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8. Fazit

Seit etwa 15 Jahren werden ökologisch orientierte Steuern und Abgaben als Instrumente der Umweltpolitik in Deutschland diskutiert. In jüngster Zeit haben diese Diskussionen an Bedeutung und Intensität dadurch gewonnen, daß wichtige Institutionen in der Bundesrepublik, wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen und die Enquête-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt", sich für einen verstärkten Einsatz steuerpolitischer Instrumente mit ökologischer Lenkungswirkung ausgesprochen haben.

Besondere Vorbehalte gegen eine ökologische Steuerreform im allgemeinen und gegen Öko-Steuern im besonderen werden von Vertretern und Verbänden besonders betroffener Bereiche und Sektoren vorgebracht. Hierzu zählen insbesondere die Chemische Industrie, die Stahlerzeugung und der Bergbau. Deren Argumente gegen Öko-Steuern konzentrieren sich hauptsächlich auf eine befürchtete Zusatzbelastung ihrer jeweiligen Produktionsbereiche und den damit verbundenen Wettbewerbs- und Standortnachteilen, wenn die schon vergleichsweise hohen Kosten der deutschen Industrie noch mehr zunehmen. Der BDI vertritt diese Argumentation sogar für die Industrie insgesamt.

Auch die geplante Aufkommensneutralität wird nicht nur seitens der Wirtschaft mit Skepsis betrachtet, da angesichts der prekären Haushaltslage der öffentlichen Körperschaften das Vertrauen in eine angekündigte Kostenneutralität sehr gering ist. Zudem wird die globale ökologische Lenkungswirkung einer Öko-Steuer angezweifelt und eine Zunahme von "Grauer Energie" befürchtet, wenn energieintensive Produktionen ins Ausland verlagert werden und von dort auf vergleichsweise niedrigem Umweltschutz- und Umweltkostenniveau auf den deutschen Markt gelangen. Auch die betroffenen Einzelgewerkschaf-

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ten tun sich mit der Unterstützung einer ökologischen Steuerreform schwer und stehen den ermittelten positiven Beschäftigungseffekten skeptisch gegenüber. Demgegenüber wird von verschiedenen Seiten die Einführung von Umweltnutzungsrechten (Lizenzen und Zertifikate) als effektiveres und weniger dirigistisches Umweltinstrument gefordert, auch wenn es hierzu keine auch nur annähernd ausgereiften Vorschläge gibt.

Daß sich die von einem ökologischen Strukturwandel besonders betroffenen Wirtschaftszweige, wie etwa die chemische Industrie, gegen einen vermehrten Einsatz von Steuern und Abgaben wenden, ist aufgrund ihrer besonderen Interessenlage nachvollziehbar; verständlich ist auch, daß die Dachorganisation der deutschen Industrie, der BDI, sich im Sinne einer Verteidigung des Status quo für die Interessen der betroffenen Mitgliedsbranchen einsetzen. Dies zeigt, daß die Diskussion um eine ökologische Steuerreform längst den Bereich der akademischen Erörterungen verlassen hat und zu einem "Politikum" geworden ist.

Was allerdings von den Kritikern einer ökologischen Steuerreform insgesamt erwartet werden muß, ist ein Alternativmodell, wie umweltschonenderes Verhalten im allgemeinen und wie die von der Bundesregierung beschlossenen 25% C02-Minderung bis zum Jahr Jahr 2010 im besonderen erreicht werden kann.

In der künftigen Diskussion um eine ökologische Steuerreform wird die Frage entscheidend sein, inwieweit es gelingt, die wichtigsten Industrieländer (insbesondere der EU) zu einem abgestimmten Vorgehen in dieser Frage zu veranlassen. Nationale Alleingänge, wie sie von Umweltverbänden gefordert werden, können nur erfolgreich sein, falls sie innerhalb relativ kurzer Frist andere Länder zum "Mitziehen" veranlassen. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, daß es zu einer Verlagerung energie- und umweltintensiver Industrien in das Ausland kommt, so daß den entstehenden Wettbewerbsnachteilen auf globaler Ebene keine entsprechenden ökologischen Gewinne gegenüberstehen würden. Hier bestehen natürlich starke Anreize für die betroffenen Länder, jeweils eine "Trittbrettfahrerposition" einzunehmen mit dem Ergebnis, daß insgesamt weniger Umweltqualität produziert wird, als eigentlich alle Beteiligten selbst wünschen. Von daher könnten die Perspektiven einer ökologischen Steuerreform eher negativ eingeschätzt werden; diesem Gesichtspunkt steht aber ein nicht-ökologisches fiskalisches Interesse der beteiligten Länder gegenüber, sich neue Steuerquellen zu erschließen, und die Besteuerung von Primärenergie wie auch spezifische Steuern im Verkehrswesen

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stellen eine zumindest kurz- und mittelfristig ergiebige Einnahmequelle für die öffentlichen Haushalte dar. Der in der akademischen Diskussion stark hervorgehobene tatsächliche oder vermeintliche Konflikt zwischen der "Lenkungsfunktion" ökologisch orientierter Steuern und ihrer "Einnahmefunktion" wird nach den historischen Erfahrungen früherer Jahrzehnte und Jahrhunderte nicht verhindern, daß sich die Finanzminister, getrieben von der Notwendigkeit, neue Steuerquellen zu erschließen, und gestützt auf den umweltpolitisch begründeten Lenkungseffekt dieser Steuern, in Zukunft diesem Feld mit größerem Interesse zuwenden werden als bisher. Es könnte daher sehr gut sein, daß sich die prinzipiell gleiche Interessenlage des Fiskus in den entwickelten Industrieländern gegenüber dem zuvor erwähnten "Trittbrettfahrerproblem" bei der Erstellung des öffentlichen Gutes "Umweltqualität" durchsetzt.

Insgesamt hat diese Tagung zur ökologischen Steuerreform deutlich gemacht, daß die ökologische Modernisierung die zentrale Herausforderung für Wirtschaft und Politik sein wird. Auf Basis dieser grundsätzlichen Übereinstimmung ist eine notwendige Diskussion um angemessene Instrumente und Umsetzungsstrategien in Gang gekommen, bei der sich erste Möglichkeiten zum Einstieg in eine umweltgerechte Wirtschaftsweise abzeichnen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000

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