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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 21]

3. Finanzierung junger Technologieunternehmen



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3.1 Der Kapitalbedarf und Finanzierungsquellen junger Technologieunternehmen

Ein wesentliches Merkmal von JTU ist der hohen Bedarf an Kapital, das langfristig und liquiditätsschonend zur Verfügung steht. Diese Bedarfsstruktur und die Finanzierungsprobleme von JTU [Gerybadze, A.; Müller, R.: Finanzierung von technologieorientierten Unternehmensgründungen. Zur Hypothese der Kapitalmarktdiskrepanz, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1990] leiten sich daraus ab, daß JTU

  • komplexe Innovationsprojekte mit einer langen Zeitspanne durchführen, bis nennenswerte Rückflüsse aus der Vermarktung eintreten,

  • ein hohes Innovations- und Unternehmensrisiko aufweisen,

  • in den ersten Entwicklungsphasen praktisch über keine Selbstfinanzierungskraft verfügen,

  • die Höhe des Kapitalbedarfs, die Risiken und die zukünftige Unternehmensentwicklung für Kapitalgeber schwer abschätzbar sind; dies führt zusammen mit dem Fehlen dinglicher Sicherheiten zu einer Zurückhaltung von Kreditinstituten bei der Finanzierung von JTU,

  • bei Finanzierungsproblemen der Kapitalbedarf kaum reduzier- oder zeitlich streckbar ist, da hierdurch die Gefahr entsteht, daß das Innovationsvorhaben nicht umsetzbar ist oder komparative Wettbewerbsvorteile verlorengehen, die aufgrund des Zeitvorsprungs bestehen. [Kulicke, M. u.a.: Chancen und Risiken junger Technologieunternehmen - Ergebnisse des Modellversuchs „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen" (TOU). Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Heft 4. Heidelberg: Physica Verlag, 1993]

Bereits in Kapitel 2 wurde festgestellt, daß neugegründete Technologieunternehmen in den NBL für FuE und Markteinführung einen Kapitalbedarf von zwei bis drei Mio. DM haben. Eine Studie des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) [Kulicke, M.; Hemer, J.; Wupperfeld, U.: Zum Stand des Modellversuchs "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) - Zwischenbericht zum 31.12.1993, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994], [Wupperfeld, U. unter Mitarbeit von Hemer, J.: Die Betreuung junger Technologieunternehmen durch ihre Beteiligungskapitalgeber. Empirische Untersuchung. Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1995], die 42 im Rahmen des Modellversuchs "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) begünstigte JTU untersucht, gibt für einen Zeitraum von reichlich fünf Jahren nach der Gründung einen durchschnittlichen Kapitalbedarf von 3,44 Mio. DM pro Unternehmen an. Diese Unternehmen erzielten im Vorjahr der Befragung (1993) im Durchschnitt einen Umsatz von 2,8 Mio. DM und beschäftigten 17 Mitarbeiter. Das Geschäftsjahr 1993 hatten jeweils rund 40 Prozent der JTU mit einem Gewinn bzw. mit einem Verlust und ca. 20 Prozent mit einem ausgeglichenen Ergebnis abgeschlossen.

Für knapp ein Drittel der JTU errechnet sich ein Kapitalbedarf von bis zu zwei Mio. DM, für 47 Prozent zwischen zwei und fünf Mio. DM und für 20 Prozent von über 5 Mio. DM. Insgesamt wendeten die befragten JTU durchschnittlich 2,6 Mio. DM für FuE auf, wobei

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der jährliche Durchschnittswert bei 580 TDM liegt. Dabei zeigt sich zwar die Tendenz, daß in den ersten Geschäftsjahren die FuE-Aufwendungen höher sind als in späteren Jahren, ein nennenswerter Rückgang läßt sich, von Einzelfällen abgesehen, jedoch nicht feststellen. Bei diesen Angaben ist jedoch einschränkend zu berücksichtigen, daß sich die JTU zum Zeitpunkt der Befragung in unterschiedlichen Geschäftsjahren befanden und daß der Kapitalzufluß in der Regel nicht kontinuierlich erfolgt, sondern entsprechend dem Finanzierungsbedarf schwankt. Zudem konnte nicht ermittelt werden, im welchem Ausmaß der Kontokorrentrahmen in Anspruch genommen und Gewinne aus der bisherigen Geschäftstätigkeit reinvestiert wurden. Dennoch geben die Ergebnisse eine gute Vorstellung über den Kapitalbedarf für den Aufbau eines JTU.

Für die Finanzierungsquellen der JTU spielen Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mittel eine herausragende Rolle. [Pleschak, F.; Sabisch, H,; Wupperfeld, U.: Innovationsorientierte kleine Unternehmen. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1994] Sie haben einen Anteil von 58 Prozent am Gesamtkapital. Im einzelnen entfallen

  • 26 Prozent auf stille Beteiligungen und eigenkapitalähnliche Darlehen,

  • 25 Prozent auf öffentliche Zuschüsse,

  • 21 Prozent auf Gesellschafterdarlehen und Agiozahlungen aus direkten Beteiligungen,

  • 12 Prozent auf öffentliche Darlehen,

  • 11 Prozent auf das Gesellschaftskapital,

  • 4 Prozent auf langfristige Bankkredite sowie

  • 1 Prozent auf sonstige Kapitalquellen.

Bei diesen Finanzierungsquellen fällt auf, daß der Anteil von Bankkrediten sehr gering ist. Allerdings wurden Kontokorrentkredite hierbei nicht berücksichtigt. Würden diese hinzugerechnet, ergäbe sich ein Anteil der Kredite von ca. 20 Prozent. Die öffentlichen Zuschüsse beziehen sich im wesentlichen auf die FuE-Projekte der JTU. Hierunter fallen auch die Zuschüsse für die Unternehmen, die im Modellversuch TOU (in den alten Bundesländern) gefördert wurden. Die öffentlichen Darlehen dienen schwerpunktmäßig der Finanzierung von Investitionen. Der hohe Anteil von Eigenkapital und eigenkapitalähnlicher Mittel ist weniger ein Indiz dafür, daß die JTU über eine solide finanzielle Basis verfügen und damit geringe Finanzierungsschwierigkeiten aufweisen, sondern spiegelt vielmehr die Probleme der Unternehmen wieder, Bankkredite zu erhalten. Vor allem vor dem Hintergrund der gegenwärtigen schwierigen Wirtschaftssituation sieht sich ein großer Teil der befragten Unternehmen erheblichen Finanzierungsproblemen gegenüber.

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3.2 Die Bedeutung von Beteiligungskapital für die Finanzierung junger Technologieunternehmen



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3.2.1 Die Funktionsweise von Beteiligungsgesellschaften

Nach der Definition des Bundesverbandes deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften -German Venture Capital Association e.V. (BVK) sind unter Beteiligungskapital Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel zu verstehen, die von außerhalb des organisierten Kapitalmarktes in Unternehmen eingebracht werden. Diese Kapitaleinlage ist mit Kontroll-, Informations- und Mitentscheidungsrechten sowie zum Teil mit einer Managementunterstützung durch den Investor verbunden. [Frommann, H.: Venture Capital in Deutschland - Mißverständnisse in der Öffentlichkeit, in: Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften - German Venture Capital Association (BVK) (1992): Geschäftsbericht 1992, S. 29-32], [Schröder, C.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften: Ein Einblick in Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse von institutionellen Eigenkapitalinvestoren, Baden-Baden 1992] Aus Sicht der finanzierten Unternehmen dient die Aufnahme von Beteiligungskapital zur Finanzierung von Aktivitäten oder eines bestimmten Vorhabens, für das die Innenfinanzierung nicht ausreicht und deshalb Eigenkapital von außerhalb des bisherigen Gesellschafterkreises zugeführt werden muß. [Kulicke, M. u.a.: Chancen und Risiken junger Technologieunternehmen - Ergebnisse des Modellversuchs „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen" (TOU). Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Heft 4. Heidelberg: Physica Verlag, 1993]

Beteiligungskapital wird in der Bundesrepublik vor allem von Beteiligungsgesellschaften angeboten. Hierbei handelt es sich um Intermediäre, die von Investoren (Banken, Versicherungen, Unternehmen, Privatpersonen) Kapital beschaffen, das in einen Fonds eingezahlt wird. [Bei geschlossenen Fonds] Die Größe des Fonds kann sehr unterschiedlich sein: Kleine Fonds haben ein Volumen von wenigen Millionen DM, die größten Beteiligungsgesellschaften verwalten vielfach mehrere Fonds mit mehreren hundert Millionen DM. Das Kapital wird in Unternehmen (Portfoliounternehmen, PFU) investiert, bei denen es sich in aller Regel um mittelständische Unternehmen handelt. Die Höhe solcher Beteiligungen beträgt bei JTU in der Regel mindestens 100 bis 200 TDM, bevorzugt werden jedoch Investments von über 500 TDM. Die finanziellen Mittel können in unterschiedlicher Form bereitgestellt werden:

  • direkte Beteiligung am Stammkapital des Portfoliounternehmens. Die meisten Beteiligungsgesellschaften bevorzugen Anteile zwischen 25 und 49 Prozent,

  • typische und atypische stille Beteiligungen [Bei der Stillen Gesellschaft geht die Kapitaleinlage in das Vermögen des JTU über. Es handelt sich um eine reine Innengesellschaft, da nach außen nur die Rechtsform des JTU in Erscheinung tritt. Stille Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust beteiligt, wobei letzteres auch ausgeschlossen werden kann. Sie haben bei der typischen Stillen Gesellschaft Anspruch auf Rückzahlung der Einlage zum Nominalwert, bei der atypischen Stillen Gesellschaft sind sie auch an den stillen Reserven und den Vermögenszuwächsen des JTU beteiligt.],

  • eigenkapitalähnliche Darlehen (z.B. Gesellschafterdarlehen, langfristige Darlehen mit Rangrücktritt im Konkursfall).

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Für das finanzierte Unternehmen steht Beteiligungskapital nicht kostenlos zur Verfügung, vielmehr verfolgen erwerbswirtschaftliche Beteiligungsgesellschaften zum Teil hochgesteckte Renditeziele. Bei stillen Beteiligungen und eigenkapitalähnlichen Darlehen fällt ein laufendes Entgelt an, das sich aus einer fixen und einer variablen, gewinnabhängigen Komponente zusammensetzt. Erwirtschaftet das Portfoliounternehmen Gewinne, liegt seine Höhe erfahrungsgemäß bei etwa 15 Prozent des Finanzierungsvolumens p.a.. Die Laufzeiten der stillen Beteiligungen betragen üblicherweise zehn Jahre. Danach wird die Beteiligung vom Portfoliounternehmen zurückgezahlt. Es bestehen aber auch Verlängerungsoptionen sowie Umwandlungsmöglichkeiten in langfristige Darlehen.

Etwas anders gestaltet sich die Situation bei direkten Beteiligungen: In diesem Fall ist die Beteiligungsgesellschaft ein Mitunternehmer, der an den Gewinnen und Verlusten des Portfoliounternehmens partizipiert. Fallen Gewinne an, können diese entweder, wie auch an die übrigen Gesellschafter, ausgeschüttet oder im Unternehmen belassen werden. Dabei sind einige Beteiligungsgesellschaften weniger an laufenden Ausschüttungen, sondern an einer Wertsteigerung des Unternehmens und damit auch ihrer Beteiligung interessiert. Ihr Ziel ist es, ihre Anteile nach fünf bis zehn Jahren mit einem Gewinn zu veräußern. Dies kann, was in Deutschland jedoch nicht die Praxis ist, im Rahmen einer Börseneinführung erfolgen. Eine andere Möglichkeit besteht im Verkauf der Anteile an Industrieunternehmen. [Wupperfeld, U.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften im deutschen Seed-Capital-Markt - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von 33 Beteiligungsgesellschaften und Banken -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994] Die Gründer der JTU haben hingegen kaum eine Chance, die Anteile der Beteiligungsgesellschaft wieder zu erwerben, da sie in aller Regel die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufbringen können.

Neben diesen renditeorientierten Beteiligungsgesellschaften existieren in Deutschland auch Beteiligungsgesellschaften, deren Ziel es ist, Unternehmen zu fördern. Hier sind vor allem die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften zu nennen, die kleineren und mittleren Unternehmen stille Beteiligungen zu günstigen Konditionen (Summe von gewinnunabhängigem und gewinnabhängigem Beteiligungsentgelt in der Regel unter zehn Prozent der Beteiligung) zur Verfügung stellen.

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3.2.2 Die Beteiligungskapitalmärkte in Europa

Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt im Überblick

In der Bundesrepublik besteht zwar seit den sechziger Jahren ein Angebot an Beteiligungskapital, ein nennenswertes Volumen erreichte der Beteiligungskapitalmarkt jedoch erst in den achtziger Jahren. Vor allem seit 1985 ist der deutsche Markt durch eine dynamische Entwicklung mit hohen jährlichen Zuwachsraten gekennzeichnet. Nach Angaben des BVK hat sich das Marktvolumen von 1983 bis 1992 um das Sechsfache erhöht und die Anzahl der Beteiligungen mehr als verdoppelt. Dennoch ist der deutsche Beteiligungskapitalmarkt in Relation zum Bruttoinlandsprodukt wesentlich kleiner als der US-amerikanische oder der englische. Die Entwicklung des Jahres 1993 legt die Vermutung nahe, daß er sich gegenwärtig im Übergang zu einer Konsolidierungsphase befindet (Zunahme des Marktvolumens von rund 8 Prozent). Das durchschnittliche Beteiligungsvolumen pro Investment stieg in diesem Zeitraum von einer dreiviertel Million auf knapp zwei Mio. DM. (siehe Tabelle 9)

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Tab. 9: Stand des deutschen Beteiligungsmarktes zum 31.12.1993


Merkmal

Stand zum 31.12.1993

Fondsvolumen (Investitionen und noch freie Mittel geschlossener Fonds)

8,3 Mrd. DM

neues verfügbares Beteiligungskapital In 1993

0,4 Mrd. DM

insgesamt investiertes Kapital

5,4 Mrd. DM

Durchschnittlicher Beteiligungsbetrag 1993


- für Erstinvestitionen

1,7 Mio. DM

- für Folgeinvestitionen

2,1 Mio. DM

Bruttoinvestitionen 1993:


- Anzahl (und Volumen) neuer Beteiligungsabschlüsse

442 (763 Mio. DM)

- Anzahl (und Volumen) von Erhöhungen bestehender Engagements

168 (349 Mio. DM)

Bestehende Beteiligungen Ende 1993

2.758

Abgänge 1993:


- Teilverkäufe

92,7 Mio. DM

- Totalverkäufe

470,9 Mio. DM

- Totalverluste

110.9Mio.DM

Nettoinvestitionen 1993 (Saldo aus Bruttoinvestitionen und Abgängen)

437 Mio. DM

Investments nach Phasen für den Gesamtbestand (in Klammern bezogen auf die Anzahl der Engagements)


- Expansion

66 % (57 %)

- Management-Buy-Out/-Buy-ln (MBO/MBI)

18 % (8%)

- Bridge

6 % (1 %)

- Start-up

5 % (23 %)

- Turnaround

2 % ( 3 %)

- Seed

2 % ( 8 %)

Investorenstruktur:


- private Banken

38%

- öffentlich-rechtliche Banken

15%

- Sparkassen

5%

- Versicherungen

14%

- Industrieunternehmen

10%

- Privatpersonen

7%

- Staat

6%

- Sonstige

4%

Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften - German Venture Capital Association e.V. (BVK)



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Bezogen auf das Beteiligungsvolumen spielen Engagements an neugegründeten und jungen Unternehmen (nicht ausschließlich JTU) in der Bundesrepublik nur eine untergeordnete Rolle; bezogen auf die Anzahl entfällt jedoch immerhin ein knappes Drittel auf Beteiligungen im Seed- und Start-up-Bereich. Bei diesen Daten des BVK ist jedoch zu berücksichtigen, daß sie naturgemäß nicht die Kapitalbereitstellung von Kreditinstituten über eigenkapitalähnliche Darlehen enthält. Ferner sind die meisten der kleineren Seed-Capital-Gesellschaften nicht Mitglied im BVK und es ist nicht bekannt, ob sie unter den zwölf Nichtmitgliedern zu finden sind, die in die Statistik zum Gesamtmarkt einbezogen wurden.

Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt ist durch die hohe Bedeutung öffentlich geförderter Beteiligungsgesellschaften gekennzeichnet, obwohl der Anteil dieser Gesellschaften am gesamten Beteiligungsvolumen seit 1983 deutlich zurückging, (von 21 auf knapp 12 %). Ende 1992 entfiel auf sie immerhin noch ein Volumen von rund 540 Mio. DM. Bedingt durch ihre relativ kleinen Investments gehen sie jedoch deutlich mehr Engagements (1992: rund 2.500) ein als die privaten Beteiligungsgesellschaften.

Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt im europäischen Vergleich

Ende 1993 betrug in Europa das kumulierte Fondsvolumen 40,5 Mrd. ECU. [1994 evca Yearbook, Zaventem 1994] Das kumulierte europäische Fondsvolumen wuchs gegenüber dem Vorjahr um 5,4 Prozent. Wie die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen, bestehen sowohl in bezug auf die Marktgröße als auch deren Wachstumsrate innerhalb der einzelnen Staaten erhebliche Unterschiede. Der größte Einzelmarkt war der britische mit einem Anteil von 42 Prozent (17 Mrd. ECU). Der zweitgrößte Markt ist der französische (Anteil: 21 %), gefolgt vom deutschen und italienischen (Anteil: 11 bzw. 9 %) (siehe Abbildung 2).

Trotz der herausragenden Stellung des britischen Marktes weisen die Märkte der anderen Staaten mittlerweile jedoch eine größere Dynamik auf. So ist im Hinblick auf die neu akquirierten Fondsmittel im Jahr 1993 (europaweit: 3,4 Mrd. ECU) die britische Dominanz geringer ausgeprägt: 36 Prozent entfielen auf Großbritannien, 24 Prozent auf Frankreich, neun Prozent auf Italien und sechs Prozent auf Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr ist in Deutschland der Umfang der den Beteiligungsgesellschaften neu zur Verfügung stehenden Mittel um 75 Prozent zurückgegangen. Frankreich und Großbritannien verzeichneten hingegen einen wesentlich geringeren Rückgang von knapp drei bzw. ein Prozent.

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1992 wurden europaweit insgesamt 4,1 Mrd. ECU in neue Beteiligungen oder in Aufstockungen bestehender Engagements investiert. Bezogen auf die Anzahl der Abschlüsse waren es rund 5400 Investments. Abbildung 6 zeigt die Verteilung nach einzelnen Staaten bezogen auf die Höhe der neu abgeschlossenen Beteiligungen. Auf Großbritannien, Frankreich und Deutschland entfallen drei Viertel dieser neuen Engagements.

Betrachtet man die Verteilung nach Finanzierungsphasen, zeigt sich, daß lediglich 0,5 Prozent des europaweit 1993 neu investierten Kapitals der Frühphasenfinanzierung von Neugründungen (Seed Capital) und 4,4 Prozent der Aufbaufinanzierung von jungen Unternehmen (Start-up Capital) diente. Der Schwerpunkt lag also eindeutig auf der Wachstumsfinanzierung (Anteil: 46 %) sowie auf der Finanzierung von Management-Buy-Outs (Anteil: 41 %). Die unterschiedliche Bedeutung dieser unterschiedliche Marktsegmente in den einzelnen Staaten zeigt Abbildung 3. Obwohl vom Volumen her der eindeutig größte Einzelmarkt, investierten britische Beteiligungsgesellschaften vergleichsweise geringe Beträge in diesen beiden Marktsegmenten. Es dominieren dagegen eindeutig Management-Buy-Outs (62 % des Volumens) und Expansionsfinanzierungen (29 %).

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Die wichtigsten Investorengruppen sind europaweit Kreditinstitute (30 % des bereitgestellten Kapitals), Pensionsfonds (16 %), Versicherungen (10 %) , öffentliche Einrichtungen (7%) Unternehmen (5 %) und Privatinvestoren (3 %).
22 Prozent des verfügbaren Kapitals stammen aus reinvestierten Gewinnen der Beteiligungsgesellschaften, der Rest aus sonstigen Quellen. Aber auch hierbei bestehen große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten:

  • Großbritannien: hohe Bedeutung der Pensionsfonds (Bereitstellung von 35 % des neuen Kapitals), gefolgt von Kreditinstituten (22 %) und Versicherungen (16 %); eine weiter bedeutende Quelle sind auch die reinvestierten Gewinne der Beteiligungsgesellschaften (17 %);

  • Frankreich: an erster Stelle stehen Kreditinstitute (31 %), aber 38 Prozent stammen aus reinvestierten Gewinnen der Beteiligungsgesellschaften; die drittwichtigste Kapitalquelle sind Versicherungen (11 %);

  • Italien: eindeutige Dominanz des Kreditsektors (54 %), gefolgt von reinvestierten Gewinnen (12 %), andere Quellen spielen kaum eine Rolle;

  • Deutschland: mehr als die Hälfte der neuen Fondsmittel stellt der Kreditsektor zur Verfügung; 14 Prozent stammt aus sonstigen Quellen, 12 Prozent von Versicherungen; reinvestierte Gewinne leisteten keinen Betrag.

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Im Jahr 1993 wurden in Europa Beteiligungen im Wert von 2,3 Mrd. ECU desinvestiert. 28 Prozent erfolgten durch Abschreibungen, d.h., sie stellen Verluste für die Beteiligungsgesellschaften dar. Läßt man diese außer acht, dann konnte in Großbritannien mehr als die Hälfte der übrigen Desinvestments durch einen Börsenverkauf realisiert werden. In Frankreich und in Italien stellt dagegen der Verkauf an andere Unternehmen den typischen Exit-Weg dar (79 % bzw. 94 %). Aufgrund der großen Bedeutung der stillen Beteiligungen in Deutschland durch öffentlich getragene Beteiligungsgesellschaften ist der dabei übliche Rückkauf des Investments der am häufigsten beschrittene Exit-Weg (36 %). An zweiter Stelle steht die Anteilsveräußerung (27 %) an andere Unternehmen, gefolgt von der Börseneinführung (12 %), der Rest sind sonstige Wege einschließlich Totalverluste.

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3.2.3 Typen deutscher Beteiligungsgesellschaften

Sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern bestehen unterschiedliche Typen von Beteiligungsgesellschaften, die sich in folgenden Merkmalen unterscheiden (siehe Tabelle 10):

  • Initiatoren und Investoren,

  • Beteiligungszweck (Erzielen einer hohen Rendite oder Wirtschaftsförderung),

  • Investitionsschwerpunkt bezogen auf die Finanzierungsphase,

  • Art und Umfang der angebotenen Managementunterstützung sowie

  • bevorzugte Beteiligungsform (z.B. offene oder stille Beteiligung).

Kapitalbeteiligungsgesellschaften der Banken und Versicherungen

Diese Kapitalbeteiligungsgesellschaften (KBG) wurden von Banken oder Versicherungen gegründet. Sie verfolgen Renditeziele, wobei sie vor allem laufende Erträge anstreben. Daneben spielen auch strategische Ziele, wie die Anbahnung und Vertiefung von Kundenbeziehungen oder Public-Relations-Effekte, eine Rolle. [Büschgen, H.E.: Banken und Venture-Capital-Finanzierung in: Die Bank Nr. 6, 1985, S. 284-292 ] [Grisebach, R.: Innovationsfinanzierung durch Venture Capital - Eine juristische und ökonomische Analyse, München 1989] KBG der Banken und Versicherungen haben ihren Investitionsschwerpunkt in der Finanzierung etablierter Wachstumsunternehmen. Sie investieren praktisch nicht in junge und kleine Unternehmen, die geringe Beteiligungsbeträge nachfragen. Gründe sind das hohe Risiko und das ungünstige Verhältnis von Managementkosten für die Auswahl und Betreuung zu den Beteiligungserträgen. KBG der Banken und Versicherungen betreuen ihre Portfoliounternehmen nur in geringem Umfang.

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Kapitalbeteiligungsgesellschaften der Sparkassen

KBG der Sparkassen, Volksbanken, Raiffeisenbanken und deren Dachorganisationen (im wesentlichen Landesbanken und Girozentralen) verfolgen ebenfalls erwerbswirtschaftliche, zum Teil aber auch Ziele der regionalen Wirtschaftsförderung. Im letzteren Fall bieten sie mittelständischen Unternehmen in ihrer Region zumeist stille Beteiligungen zu günstigen Konditionen an, wobei sie häufig das Refinanzierungsangebot aus den ERP-Mitteln nutzen. Sie investieren, ähnlich wie die KBG der Banken und Versicherungen, überwiegend in mittelständische Wachstumsunternehmen; nur einige regionale Gesellschaften beteiligen sich noch in nennenswertem Umfang an JTU.

Mittelständische Beteiligungsgesellschaften

Mittelständische Beteiligungsgesellschaften/Länderfonds (MBG) haben einen wirtschaftspolitischen Auftrag. Sie werden als "Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft" meist von Industrie- und Handelskammern, Landesbanken und regionalen Kreditinstituten getragen und arbeiten eng im regionalen Verbund mit Kreditinstituten zusammen. Sie verfügen nicht über nennenswerte eigene finanzielle Mittel, sondern refinanzieren sich überwiegend durch Förderprogramme des Bundes und der Länder, von denen die ERP-Mittel die größte Bedeutung haben. Daher werden ihre Beteiligungskonditionen bezüglich Beteiligungsbetrag, Alter des Unternehmens, Beteiligungsform, Entgeltregelungen und Rückzahlungszeitpunkte im wesentlichen durch die Modalitäten dieser Programme bestimmt. Bei Ausfällen von geförderten Unternehmen können sie über die Bürgschaftsbanken oder Garantiegemeinschaften auf Garantien des Bundes und des jeweiligen Bundeslandes zurückgreifen. [In Höhe von 70 Prozent der Beteiligung (NBL 85 Prozent). Dies trifft nicht für die im Rahmen des Modellversuchs BJTU geförderten Beteiligungen zu. Hier werden 90 Prozent des Risikos der MBG von der KfW übernommen. Zur Entwicklung und Arbeitsweise der Bürgschaftsbanken vgl. Schutt [Schutt, F.H.: Deutsche Bürgschaftsbanken in der Bewährung, in: Sparkasse, Jg. 110 (1993), Nr. 10, S. 465-467] Die Förderschwerpunkte der MBG liegen bei kleineren, mittleren und zum Teil auch bei neu gegründeten Unternehmen, die sie mit stillen Beteiligungen zu günstigen Konditionen finanzieren.

Venture-Capital-Gesellschaften

Venture-Capital-Gesellschaften sind im Gegensatz zu den KBG der Banken, Sparkassen und Versicherungen unabhängige Beteiligungskapitalgeber. Ihre Investoren sind z.B. Industrieunternehmen, Kreditinstitute, die eigenen Beteiligungsmanager und ausländische Venture-Capital-Gesellschaften. Sie finanzieren vor allem die Wachstumsphasen von

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(auch technologieorientierten) mittelständischen Unternehmen sowie Management-Buy-Outs und Turn-Arounds. Venture-Capital-Gesellschaften wollen überwiegend mit direkten Beteiligungen eine hohe Rendite erzielen, wobei diese teils durch regelmäßige Ausschüttungen, teils in Form eines "Capital Gain" beim Verkauf der Beteiligung realisiert werden soll. [[16] Schröder, C.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften: Ein Einblick in Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse von institutionellen Eigenkapitalinvestoren, Baden-Baden 1992] Aufgrund ihrer internationalen Netzwerke und interdisziplinär zusammengesetzten Managementteams propagieren sie, den Portfoliounternehmen eine umfassende Managementunterstützung anbieten zu können.

Seed-Capital-Gesellschaften

Seed-Capital-Gesellschaften sind eine Sonderform der Venture-Capital-Gesellschaften. Sie unterscheiden sich von diesen durch ihren Investitionsschwerpunkt, der in frühen Entwicklungsphasen von Technologieunternehmen liegt. Diese relativ jungen Gesellschaften gehen im wesentlichen auf zwei Initiatorengruppen zurück: Auf der einen Seite handelt es sich um Manager, speziell aus einer "gründungsnahen Szene", die angeregt durch öffentliche Förderprogramme (z.B. Modellversuch BJTU oder das European Pilot Scheme for the Stimulation of Seed Capital [Der Ende 1988 von der Generaldirektion XIII der EU gestartete Modellversuch "European Pilot Scheme for the Stimulation of Seed Capital" fördert die Gründung von Seed-Capital-Gesellschaften durch zeitlich befristete, rückzahlbare Zuschüsse bis 50 Prozent der Betriebsaufwendungen/Managementkosten. Es werden insgesamt 25 (davon 4 deutsche) Beteiligungsgesellschaften begünstigt, die sich an Neugründungen oder jungen Unternehmen beteiligen.] eine neue Beteiligungsgesellschaft gründeten. Auf der anderen Seite ging die Initiative von Kreditinstituten aus. [Kulicke, M. u.a.: Chancen und Risiken junger Technologieunternehmen - Ergebnisse des Modellversuchs „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen" (TOU). Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Heft 4. Heidelberg: Physica Verlag, 1993] Auch Seed-Capital-Gesellschaften streben eine hohe Rendite an. Einige verfolgen daneben auch Ziele der Wirtschaftsförderung. Seed-Fonds finanzieren ihre Portfoliounternehmen überwiegend mit direkten Beteiligungen, zum Teil auch mit stillen Beteiligungen, und bieten diesen eine aktive und umfangreiche Managementunterstützung.

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Tab. 10: Typen deutscher Beteiligungsgesellschaften [Hamischfeger, M.; Kulicke, M.; Wupperfeld, U.: Zum Stand des Modellversuchs "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) - Zwischenbericht zum 31.12.1991, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1992]
[Tabelle vergrößern]

[Seite der Druckausgabe: 34]

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3.3 Untersuchungsergebnisse zu den Erfahrungen der Gründer junger Technologieunternehmen mit Beteiligungskapital



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3.3.1 Anlässe für die Aufnahme des Beteiligungskapitals

Die Untersuchung des ISI [Kulicke, M.; Hemer, J.; Wupperfeld, U.: Zum Stand des Modellversuchs "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) - Zwischenbericht zum 31.12.1993, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994] zeigt, daß die befragten JTU das Beteiligungskapital überwiegend entweder bereits vor der formalen Gründung oder während der Markteinführungsphase aufgenommen haben und selten während der FuE-Phase (siehe Abbildung 4). Für die erstgenannten waren die finanziellen Mittel aus der Beteiligung meist eine Voraussetzung für den Start der unternehmerischen Tätigkeit (insgesamt ein Drittel der befragten JTU).

Das Beteiligungskapital diente fast ausschließlich zur Finanzierung der Entwicklungsarbeit, der Markteinführung oder zur Finanzierung von Entwicklung und Markteinführung. Nur bei wenigen JTU sollten die Sanierung des Unternehmens oder Wachstumsprozesse finanziert werden. Die Finanzierungsquellen der JTU vor dem Einstieg des Beteiligungskapitalgebers waren überwiegend Eigenmittel, öffentliche Zuschüsse/Darlehen sowie (meist kurzfristige) Bankkredite, wobei diese in der Regel kombiniert wurden. Einige JTU nannten auch Erlöse aus der Unternehmenstätigkeit.

Die Bedeutung des Beteiligungskapitals zur Finanzierung des Unternehmensaufbaus wird auch dadurch unterstrichen, daß für drei Viertel der JTU keine Finanzierungsalternative bestand. Über die Hälfte gab sogar an, daß Risikokapital nicht geplant war und aufgrund einer akuten Notlage, z.B. einer drohenden Überschuldung, eingeworben wurde. Dies war vor allem dann der Fall, wenn das Beteiligungskapital erst während der Markteinführung aufgenommen wurde, weil z.B. die reinvestierten Gewinne nicht zur Finanzierung des Aufbaus der Produktion und Vertriebsorganisation ausreichten. Weitere Gründe dafür, daß viele JTU die Beteiligungsfinanzierung nicht eingeplant hatten, waren die Unterschätzung der Höhe des Kapitalbedarfs, die geringe Kenntnis des Angebots der Beteiligungskapitalgeber sowie Vorbehalte gegenüber Beteiligungskapital, insbesondere gegenüber direkten Beteiligungen.

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3.3.2 Akzeptanz der Gründer gegenüber Beteiligungskapital

Die Entwicklung des Seed-Capital-Marktes wird nicht nur von der
Kapitalangebots-, sondern auch von der -nachfrageseite beeinflußt. Untersuchungen in diesem Zusammenhang haben ergeben, daß deutsche Gründer, wie bereits in Kapitel 2 festgestellt, vielfach Vorbehalte gegenüber Beteiligungskapital, insbesondere gegenüber mitspracheberechtigten Gesellschaftern, haben. [Ludsteck, W.: Risikoscheu macht Risikokapital zu schaffen, in: Süddeutsche Zeitung, 21.11.1994, S. 23] Auch diese Untersuchung zeigt, daß die Gründer der befragten JTU zum Zeitpunkt der Aufnahme des Beteiligungskapitals überwiegend die unternehmerische Unabhängigkeit anstrebten (siehe Abbildung 5). Ein Drittel beabsichtigte sogar, Einzelunternehmer zu bleiben und keine weiteren tätigen Gesellschafter zur Erweiterung des Managements aufzunehmen. Die Position eines Minderheitsgesellschafters war nur für 16 Prozent akzeptabel, auch wenn ein expansives Wachstum des JTU dies erforderlich gemacht hätte.

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Zum Zeitpunkt des Interviews, d.h. durchschnittlich fünfeinhalb Jahre nach der formalen Gründung, ergibt sich ein völlig anderes Bild: Knapp 60 Prozent wären auch zu der Rolle des Minderheitsgesellschafters bereit, wenn dadurch das Unternehmenswachstum oder -überleben gesichert würde. Dieser grundsätzliche Einstellungswandel ist jedoch nur teilweise darauf zurückzuführen, daß gravierende Krisen mit Finanzierungsengpässen auftraten, aus denen nur die Erweiterung des Gesellschafterkreises durch einen finanzstarken Partner einen Ausweg ermöglichte. So war der Wandel auch bei einem Großteil der sich planmäßig entwickelnden JTU zu beobachten. Bei diesen zeigte der bisherige Geschäftsverlauf, daß ohne weitere Partner ein krisenfreies Wachstum des Unternehmens in der Regel nur mit großen Schwierigkeiten und Belastungen der Gründer möglich war. Um das Wachstum nicht zu gefährden, stieg deshalb die Bereitschaft, weitere Gesellschafter aufzunehmen.

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3.3.3 Die Betreuung der jungen Technologieunternehmen durch ihre Beteiligungskapitalgeber

Der Betreuungsbedarf der jungen Technologieunternehmen und die Betreuungsschwerpunkte

Empirische Untersuchungen kommen überwiegend zu dem Ergebnis, daß JTU einen hohen Betreuungsbedarf haben, der in allen unternehmerischen Bereichen auftreten kann. [Bayer, K.: Beratung und Betreuung junger Technologieunternehmen - Erfahrungen aus dem Modellversuch TOU -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1990] Dies bestätigt sich auch in einer Untersuchung des ISI [Kulicke, M.; Hemer, J.; Wupperfeld, U.: Zum Stand des Modellversuchs "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) - Zwischenbericht zum 31.12.1993, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994] (siehe Abbildung 6). In dieser Untersuchung wurden die Gründer von JTU über den Inhalt und die Qualität der Betreuungsleitungen ihrer Beteiligungskapitalgeber befragt. Naturgemäß spiegeln die Ergebnisse dieser Untersuchung zu einem großen Teil die subjektive Meinung der Befragten wider. Wie zu erwarten war, besteht ein Unterstützungsbedarf in verschiedenen unternehmerischen Bereichen. Dabei haben die Gründer vor allem Marketing und Vertrieb hervorgehoben. Hier sahen sich knapp 80 Prozent der JTU erheblichen Problemen gegenüber, die bei der Markteinführung als besonders gravierend eingestuft wurden. Die Ursachen hierfür sind nicht nur auf konjunkturelle Einflüsse und generelle Markteintrittsbarrieren bei JTU bzw. technologischen Innovationen zurückzuführen, sondern auch auf fehlende Erfahrung und Kontakte der Gründer. Viele Gesprächspartner betonten daher einen Bedarf nach Unterstützung nicht nur bei der Entwicklung von Marketingstrategien und Vertriebskonzepten, sondern vor allem nach konkreter, pragmatischer Hilfestellung in operativen Fragen. Dazu zählen z.B. die Vermittlung von Kundenkontakten und die Teilnahme an Verhandlungen mit diesen, die Unterstützung bei der Messevorbereitung, bei der Auswahl einer Werbeagentur etc.

Weitere wichtige Felder sind die Finanzierung, z.B. die Vermittlung weiterer Kapitalgeber oder das Finanzmanagement und allgemeine kaufmännische oder Managementfragen. Eine Reihe der JTU betonten ausdrücklich, daß sie auch hier praktische Tips von erfahrenen Profis, ein ständiges Korrektiv und den Zugang zu einer "Business Community" benötigten. Einige äußerten, eine ideale Betreuung sollte nicht erst ansetzen, wenn Probleme oder eine Krise aufgetreten sind, sondern bereits im Vorfeld, um eine solche Situation zu vermeiden und um die Erfolgschancen des JTU zu verbessern. Nur wenige Gesprächspartner gaben an, keine Unterstützung zu benötigen.

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Diesem Betreuungsbedarf stehen folgenden eindeutige Betreuungsschwerpunkte gegenüber (siehe Abbildung 6): Die umfangreichste Unterstützung erfolgt im Bereich der Finanzierung, in dem insgesamt drei Viertel der JTU Betreuungsleistungen erhalten haben. Nach Angaben der Befragten beziehen sich diese auf die Hilfe bei der Beschaffung von Fremd- und Eigenkapital, auf die Teilnahme an Verhandlungen mit anderen Kapitalgebern oder generell auf das Finanzmanagement. Dabei werden auch einige der Beteiligungskapitalgeber aktiv, die ansonsten die Kapitalbereitstellung nicht mit einem Unterstützungsangebot verbinden. Hierzu zählen vor allem die Banken und MBG. Fragen der Finanzierung stellen deshalb einen Schwerpunkt der Betreuung dar, weil Beteiligungskapital primär eine Finanzierungsfunktion beinhaltet und Beteiligungsmanager in diesem Bereich in der Regel über eine hohe Qualifikation [Schröder, C.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften: Ein Einblick in Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse von institutionellen Eigenkapitalinvestoren, Baden-Baden 1992] und ein ausgeprägtes Netzwerk verfügen. Außerdem erfordert diese Art der Unterstützung kein kontinuierliches Engagement, sondern lediglich eine punktuelle Hilfestellung bei einem akuten Unterstützungsbedarf. [Gorman, M.; Sahlman, W.A.: What do Venture Capitalists do?, in: Ronstadt, R. et al. (Eds.): Frontiers of Entrepreneurship Research 1986, Wellesley 1986, S. 414-436] Der Umfang der Betreuung erhöht sich erst, wenn bei Finanzierungsengpässen oder Investitionen ein weiterer Kapitalzufluß erforderlich ist. Beteiligungsgesellschaften präferieren solche punktuellen Aktivitäten gegenüber kontinuierlichen Betreuungsleistungen, da sie mit einem geringeren Zeitaufwand verbunden sind und sie gezielt ihr Expertenwissen einsetzen können.[MacMillan, l.; Kulow, D.M.; Khoylian, R.: Venture Capitalists' Involvement in their Investments: Extent and Performance, in: Kirchhoff, B.A. et al. (Eds.): Frontiers of Entrepreneurship Research 1988, Wellesley 1988, S. 303-323] Eine Differenzierung nach den einzelnen Beteiligungskapitalgebern zeigt, daß die intensivste Betreuung von den Seed- und Venture-Capital-Gesellschaften sowie den Privatinvestoren bzw. Unternehmen geleistet wird, während KBG des Finanzsektors, Banken und die MBG weniger aktiv sind.

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Der zweite Schwerpunkt ist der strategische Bereich. Knapp 60 Prozent der JTU gaben an, Beratung in Fragen der strategischen Unternehmensführung erhalten zu haben. Hier standen in erster Linie die Entwicklung der Unternehmensstrategien und die Anpassung des Unternehmenskonzepts an die Marktgegebenheiten im Vordergrund. Auch dieses Ergebnis war zu erwarten, da die Betreuungsphilosophie [Cohen, R.: Venture Capital - More Than Money, in: Venture Economics (Eds.): Guide to European Venture Capital Sources, 2nd Ed., London 1988, S. 15-17], [Sapienza, H.J.; Timmons, J.A.: Launching and Building Entrepreneurial Companies: Do the Venture Capitalists Add Value?, in: Brockhaus, R.H. et al. (Eds.): Frontiers of Entrepreneurship Research 1989, Wellesley 1989, S. 245-257] der meisten Beteiligungsgesellschaften darin besteht, ihre Portfoliounternehmen hauptsächlich in grundsätzlichen und strategischen Fragestellungen zu unterstützen und sich weitgehend aus dem operativen Tagesgeschäft herauszuhalten. Eine Befragung der Kapitalgeber ergab hierfür folgende Gründe: [Wupperfeld, U.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften im deutschen Seed-Capital-Markt - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von 33 Beteiligungsgesellschaften und Banken -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994]

  • hoher Zeit- und Kostenaufwand für die Unterstützung in operativen Fragen,

  • geringe Kenntnis der Einzelheiten des täglichen Geschäfts von JTU,

  • hoher Bedarf und hohe Bedeutung der Unterstützung in strategischen Fragestellungen,

  • die Ansicht, daß die Geschäftsführung, insbesondere im operativen Bereich, eine originäre Aufgabe des Managements der JTU sei.

Allerdings läßt ein Vergleich der Angaben der JTU zu ihrem Betreuungsbedarf vermuten, daß eine Reihe der JTU bei strategischen Fragestellungen zu wenig Unterstützung erhalten. Dies trifft vor allem für solche im Portfolio der MBG, aber auch der Kreditinstitute und der KBG des Finanzsektors zu. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die MBG in der Regel explizit nur sehr geringe Unterstützung anbieten. Die Venture- und Seed-Capital-Gesellschaften, d.h. solche Gesellschaften, die ihre Portfoliounternehmen generell stärker betreuen, sind in diesem Bereich hingegen wesentlich aktiver.

Deutlich weniger Unterstützung erhalten die JTU im Bereich Rechnungswesen/Controlling, was sich mit dem geringeren Bedarf erklären läßt, der nur von 30 Prozent der JTU geäußert wurde. Falls eine Betreuung geleistet wird, beginnen Beteiligungskapitalgeber vielfach nach Abschluß der Beteiligung damit, den Aufbau eines effizienten, zum Teil selbstentwickelten Informations- und Controllingsystems zu unterstützen bzw. ein solches selbst einzuführen. Dieses wird dann auch zur Überwachung des Beteiligungsbestands genutzt.

Knapp zwei Drittel der JTU mußten in ihrer bisherigen Entwicklung eine oder mehrere (gravierende) Krisen überstehen.[Hemer, J.; Kulicke, M.: Unternehmenskrisen in jungen Technologieunternehmen: Eine empirische Analyse der Krisenverläufe von im Modellversuch "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) begünstigten Unternehmen. Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1995.] Bei 17 Prozent bestanden ernsthafte Probleme, die jedoch nicht als echte Krisen einzustufen sind. Lediglich 19 Prozent hatten einen weitgehend problemfreien Geschäftsverlauf. Die Ursachen dieser Krisen oder Probleme lagen

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vor allem in den Bereichen Marketing (vor allem bei der Markteinführung), Finanzierung oder waren auf generelle Schwierigkeiten beim Unternehmensmanagement zurückzuführen. In anderen Bereichen (z.B. FuE, Personal, Produktionsaufbau) traten dagegen wesentlich seltener ernsthafte Schwierigkeiten auf. Diese Ergebnisse entsprechen weitgehend denen anderer empirischer Untersuchungen. Vgl. Wupperfeld [Wupperfeld, U. (unter Mitarbeit von Kulicke, M.): Mißerfolgsursachen junger Technologieunternehmen. FhG-ISI, Karlsruhe, 1993], Schuster, Winkel [Schuster, H.; Winkel, A.: Insolvenzgründe junger technologieorientierter Unternehmen, eine Untersuchung der Forschungsstelle für den Handel Berln e.V. und des Marketinglehrstuhls der TU Berlin, Berlin 1986], Bruno, Leidecker [Bruno, A. V.; Leidecker, J.K.: A Comparative Study of New Venture Failure: 1960 vs. 1980, in: Churchill, N.C. et al. (Eds.): Frontiers of Entrepreneurship Research 1987, Wellesley 1987, S. 375-388]. Gorman, Sahlman [[24] Gorman, M.; Sahlman, W.A.: What do Venture Capitalists do?, in: Ronstadt, R. et al. (Eds.): Frontiers of Entrepreneurship Research 1986, Wellesley 1986, S. 414-436] weisen darauf hin, daß Mißerfolge auch durch das Engagement von Venture-Capital-Gesellschaften entstehen.

Trotz eines vorhandenen Unterstützungsbedarfs haben von den JTU mit Problemen oder Krisen lediglich 21 Prozent ein intensives Krisenmanagement erhalten. Weiteren 15 Prozent wurde in relativ geringem Umfang geholfen. Fast zwei Drittel gaben an, bei Krisen überhaupt keine Hilfe von ihrer Beteiligungsgesellschaft in diesem Bereich erhalten zu haben. Dieses Ergebnis überrascht insofern, als Beteiligungskapitalgeber im Rahmen einer Befragung selbst äußerten, daß die Betreuung von JTU in Krisensituationen einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit darstelle. [Wupperfeld, U.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften im deutschen Seed-Capital-Markt - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von 33 Beteiligungsgesellschaften und Banken -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994] Zudem ist es für einen Eigenkapitalgeber deshalb von besonderer Bedeutung, existenzbedrohende Krisen abzuwenden, da das Scheitern eines Portfoliounternehmens den Verlust seiner Einlage bedeutet. Allerdings äußerte eine Reihe der JTU, bei Problemlagen von externen Beratern, anderen Beiratsmitgliedern, Bekannten, der Hausbank u.a. unterstützt worden zu sein. Nur knapp ein Viertel erhielt von keiner Seite Hilfe.

Eine Differenzierung nach Typen der Beteiligungskapitalgeber zeigt, daß auch beim Krisenmanagement Venture- und Seed-Capital-Gesellschaft am aktivsten sind. Allerdings bezieht sich auch ihre Unterstützung überwiegend auf finanzielle Aspekte, z.B. die Suche nach weiteren Kapitalgebern, Verhandlungen mit Banken oder Erhöhung der eigenen Einlage. Erst an zweiter Stelle rangieren die strategische Umorientierung oder die Reorganisation des JTU. Maßnahmen zur Verbesserung der Vertriebsleistung, z.B. die Suche nach neuen Vertriebspartnern oder das Erschließen neuer Kundengruppen, spielen hingegen eine weitaus geringere Rolle. Das heißt, viele Beteiligungsgesellschaften versuchen bei Krisen, die Symptome bzw. Auswirkungen zu mildern, statt die Ursachen zu beheben. Eine Erklärung für dieses Verhalten könnte wiederum die Tatsache sein, daß viele deutsche Beteiligungskapitalgeber ihr Angebot in erster Linie als Finanzierungsangebot verstehen, im Finanzierungsbereich über eine sehr hohe Kompetenz und ein umfangreiches Kontaktnetz verfügen. Dagegen sind die Qualifikationen und personelle Ressourcen zur Bewältigung der übrigen managementbezogenen Betreuungsleistungen weniger stark ausgeprägt.

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Die Angaben der Gründer zu ihrem Unterstützungsbedarf und andere empirische Untersuchungen über JTU zeigen deutlich, daß JTU in Marketing und Vertrieb einen besonders hohen Betreuungsbedarf haben. Deshalb wäre es plausibel, wenn Beteiligungskapitalgeber in diesem für die Entwicklung des JTU besonders kritischen Bereich eine umfangreiche Managementunterstützung anbieten. Allerdings kommt die Befragung der JTU zu einem ganz anderen Ergebnis: Über 60 Prozent der JTU haben keinerlei Betreuung erhalten, nur acht Prozent sprachen von einer intensiven Betreuung, der Rest wurde überwiegend in geringem Umfang unterstützt. In Marketing und Vertrieb besteht daher eine große Diskrepanz zwischen Betreuungsbedarf und geleisteter Unterstützung. Dies trifft auch für eine Reihe der Beteiligungskapitalgeber zu, die ansonsten ein Hands-On-Management (intensive Betreuung der Portfoliounternehmen) leisten. Vielfach wurde von den JTU geäußert, daß den Beteiligungsmanagern hierzu die erforderliche Qualifikation (z.B. Branchenkenntnis, Vertriebserfahrung, Marketingwissen) fehle. Eine andere Ursache könnten die hohen Kosten sein, die eine konkrete und pragmatische Hilfestellung (z.B. Suche nach und Verhandlungen mit Kunden oder Vertriebspartnern) verursacht. So beschränken sich die Betreuungsleistungen überwiegend auf konzeptionelle Aspekte, z.B. das Erarbeiten von Marketing- oder Vertriebsplänen, und weniger auf die Umsetzung. Allerdings ist letzteres nicht unbedingt von einer Beteiligungsgesellschaft zu erwarten, da operative Maßnahmen im Marketing zu den ureigensten Aufgaben der Unternehmer gehören.

Die Betreuung in den übrigen Gebieten (Organisation/Personal, operativer Bereich, FuE, Produktion) vollzieht sich auf einem sehr geringen Niveau. Bei FuE und Produktion erfolgen in der Regel keinerlei Unterstützungsleistungen. Hier besteht auch kaum ein Bedarf der JTU, deren Gründer bzw. Management in der Regel technisch hochqualifiziert sind. Bei organisatorischen Fragestellungen ist der Betreuungsbedarf ebenfalls vergleichsweise gering. So treten z.B. organisatorische Probleme erst ab einer bestimmten Größenordnung des Unternehmens auf, die die befragten JTU meist noch nicht erreicht haben.

In operativen oder Fragen des Tagesgeschäfts besteht seitens der JTU jedoch durchaus ein Bedarf nach Hilfestellung. Entsprechend ihrer Betreuungsstrategie bieten die meisten Beteiligungskapitalgeber allerdings keine Unterstützung an, da die Kosten in Relation zu dem Nutzen der Betreuung sehr hoch wären. Zudem sehen Beteiligungsgesellschaften die Führung des Unternehmens als eine originäre Aufgabe der Gründer und des Managements der JTU an.

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Bewertung der Betreuungsleistungen

Während die Höhe des eingeworbenen Kapitals weitgehend positiv eingestuft wurde, spiegeln die Angaben zur Betreuung vielfach Unzufriedenheit wider. Zwar wurde die Beziehung mit dem Beteiligungskapitalgeber meist als partnerschaftlich und informell (im positiven Sinne) beschrieben, die Beurteilung der Qualität der Betreuungsleistungen zeigte jedoch ein teilweise völlig anderes Bild.

Etwa die Hälfte der JTU empfand erhebliche Defizite hinsichtlich Umfang und Qualität der Betreuungsleistungen. Bei diesem insgesamt negativen Ergebnis ist jedoch zu berücksichtigen, daß einige JTU zu hoch gesteckte Erwartungen in bezug auf die Leistungsfähigkeit der Beteiligungskapitalgeber gehabt haben dürften. Diese wurden allerdings wiederum teilweise durch die Kapitalgeber selbst geweckt (z.B. Werbebroschüren, Versprechungen). Eine Erklärung der Unzufriedenheit vieler Gründer mit ihrem Beteiligungskapitalgeber nur durch eine überzogene Erwartungshaltung würde jedoch zu kurz greifen. So wurden in dem vorangegangenen Abschnitt zum Teil erhebliche Diskrepanzen zwischen den Angaben der Gründer zu ihrem Unterstützungsbedarf und der erhaltenen Betreuungsleistung deutlich. Diese sind gerade in dem für den Unternehmenserfolg wichtigen Bereich des Marketing besonders stark ausgeprägt. Aber auch auf anderen Gebieten, wie Unternehmensstrategien und Krisenmanagement sind viele Kapitalgeber nach Angaben der JTU zu wenig aktiv.

Obwohl ein großer Bedarf besteht, beklagten über die Hälfte der JTU, daß der Beteiligungskapitalgeber einer wesentlichen Funktion bei der Betreuung [Wupperfeld, U.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften im deutschen Seed-Capital-Markt - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von 33 Beteiligungsgesellschaften und Banken -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994], der Vermittlung von Kontakten, bislang nicht nachgekommen sei. Wenn überhaupt, werden Kontakte zu Banken, anderen Kapitalgebern, Rechtsanwälten und Steuerberatern vermittelt. Ein Zugang zu industriellen Kooperationspartnern, Kunden und Vertriebspartnern wird hingegen selten geschaffen. Dabei fällt auf, daß lediglich die Seed- und Venture-Capital-Gesellschaften ein nennenswertes "Networking" [Bygrave, W.D.; Timmons, J.A.: Venture Capital at the Crossroads, Boston, Mass. 1992] leisten. Bei den anderen Kapitalgebern findet eine Kontaktvermittlung kaum statt. Die mögliche Ursache hierfür ist das oftmals schwach ausgeprägtes Netzwerk der Beteiligungsgesellschaften, das sich zudem überwiegend nur auf den Finanzsektor bezieht.

Weiterhin gaben über die Hälfte der JTU an, daß der Beteiligungskapitalgeber nicht als kritischer Diskussionspartner bei strategischen Fragen oder bei täglichen Problemen zur Verfügung stehe, obwohl JTU gerade hier einen hohen Betreuungsbedarf sehen. Deshalb läßt sich hier vermuten, daß viele Beteiligungsgesellschaften sowohl dem Bedarf der JTU als auch den eigenen Ansprüchen bzw. Verlautbarungen nur teilweise gerecht werden.

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Beispielsweise kam die Befragung der Kapitalgeber zu dem Ergebnis, daß - mit Ausnahme der MBG - die meisten Beteiligungskapitalgeber betonen, die Rolle des Sparringspartners besonders intensiv auszuüben. [Wupperfeld, U.: Strategien und Management von Beteiligungsgesellschaften im deutschen Seed-Capital-Markt - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von 33 Beteiligungsgesellschaften und Banken -, Arbeitspapier des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994]

Für die Defizite bei der Betreuung können, neben einer zu geringen personellen Ausstattung oder einem generellen Hands-Off-Ansatz,
[In der Venture-Capital-Literatur und -Praxis werden zwei "Betreuungsstrategien" unterschieden:

  • Hands-Off-Management oder Hands-Off-Ansatz: Hierbei betreuen und beraten die Beteiligungsgesellschaften ihre Portfoliounternehmen nur in geringem Umfang oder überhaupt nicht. Die Aktivitäten beschränken sich weitgehend auf die Überwachung der Geschäftsentwicklung der JTU. Eine solche Strategie verfolgen vor allem die MBG.
  • Hands-On-Management, d.h. die intensive Betreuung der Unternehmen in allen unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. Diese Strategie, die von vielen Venture- und Seed-Capital-Gesellschaften verfolgt wird, hat das Ziel, daß sich die Portfoliounternehmen durch die Beratung erfolgreicher entwickeln als ohne Unterstützung. Dadurch erhöht sich auch der Wert der Anteile der Beteiligungsgesellschaft am Unternehmen.]

auch ungenügende Qualifikation und Erfahrung der Beteiligungskapitalgeber verantwortlich sein. Dies wird durch folgende Ergebnisse bekräftigt: Über ein Viertel der Gründer gab an, die sie betreuenden Beteiligungsmanager seien insgesamt unqualifiziert, unerfahren bzw. unprofessionell (siehe Abbildung 7). Allerdings beschrieben auch 40 Prozent die Beteiligungsmanager als qualifiziert.



