Monate konzentrieren sollten, um eine gleichmäßigere Auslastung - und damit eine Sicherung von nicht nur saisonabhängigen Arbeitsplätzen zu erreichen.


1. Der Berichterstattung unterliegen alle Beherbergungsstätten, die mehr als acht Gäste gleichzeitig vorübergehend beherbergen können (§ 5); auskunftspflichtig sind die Inhaber oder Leiter der Beherbergungsstätten (§ 6, Abs. 1). Als Rechtsgrundlage für statistische Erhebungen, die auch in diesem Bericht verwendet wurden, ist das Gesetz über die Statistik der Beherbergungen im Reiseverkehr (Beherbergungsstatistikgesetz - BeherbStatG) vom 14. Juli 1980 (BGBI. l S. 953) in Verbindung mit dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (BStatG) vom 22. Januar 1987 (BGBI. l S. 462, 565).

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Zieht man zum Vergleich z.B. Sachsen heran, läßt sich zum einen eine deutlich bessere Ganzjahresverteilung sowohl bei Ankünften als auch bei Übernachtungen feststellen. Zum anderen zeigen sich zwei Saisonspitzen, eine stark ausgeprägte im Mai/Juni, eine weniger deutliche im September/Oktober. Es sind dies Hinweise auf schwerpunktmäßigen Kultur- und/oder Wandertourismus, wobei hier auch eine relativ gute Auslastung der sonst eher besucherschwachen Monate besonders im Winterhalbjahr zu verzeichnen ist. Diese Auslastung ist vor allem bei Brandenburg sehr schwach ausgeprägt. Selbst in den absoluten Besucherzentren des Landes (Spreewald) ist im Winter tatsächlich "nichts los". Es gibt hier aber auch nur wenige Angebote, die potentielle Urlauber (Wander- und Angeltouristen, Naturliebhaber, Sporttouristen etc., in gewissen Bereichen des Landes auch Kulturtouristen) anziehen könnten. Wollte man hier für eine gleichmäßigere Auslastung sorgen, müßte hier wohl vor allem eine bessere Freizeitinfrastruktur geschaffen werden, die in anderen (auch neuen) Bundesländern offenbar (schon) wesentlich besser ausgeprägt ist.

Für die einzelnen Bundesländer stellt sich die Situation etwa folgendermaßen dar:

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2.1 Mecklenburg-Vorpommern

Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll flächendeckend touristisch entwickelt werden. Die Bemühungen entlang der Küste in Mecklenburg-Vorpommern gelten primär dem Auf- und Ausbau der touristischen Infrastruktur . Die Bettenkapazität ist bereits als gut, wenn auch (vor allem in den Ballungszentren an der Küste) nicht als ausreichend zu bezeichnen.

Als Ausgangswert für die ehemaligen zwei Nordbezirke der DDR nach der Wende kann ein Wert von ca. 160.000 Betten angenommen werden. In den folgenden Jahren verringerte sich die Zahl erst erheblich, um dann wieder kontinuierlich anzusteigen:

1991: 60.000-70.000 Betten, davon 50.000 Gewerbliche
1992: 64.000 gewerbliche Betten
1993: 97.000 gewerbliche Betten
1994: 90.000 gewerbliche Betten

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1993 wurde bei einer Erhebung des Wirtschaftsministeriums zusammen mit dem Statistischen Landesamt die Anzahl der Privatquartiere mit ca. 35.000 ermittelt. Dazu kommt eine Dunkelziffer von etwa 10.000 bis 12.000, so daß man letztendlich von ca. 45.000 bis 47.000 Privatbetten ausgehen kann. Damit lag man Anfang 1994 bei etwa 135.000 bis 140.000 Betten mit einem Verhältnis von zwei gewerblichen Betten auf ein Privatbett. Insgesamt verzeichnete man 1994 in Mecklenburg-Vorpommern einen Gesamtzuwachs von rund 10.000 gewerblichen Betten. Die Situation dürfte in den anderen neuen Bundesländern ähnlich sein, so daß also auch hier von einem Verhältnis gewerbliche zu Privatbetten von 2 zu 1 ausgegangen werden kann.

