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TEILDOKUMENT:
5. Leitlinien für Reformen der Kommunalverwaltung Die traditionellen Verwaltungsabläufe in unseren Städten und Gemeinden mit ihren hierarchischen Organisationsstrukturen, mit funktionaler Arbeitsteilung, mit einer Fixierung auf Tätigkeiten und Maßnahmen sowie mit einer Orientierung auf Regeln und Verfahren statt auf Leistungen bzw. Ergebnisse geraten seit einer Reihe von Jahren zunehmend in die Kritik. Defizite in Bezug auf die Kriterien Qualität, Zeit und Kosten werden verstärkt wahrgenommen und führen bei Gesellschaft, Bürgern und Wirtschaft zu Forderungen von mehr Effizienz und höherer Effektivität des Verwaltungshandelns. Gleichzeitig belebt das Auseinanderdriften von Ausgaben und Einnahmen in den kommunalen Haushalten die Diskussion über notwendige und auch mögliche Modernisierungen der öffentlichen Verwaltung. Reformen erscheinen dringend geboten, denn einerseits wird nicht akzeptiert, daß die Verwaltung weiter so teuer, so wenig effektiv und so bürokratisch bleibt, andererseits kann eine Verschärfung der kommunalen Finanzkrise auf Dauer nicht hingenommen werden. In dieser Situation ist ein rein haushaltsbezogener Ansatz, wie ihn z.B. die Bonner Regierungskoalition in dieser Legislaturperiode mit einem pauschalen Personalabbau und der Privatisierung von bislang öffentlichen Aufgaben praktizieren will, das falsche Konzept. Haushaltskonsolidierungen sollten nicht das Ziel, sondern lediglich der Ausgangspunkt von Verwaltungsreformen sein. Eine echte Strukturreform setzt deshalb auf die Einführung neuer Steuerungsmodelle - insbesondere mittels betriebswirtschaftlicher Haushaltsführung -, auf Erhöhung der Effizienz der Verwaltung, auf Stärkung der Eigenverantwortung der Beschäftigten und auf Bürgerorientierung bei kommunalen Dienstleistungen, [Fn.1: So Michael Bürsch: Im Osten was Neues. Verwaltungsreform in ostdeutschen Städten und Gemeinden, in : Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Verwaltungsreformen in Städten und Gemeinden, Praxis - Projekte - Perspektiven, Bonn 1995, S. 12] Ein wichtiger Ansatz, die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen effizienter und effektiver zu machen, ist in der Privatisierung zu sehen. Die inzwischen weitgehend ausgeschöpften Privatisierungspotentiale verdeutlichen, daß sich die Kommunen nicht [Seite der Druckausgabe: 66] grundsätzlich gegen diese Problemlösung sperren. Vielmehr besteht Bereitschaft, alle öffentlichen Aufgaben hinsichtlich ihrer Bereitstellungsform - öffentlich oder privat - zu überprüfen, allerdings ausschließlich im Verfahren der Einzelfallentscheidung. Dabei sind jeweils die möglichen Gewinne an Wirtschaftlichkeit abzuwägen gegen die Verluste an Bürgernähe, an Steuerungsmöglichkeiten und an politischen Gestaltungsspielräumen. Letztlich kommt es nicht darauf an, wer eine Leistung erbringt, sondern entscheidend muß sein, daß die Leistung dauerhaft, zuverlässig und kostengünstig angeboten wird sowie diskriminierungsfrei nachgefragt werden kann. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Privatisierungsstrategien weist zwar nach, daß diese Konzepte durchaus dazu beitragen können, öffentliche Verwaltungsprozesse ebenso wie die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen effizienter und effektiver zu machen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß die Privatisierung kein Allheilmittel zur Lösung aller Aufgaben- und Ausgabenprobleme unserer Städte, Gemeinden und Kreise ist. Auf dem Weg zu einer attraktiveren und wirtschaftlicheren Verwaltung müssen deshalb zusätzlich zu Privatisierungen alle erfolgversprechenden Möglichkeiten einer Modernisierung der Verwaltungsprozesse und der Optimierung der Organisationsstrukturen konsequent genutzt werden. Wie die Privatwirtschaft braucht auch die öffentliche Verwaltung eine Strukturpolitik, die darauf abzielt, die bestehenden Effizienz- und Effektivitätsdefizite abzubauen. Diese Politik kann sich an den fünf Prinzipien orientieren, die Rudolf Scharping Anfang September 1994 auf einer Veranstaltung des Gesprächskreises "Strukturreform der öffentlichen Verwaltung" der Friedrich-Ebert-Stiftung formuliert hat, und die unmittelbar auf den kommunalen Bereich angewandt werden können. Das erste Prinzip "steuern statt rudern" setzt an der selbst auferlegten Überforderung der öffentlichen Verwaltung an. Hiernach sollten auch die Kommunen nur die Aufgaben übernehmen, die sie und nur sie besser als andere erledigen können. Alle übrigen Güter und Dienste sollten dem Wettbewerb und verschiedenen Gruppen - wie freie Träger, private Unternehmen, Selbsthilfegruppen - überlassen werden; dies gilt auch für die Bereich der Produktion öffentlicher Leistungen. Diese Regelung führt zu Entlastungen bei Politik und Verwaltung. Sie gewährleistet, daß sich die Städte und [Seite der Druckausgabe: 67] Gemeinden wieder stärker auf die Steuerung öffentlicher Leistungen und die Politik wieder stärker auf ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Treffen strategischer Entscheidungen konzentrieren können. Dem zweiten Prinzip "Resultate sind wichtiger als Regeln" liegt die Erkenntnis zu