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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 8]

2. Entwicklungsprobleme junger Technologieunternehmen




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2.1 Entstehungsphase

Ausgangspunkt für die Gründung eines Technologieunternehmens ist die Unternehmenskonzeption, in der - ausgehend von der innovativen Idee - die Unternehmensziele und die technischen sowie betriebswirtschaftlichen Aufgaben für die Entwicklung des Unternehmens festgehalten sind. Die Erarbeitung der Unternehmenskonzeption ist ein anspruchsvoller Prozeß, der hohe Anforderungen an das Wissen und die Erfahrungen der Gründer stellt. Dabei tritt vielfach das Problem auf, daß Gründer zwar viele Jahre in der FuE gearbeitet haben, aber betriebswirtschaftliches Wissen und Know-how nur selten vorhanden sind. Das gilt sowohl für die alten als auch die neuen Bundesländer, ist aber in den NBL noch mehr ausgeprägt. So haben bei technologieorientierten Unternehmensgründungen in den alten Bundesländern nur 20 % der Gründer Unternehmenserfahrungen im Vertrieb und 11 % der Gründer im kaufmännischen Bereich; in den neuen Bundesländern verfügen dagegen nur 3 % der Gründer über Erfahrungen im Vertrieb und nur 5 % im kaufmännischen Bereich.

Viele Gründer haben vor der Unternehmensgründung in Hochschulen oder außeruniversitären FuE-Einrichtungen gearbeitet, in den NBL trifft dies für 50 % der Gründer technologieorientierter Unternehmen zu (in den ABL nur für 20 %). Die Gründer haben in der Mehrheit bereits mehrere Jahre auf solchen technischen Gebieten gearbeitet, die auch den angestrebten neuen Produkten bzw. Verfahren zugrunde liegen. In den neuen Ländern haben 40 % der Gründer ihre Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit durch eine Promotion nachgewiesen. Es gibt aber auch Gründer, die aufgrund ihrer Herkunft aus Universitäten bzw. FuE-Einrichtungen noch nie in einem industriellen Unternehmen gearbeitet haben.

Die fehlenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse erschweren den Gründern die Vorbereitung der Unternehmensgründung, vor allem schränken sie die Verhandlungsfähigkeit der Gründer mit Kapitalgebern ein. Es ist deshalb ein notwendiger Bestandteil der Vorbereitung der Unternehmensgründung, daß sich Gründer betriebswirtschaftlich qualifizieren. Zudem würde die Gründungswilligkeit positiv beeinflußt, wenn Ingenieure bereits während ihres technischen Studiums Anregungen zur selbständigen innovativen Arbeit vermittelt bekämen.

[Seite der Druckausgabe: 9]

Gründer haben in der Entstehungsphase ihres Unternehmens objektiv einen hohen Beratungsbedarf. Er liegt vor allem auf dem Gebiet der Ausarbeitung der Unternehmenskonzeption und der Unternehmensfinanzierung. Von großer Bedeutung für die Deckung dieses Beratungsbedarfs ist, daß die im BMBF-Modellversuch TOU-NBL geförderten technologieorientierten Unternehmen neben der finanziellen Förderung auch kostenlos Beratungsleistungen durch die Projektträger gewährt bekommen. Über die Hälfte von befragten Gründern gibt an, daß sie durch die Berater der Projektträger entscheidende Impulse für die Unternehmenskonzeption erhielten bzw. daß die Berater wichtige Partner der Problemlösung im Unternehmen waren.

In der Gründungsforschung besteht Übereinstimmung, daß die Eigenschaften und Merkmale der Unternehmensgründer maßgeblichen Einfluß auf den Unternehmenserfolg haben. Zu den Anforderungen an einen Gründer gehören nicht nur technische, kaufmännische und gründungsspezifische Qualifikation, sondern auch Führungsqualifikation, Branchenkenntnisse, zeitliche Freiräume, günstige familiäre Bedingungen und ein ausgewogenes partnerschaftliches Verhältnis, eine feste Gesundheit und geistige Eigenschaften wie Vitalität, Kontaktfähigkeit sowie ein guter persönlicher Ruf. Für die Gründung des Unternehmens soll ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen. Sie sollte auch nicht allein aus einer Notsituation der Gründer (z.B. drohender Arbeitslosigkeit) entspringen.