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Die maximale Auslastung der Betten ist für den Beherbergungssektor das primär zu erreichende Ziel, beginnt doch hier ab 1996 - wie in den anderen neuen Bundesländern auch - die Rückzahlung der gewährten Kredite. Bei einer prozentualen durchschnittlichen Auslastung zwischen 20 bis 35 % sind die Zukunftsaussichten allerdings in den meisten Fällen als düster zu bezeichnen. Positiv zu verzeichnen ist allerdings die Strukturierung. Es ist ein deutlicher Rückgang in der Anzahl der Betten pro gewerblicher Einheit zu verzeichnen, d. h. der Trend geht (auch) in Mecklenburg-Vorpommern in Richtung Familienhotel: 1991 waren es noch 80 Betten pro gewerblicher Einheit, 1994 nur noch 60 Betten (im Vergleich dazu weist Schleswig-Holstein zur Zeit 45 Betten pro gewerblicher Einheit auf). Die durchschnittliche Auslastung lag im Jahre 1993 durchschnittlich bei nur 23,2 %, wobei Sanatorien und Kurkrankenhäuser einen Spitzenplatz mit 76,3 % einnahmen, Ferienhäuser und
-Wohnungen mit 10,1 % am geringsten ausgelastet waren (dies darf jedoch nicht dahingehend interpretiert werden, daß Ferienwohnungen sich nur sehr geringer Nachfrage erfreuten, im Gegenteil: die Nachfrage ist erheblich; allerdings sind die angebotenen Einheiten nach wie vor qualitativ unzureichend ausgestattet).

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Das Wachstum an Bettenkapazitäten wird weiter gefordert und auch gefördert. In den touristischen Ballungszentren wird allerdings eine Verlangsamung des Bettenangebotes angestrebt (Rügen hat derzeit etwa ein Angebot von ca. 60.000 Betten, angestrebt werden 100.000 Betten). Dies wird für eine vertretbare Zahl gehalten, wobei gerne einige alte Bundesländer zum Vergleich herangezogen werden: So hat Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu Niedersachsen nur 30% der Betten. Schleswig-Holstein verfügt derzeit über ein Angebot von 300.000 Betten, Mecklenburg-Vorpommern dagegen "nur" über ca. 140.000 bis 145.000 Betten. Es hat damit also weniger als 50 % an Betten, damit auch ungefähr nur die (zumindest potentielle) Hälfte der Touristen und somit auch erheblich weniger Wirtschaftskraft als das westliche Bundesland. Dies ist um so bedeutender, als Mecklenburg-Vorpommern dasjenige Bundesland mit dem größten Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt ist. Dies waren im Jahre 1994 ca. 2,5 Mrd. DM, was einem Anteil von 7,2 Prozent entspricht.

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Problematisch erscheinen diese Vergleiche jedoch dann, wenn daraus u.a. auf den prozentual gleichen Anteil an Wirtschaftskraft geschlossen wird, handelt es sich doch bei dem einen Bundesland um lange gewachsene Strukturen mit entsprechender qualitativer Ausstattung und Infrastruktur und entsprechender Klientel, andererseits aber um erst im Aufbau begriffene Strukturen mit hohem Kapitalbedarf und einer erst langsam sich bildenden Klientel.

Die Landkreise Rügen, Ostvorpommern Bad Doberan und Nordvorpommern sind die eigentlichen touristischen Zentren. Im vorpommerschen Teil des Landes sind etwa 60% der Kapazitäten von Mecklenburg-Vorpommern konzentriert. Im Bereich Rügen und Usedom liegt eine ganz klare Dominanz der gewerblichen Angebote vor. In Nordvorpommern hat man eine leichte Dominanz der Privatquartiere, was mit dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, zusammenhängt. Die Zentren an der Ostseeküste sind Rügen und Bad Doberan. Der Bereich der Groß- und Kleinseenplatte ist touristisch gesehen der zweite Schwerpunkt im Land Mecklenburg-Vorpommern. In der Struktur des Landes gibt es eine weiße Zone - etwa 50 bis 60 km hinter der Küste und um die Seenplatte herum -, wo es eine nur ganz dünne touristische Struktur gibt und wo aufgrund der Strukturschwäche die touristische Entwicklung besonders vorangetrieben werden soll.

