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[Seite der Druckausgabe: 15]

6. Die Entwicklung der Großsiedlung Köln-Chorweiler zu einem eigenständigen Stadtbezirk - eine kritische Bilanz

Köln-Chorweiler ist eine große Plattenbausiedlung mit ca. 40.000 Einwohnern im Norden von Köln. Der Bau der Siedlung war eine Reaktion auf die Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren und wurde mit dem Anspruch errichtet, einen eigenständigen Stadtteil entstehen zu lassen. Die erste Idee einer "neuen Stadt" hatte jedoch schon der Stadtplaner und Architekt Fritz Schuhmacher im Jahr 1922. Sie wurde 1957 vom Rat der Stadt Köln wiederaufgenommen.

Das geplante Konzept für Chorweiler, einen eigenständigen Stadtteil zu schaffen, ging nicht auf. Probleme ergaben sich erstmals zu Beginn der 80er Jahre. Im Jahr 1985 wurde vom Rat der Stadt Köln ein Ergänzungsprogramm zur Sanierung der Siedlung beschlossen, um das Gebiet vor dem drohenden sozialen Abstieg zu bewahren.

Nach einigen allgemeinen Informationen über die Großsiedlung Chorweiler wird im Anschluß das Ergänzungsprogramm zur Sanierung der Großsiedlung behandelt. Außerdem werden die Ergebnisse des Programms und die Zukunftsperspektive der Siedlung kurz dargestellt.

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6.1. Die Großsiedlung Köln-Chorweiler

Die Idee einer "neuen Stadt" wurde 1957 wieder aufgegriffen als der Rat der Stadt Köln beschloß, die Großsiedlung Chorweiler im Kölner Norden zu errichten. Es sollte eine "Stadt der kurzen Wege" werden für eine Bevölkerung von 100.000 Menschen. Das Ziel bestand darin, eine eigenständige Stadt für alle Lebensbereiche zu schaffen, d.h. ein Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten, Handel, Freizeit und sozialen Einrichtungen. Gleichzeitig sollte die Siedlung durch die Anbindung an das Verkehrs- und Verwaltungssystem von Köln, ein Teil von Köln werden. (GfS 1996)

Chorweiler liegt inmitten von Grünflächen im nördlichen Kölner Stadtgebiet, ca. 13 km vom Kölner Stadtzentrum entfernt und wird durch große Erschließungsstraßen von überörtlicher Bedeutung eingegrenzt.

Die ersten Bewohner zogen 1972 in die neuen Häuser, obwohl die Siedlung noch nicht vollständig gebaut war. Zum Beispiel wurde das Ladenzentrum erst im Jahr 1976 eröffnet.

Obgleich die Siedlung für 100.000 Menschen geplant war, wurden schließlich nur Wohnungen für ca. 40.000 Menschen realisiert.

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Dadurch entstanden die ersten strukturellen Probleme, da ein Teil der Infrastruktur der Siedlung nun zu großzügig angelegt war.

Es wurden auch nicht alle geplanten Bürobauten errichtet und so das Konzept von Leben und Arbeit in einem Stadtteil nicht vollständig realisiert.

Die in den 80er Jahren wiederentdeckte Qualität des städtischen Lebens, unterstützt durch den inzwischen sanierten und modernisierten Altbaubestand in der Kölner Innenstadt, reduzierte die Motivation nach Chorweiler zu ziehen. Das Wohnumfeld trat zunehmend in den Vordergrund. Nur die im Verhältnis günstige Miete des Sozialen Wohnungsbaus war ein Grund, nach Chorweiler zu ziehen.

Demzufolge wurde die Siedlung Mitte der 80er Jahre zu einem Symbol verfehlter Städtebaupolitik. Es gab hohen Wohnungsleerstand, die Plätze waren menschenleer und die Anlagen verwahrlost.

Um Chorweiler nicht weiter zum sozialen Brennpunkt werden zu lassen, beschloß der Rat der Stadt Köln im Jahr 1985 ein "Ergänzungsprogramm" zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität. Durch behutsame Maßnahmen wie Umbau und Ergänzung sollten die Fehlentwicklungen in der Siedlung rückgängig gemacht werden. Bei der Ausarbeitung dieser Maßnahmen wurde von Beginn an Wert auf eine aktive Bürgerbeteiligung gelegt.