Gründer bedürfen einer bewußten Hinführung zum Management. Fehlen eigene Managementerfahrungen oder ist man sich der „unternehmerischen Funktion" nicht voll bewußt, dann besteht die Gefahr folgender Managementfehler: mangelnde Konzentration auf das Wesentliche, fehlende Zielformulierung, ungenügende Kundenorientierung, mangelnde Information der Mitarbeiter, unnötiger Luxus bzw. falsches Sparen, nicht ausreichende Zukunftsorientierung. Allerdings bleibt das unternehmerische Risiko der Gründer trotz aller Beratungs- und Qualifizierungshilfen bestehen. Dieses Risiko hat nicht nur der Gründer, sondern die ganze Familie zu tragen. Bei nicht gründlichem Durchdenken der Unternehmenskonzeption besteht die Gefahr des Scheiterns, was letztlich zu einem schweren Schicksal für den Gründer und seine Familie führen kann. Dieses Risiko hält vielfach potentielle Gründer davon ab, ein Unternehmen zu gründen.

[Seite der Druckausgabe: 10]

Im Vergleich ost- und westdeutscher Gründungen von Technologieunternehmen fallen folgende Unterschiede auf:

  • Der Anteil von Teamgründungen ist in den neuen Ländern mehr als doppelt so hoch wie in den ABL. Einerseits ist dies traditionellen Denkvorstellungen und Arbeitsweisen in Ostdeutschland geschuldet, andererseits erwarten die Gründer Vorteile aus der Erweiterung der Erfahrungs- und Wissensbasis, der Arbeitsteilung im Gründungsteam, der Erhöhung des verfügbaren Eigenkapitals, der Verteilung des finanziellen Risikos auf eine breitere Basis. Die Gründungspartner können im Team finanzielle Probleme, Know-how-Unterschiede und Stärken bzw. Schwächen im persönlichen Beziehungsnetz besser ausgleichen. Gründung im Team kann aber auch zu Problemen führen, wenn die persönlichen Beziehungen durch Skepsis geprägt sind, die Verantwortung und die Aufgaben nicht eindeutig abgegrenzt sind und keine geeignete Organisation gefunden wird.

  • Bei ostdeutschen Gründern ist zum Zeitpunkt der Gründung die Zurückhaltung gegenüber einer Aufnahme von Dritten in den Gesellschafterkreis und gegenüber der Aufnahme von Beteiligungskapital stärker ausgeprägt als bei westdeutschen Gründern. Weitere Gesellschafter, die nicht direkt im Unternehmen beschäftigt sind, werden als vorteilhaft betrachtet, wenn dadurch die Erfolgswahrscheinlichkeit der FuE-Projekte erhöht, der Vertrieb der Produkte oder Leistungen unterstützt sowie betriebswirtschaftliches bzw. Management-Know-how eingebracht wird. Ansonsten sind solche Haltungen wie „in meinem Unternehmen will ich selbst entscheiden" oder „ich will unabhängig sein" weit verbreitet. Im Laufe der Unternehmensentwicklung öffnen sich jedoch die Gründer gegenüber Beteiligungen, weil sie erkennen, daß leistungsfähige Fertigungs- und Vertriebspartner sowie Kapital für ein Wachstum unbedingt erforderlich sind.

  • Die Motivstruktur für ostdeutsche Gründer ist sehr differenziert. Bei einer Befragung von 46 Gründern von Technologieunternehmen führten knapp drei Viertel als Motiv der Gründung an, erstmalig die Chance selbständigen unternehmerischen Wirkens nutzen zu können. Ein Drittel betonte aber auch, daß durch die Gründung eine schwierige persönliche Lebenssituation überbrückt werden sollte. Bei 15 % der Gründer war letzteres das alleinige Gründungsmotiv.