Ebenfalls als ein Problem wird im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der Bettenkapazitäten die durchschnittliche Auslastung gesehen: Selbst in den Hauptsaisonmonaten Juli und August wird nur eine durchschnittliche Auslastung von rund 60% erreicht, wobei die Auslastung in den Ballungszentren an der Küste zwar wesentlich höher sein dürfte, dafür aber die Auslastung der küstenfernen Betriebe dann offenbar selbst während der Saisonspitze recht niedrig liegt. Hier muß eine Steigerung der Auslastungszahlen erreicht werden, um ein betriebswirtschaftliches Überleben der Betriebe sicherzustellen. Erheblich zu kämpfen haben im gewerblichen Bereich offenbar einige Hoteliers, die auf "der grünen Wiese gebaut haben" und nunmehr die notwendige Auslastung ihrer Betriebe nicht erreichen können. Ebenfalls Probleme gibt es bei solchen Betrieben in den Städten, die mit zu hohen Preisen an den Markt gegangen waren und diese Preise nicht entsprechend gesenkt haben.

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Bei den Campingplätzen verzeichnete man einen sehr starken Rückgang bei den Stellplätzen auf insgesamt noch 169 mit insgesamt 31.368 Stellplätzen (Erhebung des Statistischen Landesamtes vom Dezember 1994). Das hing zusammen mit vielen Veränderungen, die sich aus der Gesetzgebung über Wälder, über den Küstenstreifen und über Naturschutz generell ergeben haben. Die Großplätze mit 8.000 Stellplätzen sind auf Plätze mit nunmehr durchschnittlich 800 Stellplätzen geschrumpft. Es gibt nur noch relativ wenige Campingplätze, die über etwas mehr als 1.000 Stellplätze verfügen.

1991 wurden Anträge auf 50 Golfplätze und 36 Marinas, 20 Anträge auf touristische "Großprojekte" (das sind z.B. Freizeitparks) gestellt. Bis Mitte 1995 gibt es in Mecklenburg-Vorpommern allerdings nur einen einzigen Golfplatz, zwei neue und große Marinas, an sogenannten Großprojekten gibt es im Moment kein einziges. Dies zeigt, daß Befürchtungen über einen Ausverkauf und eine großflächige Zerstörung von Landschaft und Natur übertrieben waren und sind. Nach einer mittlerweile verflogenen Aufbruchseuphorie und nüchterneren Betrachtung des Potentials an Touristen, die die Region als Urlaubsregion auswählen könnten, ist offenbar auch die Bereitschaft zögerlicher geworden, in derartige Projekte zu investieren. Was Naturschützer als einen Erfolg ihrer Bemühungen, einen drohenden Massentourismus zu verhindern, verzeichnen, wird von seiten der Tourismusanbieter als Verhinderung wirtschaftlichen Aufschwungs angesehen.

Zweifellos wäre für Mecklenburg-Vorpommern der Bau und Ausbau von Hallen- bzw. sogenannten Freizeitbädern wichtig, wenn im Interesse der Tourismuswirtschaft des Landes eine bessere Auslastung der Vor- und Nachsaison erreicht werden soll. Diese jedoch ist dringend geboten, wie ein Blick auf die Entwicklung der Übernachtungszahlen und die dort erkennbare ausgeprägte Saisonspitze zeigt. Im Februar 1996 soll die erste Ostseetherme in Heringsdorf eröffnet werden, weitere sollen folgen. Am 3. Juni wird die größte Seebrücke Kontinentaleuropas eröffnet mit 22 Geschäften, 16 Ferienwohnungen, 2 Kinos, 2 Gaststätten. In Neustrelitz wurde das erste Sporthotel von Mecklenburg-Vorpommern eröffnet mit Tennis, Squash etc. Als ebenfalls sehr positiv zu werten ist, daß immerhin bereits über 1.000 km Radfahrwege ausgebaut wurden.