Grunde, daß die traditionelle Verwaltung zu wenig produkt- und ergebnisorientiert ist, dafür aber zu stark auf die Einhaltung von Regeln achtet. Der SPD-Parteivorsitzende betont, daß die politische Debatte sich oft nur auf den Input und auf die eingesetzten Finanzmittel, dagegen weniger auf das tatsächlich gezielte Ergebnis konzentriert. Ob ein Gesetz sein Ziel erreicht, wird selten überprüft. Kosten und Nutzen des staatlichen Handelns müssen aber nicht zuletzt auch in den Kommunen transparent sein. Für ihre Kontrollaufgaben benötigen die Politiker Informationen über Kosten und Ergebnisse des Verwaltungshandelns, die zur Zeit häufig noch fehlen. Solche Daten sind aber für die Kontrolle eines effizienten, zielorientierten und sparsamen Einsatzes öffentlicher Mittel unverzichtbar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß das Dienstleistungsbewußtsein der kommunalen Verwaltung gestärkt wird, wobei die geänderten Anforderungen von Gesellschaft, Bürgern und Wirtschaft an öffentliche Güter und Dienste zu beachten sind. Das Prinzip "Autonomie statt Hierarchie" betrifft den Prozeß der Dezentralisierung von Aufgaben- und Ressourcenverantwortung, der in der privaten Wirtschaft bereits seit einigen Jahren mit Erfolg läuft. Die meisten Kommunalverwaltungen müssen dagegen diese Aufgabe erst noch in Angriff nehmen. Eigenverantwortliches und erfolgsorientiertes Handeln muß hier regelrecht provoziert werden. Wichtig ist, daß die Verwaltungsprozesse nicht weiter zentralistisch organisiert werden. Vielmehr sind kleinere Verwaltungseinheiten mit festem Budget, klarer Aufgabenzuweisung und abgesicherter Ressourcen- und Ergebnisverantwortung zu schaffen mit der Konsequenz, daß sich zugleich Erfolgsorientierung und Leistungsbereitschaft einstellen. [Seite der Druckausgabe: 68] Das vierte Prinzip "Wettbewerb statt Monopol" unterstreicht, daß die Sozialdemokratie auch im öffentlichen Sektor mehr Möglichkeiten des Wettbewerbs schaffen will. Ziel ist hierbei die kostengünstige, zuverlässige und dauerhafte Leistungserstellung mit diskriminierungsfreiem Zugang für jeden Bürger. Wer solche Leistungen erbringt, ist eine zweitrangige Frage. Allerdings sollten öffentliche Monopole nicht durch private abgelöst werden, weil letztere nicht mehr kontrollierbar und auch kaum beherrschbar sind. Entscheidend bleibt, daß die Verwaltung in Aufgabenbereichen, die in öffentlicher Verantwortung bleiben (müssen), auch bei intensiviertem Wettbewerb Ziele vorgeben kann und über Steuerungsinstrumente verfügt. Schließlich fordert Rudolf Scharping "Motivation statt Alimentation". Hierbei geht es darum, die Beschäftigten frühzeitig in den Verwaltungsreformprozeß einzubeziehen. Es gilt, die vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen, die Motivation und Kreativität auch von den Mitarbeitern der Kommunalverwaltungen nicht zu benutzen, sondern sie in einem leistungs- und motivationsorientierten Wettbewerb zu nutzen. Die Beschäftigten müssen als wertvolle Ressource erkannt werden, deren Entwicklung - z.B. durch Fortbildung - besonders wichtig und erfolgversprechend erscheint. Den Mitarbeitern müssen interessante Arbeitsplätze, auch solche mit Eigenverantwortung und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten geboten werden. Unverzichtbar sind weiter Änderungen im Führungsverhalten der Vorgesetzten und im Arbeitsumfeld. Teamarbeit und Mobilität der Beschäftigten erhalten bei der Verwaltungsmodernisierung ebenso einen neuen Stellenwert wie neue Methoden des Personalmanagements. Dies alles erfordert Reformen im öffentlichen Dienstrecht, das anpassungsfähiger, leistungsorientierter und durchlässiger werden muß, sowie einen Bruch mit traditionellen Personalführungssystemen und Organisationsstrukturen. Hinzu kommen müssen Änderungen bei den Vergütungstarifen, weil die Bezahlung in ihrer derzeitigen Höhe und Regelung nicht sehr motivierend wirkt. Wichtig ist schließlich, daß die Modernisierung der kommunalen Verwaltung als politische Daueraufgabe aufgefaßt wird. Mit einer einmaligen Anstrengung, auch wenn sie noch so tiefgreifend war, kann die notwendige Reform nicht vollzogen werden, nicht zuletzt weil sich das Umfeld und die politischen Vorgaben permanent [Seite der Druckausgabe: 69] ändern. Die Umstrukturierung der zur Zeit noch rückständigen Verwaltungsorganisation muß deshalb kontinuierlich erfolgen. Dabei wächst der Handlungsdruck: Schon heute zeichnet sich ab, daß im kommenden Jahrzehnt die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung für Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Bedeutung sein wird. Die Rahmenbedingungen für die Verwaltungsreformen in unseren Städten und Gemeinden sind durch mutige und konsequente politische Entscheidungen festzulegen. Die Steuerung und Überprüfung der permanenten Optimierung hinsichtlich Zielkongruenz ist mit Hilfe einer prozessorientierten Kosten- und Leistungskontrolle sicherzustellen. Diese Strategie führt zu einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung, die für die Bewältigung der sich abzeichnenden Herausforderungen an den Standort Deutschland dringend gebraucht wird. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |