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2 Bestandsaufnahme: Suburbanisierung als gegenwärtige Form der siedlungsstrukturellen Veränderung

2.1 Tendenzen aus einem Schreckbild der Suburbanisierung

2.1.1 Zum Begriff der Suburbanisierung

Unter Suburbanisierung wird im allgemeinen, so der Vertreter der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR), die Wanderung von Bevölkerungs- und Arbeitsplätzen in das Umland der Städte verstanden. Büros, Dienstleistungs- und Handelseinrichtungen folgten in den alten, und nach 1990 relativ schnell in den neuen Ländern. Es siedelten sich großflächige Einkaufszentren und Dienstleistungseinrichtungen, z.B. „Freizeitzentren im Stadtumland" an. Insgesamt verlieren die Städte an wirtschaftlicher, politischer und kultureller Bedeutung gegenüber dem Umland. Die Kernstädte sind mit ihren Einzugsbereichen weit über die administrativen Grenzen in das Umland gewachsen, der Stadtrand und die Stadtperipherie haben an Bedeutung gewonnen. Wesentlich ist dabei, daß die Stadt nie auf ihre eigentliche Innenstadt reduziert war, sondern oft in Form von Stadtteilzentren und Subzentren eine polyzentrische Struktur aufwies. Insofern ist die Entwicklung der Stadt in das Umland, die Suburbanisierung, prinzipiell nichts neues, sondern lediglich eine „Fortsetzung" der Stadt. An der Suburbanisierung strukturell nachteilig ist ihr disperser Verlauf, die Siedlungsentwicklung in die Fläche. Ein städtisches Zentrenkonzept findet im suburbanen Raum de facto keine Fortsetzung, auch wenn zentralörtliche Gliederungsmuster vorhanden sind.

Der Wohnsuburbanisierung folgte, wie oben bereits erwähnt, die Gewerbesuburbanisierung und im weiteren der Bau von Einkaufszentren auf der grünen Wiese, d.h. oft angelagert an kleine Umlandgemeinden. Ferner entstanden nutzungsgemischte Gewerbeparks, die nicht von der Ökonomie der Kernstadt abhängig sind, sondern eine eigene Wirtschaftsdynamik entfalten. Das Wachstum von Bevölkerung und Arbeitsplätzen wurde von den Gemeinden vielfach forciert, ohne Rücksicht auf Funktionszuweisungen einer zentralörtlichen Konzeption.

Offenbar wird diese Entwicklung von der Bevölkerung angenommen: Soziale Kontakte und andere Aktivitäten sind weit gestreut. Einkaufen und Freizeitaktivitäten finden nur selten und nur bei Gelegenheit in der Nähe der eigenen Wohnung statt.

Das Bild einer lebhaften, vielfältigen und nutzungsgemischten Innenstadt versus „öde, kulturlose" Umlandgemeinde entspricht keineswegs den heutigen Verhältnissen. Man kann eher, wie Thomas Sieverts, Planungsprofessor an der TH Darmstadt, von einer

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„Auflösung der Stadt" sprechen, von einer Regionalstadt, deren Kern aber nicht unbedingt die Innenstadt sein muß. [Fn. 1: Vgl.: „Die Stadt alten Typs gibt es nicht mehr", Thesen des Darmstädter Planers Thomas Sieverts. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.9.1997 ]

Das Forschungsfeld „Zentren" im experimentellen Wohnungs- und Städtebau der BfLR befaßt sich mit Innenstädten, Stadtteil- und Außenbereichszentren, ihrer möglichen Kooperation und mit der Aufgabenteilung Innenstadt - Zentren im Außenbereich.

Anhand des folgenden Beispiels für die Region München soll die Entwicklung von Bevölkerung und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Kernstadt (München), im übrigen Verdichtungsraum und im ländlichen Raum dargestellt werden. (vgl.: Abb. 1) [Fn. 2: Darstellungen entnommen aus: BfLR (1993): Baulandmarkt und Siedlungsentwicklung. Dokumentation der Regionalexpertisen zum Baulandbericht 1993. In: Materialien zur Raumentwicklung, Heft 3/1994. BfLR (Hrsg.), Bonn.]

Es zeigt sich, daß vor allem der Zuwachs im verarbeitenden Gewerbe bis 1985 deutlich

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im Umland der Landeshauptstadt München stattfand und erst danach 1985-1990/92, als nämlich in vielen Umlandgemeinden nicht mehr so oft wie früher Bebauungspläne für Gewerbe und teilweise Wohnen aufgestellt wurden, andererseits in München noch freie Flächen aktiviert werden konnten, die Kernstadt an Beschäftigten gewann. Auch das jährliche Bevölkerungswachstum in den zentralen Orten und in den Umlandgemeinden Münchens ohne Zentralität ist gegenüber der Kernstadt kräftig angestiegen (vgl.: Abb.2).

Insgesamt zeigt sich das Bild einer Verlagerung der Siedlungsentwicklung in den Stadtregionen von der Kernstadt an den Stadtrand und in den ersten und zweiten Ring des Stadtumlandes. (vgl.: Abb.3)

Ein Vertreter des Bauministeriums in Magdeburg stellte im Zusammenhang mit der Entstehung von Suburbanisierung fest, daß es sich hierbei um kein neues Phänomen handele. Auch stünden die Instrumente, die zur Bewältigung dieser Problematik notwendig sind, in ausreichender Form zur Verfügung und würden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten durch die Planer genutzt. Es liegt mithin seines Erachtens kein Planungsversagen, sondern vielmehr ein Versagen der verantwortlichen Politik vor. Als Argumente für diese Auffassung nannte er den Umstand, daß die rezenten Verwaltungsstrukturen einer effektiven Gegensteuerung der Entwicklung widersprachen und teilweise noch widersprechen. So hat beispielsweise der kommunale Finanzausgleich auch in Ansätzen gefehlt. Ein weiteres Argument ist der Mangel eines öffentlich transparentes Bodenmanagements. Dies erfolgte größtenteils durch privat-

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wirtschaftliche Akteure, was als Grundstein für die Bodenpreisentwicklung betrachtet werden könne.