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Derzeit noch anstehende Probleme für die touristische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern sind primär Verkehrsprobleme, wobei sich die Touristiker klar und deutlich für den Bau der Autobahn A 20 aussprechen, was von seiten des Naturschutzes bekämpft wird. Weiterhin wurden eine ganze Reihe von Problemen in Zusammenhang mit dem Bootstourismus angeführt, so z.B. die Anlage und Betreuung von Wasserwanderrastplätzen, die Festlegung von Bootswanderrouten u.a.m. Zudem werden Probleme mit dem Denkmalschutz genannt, wobei angeführt wird, daß viele Renovierungs- und Investitionsvorhaben, die der touristischen Entwicklung dienen könnten, durch die z.T. sehr komplizierten Auflagen verhindert werden. Andererseits wurde aber auch als entwicklungshemmend angesehen, daß in vielen Kommunen kein Geld vorhanden ist, um schützenswerte und touristisch interessante Substanz zu erhalten.

Als ein erhebliches, noch zu beseitigendes Hindernis für die weitere touristische Entwicklung wird der nach wie vor geringe Bekanntheitsgrad des Landes besonders in den westlichen Ballungszentren Deutschlands mit dem höchsten touristischen Potential gesehen: Dies ergab eine Promotiontour von Mannheim bis nach Hamburg auf dem Main und Rhein, die u.a. auch zeigte, daß der Bekanntheitsgrad Mecklenburg-Vorpommerns mit zunehmender Entfernung nach Westen sinkt. Dem Marketing wird daher eine Schlüsselfunktion für die zukünftige Entwicklung zugewiesen, um einen Zuwachs an Gästen aus den alten Bundesländern zu erreichen.

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2.2 Thüringen

Das Land Thüringen bot insgesamt günstige Voraussetzungen für den Ausbau des Tourismus als Wirtschaftsfaktor.

Der Fremdenverkehr in Thüringen hat vor allem unter regionalwirtschaftlichen Gesichtspunkten große Bedeutung. Hotel- und Gaststättengewerbe sind für einige Gebiete, in denen oft andere Wirtschaftszweige fehlen, wichtige Erwerbsquellen, so u.a. im Thüringer Wald. Der Anteil des Fremdenverkehrs am Bruttoinlandsprodukt liegt derzeit bei 5% und soll in den kommenden Jahren noch steigen. Die Bruttowertschöpfung aus dem Fremdenverkehr belief sich 1993 auf etwa 3,5 Mrd. DM, wovon 1 Mrd. DM auf den übernachtenden Fremdenverkehr, 1,9 Mrd. DM auf den Tagesausflugsverkehr und 0,6 Mrd. DM auf den Tagesgeschäftsreiseverkehr entfielen (dies ist eine

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nicht zu vernachlässigende Entwicklung: Obwohl der Tagesausflugsverkehr erheblich größere Probleme, u.a. im Verkehrsbereich erzeugt, ist die Wertschöpfung fast doppelt so hoch wie im Übernachtungsbereich! Dies bedeutet, daß ein nicht geringer Anteil an Betrieben seine Einnahmen überwiegend aus dem Tagesausflugsverkehr erwirtschaftet). Etwa ein Drittel der Bruttowertschöpfung, ca. 1 Mrd. DM, ist unmittelbares Einkommen. Insgesamt heißt das für die Beschäftigung, daß derzeit in Thüringen etwa 100.000 Personen direkt und indirekt im Tourismus beschäftigt sind, was die Bedeutung des Fremdenverkehrs auch aus arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten dokumentiert.

Der Tourismus zeigt zusätzlich erhebliche sekundäre Effekte, so z.B. durch Modernisierungen im Pensions-, Hotel- und Gastronomiebereich, Renovierung von Verkehrseinrichtungen, Neuerrichtung jeglicher für den Tourismus benötigten Infrastruktur; aber auch Stadtsanierungen und der Ausbau der touristischen Infrastruktur geben zusätzliche Impulse für andere Gewerbebereiche.

Nach der weitgehenden Privatisierung der ehemaligen Objekte des Feriendienstes bzw. der Betriebsferienheime der DDR und zahlreicher Investitionen im Beherbergungsbereich ist das touristische Beherbergungsangebot mit ca. 56.000 Betten mittlerweile quantitativ als ausreichend zu beurteilen; qualitativ bedarf es zum Teil jedoch immer noch erheblicher Anstrengungen, um den heutzutage erforderlichen Standard anbieten zu können.