Bemerkenswert ist die politische und administrative Selbständigkeit des Stadtbezirks Chorweiler gegenüber der „Gesamtstadt" Köln, die im Zug der Verwaltungsreform in den Städten des Landes Nordrhein-Westfalen verwirklicht werden konnte.

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6.2. Das Ergänzungsprogramm Köln-Chorweiler 1985 bis 1997

Die Durchführung des Ergänzungsprogramms wurde in drei Stufen mit jeweils unterschiedlichen Maßnahmeschwerpunkten geplant.

Die erste Stufe dauerte zwei Jahre und begann im Jahr 1987 mit der Einrichtung eines Büros für Bürgerbeteiligung. Durch die Arbeit mit den BewohnerInnen entwickelten sich Bürgerinitiativen wie z.B. Mieterbeiräte, eine Stadtteilzeitung "Aufzug", die teilweise noch heute existieren.

Während der ersten Stufe des Sanierungsprogramms wurden verschiedene ökologische, soziale und kulturelle Projekte realisiert. An dieser Stelle können nur einige Beispiele genannt werden:

  • An der Stelle der sechsspurigen Elbeallee entstand der Olof-Palme-Park (Rückbau einer überdimensionierten Straße).
  • Ein Jugendzentrum wurde unter Beteiligung von Jugendlichen gebaut.

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  • Aus einem ungenutzten Schwimmbad entstand eine kombinierte Fahrrad-, Rollstuhl- und Nähwerkstatt für die Chorweiler Selbsthilfe.

Der Beschluß über die zweite Stufe des Ergänzungsprogramms erfolgte im Jahr 1989. Aus förderrechtlichen Gründen wurden Chorweiler Zentrum und Seeberg-Nord als Sanierungsgebiete ausgewiesen. (Chorweiler ist ein großer Stadtteil von Köln, der wiederum in kleinere Stadtgebiete unterteilt ist, dazu gehören das Zentrum Chorweiler, Seeberg, Blumberg.) Die Einsetzung eines Sanierungsträgers, die Gesellschaft für Stadterneuerung mbH (GfS), im Jahr 1989 sollte den Stadterneuerungsprozeß beschleunigen. Die GfS, bestehend aus Stadtplanern, Architekten, Sozialarbeitern und Raumplanern, bezog ein Büro mitten im Sanierungsgebiet.

Die zweite Stufe des Ergänzungsprogramms setzte den Maßnahmeschwerpunkt auf Wohnumfeldverbesserung und auf die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Siedlung. Es wurden neue Gewerberäume geschaffen und durch die Einbindung von Beschäftigungsinitiativen in die baulichen Aktivitäten zusätzliche Arbeit in den Kölner Norden gebracht. Das war besonders vor dem Hintergrund der im Vergleich zur Gesamtstadt Köln höheren Arbeitslosigkeit notwendig.

In diesem Zusammenhang kam es zur Errichtung eines Handwerkshofs, der durch seine Zusammensetzung und seine Zielstellung zu einem Modellprojekt in ganz Nordrhein-Westfalen wurde.

Im Gebäude des Handwerkshofs sind kommerzielles Handwerk aus verschiedenen Sparten, Berufsvorbereitungskurse, Beschäftigungs- und Qualifizierungskurse für Arbeitslose und andere durch den Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen sowie der soziale Beratungsdienst pro familia untergebracht. Das Konzept besteht darin, durch die Kombination von unterschiedlichen Nutzungen, Angebote im Bereich der Berufsvorbereitung, Beschäftigung und Qualifizierung miteinander zu verbinden.

Andere Maßnahmen während der zweiten Stufe des Ergänzungsprogramms dienten der Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr und der Ideensammlung für die Gestaltung des Chorweiler Zentrums. Die meisten dieser Projekte liefen Ende des Jahres 1996 aus. Einige dauern noch bis 1997/98.

Die Tabelle 3 gibt einen Überblick über die einzelnen Stufen des Ergänzungsprogramms und die Schwerpunkte dieses Programms.

