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[Seite der Druckausgabe: 41 / Fortsetzung]


II. Die Bedeutung der Umweltpolitik

1. Zur Entstehung der deutschen Umweltpolitik

Die Befürchtung, in einer sich selbst überlassenen Wirtschaft werde die Umwelt in einem gesamtwirtschaftlich inakzeptablen Maß in Anspruch genommen, findet ihren Niederschlag bereits im ordnungspolitischen Leitbild der Bundesrepublik Deutschland, in der Grundkonzeption der Sozialen Marktwirtschaft. So verweist Eucken schon 1952 auf die aus der Rodung der nordamerikanischen Wälder folgenden Beeinträchtigungen des Klimas und der Böden oder z.B. auf die Belastung der Gewässer durch chemische Fabriken; diese Schäden seien eingetreten, weil die Waldbesitzer bzw. Unternehmer die Wirkungen ihrer Handlungen auf die Gesamtinteressen der Gesellschaft nicht oder nur teilweise in ihre Wirtschaftsrechnungen einsetzen müssen. Die Wettbewerbsordnung bedürfe daher der Ergänzung, die Umweltnutzung sei (wie z.B. der Arbeitsmarkt) regulierenden Prinzipien zu unterwerfen. Gleichwohl können die fünfziger und sechziger Jahre in Deutschland allenfalls als "Vor- bzw. Frühphase der Umweltpolitik" bezeichnet werden; ein quantitativ bedeutsamer und beständiger Markt für Umweltschutzgüter entstand noch nicht.

Als eigentliche Geburtsstunde der Umweltpolitik in Deutschland ist erst das in der Regierungserklärung von 1969 angekündigte und 1971 veröffentlichte Umweltprogramm der Bundesregierung anzusehen. Hierdurch sollte eine langfristig orientierte, den anderen Politikbereichen gleichrangige Umweltpolitik durchgesetzt werden, die die wichtigsten Umwelt- bzw. Schutzbereiche (Boden, Luft, Wasser, Pflanzen- und Tierwelt) umfaßt und dem Verursacherprinzip unterworfen sein sollte. Mit diesem "Umweltrahmenprogramm" stand

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die Bundesrepublik im internationalen Vergleich keineswegs allein: Nach einer Reihe spektakulärer Umweltskandale und als Endpunkt einer langen, konfliktreichen Entwicklung erließ das japanische Parlament 1967 und 1970 erste Umweltrahmengesetze; es folgten Schweden (1969), die Schweiz und die Vereinigten Staaten (jeweils 1970).

In ihrer "Ausbreitungsphase" in den siebziger und achtziger Jahren war die Umweltpolitik in Deutschland durch den schrittweisen Aufbau eines umfassenden Gesetzeswerkes zum Schutz einzelner Umweltbereiche gekennzeichnet. Aufgrund einer in anderen Ländern zumeist zurückhaltenderen Umweltpolitik entstand in dieser Zeit in vielen Teilbereichen eine deutsche Vorreiterposition im Umweltschutz. Angesichts des aufgestauten Handlungsbedarfs ist es verständlich, daß überwiegend Instrumente des Ordnungsrechts zur Anwendung kamen; ökonomische Anreizmechanismen dagegen - weil tatsächlich oder vermeintlich nur auf lange Frist wirksam - kaum berücksichtigt wurden. Diese Umweltpolitik hat zwar - wie bereits beschrieben - zum Entstehen einer statistisch relativ gut erfaßbaren umwelttechnischen Industrie beigetragen. Die von der Regulierung ausgehenden Impulse zur Entwicklung neuer, umweltverträglicher Produkte und Produktionstechniken waren aber vergleichsweise schwach ausgeprägt. Auch die Förderung von Investitionen, die nachweislich ganz oder überwiegend dem Umweltschutz dienen, begünstigte additive Umweltschutzmaßnahmen gegenüber den integrierten Techniken. Damit wurden zugleich viele zweifelhafte Verlagerungsprozesse induziert: so wurden die unbestreitbaren Erfolge in der Luftreinhaltung und in der Abwasserreinigung mit wachsenden Abfallmengen (Gips und Klärschlamm) erkauft. Die Anpassung an neue Umweltanforderungen verlief allerdings phasenförmig. Dominierten zunächst die einfachen - und kurzfristig oft auch billigeren - additiven Anpassungen, so wurden bei wachsender Vertrautheit mit der Regulierung bzw. den betreffenden Umweltproblemen zunehmend auch anspruchsvollere integrierte Lösungen bzw. Anpassungen entwickelt. Bei einer durchgreifenden Erneuerung des Kapitalstocks - z.B. im derzeit beginnenden Aufschwung - wird daraufhin dem langfristig zumeist überlegenen integrierten Umweltschutz eine größere (allerdings statistisch kaum vollständig erfaßbare) Bedeutung zukommen.

