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3. Die Macht der Banken als Thema der Politik

Besondere politische Intensität hatte das Thema "Macht der Banken" Anfang der siebziger Jahre zur Zeit der sozialliberalen Koalition erhalten. Damals hatten Teile der SPD sogar die Verstaatlichung der privaten Banken gefordert. Im November 1974, unmittelbar nach dem spektakulären Zusammenbruch der Kölner Herstatt-Bank, hatte der damalige Bundesminister der Finanzen, Hans Apel, die Studienkommission "Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft" ins Leben gerufen, die die Aufgabe hatte, die "Struktur- und gesellschaftspolitische Stellung der Kreditinstitute zu prüfen". Die elfköpfige "Bankenstrukturkommission" bestand aus ehemaligen Ministerialbeamten, einem ehemaligen Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, einem Vertreter der Bundesbank, zwei Professoren und fünf aktiven Bankern, zu denen als prominentester Vertreter Alfred Herrhausen aus dem Vorstand der Deutschen Bank zählte. Leiter der Kommission wurde der ehemalige Abteilungsleiter im Bundesministerium der Justiz, Professor Ernst Geßler.

In dem 1978 vorgelegten Abschlußbericht bekannte sich die Kommission eindeutig zum deutschen Universalbankensystem. Das System habe "sich insgesamt bewährt; vermeintliche oder tatsächliche Mängel des derzeitigen Bankensystems bieten keinen genügenden Anlaß für einen Systemwechsel". Gleichwohl hielt die Kommission fest, daß "es in wesentlichen Bereichen des deutschen Kreditgewerbes zu Kumulierungen des Einflußpotentials aus den verschiedenen geschäftlichen Tätigkeiten der Banken" komme. Vor allem bei den größeren Instituten bestehe "ein vermehrtes Einflußpotential aus dem Zusammentreffen mehrerer Geschäftsbereiche". Besonders der Anteilsbesitz der Banken an Nichtbanken und das Vollmachtsstimmrecht der Kreditinstitute seien wesentliche Voraussetzungen für die Erlangung von Einfluß auch in anderen Bereichen (Aufsichtsratsmandate, Kreditbeziehungen, Emissionskonsortialgeschäft). In diesem Zusammenhang, so die Kommission resümierend, "gewinnen die Überlegungen zur Begrenzung des Anteilsbesitzes der Banken an Nichtbanken und der Einschränkung des Vollmachtsstimmrecht an Bedeutung". Dabei sei zu bedenken, "daß weder die bloße Existenz von Einflußmöglichkeiten noch eine im Einzelfall tatsächlich gegebene Einschränkung des Handlungsspielraums eines

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Unternehmens zugleich auch eine mißbräuchliche Ausnutzung dieser Einflußmöglichkeiten bedeutet". Mehrheitlich stand die Kommission jedoch auf dem Standpunkt, "daß bereits die Gefahr eines Mißbrauchs Anlaß sein sollte, die Einflußmöglichkeiten zu begrenzen". Dennoch blieb die Kommission trotz dieser mehrheitlichen Sorge vor dem großen Einflußpotential der Kreditinstitute bei der Formulierung von Reformvorschlägen zurückhaltend. Eine Kommissionsminderheit hielt jedoch "wegen der Bedenken gegenüber dem Vollmachtsstimmrecht grundlegende Reformen für geboten".