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Tabelle 3: Übersicht über das Sanierungsprogramm für Köln-Chorweiler


Schwerpunkte

1985

Vorstudie zum Ergänzungsprogramm


1986 - 1987

Städtebauliche Rahmenplanung


1987 - 1989

Erste Stufe des Ergänzungsprogramms (Finanzvolumen ca. 8 Millionen DM)

- Bürgerbeteiligung

- Beseitigung von unattraktiven Flächen und einer zu groß angelegten Straße

- Schaffung von Grünflächen durch Kleingärten und Platzgestaltung

1989 - 1997

Zweite Stufe des Ergänzungsprogramms (Finanzvolumen ca. 36,9 Millionen DM)

- Verbesserung des Wohnumfelds

- Arbeitsplatzbeschaffung

- Ideensammlung durch einen Städtebaulichen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Chorweiler Zentrum

- Auswertung des Ideenwettbewerbs

1996 - 1998

Förderung aus dem Programm "Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf


1998 ff.

Dritte Stufe des Ergänzungsprogramms? (Fortsetzung ist bisher nicht geklärt)


Quelle: Stadt Köln November 1996: Stadtteil im Wandel.

Ergänzend zu diesem Sanierungsprogramm wurden im Rahmen der generellen Stadtplanung für den gesamten Bezirk Chorweiler in räumlicher Nähe zum Sanierungsgebiet Gewerbe- und Mischgebiete erschlossen, um noch weitere Arbeitsplätze im Gebiet zu schaffen.

Zur Stärkung der Sozialstruktur in Chorweiler sind die noch vorhandenen Baulandreserven im Wohngebiet vorwiegend für freifinanzierte Wohnungsbauprojekte vorgesehen. Zu dieser Stabilisierungs- und Aufwertungsstrategie gehört auch die gezielte Ansiedlung von Freizeit- und Bildungseinrichtungen, die für die gesamte Stadt Köln von Bedeutung sind. Beispiele hierfür sind ein Spaß- und Erlebnisbad, eine neue Ruderregattabahn und das neue Walldorf-Gymnasium.

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6.3. Die Situation in Chorweiler heute

Die in Chorweiler durchgeführten Maßnahmen haben entschieden dazu beigetragen, die negative Entwicklung in der Großwohnsiedlung aufzuhalten. Die zwei Stadtteile im Kernbereich von Chorweiler weisen nicht mehr die höchste Arbeitslosenquote und Sozialhilfedichte in Köln auf. Der Vandalismus hat abgenommen. Durch das verbesserte Wohnumfeld und die neuen sozialen Einrichtungen wurde die Bildung von Nachbarschaften und Bürgerengagement gefördert. Die Zukunft wird zeigen, ob die entstandenen Kontakte und Initiativen bei abnehmender öffentlicher Unterstützung Bestand haben.

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Die Sanierungsgesellschaft GfS ist seit Ende des Jahres 1996 aufgelöst. In ihrer abschließenden Broschüre über ihre Sanierungstätigkeit weist die GfS darauf hin, daß die "Eigenkräfte des Stadtteils" wahrscheinlich noch nicht ausreichen, den gewonnenen Bestand weiterzuentwickeln und aus einem eigenen Selbstverständnis heraus zu handeln. (GfS 1996, S. 45) So wird Chorweiler auch in Zukunft auf öffentliche Unterstützung angewiesen sein, wenn auch nicht mehr in dem zuvor erforderlichen Umfang. Die GfS betont in diesem Zusammenhang, daß durch öffentliche Programme private Investoren motiviert werden sollten, ihre Tätigkeit in Chorweiler aufzunehmen. Insofern kann man das Sanierungsprogramm als eine Art Grundlagenschaffung für die zukünftige Entwicklung des Stadtbezirks betrachten.

Nach dem Anschub durch das Sanierungsprogramm müssen die Bewohner des Stadtteils in der Zukunft größere Verantwortung für sich übernehmen.

In den neuen Bundesländern sind bisher noch keine Sanierungsprogramme wie das Ergänzungsprogramm für Köln-Chorweiler durchgeführt worden. Jedoch sind bereits die ersten Konzepte erarbeitet worden, die die Wohn- und Lebensqualität dort verbessern sollen. Ein Beispiel dafür ist die Großwohnsiedlung "Neu Olvenstedt" in Magdeburg, wo durch eine städtebauliche Rahmenplanung unter Einbeziehung von sozialen Aspekten versucht wird, die Siedlung vor dem sozialen Abstieg zu bewahren. Bevor genauer auf den Inhalt der Rahmenplanung eingegangen wird, werden einige Informationen zur Entwicklung der allgemeinen Wohnsituation in Magdeburg erwähnt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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