[Seite der Druckausgabe: 11]

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2.2 FuE-Phase

Die Forschung und Entwicklung für ein neues Produkt oder Verfahren, also die Arbeit an einem FuE-Projekt, macht den Kern dieser Phase aus. Aus einer Analyse von 173 Konzeptionen von JTU in den NBL wurde deutlich, daß die FuE-Projekte zu 76 % auf neue Produkte gerichtet sind, davon sind 31 % reine Produktentwicklungen, 32 % komplexe Produkt- und Verfahrensentwicklungen und 13 % komplexe Produkt- und Softwareentwicklungen. 9 % der FuE-Projekte stellen Verfahrensentwicklungen und 12 % Softwareentwicklungen dar. Der Anteil der industriellen Grundlagenforschung in den Projekten ist relativ hoch.

Eine Tiefenuntersuchung von 46 Projekten zeigt, daß es sich bei etwa drei Viertel der angestrebten FuE-Ergebnisse um komplexe Problem- bzw. Systemlösungen handelt. Das birgt einerseits Chancen, wenn durch modulare Gestaltung der komplexen Lösung verschiedene Anwenderwünsche erfüllt und alle Kundenforderungen aus einer Hand abgedeckt werden können. Unter Umständen sind auch Teillösungen der komplexen Lösung bereits frühzeitig vermarktbar, wodurch der Erfahrungsrücklauf vom Kunden auf den Entwicklungsprozeß positiv zurückwirkt. Andererseits ist zunehmende Komplexität im allgemeinen mit höherem Entwicklungsaufwand und längerer Entwicklungsdauer verbunden, was junge und kleine Unternehmen überfordern könnte.

Kundennähe und Marktorientierung sind entscheidende Kriterien für die Qualität der Pflichtenhefte der FuE-Projekte. Ansonsten besteht die Gefahr, daß sich die oft zu sehr technisch orientierten Gründer in ihre technischen Entwicklungsaufgaben verlieben, dabei verzetteln und nicht ausreichend den wirtschaftlichen Zwängen des Marktes folgen. Maßstab für die Bewertung einer Innovation sollte immer der Kundennutzen sein. Werden FuE-Projekte einseitig aus technischen Entwicklungsmöglichkeiten abgeleitet, dann besteht die Gefahr, daß an den Kundenforderungen und -wünschen vorbei entwickelt wird.

Tabelle 2 zeigt für FuE-Projekte technologieorientierter Unternehmen der ABL und der NBL die Häufigkeit angestrebter Kundennutzenselemente. Qualitätsverbesserung für den Kunden tritt als häufigstes Nutzensziel auf. Es fällt auf, daß Nutzen aus Zeitvorsprung vor der Konkurrenz relativ selten als Kundennutzen von den Gründern angeführt wird.

[Seite der Druckausgabe: 12]



Tab. 2: Angestrebter Kundennutzen bei FuE-Projekten junger Technologieunternehmen (Mehrfachnennungen möglich, Häufigkeit in %)


Element des Kundennutzens

ABL (n=93)

NBL (n=173)

Qualitätsverbesserung

72

86

Kostensenkung

40

65

Produktivitätssteigerung

n.e.

42

Befriedigung neuer Bedürfnisse

10

39

Flexibilitätserhöhung

45

35

Ökologischer Nutzen

n.e.

24

Zeitvorsprung vor der Konkurrenz

n.e.

22

Sozialer Nutzen

n.e.

17

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Überhaupt schenken JTU dem Zeitfaktor als Einflußfaktor auf die Effizienz zu geringe Aufmerksamkeit. Untersuchungen zeigen, daß mehr als die Hälfte von knapp 30 befragten Unternehmen den in den Pflichtenheften für die FuE-Projekte gesetzten Zeitrahmen nicht einhalten. Auch die geplanten Entwicklungskosten werden überschritten. Hauptaugenmerk richten die Gründer auf die Einhaltung der in den Pflichtenheften angegebenen technischen Ziele. Die Konsequenz aus verspätetem Abschluß der FuE-Projektziele ist eine Verzögerung beim Markteintritt, was nicht nur zu Abstrichen bei der Umsatz- und Gewinnentwicklung führt und die Finanzierungssituation verschlechtert, sondern auch marktstrategisch mit großen Nachteilen verbunden sein kann, weil die Ausnahmestellung als Erster oder als Qualitätsführer verloren gehen kann. Tabelle 3 gibt Gründe an, warum in 24 Unternehmen nach Abschluß einer geförderten Entwicklungsphase noch weitere Leistungen erforderlich waren, um die volle angestrebte Marktwirksamkeit zu erreichen.