Obwohl die alten Bundesländer 1993/94 rückläufige Übernachtungszahlen verbuchten, konnte Thüringen eine Steigerung von 1993 zu 1994 von knapp 6 Mio. auf nahezu 7 Mio. Gäste aufweisen, was einem Zuwachs von 21 % entspricht. Thüringen liegt dabei im Trend der übrigen neuen Bundesländer. Für die weitere Entwicklung des Tourismus in Thüringen wurden mit den Festlegungen der Raumordnung, der Landesplanung und des Landesentwicklungsprogramms räumlich verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen.

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Das touristische Angebot in Thüringen gliedert sich wie folgt:

  • Erholungstourismus
    (Zielgruppe: Familien mit Kindern, Wander- und Naturfreunde)

Die typische Form des Erholungstourismus findet in allen Fremdenverkehrsregionen von Thüringen statt, wobei Gebiete wie der Thüringer Wald traditionell stärker gefragt sind als andere.

  • Kur- und Gesundheitstourismus
    (Zielgruppe: Patienten der Sozialversicherungsträger - stationär und ambulant - und all diejenigen, die einen gesundheitsorientierten Urlaub verbringen wollen)

Besondere Bedeutung kommt dem Kur- und Bäderwesen zu (wobei dies generelle Gültigkeit hat), verzeichnet man hier doch in allen Bundesländern bei Sanatorien und Kurkliniken mit Abstand die längsten Aufenthaltsdauern. In Thüringen befinden sich 40% der potentiellen Kurorte aller neuen Bundesländer. Die Thüringer Kurorte haben derzeit einen Anteil von über 30 % am Übernachtungsaufkommen in Thüringen und sind somit wesentlicher Bestandteil der touristischen Entwicklung.

  • Kultur- und Städtetourismus
    (Zielgruppe: Kulturinteressierte, Schwerpunkt auch für ausländische Gäste).

Aufgrund seiner Geschichte hat Thüringen ein bedeutendes kulturelles Erbe, das einen einzigartigen Kulturtourismus ermöglicht und Reisende aus ganz Deutschland und dem Ausland anzieht. Auch die enge Verknüpfung von kulturellen Angeboten und unberührter Natur verstärken den Wettbewerbsvorteil. So hat sich die Einrichtung der "Klassiker Straße Thüringen" als ein Produkt erwiesen, das sich sowohl bei in- als auch bei ausländischen Gästen großer Beliebtheit erfreut. Als Höhepunkt an der Klassiker Straße findet jährlich der sogenannte "Thüringer Herbst" statt, der das reiche Kulturleben in der Vergangenheit in der Gegenwart widerspiegelt.

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Die Nachfrage nach Urlaub in Thüringen erfolgt etwa zur Hälfte aus den neuen und zur Hälfte aus den alten Bundesländern, nur ein geringer Teil der Gäste kommt derzeit aus dem Ausland, aber auch dort ist die Tendenz steigend. Das heißt, das Wachstumspotential für Thüringen liegt zum einen vor allem in den alten Bundesländern (weil es die Bürger der neuen Bundesländer mehr in südliche und Fernreisegebiete zieht); zum anderen aber, wenn auch zu einem geringeren Teil, im Ausland.

Die touristische Infrastruktur ist zur Zeit noch wenig entwickelt (was generell auf alle neuen Bundesländer zutrifft), wobei es sich z.T. um bedeutende Investitionen handelt, die notwendig wären, um einen modernen Standard zu erreichen. Diese können von den überwiegend kleinen Kommunen meist nicht aufgebracht werden. Aus diesem Zusammenhang resultieren hohe Anforderungen an die Förderung aus öffentlicher Hand. Es können jedoch z.T. auch bereits beträchtliche Erfolge aufgewiesen werden: So sind bereits sechs sogenannte Erlebnisbäder, die vom Thüringer Wirtschaftsministerium gefördert werden, entweder bereits in der Bau- oder aber zumindest schon in der Planungsphase. Der erste große Fernradweg ist der Saaleradwanderweg, der im Mai 1994 eröffnet wurde und im Moment an unwegsamen Stellen weiter ausgebaut wird. Mit der Erarbeitung eines Konzepts zu dem Fernradweg Thüringer Städtekette von Eisenach bis Altenburg wird noch in diesem Jahr die Grundlage zum weiteren Ausbau eines Fernradwegs in Thüringen gelegt. - Auch im Wintersportbereich wurden Neueinrichtungen und Modernisierungen unterstützt, so u.a. die Förderung vieler Geräte und Einrichtungen wie z. B. Schlepplifte; es wurden auch Fremdenverkehrsämter und Voreinrichtungen renoviert und mit moderner Technik ausgestattet.