Die Diskussion über die Macht der Banken wurde durch die Vorlage des Kommissionsberichts nicht beendet. Ein FDP-Politiker verweist darauf, daß es insbesondere seine Partei gewesen sei, die in den letzten zwanzig Jahren stets Maßnahmen gegen die Einflußkumulation und Machtfülle der Großbanken gefordert habe. Beim Versuch, diese Forderungen in konkrete politische Maßnahmen umzusetzen, seien die Liberalen bislang stets am Widerstand ihrer jeweiligen Koalitionspartner gescheitert. Dieser Einschätzung widerspricht ein SPD-Politiker. Schließlich habe das Bundesministerium der Finanzen Anfang der 80er Jahre unter dem damaligen sozialdemokratischen Finanzminister Hans Matthöfer auf der Basis der Ergebnisse der Bankenstrukturkommission einen Referentenentwurf für eine Änderung des Kreditwesengesetzes und des Aktienrechts erarbeitet, der unter anderem einschneidende Änderungen beim Depotstimmrecht und der Zahl der pro Person zulässigen Aufsichtsratsmandate vorsah. Dieser Referentenentwurf fiel damals der politischen Wende des Herbstes 1982 zum Opfer, als die FDP aus der sozialliberalen Regierung Schmidt/Genscher austrat. Die zwei Jahre später von der christliberalen Koalition verabschiedete Novelle des Kreditwesengesetzes beinhaltete dagegen keinerlei Maßnahmen zum Komplex Beschränkung der Bankenmacht. Stattdessen enthielt der Entwurf ausschließlich Gesetzesänderungen zur Umsetzung einer EG-Richtlinie und die Anpassung der Bankenaufsicht an die veränderte Risikolage der Banken.

Neue Aktualität erhielt die Macht der Banken Anfang der 90er Jahre, als der Deutsche Bundestag auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion erneut über die Macht der Banken debattierte. 1992 hatte die SPD-Bundestagsfraktion den Antrag "Gegen wachsende

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Macht von Banken und Versicherungen und für mehr Wettbewerb bei Finanzdienstleistungen" in den Deutschen Bundestag eingebracht. Der Antrag sah unter anderem eine Beschränkung des Anteilsbesitzes von Banken und Versicherungen, die Beschränkung der pro Person zulässigen Aufsichtsratsmandate und die Abschaffung des Depotstimmrechts der Banken vor. Gut fünf Monate später, am 30. April 1994 brachte die SPD-Bundestagsfraktion den "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsrechts für mehr Transparenz und Wettbewerb" in den Deutschen Bundestag ein, der jedoch wegen der im Herbst 1994 stattfindenden Bundestagswahlen nicht mehr abschließend beraten wurde.

Besondere Intensität und Nahrung hatte die Diskussion um die Macht der Banken seit Ende des Jahres 1993 durch eine Reihe spektakulärer Unternehmenskrisen und Pleitefälle in der deutschen Wirtschaft erhalten, in die die Großbanken in verschiedener Form involviert waren. Der Beinahezusammenbruch der Metallgesellschaft im Dezember 1993, die Pleite des Immobilienkönigs Jürgen Schneider und der Kriminalfall Balsam/Procedo boten den Anlaß für eine neue Qualität in der Diskussion um die Rolle der Banken in der deutschen Wirtschaft. Erstmals setzte sich nun auch eine breite Öffentlichkeit intensiv mit der Macht der Banken auseinander.

In der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und FDP vom 11. November 1994 kündigten nun auch die Regierungsparteien die Einleitung einer Unternehmensrechtsreform und die Prüfung von Maßnahmen zur Beschränkung der Macht der Banken an. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und FDP vom 11. November 1994 heißt es: "Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich müssen verbessert werden. Dazu werden wir durch Veränderungen des Gesellschaftsrechts u.a. die Kontrollen der Aufsichtsräte verbessern und die Voraussetzungen für eine Begrenzung und bessere Transparenz bei personellen Verflechtungen schaffen, z.B. durch Beschränkung der gleichzeitig wahrgenommenen Aufsichtsratsmandate und -vorsitze. In diesem Zusammenhang ist auch das Recht der Wirtschaftsprüfer u.a. mit dem Ziel einer wirksamen Haftung, qualifizierter Prüfertestate und einer Anhörungspflicht des Aufsichtsrats zu überprüfen. Zu prüfen sind auch ein verbindlicher Wechsel

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der Wirtschaftsprüfer und die Begrenzung des dauerhaften Industriebesitzes der Banken".