Die Forschung und Entwicklung für ein neues Produkt oder Verfahren wird in einem JTU zumeist durch Geschäftsfelder für andere Produkte oder Leistungen ergänzt. Das hilft, Kundenkontakte und Markterfahrungen zu gewinnen, die investierte Fertigungstechnik besser zu nutzen, neue Prinzipien bzw. Technologien multivalent einzusetzen und komplexe Angebote zu realisieren. Vor allem aber werden Erlöse erzielt, die bei der Finanzierung helfen und das Risiko des Entstehens von Liquiditätsengpässen verringern.

[Seite der Druckausgabe: 13]



Tab. 3: Gründe für die Notwendigkeit weiterer Leistungen nach Abschluß einer geförderten Entwicklungsphase (n=24, Mehrfachnennungen möglich)


Gründe

Anzahl der Unternehmen

Erweiterung der technischen Zielstellung (einschließlich
Weiterentwicklung des bisher erreichten Ergebnisses)

9

Erschließung neuer Anwendungsfelder

4

Durchführung von Erprobungen und Tests

4

Erwerb von Zulassungen

4

Fortführung der Entwicklungsarbeiten, um komplexere Lösungen zu erreichen (bisher Vermarktung von Modulen)

3

Vervollkommnung der Marktreife

2

Fertigstellung des Entwicklungsergebnisses

2

Reduzierung der Herstellungskosten

1

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Die für die FuE-Phase skizzierten Probleme verdeutlichen, wie wichtig es für Gründer ist, das FuE-Projektmanagement zu beherrschen und auch in dieser Phase nicht als Entwickler sondern zuerst als Unternehmer zu denken und zu handeln.

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2.3 Markteinführung und Fertigungsaufbau

Marketingprobleme sind in allen Lebensphasen von Technologieunternehmen zu bewältigen. Schon in der Entstehungsphase der Unternehmen sind die Marktanforderungen und -möglichkeiten die Ausgangspunkte für die Festlegung der Unternehmensziele und die Erarbeitung der Unternehmenskonzeptionen. Die Pflichtenhefte für die FuE-Projekte gehen von den Kundenanforderungen, der Wettbewerbssituation und der Marktentwicklung aus. Sie enthalten neben den technischen, wirtschaftlichen, zeitlichen und organisatorischen Zielen auch die Marktziele. In allen Stadien der FuE werden die Entwicklungsergebnisse hinsichtlich der Erfüllung dieser Ziele bewertet. Parallel zur FuE erfolgt die Marktvorbereitung. Bei Markteintritt der neuen Produkte bzw. Verfahren zeigt sich, ob die Marketingstrategien, die der Unternehmensgründung und der FuE zugrunde lagen, geeignet waren. Ein erfolgreicher Markteintritt setzt voraus, daß alle Maßnahmen der Marktvorbereitung erfolgreich realisiert wurden.

[Seite der Druckausgabe: 14]

Gründer beginnen mit ihren Marketingaktivitäten oft zu spät. Sie glauben, erst bei Vorhandensein des neuen Produkts mit dem Marketing beginnen zu können. Dabei unterschätzen sie die erforderliche Zeitdauer, um Kaufentscheidungen bei Kunden herbeizuführen, Markteintrittswiderstände zu beseitigen, ein positives Image für das eigene Unternehmen aufzubauen und einen leistungsfähigen Vertrieb zu organisieren.