2.1.2 Ursachen des siedlungsstrukturellen Phänomens

Das Erscheinungsbild der Suburbanisierung, so der Referent, ist im Westen wie auch im Osten gleich, beruht jedoch auf unterschiedlichen Ursachen.

Im Westen stand am Anfang der Suburbanisierung der Wunsch nach dem Eigenheim im Grünen, das zu erschwinglichen Preisen nicht in den Städten gebaut werden konnte. Gründe sind die bekannten Flächenengpässe sowie die hohen Bodenpreise in den Städten. Eine wesentliche Ursache für die Suburbanisierung von Wohnungen und gewerblichen Einrichtungen ist das Baulandpreisgefälle von der Kernstadt in das Umland und die Chance, Baugrundstücke in den Umlandgemeinden zu annehmbaren Bedingungen erwerben zu können. Während z.B. die Bevölkerung in der Kernstadt München abgenommen hat, nahm sie im gleichen Zeitraum im engeren Umland und im weiteren ländlichen Raum zu. Die Umlandgemeinden sind mithin die Wachstumsträger. Um dem parallel einsetzenden Verdrängungsprozeß ortsansässiger Bevölkerungsgruppen durch finanzstarke Auswärtige entgegenzuwirken, werden bereits sogenannte „Baulandsicherungsmodelle" gehandhabt. Jedoch sind die Baulandreserven für Wohnen und Gewerbe in München immer noch beträchtlich. Von Bedeutung ist, wie oben bereits erwähnt, das Bodenpreisniveau.

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Die Gründe für die Suburbanisierung im Osten sind anders gelagert: Zum einen waren es Grundstücksengpässe durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse. Ferner oft nicht oder nicht so schnell nutzbare Baulücken und Brachflächen in den Städten, sei es daß sie mit Altlasten behaftet waren, sei es daß sie noch in der Verfügung der Treuhandanstalt bzw. der BVS standen. Diese Gesellschaft hat einen „Vermarktungsauftrag", der sich nicht immer mit den Zielen der Stadtentwicklung deckte. Insgesamt gesehen waren die Flächen im Umland der Städte besser und schneller zugänglich. Die Karte (vgl. Abb. 4), die anhand des Shopping-Center-Reports aufbereitet wurde, zeigt den generellen Sachverhalt in der Bundesrepublik.

Großflächige Einkaufseinrichtungen gibt es in Ost und West. Gegenwärtig sind es rd. 180 Shopping-Center mit über 10.000 m2 Mietfläche. Davon liegen immerhin 50 Center mit einem Verkaufsflächenanteil von 38% auf der „grünen Wiese". Im Zusammenhang mit diesem Thema ist bedeutsam, daß diese Entwicklung vor allem im Osten Deutschlands eintrat, also nicht die Wohnungssuburbanisierung am Anfang stand, sondern zuerst die Handelseinrichtungen auf der grünen Wiese entstanden. Dies ist insofern für die Städte im Osten nachteilig, als hierdurch die Revitalisierung der Innenstädte beeinträchtigt wird, zumal der Handel eine Leitfunktion für die Entwicklung der Innenstädte hat.

Ein künftiges Problem, so der Referent, wird sich in diesem Zusammenhang dann stellen, wenn wie die jüngsten Trends ausweisen, die Umsätze bei starker Konkurrenz der Einzelhandelszentren untereinander sinken werden, also die Gefahr besteht, daß sich einzelne Zentren auf Dauer nicht tragen werden. Die Frage, welche Maßnahmen für den skizzierten Fall getroffen werden müssen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offen. Generell kann festgestellt werden, daß die an mittelfristigen Renditeerwartungen orientierten Zielvorstellungen von Investoren im Regelfall nicht mit längerfristigen Zielen der Stadtentwicklung kompatibel sind.

Die Unverträglichkeit dieser Zielvorstellungen bedeutet jedoch nicht zwangsläufig - um den o.g. Gedanken Sieverts noch einmal aufzugreifen - daß Suburbanisierung und nachhaltige Stadtentwicklung Begriffe sind, die grundsätzlich einander ausschließen. Vielmehr ist die Frage zu stellen, inwieweit - bei Einschränkung des Begriffs auf die Verlagerung von Handelsfunktionen an den Stadtrand - eine sinnvolle funktionale Arbeitsteilung zwischen Innenstadt und Stadtrandbereichen erreicht werden kann.

2.1.3 Suburbanisierung als Widerspruch zur nachhaltigen Stadtentwicklung?

Nachhaltige Stadtentwicklung folgt bestimmten Zielvorstellungen, die auf einen verbrauchsverringernden und ressourcenschonenden Städtebau hinauslaufen. Hierzu gehören:

  • ein haushälterisches Bodenmanagement durch Wiedernutzung von Flächen vor

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    Neuausweisung, ein flächensparendes und bodenschonendes Bauen und die Konzentration der Bauaktivitäten auf Siedlungsschwerpunkte,

  • ein vorsorgender Umweltschutz durch Verminderung der Luftschadstoffe, ein energiesparendes Bauen und der Schutz von Wasserreserven,

  • eine stadtverträgliche Mobilitätspolitik durch Verminderung des Autoverkehrs und Nutzung des ÖPNV sowie eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität in Fußgängerzonen,

  • eine standortsichernde Wirtschaftspolitik durch Sicherung innerstädtischer Wirtschaftsstandorte, die Schaffung wohnverträglicher Arbeitsplätze und eine generelle Stärkung innerstädtischer Zentren sowie

  • letztendlich eine sozial verantwortliche Wohnungsversorgung durch ressourcenschonenden, kostensenkenden Wohnungsbau, die Förderung der Selbsthilfe sowie die Sicherung der wohnungsnahen Grundversorgung.

Diese im städtebaulichen Bericht der BfLR „Nachhaltige Stadtentwicklung" [Fn. 3: vgl. BfLR (1996): Städtebaulicher Bericht „Nachhaltige Stadtentwicklung, Herausforderung an einen ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau", Bonn.] im einzelnen näher thematisierten Anforderungen werden durch eine ungebremste Suburbanisierung unterlaufen. Je ungeordneter die Suburbanisierung erfolgt, desto gravierender sind Verkehrs- und Umweltprobleme.

  • Zum einen entsteht ein Mehraufwand an Verkehr vom Umland in die Stadt, aber auch zwischen den Umlandgemeinden (der sogenannte Tangentialverkehr), der den Chancen und Möglichkeiten eines öffentlichen Nahverkehrs zuwiderläuft,

  • zum zweiten entstehen Umweltbelastungen durch CO2-Immissionen, Verkehrslärm etc., aber auch durch zusätzlichen Flächenverbrauch. Auch die großflächigen Einzelhandelseinrichtungen auf der grünen Wiese tragen dazu bei.

  • Schließlich wird durch die Suburbanisierung, durch die bauliche Entwicklung in die Fläche, das zentralörtliche Konzept unterlaufen. Das Prinzip der sogenannten dezentralen Konzentration, d.h. der Schwerpunktbildung von Siedlungen an zentralen Standorten greift nicht. Diese Problematik kann als Dilemma charakterisiert werden, da die mit der Bildung von Siedlungsschwerpunkten ansteigenden Bodenpreise ihrerseits Anlaß zur Abwanderung in die Fläche geben. Nicht immer lassen sich Bauwünsche in Form preiswerter Eigentumsbildung mit der Forderung nach kompakten, gemischten Siedlungen in Einklang bringen.

Ein Großteil der Baulandnachfrage resultiert aus der Wohnungsnachfrage. Der Städtebauliche Bericht der BfLR weist die mittelfristigen Perspektiven der Siedlungsflächenentwicklung aus: Danach ist damit zu rechnen, daß im Zeitraum 1991 bis 2010

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eine Bevölkerungszunahme um rd. 5 Mio. Einwohner eintritt, woraus für den Wohnungsneubau ein Flächenbedarf von ca. 370.000 ha folgt. Das sind rund 51 ha pro Tag. Der Flächenbedarf für gewerbliche Zwecke, Infrastruktur, namentlich Verkehr, wird ebenfalls weiter anwachsen, so daß man trotz des Bestrebens, mit Flächen sparsam umzugehen, mit einer weiteren Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke von rd. 100 bis 120 ha pro Tag rechen muß. Dieser Flächenbedarf ist in den Ballungsräumen am stärksten und hier wiederum im Umland der Kernstädte,

Die vorangegangenen Ausführungen führen zu dem Schluß, daß die derzeitige Siedlungsentwicklung konträr zu den Zielvorstellungen einer kompakten Städtebaupolitik verläuft und nicht den Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung entspricht.

2.1.4 Wirkungen der Suburbanisierung

Die Auswirkungen der Suburbanisierung können - bei Betrachtung der gegenwärtigen Entwicklungen - überwiegend lediglich negativ beurteilt werden. Jedoch ist dabei nicht zu verkennen, daß jeder einzelne Baustein, der zur Suburbanisierung beiträgt, von Bewohnern oder Betrieben durchaus positiv beurteilt werden kann. Dies gilt letztendlich auch für die Einkaufszentren auf der grünen Wiese, die in mancher Hinsicht einen adäquaten Ersatz für das oft teuer und schwierig gewordene Einkaufen in der Innenstadt bieten.

Das Kernproblem der Suburbanisierung besteht indes darin, daß sie im Regelfall ungeordnet verläuft, wenngleich auch hier schon in vielen Großstadtregionen Planungsverbände oder -gemeinschaften gebildet wurden (so beispielsweise der Planungsverband „Äußerer Wirtschaftsraum München"). Die Nachteile der Suburbanisierung lassen sich wie folgt skizzieren:

  • Ein Kernproblem der Suburbanisierung besteht darin, daß auf der einen Seite eine intakte technische und soziale Infrastruktur in den Kernstädten vorgehalten wird, durch die Suburbanisierungen von Wohnungen und Arbeitsplätzen jedoch neue Einrichtungen geschaffen werden, zumindest was den unmittelbaren Wohn- und Arbeitsbereich anbelangt. Tatsächlich werden dadurch viele Ressourcen mehrfach geschaffen und vorgehalten. Von einem ressourcenschonenden Städtebau kann also nicht die Rede sein.

  • Darüber hinaus bewirkt die Suburbanisierung - wie oben erwähnt - nachteilige Effekte im Verkehrs- und Umweltbereich, d.h. durch die Suburbanisierung werden nicht nur Siedlungsentwicklungskosten induziert, sondern es entstehen auch Folgekosten, angefangen von dem Ausbau von Verkehrsstraßen, über das Erfordernis der Reduzierung von Umweltbelastungen bis hin zu Fragen der Abfall- und Abwasserwirtschaft.