Als besonders wichtig wird die Herausarbeitung regionaltypischer Besonderheiten in Thüringen angesehen. Einen positiven Ansatz dazu gibt es z. B. in Sondershausen, wo es Planungen zu einem Projekt mit dem Titel "Bergbau-live" gibt.

Auf der Grundlage der Konzeption zur Entwicklung des Fremdenverkehrs in Thüringen und des Erlasses vom Sept. 1993, der eine besondere Förderung von Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der GA vorsieht, wurden vor kurzem Modellorte des Fremdenverkehrs ausgewiesen. Modellorte sollen themenbezogen entwickelt werden. Als Themen wurden festgelegt: Kurort, Dorftourismus, Städtetourismus, Camping im Fremdenverkehr,

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Umwelt im Fremdenverkehr, Sport im Fremdenverkehr.

Alle Modellorte mit Ausnahme von Orten im ehemaligen Grenzgebiet sind in regionalen Raumordnungsplänen ausgewiesen. Dazu gehören u.a. traditionelle Fremdenverkehrsorte, die eine Grundausstattung an touristischer Infrastruktur besitzen. Weiter liegen diese Orte in Fremdenverkehrsgebieten laut Landesentwicklungsprogramm, damit das tourismusrelevante Umfeld von der Entwicklung des Modellortes profitieren kann.

  • Beherbergungs- und Gastronomiebereich

Hier stellt sich die Entwicklung in Thüringen folgendermaßen dar: Von 1991 bis Herbst 1994 sind insgesamt 714 gewerbliche Beherbergungsbetriebe mit einem Investitionsvolumen von etwa 1,5 Mrd. DM und einem Zuschuß von 340 Mill. DM gefördert worden. Durch diese Förderungen wurden in Thüringen Betriebe mit insgesamt 31.293 Beherbergungsbetten renoviert oder neu geschaffen. Dies sind bei einer Gesamtanzahl von 55.840 Betten etwa 56% der Betten am Markt. Die Gastronomie entwickelt sich vor allem in den Städten sehr positiv. Die Schaffung einer bedarfsgerechten, traditionsnahen und leistungsfähigen Gastronomie steht im Mittelpunkt der weiteren Entwicklung. Der erste Wettbewerb "Thüringer Gastlichkeit" hat das Ziel, die typische thüringische Gastlichkeit in den Betrieben zu fördern. Regionaltypische Gastlichkeit ist in allen touristischen Nachfragesegmenten gleichermaßen beliebt und somit ein wesentliches Angebotselement.

Mit diesem Wettbewerb soll die Thüringer Hotellerie und Gastronomie und damit der Fremdenverkehr noch attraktiver gestaltet werden, um im Wettbewerb mit anderen Ländern sein eigenständiges Profil und seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Parallel dazu wird momentan ein Betriebsvergleich des Gastgewerbes durchgeführt. Sein Ziel ist es, die Ertrags- und Kostenstruktur der gastgewerblichen Betriebe aufzuzeigen. Es sollen die Grundlagen für die unternehmerischen Dispositionen sichergestellt und erstmals verläßliche Branchendaten ermittelt werden. Sowohl der Wettbewerb "Thüringer Gastlichkeit" mit über 150 Anmeldungen als auch der Betriebsvergleich mit über 200 Anmeldungen erfuhren regen Zuspruch.

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  • Umweltschutz - Naturschutz - Tourismus

Zu den wichtigsten Motiven, weshalb Touristen nach Thüringen und insbesondere in die Mittelgebirgsregion reisen, zählen intakte Natur und gesunde Umwelt. Alle Maßnahmen, die dazu beitragen diesen elementaren Bereich zu schützen, sind daher auch aus touristischer Sicht nicht nur zu begrüßen, sondern auch zu fördern.