Abb. 7: Qualität der Betreuung




Entsprechend unterschiedlich wurde auch der Nutzen der Betreuung eingeschätzt. Das Spektrum der Antworten reichte von: "Ohne die Unterstützung würde das Unternehmen

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heute nicht mehr existieren", "die Betreuung war überaus nützlich", "die Beteiligungsgesellschaft war sehr engagiert" bis hin zu: "die Betreuung hatte keinerlei Nutzen und war sogar schädlich", "die Beteiligungsgesellschaft war wenig engagiert". Insgesamt gaben die Befragten zu etwa gleichen Anteilen an, die Managementunterstützung habe einen sehr großen, einen spürbaren, einen sehr geringen/keinen bzw. einen negativen Nutzen. Letzteres bedeutet, daß der Beteiligungskapitalgeber aus Sicht der JTU einen Schaden angerichtet hat, indem er z.B. inadäquate Strategien durchgesetzt, zu einem zu schnellen Wachstum gedrängt, Fehlentscheidungen bewirkt oder ungeeignete Kooperationspartner vermittelt hat.

Aufgrund der geringen Fallzahl sind zwar keine signifikanten Ergebnisse möglich, hinsichtlich einer Differenzierung nach Typen der Beteiligungskapitalgeber sind jedoch folgende Tendenzaussagen vertretbar: Zunächst kann festgestellt werden, daß innerhalb jedes einzelnen Typs sowohl Beteiligungsgesellschaften mit einer qualifizierten, nützlichen Betreuung existieren als auch solche mit einer unqualifizierten Betreuung. Dabei scheint die Managementunterstützung der Seed- und Venture-Capital-Gesellschaften eher qualifiziert und nützlich zu sein, die der Kreditinstitute und der KBG des Finanzsektors eher weniger qualifiziert. Dieses Ergebnis wird auch dadurch belegt, daß Seed- und Venture-Capital-Gesellschaften insgesamt eine umfangreichere und intensivere Betreuung leisten und ihre Beteiligungsmanager zum Teil über unternehmerische und Vertriebserfahrung, Branchenkenntnis oder technische Qualifikation verfügen. Den Banken und KBG des Finanzsektors wurde hingegen vielfach vorgeworfen, sich nur in geringem Umfang zu engagieren und lediglich die Rolle des Kapitalgebers einzunehmen. Die MBG bieten in der Regel explizit keine (umfangreiche) Managementunterstützung an. Dennoch wurde die Zusammenarbeit mit ihnen als durchweg positiv eingestuft. Einzelne Gründer hoben sogar die Zurückhaltung des stillen Partners als positiv hervor. Hieraus läßt sich folgern, was auch von einigen Gesprächspartnern bestätigt wurde, daß JTU von den MBG keine Betreuung erwarten, da diese als reine Förderinstitution verstanden werden.

Ein weiteres, wesentliches Ergebnis der Untersuchung wird deutlich, wenn man die Einschätzungen hinsichtlich Intensität, Nutzen und Defizite der Betreuung in Abhängigkeit von den Wachstumsraten der JTU betrachtet. Hierzu wurden die befragten JTU in zwei Gruppen eingeteilt: schnell/mittelschnell wachsend und langsam wachsend. [von Wichert-Nick, D. unter Mitarbeit von Kulicke, M.: ökonomische Entwicklung und Unternehmensstrategien junger Technologieunternehmen, Ergebnisse einer Befragung von im Modellversuch "Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen (BJTU)" begünstigten Unternehmen, Arbeitspapier des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe 1994] Die Analyse ergab folgende signifikante Resultate: Schnell und mittelschnell wachsende JTU wurden intensiver betreut und schätzten den Nutzen der Betreuung höher bzw. die Defizite geringer ein als solche mit einem langsamen Wachstum. Als Erklärung hierfür könnte herangezogen werden, daß Gründer, deren Unternehmen sich erfolgreich entwickelt, insgesamt zufriedener sind und sich positiver über ihren Beteiligungskapitalgeber äußerten.

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Wenig erfolgreiche Gründer könnten hingegen für ihren "Mißerfolg" zum Teil die Beteiligungsgesellschaft verantwortlich gemacht und ihre Enttäuschung in den Interviews zum Ausdruck gebracht haben. Eine weitere Interpretation ist, daß eine intensive und qualifizierte Betreuung tatsächlich zu einem schnelleren Wachstum bzw. größerem Erfolg des JTU führt. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß Seed- und Venture-Capital-Gesellschaften, die JTU intensiver und qualifizierter betreuen, sich vor allem an Unternehmen mit hohen Wachstumschancen beteiligen.

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3.3.4 Schlußfolgerungen

Die Untersuchung des ISI zeigte, daß Beteiligungskapital eine große Bedeutung für die Finanzierung der Entwicklung und Vermarktung der innovativen Produkte von JTU sowie des Unternehmensaufbaus besitzt. Ein Drittel der JTU hätte ohne Beteiligungskapital erst gar nicht starten können. Aber auch für die Mehrzahl der Unternehmen, die Beteiligungskapital im Verlauf der weiteren Unternehmensentwicklung eingeworben haben, stellte es die einzige Finanzierungsalternative dar. Eine Ursache hierfür sind die erheblichen Probleme von JTU, Bankkredite einzuwerben.

Während die Finanzierungsfunktion der Beteiligungskapitalgeber von den JTU überwiegend positiv beurteilt wurde, spiegelt sich in den Aussagen zur Betreuungsfunktion hingegen vielfach Unzufriedenheit wider. Die Hälfte der Gesprächspartner beklagte erhebliche Defizite und Diskrepanzen zwischen Betreuungsbedarf und erhaltener Leistung. Hierbei sind vor allem der Bereich Marketing/Vertrieb, die Vermittlung von Industriekontakten, die Rolle der Beteiligungsmanager als kritische, kompetente Diskussionspartner sowie der Transfer von Managementwissen hervorzuheben. Die Gründe für eine geringe "Qualität" der Betreuung sind zum Teil fehlende Erfahrung und Qualifikation sowie ein schwach ausgeprägtes Netzwerk der Beteiligungskapitalgeber. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die befragten JTU meist in der Anfangsphase des Modellversuchs BJTU gefördertes Beteiligungskapital erhalten haben. Zu dieser Zeit befanden sich die meisten Beteiligungskapitalgeber selbst noch in einer "Lernphase". Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß die JTU, die gegen Ende des Modellversuchs begünstigt wurden, sich positiver äußern würden.

Dennoch läßt sich folgern, daß bei vielen Beteiligungskapitalgebern die Notwendigkeit besteht, geeignete Konzepte für die Betreuung von JTU zu entwickeln, das eigene Netzwerk auszubauen und ihr Managementteam durch erfahrene Profis zu verstärken. Dies beinhaltet auch eine verstärkte Kooperation mit anderen Beteiligungsgesellschaften und Experten.

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Aber auch für JTU erscheint es erforderlich, professioneller bei der Suche nach und der Kooperation mit Beteiligungskapitalgebern vorzugehen. Hierzu gehört z.B. die systematische Suche nach einer Beteiligungsgesellschaft, die dem Finanzierungs- und Beratungsbedarf am besten entspricht, und der Vergleich des Angebots verschiedener Kapitalgeber. Nur so kann ein geeigneter Partner gefunden werden. JTU sollten das Angebot von Beteiligungskapitalgebern als Chance verstehen, externe Qualifikation einzubeziehen, auch wenn diese "keine Wunder bewirken können". Dies schließt ein, daß sich auch JTU um eine offene und partnerschaftliche Kooperation bemühen.

Der deutsche Seed-Capital-Markt weist sowohl auf der Kapitalangebots- als auch der -nachfrageseite einen geringen Reifegrad mit zum Teil noch ineffizienten Strukturen auf. Vor diesem Hintergrund läßt sich für die Technologiepolitik folgern, daß auch nach Auslaufen des Modellversuchs BJTU Ende 1994 eine Fortsetzung der Förderung von Beteiligungen an JTU erforderlich ist. Ohne eine Förderung würden sich Beteiligungskapitalgeber aus diesem Bereich weitgehend zurückziehen, u.a. da die Risiken von JTU schwer abschätzbar sind und diese Unternehmen in Relation zum Beteiligungsvolumen einen hohen Managementaufwand erfordern. Deshalb können bei JTU ohne effiziente Bewer-tungs- und Betreuungsinstrumente, Netzwerke der Beteiligungsmanager und ohne entsprechend qualifizierte Beteiligungsmanager keine angemessenen Renditen erzielt werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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