  • Suburbanisierung führt schließlich zu einer Segregation der Bevölkerung. Die

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    Mittel- und Oberschicht wandert aus den Städten in die Vororte, sozial schwächere Bevölkerungsgruppen verbleiben in den Kernstadtbereichen. Entmischung statt Mischung ist die Folge.

2.1.5 Maßnahmen zur Gegensteuerung - das Modell der interkommunalen Kooperation

Angesichts der bestehenden Konkurrenz zwischen Kernstadt und Umlandgemeinden werden freiwillige Kooperationsmodelle zwischen den Gemeinden immer wieder in Frage gestellt bzw. auf sogenannte „Gewinnerthemen", wie die gemeinsame Tourismusförderung, gemeinsamer Regionalverkehr, Regionalmarketing u.a. reduziert. In den Modellvorhaben „Zentren" des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus geht es darum, freiwillige Verfahren der interkommunalen Kooperation, hier am Beispiel der Ansiedlung bzw. Erweiterung von Einzelhandelseinrichtungen weiter zu entwickeln. Im Projektraum des Kommunalverbundes Niedersachsen/Bremen wird beispielsweise im Rahmen der Facharbeitsgruppe „Großmärkte" die Ansiedlung solcher Unternehmen moderiert. Dies bedeutet, daß sich die Gemeinden gegenseitig über geplante Vorhaben informieren und daß nach bestimmten Aufgreif- und Prüfkriterien Empfehlungen an die beschlußfassenden Kommunalparlamente weiter gegeben werden.

Dem Ansatz der informellen Kooperation widersprach ein Vertreter der Stadt Sindelfingen. Seiner Auffassung nach ist eine solche zwar wichtig und findet bspw. im Raum Sindelfingen/Böblingen in Form von Zweckverbänden auch statt (Ver- und Entsorgungsaufgaben). Bei Planungsaufgaben stehen jedoch die strategischen Eigeninteressen der einzelnen Kommunen stark im Vordergrund. Danach ist die informelle Zusammenarbeit die unterste Stufe eines gemeinschaftlichen Handelns, die jedoch weit entfernt ist von einem gemeinsamen strategischen und konzeptionellen Vorgehen.

Auf freiwilligen Vereinbarungen, so der Referent, beruht auch das Konzept der interkommunalen Zusammenarbeit in Einzelfragen im Modellvorhaben Koblenz / Neuwied. Die Standortfestlegungen sollen in den Raumordnungsplan Mittelrhein-Westerwald einfließen. Tatsache ist, daß eine auf freiwilliger Grundlage getroffene Zusammenarbeit zwischen Kernstadt und Umlandgemeinden neben den förmlichen, von der Bauleitplanung gebotenen Verfahren der Abstimmung zwischen den Gemeinden entgegen aller Skepsis erfolgversprechend sein kann. Voraussetzung ist, daß Kernstadt und Umlandgemeinde als gleichberechtigte Partner miteinander umgehen. Zu den Kooperationsmodellen gehört auch ein Vorteils- und Nachteilsausgleich, um sowohl der Kernstadt als auch den Umlandgemeinden Verzichte und Übernahmen von Verpflichtungen zu erleichtern.

Neben den erwähnten freiwilligen Vereinbarungen, informeller Zusammenarbeit etwa in Arbeitskreisen, spielen bei der interkommunalen Kooperation öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Formen eine Rolle. Im öffentlichen Recht beispielsweise solche

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der Zweck- und Planungsverbände, im Privatrecht z.B. die Bildung von BGB-Gesellschaften, wobei hier Art und Umfang der kommunal abzustimmenden Aufgaben und der Grad der Rechtsverbindlichkeit ausschlaggebend sind.

Für die Finanzierung einer solchen regionalen Zusammenarbeit sollte den Gemeinden ein Fonds mit Finanzautonomie zur Verfügung stehen. Ein entsprechender Vorschlag des Deutschen Städtetages unterstreicht die Bedeutung, die interkommunalen Kooperationsformen für eine geordnete stadtregionale Entwicklung beigemessen wird.

Die Begriffe der Kompakten Stadt, der Regionalstadt oder der Europäischen Stadt werden gegenwärtig sehr stark anhand der Entwicklungen des Einzelhandels diskutiert. Die Spannungsverhältnisse bzw. Konkurrenzbeziehungen zwischen Kernstadtzentrum. Stadtteilzentren und Zentren „auf der grünen Wiese" sind Ausgangspunkt einer lebhaften Diskussion. Der Beitrag des Vertreters der Stadt Köln thematisiert die Problematik, mit der die Kommunen im Rahmen der Entwicklungstendenzen im Einzelhandel konfrontiert sind. Diesem Beitrag sollen jedoch zunächst einige inhaltliche Ergänzungen vorangestellt werden.

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2.2 Die städtische Zentrenstruktur in ihrer Entwicklung vom „gewachsenen" zum „geplanten" Stadtteilzentrum.

Wenn von den „gewachsenen" Zentren in der Stadtstruktur gesprochen wird, so ist der Begriff erklärungsbedürftig, da er eine weitreichende Entwicklungsautarkie der städtischen Elemente nahelegt. Die Rolle, die stadtplanerische Aktivitäten bei der Herausbildung einzelner städtischer Zentren gespielt haben, wird damit weitgehend untergeordnet.

Die Entwicklung der „historischen" Stadtteilzentren geht zum einen zurück auf die umfangreichen Stadterweiterungen, die im Zuge der Industrialisierung von ca. 1860 -1900 stattgefunden haben. [Fn. 4: „(...) jede Datenangabe hat nur den Charakter einer Näherung. (...) Nach der Jahrhundertmitte (des vergangenen Jahrhunderts) jedenfalls setzt in Deutschland jenes sprunghafte Stadtwachstum ein, das die demographische Entwicklung der Verstädterung kennzeichnet." vgl.: Albers, Gerd (1992): Stadtplanung. Darmstadt. S 29] Die selbstgestellte Aufgabe der Stadtplanung dieser Zeit wird heute mit dem Begriff der „Gefahrenabwehr" umschrieben und zielte in erster Linie auf die notwendige Basisausstattung mit technischer Infrastruktur, z.B. der Ver- und Entsorgungsanlagen zur Gewährleistung städtischer Hygiene. Konzeptionelle Entwicklungsplanung im heutigen Sinn gehörte danach nicht zu den Aufgaben des Stadtplaners. Vielmehr war dieser im politischen Paradigma des „Nachtwächterstaates" eingebunden, das durch einen weitreichenden (Wirtschafts-) Liberalismus gekennzeichnet war [Fn. 5: Dieser Liberalismus drückt sich u.a. in einer entsprechenden Formulierung des damals gültigen preussischen Rechts aus. Danach war „in der Regel (...) jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder ein Gebäude zu verändern wohl befugt." vgl.: Allg. Landrecht für die preussischen Staaten von 1794, Erster Theil, Achter Titel, § 65. Vgl. hierzu auch: Wischermann, Clemens: Wohnung und Wohnquartier - Zur innerstädtischen Differenzierung der Wohnbedingungen in deutschen Großstädten des späten 19. Jahrhunderts. In: Heineberg, Heinz (Hrsg.) (1987): Innerstädtische Differenzierungen und Prozesse im 19. und 20. Jahrhundert. Köln; Wien. S. 80.] und das dem Staat / den Behörden lediglich

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„flankierende Maßnahmen" gestattete.

In dieser Zeit setzte der Urbanisierungsprozeß deutscher Großstädte ein, der bereits Grundzüge der Stadtviertelbildung zeigte. Folge dieser Entwicklung war die Herausbildung ausgedehnter Wohnquartiere im unmittelbaren Umland der damaligen Kernstädte. Beispiele dieser Stadterweiterungsgebiete finden sich in vielen Großstädten. So wurden in Köln verschiedene neue Siedlungsbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zum alten Stadtkern erschlossen (die sogenannte Neustadt-Nord und Neustadt-Süd sowie der rechtsrheinisch gelegene Stadtteil Deutz). In Berlin finden sich mit der Friedrich- und Luisenstadt, der Oranienburger, Schöneberger oder Tempelhofer Vorstadt sowie den heutigen Stadtteilen Wedding, Gesundbrunnen oder Moabit ebenfalls eine Vielzahl zeitlich abgestufter Stadtteilentwicklungen. Die Entwicklung von Einrichtungen zur Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung erfolgte nahezu simultan, ohne daß diesen Einrichtungen konzeptionelle, auf die Gewährleistung von Grundversorgung abzielende Planungen zugrunde lagen.

Neben diesen frühdatierten Zentrenbildungen entstanden im Verlauf des 20. Jhdts. weitere Subzentren bzw. Stadtteile in Nachbarschaft der „alten" Siedlungskerne, die zunehmend stärkeren planerischen Einflüssen unterlagen. Kristallisationspunkte dieser Zentren waren mitunter Nahtstellen der Verkehrsinfrastruktur, so beispielsweise Haltestellen der Bahn.

Ein besonderes Beispiel im Zusammenhang des wachsenden planerischen Einflusses ist die Siedlung Essen-Margarethenhöhe, die unter maßgeblicher Beteiligung der Krupp-Stiftung entstanden ist und als typisches Exemplar einer Gartenstadt in Deutschland gilt.

In der Nachkriegszeit erfolgte im weiteren Verlauf verstärkt eine Planung von Zentren unter dem Gesichtspunkt der „Zentralörtlichkeit". Letztere bezeichnet hier die funktionale Ausstattung einzelner Siedlungsbereiche und kann sowohl im regionalen als auch im lokalen Maßstab betrachtet werden. Insbesondere der konzeptionelle Wunsch nach „optimaler Funktionsverteilung im Raum" bestimmte - auf beiden Maßstabsebenen - die räumliche Planung. Die Größenentwicklung der Stadtteilzentren erfolgte dabei sukzessiv von zunächst kleinen, additiven Wohngruppen bis hin zu großen, weitgehend eigenständigen Siedlungsteilen. Beispiele für letztgenannte finden sich in Köln mit dem Stadtteil Chorweiler, in München (Neuperlach) sowie in Frankfurt (Nordwest-Stadt). Die Gebietsreform der 70er Jahre und die damit zumindest teilweise einhergehende Verschiebung lokaler Zentrenstrukturen erforderten in Folge vielfach die Auf-

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stellung von Zentrenkonzepten als Bestandteil von Stadtentwicklungsplänen, um eine geordnete Zentrenentwicklung weiterhin zu gewährleisten.

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2.3 Das Gefüge der innerstädtischen Zentren zwischen dem historischen Stadtzentrum und den neuen Fachmarktstandorten / Einkaufszentren am Stadtrand oder in „Gewerbegebieten".

Das gewachsene Zentrensystem unserer Städte steht, so der Vertreter der Stadt Köln, gegenwärtig auf dem Prüfstand. Ursache hierfür sind die veränderten Standorttendenzen des Handels, der zusammen mit den Versorgungsdienstleistungen bislang eine Schlüsselfunktion für die städtischen Zentren bildet.

2.3.1 Strukturwandel / Standortveränderungen im Einzelhandel

Der aktuelle Strukturwandel im Einzelhandel ist in seiner Form bis jetzt einzigartig: auf der Angebotsseite finden Unternehmenskonzentrationen und Filialisierung sowie die Gründung neuer Betriebsformen statt; auf der Nachfrageseite verändern sich Einkaufsgewohnheiten in Verbindung mit größerer Mobilität. Beides führt zu einer grundlegenden Umwertung von Standortfaktoren, sowohl auf der regionalen als auch der innerstädtischen Ebene.

Hinsichtlich der räumlichen Angebotsstruktur des Handels lassen sich die folgenden drei wesentlichen Entwicklungstendenzen erkennen.

  • Der Rückzug des Handels aus der Fläche.

  • Zunehmende Standortverlagerungen zum Stadtrand bzw. in das Umland sowie

  • Maßstabssprünge bei den Betriebsgrößen.

Ausgelöst und verstärkt wurden diese Tendenzen durch neuartige Handelsgroßformen. Nach den in den 1970er Jahren entstandenen Selbstbedienungs- und Verbrauchermärkten, sind es seit Mitte der 1980er Jahre die sogenannten Fachmärkte, die eine beispiellose Dynamik entwickeln. Dabei werden die spezifischen Merkmale wie Selbstbedienung, Beratung nur bei Bedarf, großflächige übersichtliche Warenpräsentation sowie niedriges bis mittleres Preisniveau auf nahezu sämtliche Fachsortimente übertragen. Am stärksten haben sich Fachmärkte des Bau-, Heimwerker- und Gartenbedarfs durchgesetzt, sowie des Möbelhandels, wobei sich zunehmende Differenzierungen in Spezialmärkte abzeichnen, etwa Fliesen-, Tapeten-, Sanitärfachmärkte. Inzwischen findet diese Betriebsform auch für andere Branchen, die bislang vom klassischen Facheinzelhandel wahrgenommen werden, eine immer größere Verbreitung (so beispielsweise in den Branchen Spielwaren, Babyartikel, Tierbedarf, Computer, Elektrogeräte und Sportartikel).

Der ökonomische Erfolg dieser neuen großflächigen Vertriebsformen resultiert - bei

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volkswirtschaftlicher Betrachtung - auf der Kostenverlagerung bzw. -externalisierung auf den Kunden (durch Abbau von Verkaufs- bzw. Produktberatung) sowie auf die Allgemeinheit (am Beispiel der Externalisierung von Transport- und Umweltkosten ersichtlich). Bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung läßt sich dieser Erfolg auf die Erschließung erheblicher Rationalisierungspotentiale zurückführen, die den neuen Vertriebsformen eigen sind. Diese Vorteile lassen sich aus der Sicht vieler Handelsunternehmer und Investoren am besten an Standorten außerhalb der traditionellen Zentren nutzen. Maßgebliche Argumente sind die vergleichsweise niedrigen Grundstücks- und Erschließungskosten, ausreichende Flächenreserven u. a. für Parkplätze sowie entscheidende Logistikvorteile. So haben in den letzten Jahren die städtebaulich nicht integrierten Standorte, z.B. in Gewerbegebieten, an Ausfallstraßen und auf der sogenannten „grünen Wiese" stark zugenommen. Durch die Ansammlung mehrerer Betriebe entstehen hier oft zusätzliche Agglomerationseffekte, die durch die Ansiedlung weiterer Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen, etwa aus dem Bereich der Gastronomie oder in Form von Kinos bzw. Kinokomplexen, noch verstärkt werden.

Der Vertreter der Stadt Köln erläuterte, daß die traditionelle Zentrenhierarchie der Städte im Zuge dieser Entwicklung allmählich durch ein „sekundäres" Handelsnetz aus Verbrauchermärkten und Fachmarktstandorten überlagert wird. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen sind gravierend und lassen sich wie folgt charakterisieren: Während die Innenstädte als Handelsstandorte stagnieren bzw. relativ an Bedeutung verlieren, widerfährt vor allem dem Handel in den Nebenzentren und Wohngebieten ein erheblicher Umsatzrückgang. Dies führt dazu, daß in den betroffenen Bereichen zum Teil beträchtliche Versorgungs- und Verkehrsprobleme entstehen. Demgegenüber expandieren die nach den Kategorien der Stadt- und Landesplanung nicht integrierten Standorte und tragen so verstärkt zur funktionalen und räumlichen Auflösung der klassischen Stadt- und Zentrenstruktur bei. Die Stadt- und Landesplanung steht mithin vor der Aufgabe, raumplanerische und städtebauliche Zielsetzungen mit den ökonomischen Entwicklungen in Einklang zu bringen.

Die Problematik der Transformation von Einzelhandelsstandorten wird gegenwärtig auch in der Raumwissenschaft verstärkt diskutiert. So widmete sich eine Ausgabe der Fachzeitschrift „Geographische Rundschau" mit mehreren Einzelbeiträgen zur Situation ostdeutscher Kommunen diesem Thema. Die folgende Übersicht zeigt in verkürzter Fassung synoptisch „Ursachen und Problembereiche der Entwicklungsdisparitäten zwischen Innenstadt und nichtintegrierten Standorten im Einzelhandel der neuen Bundesländer." [Fn. 6: Vgl.: Meyer, Günther und Robert, Pütz (1997): Transformation der Einzelhandelsstandorte in ostdeutschen Großstädten. In: Geographische Rundschau, Jahrgang 49, Heft 9, S. 492 ff. Braunschweig. ] Läßt man die spezifische Situation hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden außer acht, so lassen sich wesentliche Bestimmungs-

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gründe der Einzelhandelsentwicklung auch auf westdeutsche Konstellationen übertragen.

Hemmnisse der Einzelhandelsentwicklung in den Innenstädten


Erfolge des Einzelhandels in nichtintegrierten Lagen und Einkaufszentren

• eingeschränkte Flächenverfügbarkeit für Neubauten

• hohe Miet- und Bodenpreise

- Filialisierung mit Trading-Down Tendenzen und Verlust stadtgestalterischer Qualitäten durch corporate-design

Standortstruktur

• Freiflächen in ausreichendem Maß vorhanden

• niedrige Grundstückspreise

• One-stop-shopping in überdachten Einkaufszentren

• komplizierte Entscheidungsprozesse in öffentlich sensiblen Innenstadtbereichen

• strenge Denkmalschutzauflagen und hohe Anforderungen an architektonische und städtebauliche Gestaltung, daher

- hohe Modernisierungs- und Neubaukosten

- eingeschränkte Umnutzbarkeit historischer Bausubstanz

Standortplanung

• oft unproblematische Planungsverfahren ; im Umland der Städte häufig kleine Kommunen, die Großprojekte des Einzelhandels unterstützen.

• i.d.R. keine Denkmalschutzauflagen oder Vorschriften zur baulichen Gestaltung der Neubauten, daher

- kostengünstige Leichtbauweise

- flächenextensive Bauweise

• schlechte Erreichbarkeit mit dem Pkw

• Parkraumbewirtschaftung mit geringer Akzeptanz

Standorterreichbarkeit

• verkehrszentrale Lage an Autobahnen oder Ausfallstraßen

• großes Angebot an kostenlosen Parkplätzen

Probleme des Wachstums nichtintegrierter Einzelhandelsstandorte und Einkaufszentren

• Gefahr der langfristigen Umorientierung der Einkaufsgewohnheiten auf periphere Standorte und damit Absorption von Kaufkraft aus der Innenstadt, die zur Revitalisierung der City fehlt.

• Einkaufszentren nehmen immer weniger cityergänzende Funktionen wahr und werden Konkurrenzanbieter

• fehlende Internalisierung externer Kosten durch induzierten Pkw-Verkehr und fehlende Stellplatzbewirtschaftung, ausgedehnte Flächenversiegelung und hohen Flächenverbrauch.

• Fehlende Gewährleistung der wohnungsnahen Versorgung für immobile Bevölkerungsgruppen

• Verlust öffentlicher Kommunikationsräume

Quelle: verändert nach: Meyer und Pütz (1997): ebenda. S. 493

2.3.2 Planungs(-gegen)strategien zur stadtverträglichen Entwicklung der Handelsstandorte

In Nordrhein-Westfalen wurde jüngst ein Einzelhandelserlaß herausgegeben, der die Anwendung der bestehenden gesetzlichen Grundlagen zur Abwehr nicht integrierter Standorte konkretisiert und damit den Gebietskörperschaften eine verbesserte Planungshilfe an die Hand gibt. [Fn. 7: Vgl.: Ministerien des Landes NRW für Stadtentwicklung, Kultur und Sport, für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr, für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft sowie für Bauen und Wohnen (Gemeinsamer Runderlaß) (1996): Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben; Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben (Einzelhandelserlaß). In: Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, 49. Jahrgang, Nummer 37, Glied-Nr 2311, Düsseldorf.] Die Kommunen werden angehalten, stringente

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Einzelhandelskonzepte aufzustellen. Für den Fall, daß die kommunale Flächenentwicklung diesem Erlaß nicht genügt, behält sich die Landesregierung vor, Städtebauförderungsmittel zurückzufordern, die für die Entwicklung nicht integrierter Standorte verwendet wurden. Zur Kontrolle dieses Sachverhalts müssen in Nordrhein-Westfalen Planungen für großflächige Einzelhandelseinrichtungen der Bezirksregierung zur Genehmigung vorgelegt werden.

2.3.3 Das Beispiel Köln

Die Stadt Köln verfügt über eine Zentrenkonzeption und hat diese aus aktuellem Anlaß um ein Fachmarktkonzept ergänzt. In den vergangenen Jahren hatte die Stadt Köln wie die meisten Kommunen verschiedene Fachmarktansiedlungen an nicht integrierten Standorten, so beispielsweise in Gewerbegebieten, zugelassen. Sie ließ sich dabei von dem Prinzip der sogenannten nicht zentrenrelevanten Warensortimente leiten, d.h. Fachmärkte, die z.B. aufgrund ihres großvolumigen Warenangebots oder ihrer beträchtlichen Betriebsgröße nur schwer in die bestehenden Geschäftszentren integrierbar erschienen. Diese „Schleusenöffnung" hat jedoch inzwischen ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht, zumal durch verschiedene planungsrechtliche Schlupflöcher, Betriebs- und Sortimentserweiterungen sowie zahlreiche Ansiedlungen von Betrieben knapp unterhalb der planungsrelevanten Großflächigkeit [Fn. 8: Nach der Baunutzungsverordnung ist die Großflächigkeit erreicht, wenn die baulichen Anlagen bzw. großflächigen Einzelhandelsbetriebe eine BGF von 1200 m 2 überschreiten, (vgl.; BauNVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990, § 11, Absatz 3). Der Einzelhandelserlaß des Landes Nordrhein-Westfalen definiert Großflächigkeit - unabhängig von regionalen oder örtlichen Verhältnissen - als jenes Maß, „wo üblicherweise die Größe der der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe (Nachbarschaftsladen) ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt (...) etwa bei 700 m 2 Verkaufsfläche. Vgl.: Einzelhandelserlaß. Gliederungspunkt 2.2.2 a.a.O.] immer mehr Kaufkraft in diese nicht integrierten Standorte abfließt. Die Verkaufsfläche dieser Standorte erreicht in Köln gegenwärtig eine Summe von rd. 350.000 m2, somit ca. 23% der gesamten Verkaufsfläche im Stadtgebiet.