Diese Aufgaben haben besonderes Gewicht, weil Technologieunternehmen vor allem auf internationalen Märkten agieren. Wie Tabelle 4 zeigt, streben über 60 % von 173 analysierten Technologieunternehmen in den NBL von vornherein an, den europäischen Markt bzw. den Weltmarkt zu bearbeiten. Nur 3 % dieser Unternehmen beschränkt sich auf den regionalen bzw. NBL-Markt. Die hohe internationale Präsenz ist zugleich Ausdruck eines hohen Innovationsniveaus der Produkte bzw. Verfahren.



Tab. 4: Geplante Zielmarktregionen von jungen Technologieunternehmen der NBL


Zielmarktregion

Anteil in % (n=173)

Weltmarkt

21

Europa

40

Nur Deutschland

21

Nur regionaler Markt bzw. NBL

3

Nur osteuropäischer Markt

6

Keine expliziten Aussagen

15

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Unter den internationalen Markt- und Wettbewerbsbedingungen müssen die jungen Unternehmen besondere Aufmerksamkeit der Vertriebsvorbereitung schenken. Zwar ist für JTU der direkte Vertrieb (Eigenvertrieb) die wichtigste Vertriebsform, weil die neuen Produkte erklärungsbedürftig sind, die Kunden direkt angesprochen werden müssen und aus den Kundenkontakten wichtige Informationen für die FuE entspringen. Da die jungen Unternehmen selbst aber noch keinen Zugang zum Markt haben, das Image erst aufgebaut werden muß und Vertriebserfahrungen gesammelt werden müssen, verbinden viele Unternehmen den Direktvertrieb durch Kooperation mit Vertriebspartnern. Für die Unternehmen in den NBL ist es verständlich, daß sie vor allem durch Kooperation mit Westunternehmen oder Westhandelshäusern versuchen, Zugang zu den internationalen Märkte zu finden. Tabelle 5 verdeutlicht dies.

[Seite der Druckausgabe: 15]

Meist werden Pilot- bzw. Referenzkunden direkt in den FuE-Prozeß eingebunden. Das trägt nicht nur dazu bei, funktionsgerechte technische Lösungen zu erreichen, sondern hilft auch bei der Kundengewinnung und Marktaufbereitung.



Tab. 5: Vertriebskonzept junger Technologieunternehmen (Anteil in %)


Angestrebte Vertriebsform

ABL (n=93)

NBL (n=46)

Nur eigener Vertrieb

22

17

Vertrieb durch eigenes Unternehmen und Ko-
operationspartner
darunter

59

78

• Vertrieb mit Unterstützung von Ostunternehmen


6

• Vertrieb mit Unterstützung von Westunternehmen


53

• Vertrieb mit Unterstützung von Westhandelspart



nern


19

Vertrieb komplett durch Partner

10

2

Noch keine Aussage

9

2

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JTU streben im allgemeinen an, die eigene Fertigung auf jene Prozesse zu beschränken, bei denen sie deutliche Wettbewerbsvorteile haben, wo ein hohes Wachstumspotential besteht und die die Systemführerschaft sichern. Das ist vor allem die Fertigung der innovativen Bauteile und die Montage. Auch die Engineering-, Qualitätssicherungs-, Beratungs- und Serviceleistungen verbleiben in der Regel im eigenen Unternehmen. Dagegen werden Standardbauteile oder einfache, massenhafte Fertigungsaufgaben an Zulieferer vergeben, wobei über Rabatte Kosteneinsparungen möglich sind (vgl. Tabelle 6). Mit der Konzentration auf die für sie typischen Fertigungsaufgaben verringert sich für die Unternehmen der Kapitalbedarf für den Fertigungsaufbau. Durch dieses Verhalten entstehen regionale indirekte Beschäftigungs- und Wachstumseffekte, da JTU ihre Zulieferer vor allem im regionalen Umfeld suchen.

[Seite der Druckausgabe: 16]



Tab. 6: Geplante Arbeitsteilung junger Technologieunternehmen im Fertigungsbereich (Anteil in %)


Arbeitsteilung in der Fertigung

ABL (n=93)

NBL (n=37)

Fertigung ausschließlich selbst

Fertigung zum größeren Teil selbst (eigene Fertigung und Montage, Zulieferungen nur in geringem Umfang)


} 26

8

22

Fertigung nur der innovativen Bauteile u. Montage (Zulieferung aller nicht innovativen Bauteile)

30

48




Nur Montageleistungen

31

8

Keine eigene Fertigungsleistungen

10

3

Keine Aussage

3

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Ein Hauptproblem von JTU in dieser Lebensphase ist die Finanzierung des Fertigungsaufbaus und der Markteinführung. Ein neugegründetes Technologieunternehmen benötigt in den NBL- in Abhängigkeit vom jeweiligen Technologiegebiet - etwa 2 bis 3 Millionen DM für FuE, Fertigungsaufbau und Markteinführung. Für die FuE-Phase (für sie kann man 1 bis 1,5 Millionen DM ansetzen) existieren, wie auch das Kapitel 4 zeigt, zahlreiche Förderprogramme. Die nachfolgende Finanzierung des Fertigungsaufbaus und der Markteinführung bereitet dagegen oft Schwierigkeiten, weil die Förderprogramme dafür nicht greifen, FuE-Projekte und der Markteintritt sich verzögern, Einbußen gegenüber der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung auftreten und dadurch die Hausbanken sehr zurückhaltend gegenüber den jungen Unternehmen auftreten.

Worin am häufigsten die Ursachen für Finanzierungsprobleme in der Phase des Fertigungsaufbaus und der Markteinführung liegen, zeigt am Beispiel von 31 be-fragten JTU Tabelle 7.

Zwar steht als Ursache für Finanzierungsprobleme an vorderster Stelle, daß noch weitere Entwicklungsarbeiten für das neue Produkt bzw. Verfahren notwendig sind, um Fertigungs- und Marktreife zu erzielen. Faßt man aber alle Ursachen zusammen, die mit dem Marketing der Unternehmen verbunden sind, zeigt sich, daß dieser Komplex die größte Bedeutung hat. Auch die noch erforderlichen Entwicklungsarbeiten resultieren letztlich daraus, neue Anwendungsfelder zu erschließen, erweiterte technische Zielstellungen zu realisieren und Anpassungen an Kundenforderungen vornehmen zu wollen. Sie sind also auch mit Marketingproblemen verbunden. Häufig resultieren Finanzierungsprobleme aus

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der Notwendigkeit, für Auftrage nicht nur Leistungen, sondern auch Zulieferungen und Materialien vorfinanzieren zu müssen. Die Dimensionen diese Kapitalbedarfs unterschätzen die Gründer in der Regel anfänglich.



Tab. 7: Häufigste Ursachen für Finanzierungsprobleme beim Fertigungsaufbau und der Markteinführung (Mehrfachnennungen möglich, n=31)


Ursachen für Finanzierungsprobleme

Häufigkeit In %

Weiter- und Anpassungsentwicklungen in FuE erforderlich

45

Vorfinanzierung von Aufträgen

39

Kundenverhalten anders als angenommen

35

Fehlende Erfahrungen bzw. fehlende Mitarbeiter im Vertrieb

35

Verspäteter Beginn der Markteinführung

26

Wettbewerbssituation härter als eingeschätzt

26

Markteinführungskosten unterschätzt

26

Imageprobleme unterbewertet

23

Umsatz aus anderen Produkten bzw. Leistungen geringer als vorgesehen

23

Werbemaßnahmen nicht ausreichend

16

Markt- und Absatzpotential überschätzt

13

Investitionskosten für Fertigung unterschätzt

13

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Die knappe Hälfte dieser befragten Unternehmen bemängeln, daß die Hausbanken für die Belange von JTU zu wenig Verständnis aufbringen, ein Drittel der Unternehmen kritisiert die geforderten hohen Sicherheiten und ein Fünftel der Unternehmen klagt über zu lange Entscheidungsprozesse bei der Hausbank. Allerdings gesteht auch ein Fünftel der Unternehmen ein, daß ihre wirtschaftliche Situation wenig gefestigt ist, wodurch die Hausbanken in Entscheidungsprobleme kommen.