Um dem Anspruch natur- und umweltgerechter Tourismusentwicklung gerecht zu werden, werden u.a. Modellprojekte entwickelt, die Themen des umweltverträglichen Tourismus zum Inhalt haben. Ein Beispiel für die positive Zusammenarbeit von Natur- und Umweltschützern ist der Thüringer Wald, dessen Naturparkverwaltung versucht, in enger Abstimmung mit dem regionalen Fremdenverkehrsverband den Anforderungen des Naturschutzes und auch der Touristen gemeinsam gerecht zu werden. Bisher wurden in Thüringen keine größeren Ferienparks, die in der Regel einen Eingriff in die Natur bedeuten, gefördert. Um die hiermit verbundenen Probleme zu lösen, ist das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur in der Abteilung Landesplanung und Raumordnung momentan dabei, ein Konzept zu erarbeiten, dessen Resultat die Ausweisung möglicher Standorte für großflächige Freizeiteinrichtungen sein wird. Hier wird einer der zu bewertenden Aspekte auch die Umweltverträglichkeit sein.

Mittelfristiges Ziel im Tourismus ist die Verbesserung der Angebotsqualität und der Gewinn von Stammgästen; dafür werden in den nächsten Jahren vor allem Verbesserungen in der Infrastruktur und im Kurwesen erfolgen müssen.

Die Angebote müssen noch zielgerichteter und effizienter von den einzelnen auf Landes-, Regions-, Kreis- und Ortsebene vermarktet werden. Dies sollte Ziel für die Inlands- und Auslandsförderung sein. Der Fremdenverkehr soll in Thüringen einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert erhalten, der sich konkret in einem steigenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt und steigender Anzahl von Arbeitsplätzen niederschlägt.

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2.3 Sachsen

Die sächsischen Beherbergungsstätten mit neun und mehr Gästebetten konnten im ersten Halbjahr 1995 über 1,6 Mill. Gäste begrüßen, die 4,7 Mill. Übernachtungen buchten. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 1994 hat sich die Anzahl der Gäste um rund 16% erhöht. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste blieb konstant bei 2,9 Tagen. Der Spitzenwert von 365.600 Gästeankünften wurde im Monat Mai erreicht, das war mehr als das doppelte des niedrigsten Monatswertes im Januar diesen Jahres. Betrachtet nach Betriebsarten konnten vor allem Sanatorien und Kurkrankenhäuser die Übernachtungszahlen steigern (+33 Prozent), in Hotels wurden 22,6 Prozent mehr Übernachtungen als im ersten Halbjahr 1994 registriert. Beträchtliche Steigerungen der Übernachtungszahlen gab es auch in Pensionen und Hotelgarnis (jeweils +19,1 Prozent). Prozentual die größten Rückgänge an Übernachtungen mußten dagegen Erholungs-, Ferien- und Schulungsheime (-7,2 Prozent) sowie Gasthöfe (-5,9 Prozent) hinnehmen.

Überdurchschnittlich (um 26,5 Prozent) erhöht hat sich im ersten Halbjahr 1995 die Anzahl ausländischer Gäste. Neben den Großstädten Dresden und Leipzig besuchten ausländische Gäste besonders häufig die Reisegebiete Sächsisches Burgen- und Heideland, Sächsisches Eibland und Oberlausitz/Niederschlesien.

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2.4 Ostharz

Der Ostharz stellte vor der Wende das viertwichtigste Erholungsgebiet der DDR dar - nach Ostseeküste, Sächsische Schweiz und Thüringer Wald. Heute dagegen konkurriert der Harz mit nahezu zwanzig deutschen Mittelgebirgsregionen, die zudem im wesentlichen die gleichen Zielgruppen bewerben. Mit 1547 km2 als geschlossenem Landschaftsschutzgebiet nimmt der Harz jedoch durchaus eine Sonderstellung ein.