Nach Aussage des Referenten ist es Ziel der Kölner Stadtentwicklungsplanung, den Ansiedlungsdruck der Fachmärkte - der insbesondere auch auf innerstädtischen (Industrie-) Brachflächen besteht - in städtebaulich verträglicher Weise zu kanalisieren. Zu diesem Zweck wurden im Kölner Fachmarktkonzept einige sogenannte Zentrenergänzungsräume ausgewiesen. Die Grundidee ist dabei, durch geeignete Flächenangebote in räumlicher Verbindung mit bestehenden Zentren positive Synergieeffekte zu erreichen, die dem gesamten Geschäftszentrum und damit auch dem bereits ansässigen Einzelhandel zugute kommen. Dabei handelt es sich um mindergenutzte oder ehemals gewerblich genutzte Grundstücke, innerhalb oder am unmittelbaren Rand der Geschäftszentren. Durch eine Reihe von flankierenden Planungsmaßnahmen, beispielsweise durch Gestaltungsmaßnahmen für den ruhenden

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Verkehr oder auch allgemein durch entsprechendes City-Marketing, soll darüber hinaus das bestehende Zentrensystem gestärkt werden. Im übrigen Stadtgebiet sollen durch restriktive Planungsmaßnahmen künftig weitere Fachmarktansiedlungen und -erweiterungen verhindert werden, wobei eine enge interkommunale Abstimmung vorgesehen ist. Die Stadt Köln hofft, mit dieser Planungsstrategie die weitere Erosion ihrer Geschäftszentren zu unterbinden und damit ihr Zentrensystem zu stabilisieren.

Die Frage eines Vertreters der Stadt Karlsruhe, wie die wohngebietsnahe Versorgung im Rahmen des Fachmarktkonzeptes berücksichtigt ist, beantwortete der Referent am Beispiel von Lebensmittelmärkten. Zwar ist die Stadt Köln bemüht, diese Märkte in den Nahbereichszentren zu halten, doch sind die Unternehmen dieser Branche stark am Individualverkehr orientiert. Hieraus ergibt sich das Problem, daß innerstädtisch oftmals nicht die notwendigen Expansionsflächen zur Verfügung stehen.

In diesem Zusammenhang wurde von dem Vertreter der DTZ-Zadelhoff Immobilienberatung die Frage gestellt, welche Sorgen hinsichtlich der Verlagerung des Einzelhandels bestünden. Die Entwicklung von Einzelhandelszentren an geeigneten Standorten böte die Möglichkeit, zeitgemäßes Einkaufsambiente mit entsprechendem Warenangeboten zu kombinieren, eine Situation, die viele Innenstädte gegenwärtig nicht bieten könnten. Desweiteren sei die gegenwärtige Situation der verkehrsüberlasteten Innenstädte - und dabei spiele der Einkaufsverkehr eine nicht unwesentliche Rolle - mittelfristig nicht tragbar. Einzelhandelszentren im Randbereich der Städte würden dazu beitragen, zumindest den innerstädtischen Verkehrskollaps abzuwenden.

Aus Sicht der Stadt Köln ist gegen eine Verlagerung grundsätzlich nichts einzuwenden. Lediglich die Großflächigkeit des Angebots einerseits sowie die Tatsache, daß große Einzelhandelszentren oftmals an nicht integrierten Standorten entstünden, stellt für die Stadtentwicklung ein Problem dar. Der Vertreter der BfLR sprach weiterhin die Leitfunktion des Einzelhandels für die Innenstadtentwicklung an. Würde der Einzelhandel im großen Maßstab abwandern, bedeute dies, daß eine Erosion weiterer innerstädtischer Funktionen stattfinden würde und damit ein Urbanitätsverlust zu verzeichnen wäre. Als Beispiel führte er die Problematik im Zuge der Entwicklung der „Neuen Mitte Oberhausen" (CentrO) an.

Ein solcher Urbanitätsverlust ist jedoch in Köln - so der Vertreter der Stadt - nicht unbedingt gegeben. Zum einen trägt die Stadtentwicklungsplanung durch ihre Unterscheidung in zentrenrelevante und nicht zentrenrelevante Warensortimente innerhalb der Zentrenplanung mit dazu bei, den für Urbanität notwendigen Angebotsmix zu erhalten. Zum anderen hat eine Untersuchung des Kölner Einzelhandelsverbandes ergeben, daß eine verdrängte Einzelhandelsnutzung in den verschiedenen Zentrenbereichen überwiegend durch Freizeitstätten ersetzt wird und dadurch ihre Attraktivität bestehen bleibt.

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Nachdem die zwei vorangegangenen Tagungsbeiträge die maßgeblichen Ursachen der siedlungsstrukturellen Veränderung sowie die akuten Probleme, die hiermit verbunden sind, erläutert haben, soll im folgenden näher auf die Potentiale bzw. Chancen, die mit diesem Veränderungsprozeß verbunden sind, eingegangen werden. Dies erfolgt wiederum anhand zweier Tagungsbeiträge. Der erste beschäftigt sich dabei mit der spezifischen Situation der Stadt Leipzig, den hier verfügbaren Potentialen und beabsichtigten bzw. realisierten Planungen. Der zweite Beitrag behandelt die Problematik der Inwertsetzung innerstädtischer Großbrachen.


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