Seit Anfang der neunziger Jahre scheint die Umweltpolitik in Deutschland in eine Phase der Ausreifung und Konsolidierung einzutreten. Durch zunehmende Anwendung ökonomischer Instrumente soll die Effizienz der Umwelt-

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politik erhöht, durch die Erweiterung der Gefährdungshaftung (im Bundesimmissionsschutzgesetz und im Umwelthaftungsgesetz) und die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung das Verursacher- und das Vorsorgeprinzip weiter gestärkt werden. Der auf einzelne Schutzbereiche gerichtete Ansatz soll ferner durch eine an Gefahrstoffen bzw. Stoffkreisläufen orientierte Politik ergänzt werden; in diesem Zusammenhang ist im Abfallbereich z.B. auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz hinzuweisen. Schließlich sollen bisher vernachlässigte oder in ihrer Bedeutung möglicherweise unterschätzte Entwicklungen (z.B. globale Klimaveränderungen) einbezogen werden. Die Impulse der Umweltpolitik auf den Umweltschutzsektor beschränken sich daraufhin nicht länger auf den Kernbereich der umwelttechnischen Industrie, sie erfassen zunehmend auch die Anbieter von integrierten Umwelttechnologien und von umweltbezogenen (Beratungs-) Dienstleistungen.

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2. Aktuelle Entwicklungen in der Umweltpolitik

Die derzeitige Umgestaltung und Neuorientierung der deutschen Umweltpolitik und ihre zunehmende Verknüpfung mit anderen Bereichen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sei im folgenden exemplarisch an der Umsetzung der EU-Öko-Audit-Verordung und am Technologieprogramm Wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gezeigt.

2.1. Die Umsetzung der EU-Öko-Audit-Verordnung

Die EU-Öko-Audit-Verordnung legt europaweit die Rahmenbedingungen fest für eine umweltbezogene Prüfung von Standorten der gewerblichen Wirtschaft (Audit) und - bei entsprechendem Ergebnis der Überprüfung - für die Vergabe eines Zertifkates bzw. eines europäischen Umweltzeichens, welches den Betrieb als umweltfreundlich kennzeichnet, sowie für eine entsprechende Eintragung in ein Standortregister. Sie muß von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, wobei im Detail abweichende Regelungen zum Zuge kommen können.

Die Teilnahme von Unternehmen an einer entsprechenden umweltbezogenen Betriebsprüfung ist prinzipiell freiwillig. Wenn allerdings im internationalen Wettbewerb ein "Label" vergeben wird, hat das zertifizierte Unternehmen einen Vorteil gegenüber dem nicht zertifizierten Konkurrenten, letzterer nimmt irgendwann am Wettbewerb nicht mehr teil. Dies erzeugt einen automatischen

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Druck in Richtung Zertifizierung. Im Grunde besteht somit schon jetzt ein "freiwilliger Zwang". Es gibt bereits Unternehmen, die von ihren Zulieferern die Vorlage eines entsprechenden Zertifikats verlangen. Vor diesem Hintergrund ist die Spekulation, ob das Öko-Audit irgendwann zur Pflicht wird, nicht von zentraler Bedeutung.

Die Umsetzung der Verordnung in Deutschland bietet die Chance, einen offenen, sich selbst verbessernden Prozeß des Umweltmanagements in den Unternehmen in Gang zu setzen. Das europäische Umweltzeichen wird zwar im Prinzip unbefristet vergeben. Um das Zertifikat für eine längere Zeit zu erhalten, muß sich ein Betrieb allerdings regelmäßig - und zwar alle drei Jahre - einer erneuten Betriebsprüfung unterziehen, wobei wiederum selbst definierte Umweltziele für den Betrieb samt einem selbst entwickelten Maßnahmeprogramm auf den Prüfstand kommen. Die Zertifizierung eines Standortes beinhaltet daraufhin für den betreffenden Standort "fortlaufende" Verbesserungen. Die Kosten einer Zertifizierung sind derzeit noch unklar. Die Begutachtungsangebote bewegen sich derzeit etwa zwischen 10 000 und 100 000 DM. Der Preis an sich ist aber nicht das wichtigste. Entscheidend ist, daß die Unternehmen selbst den beschriebenen fortlaufenden "Selbstverbesserungsprozeß" als Chance wahrnehmen und voranzutreiben.