Nach der Wende stand der Harz vor den gleichen Problemen wie alle Tourismusgebiete der neuen Bundesländer:

  • die touristische Infrastruktur und Ausstattung der einzelnen Betriebe war mit derjenigen westlicher Betriebe nicht vergleichbar und sollte so schnell wie möglich auf dasselbe Niveau gebracht werden;

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  • es wurde nicht selten versucht, Beispiele von Infrastruktur und Angebotsgestaltung aus den westlichen Bundesländern ohne Beachtung der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zu kopieren;
  • durch den neu entstandenen Konkurrenzdruck mußte man Gästeverteilung durch Gästebewerbung betreiben.

Dabei ist das touristische Potential des Harzes als beachtlich zu bezeichnen:

  • Hochgebirgsflora und -fauna im Bereich des Brocken trotz einer nur geringen Höhe von 1142 m über NN mit subalpinen Matten, waldfreien Mooren, der autochthonen Brockenfichte, Tannenhöher, Auerhahn etc.;
  • das Bodetal mit canonartigem Einschnitt an den Felswänden, Hexentanzplatz und Roßtreppe;
  • das Silketal, das Wippertal, das Eine-Leine-Tal mit reizvollen Wanderlandschaften;
  • der Gipskarst Südharz mit Karstwanderweg, entsprechender Flora und Fauna und teilweise spektakulärer Szenerie.

Dazu kommen viele geschichtliche und kulturelle Zeugnisse wie:

  • Straße der Romantik mit 13 Objekten im Ostharz,
  • 5 Schaubergwerke und 3 Höhlen,
  • kleine Dörfer mit regionaltypischem Erscheinungsbild wie Wickerode,
    Dankerode u.a.,
  • 31 Folkloregruppen, 4 Spielmannszüge, 28 Bläsergruppen.

Auch die geographische Lage, gekennzeichnet durch gute Erreichbarkeit und relativ geringe Entfernung zu den Ballungsräumen, bietet hervorragende Chancen.

Die Tourismusstatistik weist für den Harz beachtliche Zahlen aus, die im Vergleich zu den übrigen touristischen Gebieten Sachsen-Anhalts jedoch eine deutlich langsamere Entwicklung zeigt. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, daß hier bereits vor der Wende ein beträchtliches Angebot und ein hoher Bekanntheitsgrad vorhanden war, der bereits in den ersten Jahren relativ hohe Zahlen zur Folge hatte. In absoluten Zahlen ist der Harz die führende Tourismusregion in Sachsen-Anhalt.

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So stiegen die Ankünfte von 1993 auf 1994 um 13,66% auf insgesamt 458.216. (Halle-Saale-Unstrut: um 36,94%; Steigerung auf 381.200; Anhalt Wittenberg um 81,51% auf 335.634; Elbe-Börde-Heide um 33,76% auf 302.885).

Die Zahl der Übernachtungen stieg im gleichen Zeitraum um 14,46% auf 1.222.567. (Halle-Saale-Unstrut um 31,11% auf 1.104.543; Anhalt-Wittenberg um 74,45% auf 880.662; Elbe-Börde-Heide um 30,12% auf 844.816). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug im Harz 2,7 Tage, was dem Landesdurchschnitt entspricht.

Die Zahl der Beherbergungsbetriebe stieg im gleichen Zeitraum (1993 auf 1994) um 37,13% auf insgesamt 229, die der Gästebetten auf 23,74% auf insgesamt 10.102 (alle Zahlenangaben über den Harz von: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Statistische Berichte, "Handel und Gastgewerbe").

Dennoch hat der Harz bezüglich seiner touristischen Entwicklung mit relativ großen Problemen zu kämpfen, die jedoch ebenfalls vergleichbar sind mit denen anderer Tourismusregionen der neuen Länder:

  • unzureichende planerische Grundlagen und Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Tourismusindustrie,
  • schwach entwickelte touristische Infrastruktur,
  • Probleme bei der Produktgestaltung wie familiengerechte Angebote, Freizeit- und Schlechtwetterangebote, nach wie vor verbesserungsbedürftiges Preis-Leistungs-Verhältnis,
  • Defizite im Bereich Innnenmarketing.

Als vordringlich zu lösende Aufgaben werden ein gemeinsames, von allen getragenes Entwicklungskonzept, die Schaffung von Freizeitanlagen wie Erlebnisbädern, Wintersporteinrichtungen, Golfplätzen, Museen, der Ausbau von Kurorten usw. angesehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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