Namhafte Vertreter der Regierungskoalition äußerten nun öffentlich erhebliche Kritik an den Banken: Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt erklärte im November 1994 in einem Stern-Interview: "Tatsache ist doch, daß die Banken Macht in einem Ausmaß haben, das ich unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit und des Wettbewerbs für fragwürdig halte." Rexrodt kündigte an, daß die Fragen des Anteilsbesitzes der Banken, des Depotstimmrechts und der Aufsichtsratsarbeit gründlich diskutiert und mögliche Verbesserungen erwägt werden müßten. Der Wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rainer Haungs, plädierte im Februar 1995 für eine generelle Beschränkung des Bankenbesitzes an Industrieunternehmen auf zehn Prozent. Und Bundeskanzler Helmut Kohl kündigte in seiner Rede beim Festmatinee zum 125jährigen Firmenjubiläum der Commerzbank AG am 19. Februar 1995 in der Alten Oper in Frankfurt an, daß die Bundesregierung die Begrenzung des dauerhaften Industriebesitzes der Banken "unvoreingenommen" prüfen werde. Bei den Bemühungen um mehr "Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" dürfe die Bankbranche keine "heilige Kuh" sein.

Zur Erarbeitung eines Regierungsentwurfs setzte die Bundesregierung im Frühjahr 1995 die Arbeitsgruppe "Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich/Banken" ein, die gemeinsam von der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt geleitet wurde. Komplettiert wurde die Arbeitsgruppe durch den Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen, Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU), den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Rainer Funke (FDP), sowie den Bundestagsabgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff, (FDP), Peter Ramsauer (CSU) und Joachim Gres (CDU). Die Arbeitsgruppe sollte sich mit den Komplexen Aufsichtsrat, Abschlußprüfer, Hauptversammlung einschließlich des Depotstimmrechts, Fragen einer verbesserten Transparenz sowie dem dauerhaften Beteiligungsbesitz der Kreditinstitute beschäftigen. Erstmals trat die Arbeitsgruppe im Mai 1995 zusammen. Als Zeitrahmen für die Vorlage eines Regierungsentwurfs

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wurde damals Ende des Jahres 1995 genannt. Doch die Beratungen erwiesen sich offenkundig als zeitintensiver als ursprünglich angenommen. Mehrere von den Vertretern der Bundesregierung angekündigte Termine wurden nicht eingehalten. Zuletzt wurde das Thema "Unternehmensrechtsreform", wie das Gesetzesprojekt inzwischen offiziell hieß, am 25. September 1995 von der Tagesordnung der Koalitionsrunde genommen. Als Begründung für diese Verschiebung nennt ein CDU-Politiker "Zeitgründe". Schließlich habe die Koalition in diesen Wochen angesichts der Haushalts- und Steuerberatungen wichtigere Themen auf der Tagesordnung gehabt. Entgegen der ursprünglichen Planung wurde der Referentenentwurf der Koalitionsarbeitsgruppe am 22. November 1996 ohne vorherige Beratung durch die Koalitionsspitzen und die übliche Ressortabstimmung der Öffentlichkeit vorgestellt. Vertreter des Bundesministeriums der Justiz gaben sich bei der Vorstellung des "Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" zuversichtlich, daß die Unternehmensrechtsnovelle trotz der noch ausstehenden Abstimmungen in dieser Legislaturperiode verabschiedet werde. Gründe für die erneute Verzögerung wurden nicht genannt.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits am 30. Januar 1995 den "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von Transparenz und Beschränkung von Machtkonzentration in der deutschen Wirtschaft (Transparenz- und Wettbewerbsgesetz)" [Bundestagsdrucksache 13/367] in den Deutschen Bundestag eingebracht. Neben der Verbesserung der Transparenz in der deutschen Wirtschaft durch erweiterte Offenlegungspflichten für börsennotierte Gesellschaften sieht der Gesetzentwurf weitreichende Maßnahmen zur Beschränkung der Macht der Banken und Versicherungen und zur Stärkung der Aktionärsrechte in Aktiengesellschaften vor. Der Gesetzentwurf wurde am 27. Mai 1996 im Deutschen Bundestag in Erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zur federführenden Beratung verwiesen. Auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion beschloß der Rechtsausschuß im September 1995 die Durchführung einer Anhörung zum Gesetzentwurf der SPD. Die ursprünglich für den 9. Oktober 1996 terminierte Anhörung wurde auf Wunsch der Regierungsfraktionen verschoben, um eine gemein-

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same Anhörung zum SPD-Gesetzentwurf und zum Regierungsentwurf zu ermöglichen. Die Anhörung fand am 29. Januar 1997 statt.

