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Vorbemerkung
Die Diskussion über die "Macht der Banken" ist nicht neu, sie wird in Deutschland seit über 20 Jahren geführt. Spektakuläre Negativbeispiele der letzten Jahre haben der Diskussion neue Nahrung und Intensität verliehen. Der Ruf nach Maßnahmen zur Beschränkung der "Bankenmacht" und grundlegenden Reformen für mehr Transparenz und eine verstärkte Kontrolle der Banken hat zugenommen. Die politischen Parteien im Bonner Parlament denken derzeit über Wege nach, wie diese Ziele erreicht werden können.
Im Januar 1995 hat die SPD-Bundestagsfraktion einen umfangreichen Gesetzentwurf zur Beschränkung der "Macht der Banken" vorgelegt, der im Mai 1995 in Erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten und an die zuständigen Bundestagsausschüsse überwiesen wurde. Die anstehenden Ausschußberatungen sind für den Herbst terminiert. Die Regierungskoalition hatte ihrerseits Anfang des Jahres die Erarbeitung eines eigenen Gesetzentwurfs angekündigt. Hierzu rief die Bundesregierung im Frühjahr interministerielle Arbeitsgruppen ins Leben, die einzelne Aspekte der "Macht der Banken" erörtern und möglichen Handlungsbedarf spezifizieren sollten. Der ursprünglich bereits für den Sommer 1995 angekündigte Regierungsentwurf liegt jedoch noch immer nicht vor. Aus den Reihen der Regierungskoalition heißt es inzwischen, daß mit der Vorlage des Gesetzentwurfs frühestens zum Jahresende gerechnet werden kann.
Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob Banken in Deutschland aufgrund ihrer verschiedenen Funktionen als Kreditgeber, Anteilseigner, Vertreter der Aktionäre durch das sogenannte Depotstimmrecht und als Mitglied in den Aufsichtsräten vieler Unternehmen über eine zu große Machtfülle verfügen. Kritiker sehen in der Kumulation der verschiedenen Einflußfaktoren der Banken eine ordnungspolitisch bedenkliche Machtkonzentration, die zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der deutschen Wirtschaft führt. Als besonders problematisch wird die zunehmende Tendenz zu wechselseitigen Ring- oder Überkreuzverflechtungen im Finanz- und Industriebereich angesehen, durch die sich Unternehmensverwaltungen vor Kontrolle und Haftung abschotten.
Vertreter der Banken leugnen nicht, daß die Banken in Deutschland einen großen Einfluß auf Unternehmen und die Wirtschaft als Ganzes innehaben. Sie verweisen jedoch darauf, daß die Banken diesen Einfluß stets verantwortungsbewußt im Sinne der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeübt hätten. Bislang seien die Kritiker jeden Beweis für einen Mißbrauch des Bankeneinflusses schuldig geblieben. Statt dessen würden einige bedauerliche Einzelfälle im Rahmen einer generellen Bankenkritik verallgemeinert. Dabei halten auch Bankenvertreter eine kritische Diskussion über die aus ihrer Sicht insgesamt bewährte Rolle der Banken für angezeigt. Alle Vorschläge für eine Änderung des bestehenden Systems müßten jedoch sorgfältig diskutiert und geprüft werden;
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schließlich ständen bei der Debatte um die "Macht der Banken" grundsätzliche Aspekte der deutschen Wirtschaftsordnung zur Disposition.
Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung am 4. Mai 1995 in Frankfurt am Main die Tagung Macht der Banken, an der Vertreter von Banken und ihren Interessenverbänden, Politiker, Wissenschaftler. Vertreter der Bundesregierung, Unternehmer, Vertreter von Industrie- und Mittelstandsverbänden, Verbraucherschützer und Mitglieder von Aktionärsvereinigungen teilnahmen. Schwerpunkte der Tagung waren die Analyse der Rolle und Funktion der Banken in der deutschen Wirtschaft, Art und Wirkung der verschiedenen Einflußfaktoren der Banken auf Unternehmen, die Bewertung des deutschen Bankensystems, Zustand und Perspektiven des Finanzmarktes Deutschland sowie eine Situationsanalyse von Aktionärsdemokratie und "corporate government" in Deutschland. Zu den einzelnen Aspekten wurden von den jeweiligen Experten Referate gehalten, in deren Anschluß eine allgemeine Diskussion stattfand.
Am Nachmittag wurden in einer Podiumsdiskussion die Folgerungen für Politik und Wirtschaft diskutiert, die Ansätze der vorliegenden Gesetzesinitiative der SPD-Bundestagsfraktion zur Beschränkung der "Macht der Banken" und die bisherigen Überlegungen der Regierungskoalition, die Anforderungen, die die verschiedenen Wirtschaftsverbände an die Banken stellen, sowie die Forderungen der Banken an Politik und Wirtschaft.
Die vorliegende Broschüre faßt die Referate und Diskussionsbeiträge der Tagung thematisch gegliedert zusammen. Für Konzeption und Durchführung der Veranstaltung zeichnete Diplom-Ökonomin Hannelore Hausmann vom Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung verantwortlich, mit der Organisation war Ilona Reuter betraut. Den Tagungsbericht erstellte Thomas Schmidt, Politologe aus Meckenheim.
Bonn, Oktober 1995