[Seite der Druckausgabe: 18]

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2.4 Wachstumsphase

Die Wachstumsvorstellungen der Gründer von Technologieunternehmen sind sehr differenziert, In den NBL setzt die überwiegende Mehrheit auf eine risikomindernde Wachstumsstrategie bzw. will mittelfristig als kleine überschaubare Einheit bestehen. Sie sehen darin folgende Vorteile: überschaubare Strukturen, geringer Kommunikationsaufwand, hohe Motivation der Mitarbeiter, flexible Arbeitsweise. Argumente gegen Wachstum sind desweiteren: „viel Personal bringt zusätzliche Probleme", „Wachstum kostet Geld, aber Kredite sind vom Teufel" und „klein, aber mein". Auch die geringeren Gemeinkosten kleiner Unternehmen werden als Vorteil angeführt.

Auf bestimmten Technologiegebieten müssen Unternehmen aber wachsen, um wirtschaftlich bestehen zu können. Die Innovationszyklen verkürzen sich und die FuE wird immer kostspieliger; auch die Markteinführung wird zunehmend aufwendiger. Kleine Unternehmen kommen dann schnell an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Oft fehlt den Gründern von Technologieunternehmen das erforderliche Know-how für ein schnelles Unternehmenswachstum. So erfordern Wachstumsstrategien eine systematische Analyse der Potentiale des eigenen Unternehmen, der Märkte und der Rahmenbedingungen, ein eindeutiges Finanzierungskonzept, eine geeignete Organisation des Unternehmen, richtige Produktkalkulationen und den Aufbau eines Unternehmenscontrolling. Bestehen in einem Gründungsteam zwischen den Teammitgliedern Meinungsverschiedenheiten, dann können daraus Wachstumsrisiken entstehen. Auch eine zu geringe Eigenkapitalaustattung kann sich als Wachstumsrisiko erweisen.

Eine Voraussetzung, um hoch gesteckte Wachstumsziele zu erreichen, sind erfahrene "Wachstumsmanager", die mit technischen Experten zusammenarbeiten, die die Schlüsselpersonen für das neue Produkt bzw. Verfahren darstellen. Dieser "Wachstumsmanager" sollte strategisch und visionär denken, auf die Durchsetzung marktorientierter und liquiditätsorientierter Unternehmensziele hinwirken und zur interdisziplinären Teamarbeit anregen. Diese Qualifikationen sowie die erforderliche internationale Orientierung und Sprachkenntnisse sollten bereits während der (Hochschul-)Ausbildung vermittelt werden.

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2.5 Fallbeispiel für die Entwicklung eines jungen Technologieunternehmens

Das Unternehmen TRION Präzisionselektronik GmbH & Co. KG Berlin wurde vor etwa 10 Jahren gegründet. Heute hat es mit 55 Beschäftigten, davon 24 Mitarbeitern in FuE, einen Umsatz von etwa 10 Millionen DM.

JTU stehen trotz technologischer Kompetenz häufig vor der Schwierigkeit, auf dem Markt wirtschaftliche Erfolge zu erringen. Durch Besinnung auf seine Stärken von Anfang an hat TRION diese Probleme vermeiden können. Ausgehend von der führenden Position, die das Unternehmen in einem ertragsreichen Marktsegment erringen konnte und der damit verbundenen technischen Kompetenz und Stärke, zielte die Entwicklungs- und Marktstrategie auf die Übertragung dieser Faktoren auf neu entwickelte Produkte und neue Marktsegmente. TRION ist heute ein weltweit operierendes Unternehmen, dessen Geschäftsfeld die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von elektronischen Baugruppen für Märkte mit besonderen Anforderungen ist. Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch systematische Diversifikation in neue Marktnischen sichergestellt. Das Unternehmen stützt sich zur Zeit auf vier unterschiedliche Marktfelder, die jedoch mit neuen Produkten beliefert werden, die auf der Lösung ähnlicher technischer Probleme basieren. Die damit erworbene Verbreitung der technischen Basis und die weitgehend erzielte Unabhängigkeit von nur einer Marktnische schafft die besten Voraussetzungen, die Zukunft des Unternehmens weiterhin aktiv zu sichern.