Die Verordnung ist insgesamt geeignet, den betrieblichen Umweltschutz auf breiter Basis, d.h. medienübergreifend voranzutreiben. Sie nutzt ökonomische Anreizmechanismen und weist dem Selbstmanagement bzw. der Selbstverantwortung der Unternehmen einen neuen Stellenwert zu. Mit der Verordnung wird ein Stück angelsächsisches Recht "importiert", durch das die Verantwortung für den Umweltschutz auf mehrere Stellen verteilt und damit das herkömmliche Ordnungsrecht entlastet wird.

Aufgrund des z.T. auf selbstgesteckten Zielen basierenden Verfahrens können natürlich hinter scheinbar vergleichbaren Zertifikaten unterschiedlich ehrgeizige Unternehmensziele verborgen sein. Die Anforderungen der Verordnung sind diesbezüglich relativ abstrakt und allgemein. Auch für die Gutachter, welche darüber zu befinden haben, ob die von den Unternehmen in der "Umwelterklärung" vorgelegten Umweltziele und Maßnahmeprogramme den Anforderungen der Verordnung genügen, und die mithin über die Vergabe der Zertifikate entscheiden, wird es vollkommen einheitliche Standards wohl nicht geben. Jeder EU-Mitgliedstaat regelt die Zulassung der Gutachter au-

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tonom. Zugleich werden die Gutachter aber grenzüberschreitend anerkannt. Deutsche Unternehmen können sich also auch von ausländischen Gutachtern zertifizieren lassen und umgekehrt. An genau dieser Stelle ist jedoch die Umsetzung der Verordnung in Deutschland zur Zeit mit Problemen behaftet.

Problematisch ist nämlich - gerade auch für deutsche Gutachter - die derzeitige Rechtsunsicherheit in Deutschland. Für die Regelung der Zulassung der Gutachter, die über die Vergabe des Zertifikates zu entscheiden haben, läuft die Frist am 13. April 1995 ab. Deutschland hat als einziger EU-Mitgliedstaat noch keine Verordnung zur entsprechenden Umsetzung der EU-Richtlinie. Deutsche Unternehmen bedienen sich daher zunehmend ausländischer (oft englischer) Gutachter zur Zertifizierung. Die großen Unternehmen haben damit angefangen; die Mittelständler ziehen inzwischen nach. Einige deutsche Gutachter zertifizieren auch schon und werben mit der Kompatibilität dieser Zertifikate mit der EU-Verordnung. Dies ist allerdings nicht seriös, da im Moment die Rechtsgrundlage in Deutschland noch fehlt. Die entsprechende Beratungs- bzw. Begutachtungsleistung muß nicht schlecht sein. Das begutachtete Unternehmen muß sich allerdings über den Wert bzw. Status des Zertifikats im klaren sein. Das europäische Umweltzeichen kann es derzeit nicht sein. Wenn bundesweit keine schnelle Lösung für eine nationale Rechtsgrundlage gefunden und damit der Wettbewerbsnachteil für deutsche Gutachter beseitigt wird, greift eine Auffangzuständigkeit der Länder. Dann wird die Zulassung der Gutachter möglicherweise in 16 Bundesländern auf 16 unterschiedliche Arten geregelt, was ebenfalls ein klarer Standortnachteil für deutsche Gutachter wäre.

Für die Zulassung der Gutachter waren mehrere Regelungen im Gespräch. Gemäß dem Behördenmodell ist das Umweltbundesamt für die Zulassung der Gutachter und für die Registrierung der Standorte zuständig. Dem alternativen Behördenmodell zufolge wird durch ein Verwaltungsabkommen aller Länder eine separate, in einem Bundesland angesiedelte Behörde entsprechend beauftragt. Unklar ist allerdings, inwieweit bei diesen Modellen die Freiwilligkeit der Teilnahme und die Motivation der Unternehmen, den dargestellten Verbesserungsprozeß als Chance zu begreifen, erhalten bleibt. Im "wirtschaftsnahen" Modell sollen demgegenüber die Kammern (unterstützt von den Spitzenverbänden der Wirtschaft) die Zulassung der Gutachter organisieren. Dabei ist jedoch eine "halbzentrale" Lösung anzustreben, damit es nicht zu unterschiedliche Regelungen in den 140 Kammern kommt.