Neben der Diskussion innerhalb der politischen Parteien hat das Thema auch in der Wissenschaft an Relevanz zugenommen. Ende September 1996 widmete sich der 61. Deutsche Juristentag im Rahmen eines Forums eingehend dem Thema Unternehmensrechtsreform und Macht der Banken. Trotz dieser Entwicklung sieht ein Vertreter eines Bankenverbandes keine neue Qualität in der Diskussion um die Macht der Banken. Aus seiner Sicht sei die derzeitige Diskussion nicht mehr als die erneute Auflage einer offenbar zyklisch wiederkehrenden Debatte um Rolle und Einfluß der Banken in der deutschen Wirtschaft. Dabei sei besonders bemerkenswert, daß sich an Inhalt und Qualität der Kritik nichts geändert habe und keine neuen Argumente hinzugekommen seien. Dies belege deutlich, daß es sich bei der Debatte um die Macht der Banken eigentlich um eine Phantomdiskussion handelt. Ein Wissenschaftler wiederspricht dieser Einschätzung. Das Thema Macht der Banken tauche nur deshalb immer wieder auf, weil es bislang zu keinerlei Maßnahmen zur Beschränkung der Bankenmacht gekommen sei. Ein SPD-Politiker sieht die Gründe dafür, daß trotz umfangreicher Diskussionen bislang keine Maßnahmen zur Beschränkung der Macht der Banken eingeleitet wurden, in dem großen Einfluß der Banken auf die Parteien, die derzeit im Bundestag die Mehrheit innehaben. Ein Wirtschaftsredakteur hält den wachsenden Stillstand in der Sache für ein Indiz dafür, daß die Macht der Banken eben doch ein notwendiges Thema ist. Dessen Bedeutung zeige sich gerade daran, daß das Thema immer wieder erfolgreich zum "Nicht-Thema" gemacht werde.

Ein FDP-Politiker gibt zu bedenken, daß die politische Diskussion zwar in der Tat seit zwanzig Jahren geführt werde, es aber bislang noch nie ein derart großes öffentliches Interesse daran gegeben habe. Derzeit werde in Deutschland auch außerhalb von Fachkreisen auf einem vollkommen neuen Niveau über Themen wie "Stock options", "Shareholder value", über US-amerikanische Bilanzierungsansätze, "feindliche" Übernahmen oder den Rückkauf eigener Aktien diskutiert. Der Grund für dieses neue Interesse läge in den großen Veränderungen im Wirtschaftssystem, der zunehmenden Globalisie-

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rung und dem Zusammenwachsen der Märkte. Für die großen deutschen Unternehmen, die als global player auch den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten suchten, stellten sich völlig neue Herausforderungen. Ein Wissenschaftler verweist darauf, daß es für den Zugang zu diesen Märkten wichtig sein wird, inwieweit deutsche Unternehmen in der Lage sind, in ihrer Bilanzierung, beim Umgang mit Aktionärsinteressen und bei Fragen der Transparenz auf US-amerikanische Rechtsüberlegungen einzugehen. Für die deutsche Finanz- und Wirtschaftspolitik sei es insofern von entscheidender Bedeutung, inwieweit die Politik die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen vermag, um deutschen Unternehmen den Gang an die internationalen Kapitalmärkte zu erleichtern und gleichzeitig dem internationalem Kapital den Weg an den deutschen Kapitalmarkt zu ebnen.

Ein SPD-Politiker bestätigt die Einschätzung, daß sich die politische Diskussion in den letzten zwanzig Jahren qualitativ verändert habe. Heute diskutiere man nicht mehr um die Frage, ob das ordnungspolitisches Problem Bankenmacht bestehe, sondern darüber, wie dieses ordnungspolitische Problem gelöst werden könne.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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