Die Produkte und Dienstleistungen liegen heute auf folgenden Gebieten:

  • Eigensichere Bedienterminals für explosionsgefährdete Fertigungsräume der chemischen Industrie,

  • Bedien- und Diagnosegeräte für die schienengebundene Fahrzeugtechnik,

  • Systemkomponenten für die Automatisierungstechnik,

  • Video-Conferencing-Produkte,

  • Produktentwicklung und Fertigung für besondere Industrien mit schwierigen Umgebungsbedingungen.

Eine 1988 prämierte Innovation eröffnete den erfolgreichen Weg zu einer damals verborgenen Industrienische, die erstmalig von TRION besetzt wurde. Das mit dem Innovationspreis ausgezeichnete Produkt wurde bis heute zu einer Produktfamilie von acht Versionen weiterentwickelt und ist das bekannteste und weltweit verbreitetste Produkt auf dem

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Markt. Es wird In explosionsgefährdeten Räumen der chemischen Fertigung eingesetzt. Hauptabnehmer weltweit sind Chemieunternehmen wie Schering, BASF, Hoffmann La Roche oder Bayer. Mit der Auszeichnung gab es bei TRION einen beachtlichen Schub von Marketingaktivitäten. Dieses wurde gestärkt durch eine Anerkennung mit dem Preis der Deutschen Wirtschaft für dasselbe Produkt. Der Innovationspreis wurde in Produktprospekten und Veröffentlichungen immer herausgehoben. Das Unternehmen pflegt Kooperation im In- und Ausland. Ziel ist es, ständig auf dem Markt weltweit präsent zu bleiben.

Das Unternehmen entwickelte sich in drei Phasen:

  • Die 1. Phase der Gründung, des Aufbaus und der Zielformulierung endete mit einem Gesellschafterstreit. Für die weitere Existenz des Unternehmens war es ausschlaggebend, die Divergenzen zwischen den Gründern schnell zu lösen und die Ziele zu präzisieren.

  • Die 2. Phase, in deren Mittelpunkt Innovation, Marktanalyse, Kundenorientierung und Diversifikation standen, erforderte neue Schritte bei der Kapitalbeschaffung.

  • Die 3. Phase ist durch Wachstum und Konsolidierung charakterisiert. Die Verbesserung der Kostenstrukturen, die Personalerweiterung, die Festigung der inneren Organisation waren und sind dabei genauso wichtig wie die Beschaffung neuen Kapitals.

Die weitere Diversifikation mit neuen Technologien und in neuen Marktsegmenten, die Einführung eines Qualitätssicherungssystems, das Erschließen neuer Kooperationspartner, neue Marketing- und Vertriebsaktivitäten sowie die Optimierung der inneren Arbeitsprozesse sollen dem Unternehmen weitere Wachstumsperspektiven erschließen.

TRION hat zur Lösung der Finanzierungsprobleme zahlreiche Förderprogramme in Anspruch genommen, wie das ERP-Programm, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, EU-, Bundes- und Länderprogramme zur FuE-Förderung, Beratungshilfen und Lohnkostenzuschüsse des Landes. TRION ist der Auffassung, daß unbürokratische, gut geführte Förderprogramme den Unternehmen helfen können, ihre Produkte schneller zu entwickeln und sie rechtzeitig auf den Markt zu bringen. Existenzgründerprogramme könnten noch bessere Wirkung erzielen, wenn Gründer bereits während des Studiums auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet werden, Management- und Marketinglehre müßten zu Leistungsfächern werden. Für junge Existenzgründer - so zeigen die Erfahrungen von TRION - sind betriebswirtschaftliches Wissen, Marktforschungswissen und Kenntnisse in der Mitarbeiterführung wichtige Voraussetzung, um unternehmerischen Ehrgeiz zu entwickeln und die Selbständigkeit richtig anzugehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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