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Seit kurzem ist ein Kompromißmodell im Gespräch: Einem sogenannten Umweltausschuß (UGA) sollen demnach jeweils sechs Vertreter der Wirtschaft, vier der Umweltgutachter sowie insgesamt neun von Bund und Ländern angehören. Ferner sind je drei Stimmen für Gewerkschaften und Umweltverbände geplant. Wichtige Entscheidungen erfordern eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Registrierung der geprüften Unternehmen soll bei den Handels- bzw. Handwerkskammern erfolgen. Ein Widerspruchsausschuß, dessen Mitglieder vom UGA benannt werden, hat als Aufgabe die rechtliche Überprüfung von Prüfungs- und Aufsichtsentscheidungen der Zulassungsstelle. Den Vorsitz führt ein Umweltbeamter aus den Bundesländern. Inzwischen hat sich auch ein Institut der Umweltgutachter und -berater in Deutschland (IDU) gegründet, das sich um die Aus- und Fortbildung kümmern will. Träger sind die Banken, Versicherungen, Prüfgesellschaften, TÜV-Verbände sowie Gewerkschaften und Ökoverbände.

Die beschriebenen Umsetzungsprobleme sind allerdings vorübergehender Natur. Sie betreffen zudem primär die Dienstleister, welche als Gutachter in Frage kommen, weniger die Unternehmen, die sich hinsichtlich ihres betrieblichen Umweltmanagement beraten lassen wollen. Die Firma Hebel war somit trotz bestehender Rechtsunklarheit gut beraten, den Umweltmanagementcheck schon jetzt durchzuführen. Sie hat das betriebliche Selbstmanagement genutzt und damit einen Erfahrungsvorsprung auf diesem Gebiet erlangt. Wenn es nach erfolgter Umsetzung der EU-Verordnung in nationales Recht um die Registrierung des Betriebsstandortes geht, braucht Hebel - um das Zertifikat zu erhalten - im Prinzip nur noch die bereits vorliegenden Unterlagen abzugeben.

2.2. Das Technologieprogramm Wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

Ausgangspunkt ist hier die Frage, wie sich umfassender betrieblicher Umweltschutz am besten fördern läßt. Konventionelle Förderung begünstigt - wie erwähnt - zumeist den additiven Umweltschutz. Es geht demgegenüber um eine Neuorientierung der gesamten industriellen Produktion und des Umgangs mit Produkten, Rohstoffen und Energie. Dabei sind die Substitution umweltbelastender Stoffe, die Kreislaufschließung, das (innerbetriebliche) Recycling von Produktionsreststoffen bzw. Wiederverwendung in anderen Produktionsprozessen nur Etappen auf dem Weg zur Vernetzung und Rückkoppelung aller Wirtschaftsprozesse (einschließlich Konsum und Entsorgung)

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im Sinne eines "vollintegrierten" Umweltschutzes. Diese Ziele sind insgesamt so weitgefaßt, daß sie in einem speziell umweltbezogenen Ansatz nicht zu erreichen sind. Das Technologieprogramm Wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt hier zwei mögliche Wege der Förderung auf.

  1. Zum einen soll - durch eine breite Innovationsförderung - die Erschließung neuer technischer Möglichkeiten zur Lösung gesellschaftlicher Aufgaben - darunter auch der Umweltschutz - unterstützt werden. Das Programm zielt dabei vor allem auf das Innovationspotential der kleinen und mittleren Unternehmen. Maßnahmen zur Entwicklung, Einführung und Verbreitung neuer Technologien werden gefördert, wenn und soweit sie Neuheitscharakter besitzen, einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen erkennen lassen, durch einen hohen Schwierigkeitsgrad gekennzeichnet sind, das für das Unternehmen tragbare technische und wirtschaftliche Risiko überschreiten und wenn sie begründete Aussichten auf Verwertung und wirtschaftlichen Erfolg erhoffen lassen. Als gesamtwirtschaftlicher Nutzen ist dabei insbesondere die Qualifizierung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung des Kenntnis- und Ausbildungsstandes der Beschäftigten, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Einsparung von Rohstoffen und Energie, die Verbesserung des Umweltschutzes, die Qualitätssteigerung von Produkten und auch die Anstoßwirkung auf andere Unternehmen zu verstehen.

Zwischen Oktober 1989 und November 1994 wurden 1 772 Projekte angezeigt, davon 248 (= 1/7) im Arbeitsfeld Umwelttechnik. 73 von diesen 248 letztgenannten Projekten - konzentriert besonders auf die Jahre 1992 und 1993 - waren der Thematik Recycling bzw. produktionsintegrierter Umweltschutz zuzurechnen. Zu nennen sind etwa Projekte zu

  • Kreislaufführung von Mischkunststoffen,
  • Wasserkreislauf für Photoentwicklungsmaschinen (Profi-Labor),
  • Filteranlagen für recycelbare Trockenstäube, Entwicklung umweltgerechter, durchgängiger Entsorgungskonzepte,
  • Dachpfannen-Systeme aus 100 vH Kunststoffrecycling-Material,
  • Emulsionsspaltanlage mit Kohlendioxid,
  • Wasserlackgerechte Kleinanlagentechnik für Spritzkabinen,
  • Anlagenkonzept für produktgerechte Direktaufbereitung.

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Inwieweit diese Projekte erfolgreich waren, ist zwar unklar. Der kurze Themenauszug zeigt jedoch bereits, daß mit dem Technologieprogramm dem Verbundcharakter vieler Problemstellungen bei der Einführung von integrierten Umweltschutztechnologien Rechnung getragen werden kann, daß also der Aufbau eines Verbundes z.B. zwischen Antragsteller, Spezialisten und Pilotbetrieb angeregt und unterstützt werden kann.

  1. Auf der anderen Seite kennzeichnet die Entwicklung einer umweltgerechten Produktgestaltung bzw. umweltschonenden Nutzung den Eintritt in die letzte angestrebte Phase der Umweltwirtschaft, in der die gedankliche Abtrennung des Umweltschutzes aus dem Gesamtprozeß des wirtschaftlichen Handelns immer schwieriger und es somit zunehmend müßig wird, den Umweltschutz als eigenen Wirtschaftszweig zu betrachten. Demzufolge wird der Umweltschutz als sachlicher Teilbereich der Mittelstandsförderung in Nordrhein-Westfalen inzwischen immer öfter auch über Projekte erfaßt, die neben den klassischen, technologischen Ansätzen auch nichtinvestive, nichttechnologische, nämlich management-, organisations- und qualifizierungsorientierte Ansätze verfolgen. Hier ist insbesondere die Verbindung von Umweltschutz bzw. Umweltmanagement und Qualitätssicherung als Bestandteil eines integrierten Managementsystems zu nennen. Gerade im außenwirtschaftlichen Zusammenhang gewinnt die Qualitätssicherung und die Beachtung internationaler Normen immer stärker an Bedeutung. Gefördert wird im einzelnen auch die Einführung von Umweltbetriebsprüfungen (Öko-Audit-Verfahren) in mittelständischen Unternehmen oder z.B. die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen nach. DIN ISO 9000 ff. Bei Aufgaben wie Umweltbetriebsprüfung (Öko-Audit), Umwelt- oder Qualitätsmanagement sind dabei Verbund- und Gemeinschaftsprojekte besonders sinnvoll, da die üblichen Förderkriterien bzw. Rechtsgrundlagen nicht greifen. Managementsysteme können insbesondere bei einer angestrebten Verbreitung im Mittelstand durch die Verbundförderung im Rahmen des Technologieprogramms Wirtschaft erfaßt werden.

Die Förderung von Zertifizierungsprojekten und die Einführung integrierter Managementsysteme im Unternehmen über die Bereiche Qualität, Umweltschutz und Arbeitsschutz wird mittelfristig einen deutlichen Schwerpunkt der Landesförderung einnehmen. Das - bereits erwähnte - Beispiel Öko-Audit zeigt die diesbezügliche Zielrichtung des Programms: große Unternehmen machen schon jetzt (z.B. mit englischen Zertifizierern) Umweltbetriebsprüfungen, d.h. unabhängig von der nationalen Zulassungsregelung für Gutachter. Für diese Unternehmen ist das nationale Recht zweitrangig, da sie international tätig sind. Diese Unternehmen fordern nun ihre mittelständischen Zulieferer auf, innerhalb gewisser Fristen ein entsprechendes Zertifikat vorzule-

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gen. Die Aufgabe der Landesregierung ist es daher, den Mittelstand in die Lage zu versetzen, dieses Instrument richtig anzuwenden. Sobald die mittelständischen Unternehmen dieses können, zieht sich das Land aus der Förderung zurück.

Das Fördervolumen des Technologieprogramms Wirtschaft beläuft sich auf ca. 80 Mio. DM, davon wird aber - wie erwähnt - nicht allein der Umweltschutz gefördert. Die Förderung erfolgt durch anteilige Finanzierung der zuwendungsfähigen Kosten. In Verbund- und Gemeinschaftsprojekten beträgt die Anteilfinanzierung bei der Einführung neuer Techniken im Unternehmen bis zu 50 vH.

2.3. Weitere Beispiele

Außer durch Zuwendung von Projektfördermitteln an einzelne oder im Verbund arbeitende Antragsteller hat die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen auch versucht, den Umweltschutz durch die Einrichtung eines speziell auf die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen zugeschnittenen "Informationsbüros Kreislaufwirtschaft" übergreifend zu fördern. Hier geht es z.B. um Fragen zur Normierung von Abfallbilanzen. Dort wurde auch eine spezielle - der Öffentlichkeit im Prinzip zugängliche - NRW-Umwelttechnik-Datenbank entwickelt, die für Nordrhein-Westfalen rund 1 650 Firmen aus dem Bereich der Umweltwirtschaft enthält.

Die Landesregierung hat ferner in der Phase der Umweltschutzwirtschaft, in der das Recycling als wirtschaftliche Tätigkeit entdeckt und eingeführt wurde, versucht, den Umstrukturierungsprozeß innerhalb der Wirtschaft unter ökologischen Gesichtspunkten zu fördern. Das Projekt "Automobilrecycling im Verbund" charakterisiert die Anforderungen in dieser Entwicklungsphase besonders gut. In einem ersten Schritt wurde eine Analyse des Automarktes hinsichtlich seiner Recyclingpotentiale erstellt, danach in zwei Schritten untersucht, was man mit der Schrottfraktion bzw. mit der Schredderfraktion (Kunststoffteile) am sinnvollsten tun kann. Die gewonnenen Erkenntnisse geben u.a. wichtige Hinweise zur Produktionsumstellung im Sinne der Reststoffvermeidung, der (Wieder)verwertung von Einsatzstoffen und Teilen, d.h. für den Einstieg in eine ökologisch orientierte Kreislaufwirtschaft.

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Schließlich hat die Landesregierung (erstmals im Jahr 1993) innovative mittelständische Unternehmen durch den Innovationspreis NRW ausgezeichnet. Drei der fünf ausgezeichneten Firmen haben ihren Preis für umweltrelevante Entwicklungen erhalten. Dazu gehörte z.B. die Wertstoffrückgewinnung in der Papierindustrie, die Sortierung von Thermoplasten und die Entwicklung eines metallfreien Akkumulators. All diesen Erfindungen wurde zu einem patentrechtlichen Schutz verholfen und die Umsetzung im Markt unterstützt, z.B. durch die - gerade für Mittelständler hilfreiche - Vorstellung des geschützten Verfahrens auf dem Unternehmensforum des renommierten Massachusets Institut of Technology (MIT).

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3. Politische Schlußfolgerungen

    1. In einem frühen Stadium der Umweltpolitik ist das mit Grenzwerten operierende Ordnungsrecht ein geeignetes Instrument, da spezielle Emissionsreduktionen relativ sicher und kurzfristig zu erreichen sind. Ein alleiniges Setzen auf Grenzwerte wird allerdings zunehmend kontraproduktiv. Die Verschärfung von Grenzwerten - vielfach ein Resultat gesellschaftlicher "Konsensrunden" - ist nämlich ab einem bestimmten Zeitpunkt von abnehmender Nützlichkeit und Zielgenauigkeit. So hat eine - zunächst "unverdächtige" - Sinteranlage mehr Dioxine ausgestoßen als alle dem Bundesimmissionsschutzgesetz unterliegenden Müllverbrennungsanlagen zusammengenommen. Aufgrund hoher Grenzwerte bieten zudem deutsche Anbieter von Umwelttechnik vielfach "high-tech"-Güter an, die für viele Märkte zu teuer sind. Die Grenzwertdiskussion übersieht schließlich, daß die gesamte Wirtschaftsstruktur in die umweltbezogene Umstrukturierung einzubeziehen ist. Es geht darum, die Material- und Energieeffizienz aller Wirtschaftsprozesse deutlich zu verbessern, es geht mithin eher um die Abfallvermeidung und das Schließen von Stoffkreisläufen als um nachträgliche Abfallbehandlung.

    Der systemkonforme Weg zu einer intakten Umwelt ist dabei eine "ökonomieverträgliche" Umweltpolitik, d.h. eine entsprechende Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für privates Handeln, der den Wirtschaftssubjekten einerseits eindeutige und verläßliche Signale für ihre Dispositionen gibt, andererseits die unternehmerischen Handlungsspielräume, im Detail möglichst wenig einschränkt. Die Ausgestaltung der Öko-Audit-Verordnung ist hinsichtlich aller genannten Punkte als richtungweisend anzusehen. Ziel der deutschen Politik sollte daher eine zügige Umsetzung dieser Verordnung sein, die zugleich den Unternehmen die mit dem Audit-Verfahren verbundenen Chancen besonders klar ins Bewußtsein bringt.

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  1. Die verstärkte Anwendung einer "ökonomieverträglichen" Umweltpolitik reduziert generell die Notwendigkeit, den ökologischen Strukturwandel zusätzlich speziell zu fördern. Sofern allerdings eine spezielle Förderung ins Auge gefaßt wird, sollte diese nicht auf den beschriebenen "Kernbereich" der umwelttechnischen Industrie beschränkt werden, sondern vielmehr die Integration des Umweltschutzes in alle Wirtschaftsprozesse zum Ziel bzw. zum Gegenstand haben.

Eine spezifische Förderung des Kernbereichs der End-of-Pipe-Technik sogar mit deutlicher Zurückhaltung zu beurteilen. Es geht erstens nicht darum, Technologien von gestern und heute zu fördern. Eine aus Unternehmenssicht sowie kurzfristig aus Struktur- und arbeitsmarktpolitischen Gründen angebrachte Förderung der Entsorgungswirtschaft ist z.B. umweltpolitisch zumindestens ambivalent. Hier wird letztlich eine volkswirtschaftliche Umwegproduktion betrieben, die auch mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes als fragwürdig zu bezeichnen ist. Die Förderung kann zweitens -besonders wenn sie auf konkreten Listen von Umweltschutzgütern basiert - auch den künftigen Strukturwandel von additiven zu integrierten Umweltschutztechniken behindern (die Förderung additiver Techniken ist - wie erwähnt - aufgrund des eindeutigen Umweltbezuges zumeist leichter administrierbar). Sie berücksichtigt zudem oft nicht, daß der Umweltschutz ein im Zeitablauf "bewegliches Ziel" mit wechselnden Schwerpunkten darstellt. Eine großangelegte Finanzierung von End-of-pipe Techniken ist schließlich auch angesichts der inzwischen erreichten öffentlichen Verschuldung als Fehlentwicklung zu bezeichnen.

Eine enge, spezifische Förderung ist andererseits für Projekte mit integriertem Charakter oft zu kurzatmig. Im Landesprogramm Innovationsförderung wurde z.B. die Erfahrung gemacht, daß viele (z.T. hoch geförderte) Projekte nach 3 Jahren eine Anschlußförderung brauchten, da sie noch nicht zu einer selbsttragenden Aktivität geworden waren. Es sollte daher - wenn überhaupt - eher mit geringerer Intensität, aber kontinuierlicher und unspezifischer gefördert werden. Die nichtinvestiven, nichttechnologischen, management-, organisations- und qualifizierungsorientierten Ansätze des Technologieprogramms Wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen kommen vor allem auch Unternehmen zugute, die den Umweltschutz in den gesamten Produktionsprozeß einbauen. Maßnahmen zur Förderung umweltbezogener Beratungsdienstleistungen könnten ebenfalls eine gute Alternative sein. Dies gilt insbesondere angesichts der im Rahmen des Binnenmarktprogramms wirksam gewordenen

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Liberalisierung im Dienstleistungsbereich, die den deutschen Markt auch für (zumeist preisgünstigere) Beratungsanbieter z.B. aus Großbritannien und den Niederlanden öffnet. Die beste Förderung umweltbezogener Beratungsdienstleistungen besteht zur Zeit allerdings in einer zügigen Umsetzung der EU-Öko-Audit-Verordnung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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