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[Seite der Druckausgabe: 3 / Fortsetzung]

2 Strategieelemente

Zentrales Element einer Kostensenkungsstrategie ist die Kostenentlastung der Unternehmen. Das Hauptgewicht kommt der Reduzierung der Lohnkostenbelastung zu, die über eine starke Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer, gleichzeitig aber auch über sinkende Lohnnebenkosten erreicht wird. Angenommen wurde, daß in Westdeutschland bis zum Jahr 2010 die Lohnkosten je Arbeitnehmer in realer Rechnung konstant bleiben. Der Lohnanstieg liegt damit noch unterhalb von Forderungen, die den Reallohnanstieg auf einen Pfad unterhalb des Produktivitätsfortschritts begrenzen wollen. So wird im EU-Weißbuch (EU 1993) zur Beschäftigungsausdehnung vorgeschlagen, einen Abschlag von einem Prozentpunkt vorzunehmen. Der Sachverständigenrat (SVR 1997) fordert lediglich einen Abschlag von einem halben Prozentpunkt.

Neben einer Entlastung bei Löhnen und Lohnnebenkosten wird auch die steuerliche Belastung verringert bzw. begrenzt. Denn anders als im Referenzszenario wird der Faktor Energie nicht mit höheren Steuern belegt, so daß sich ein wichtiger Block der Vorleistungskosten zumindest aus diesem Grund nicht erhöht. Darüber hinaus können die Unternehmen mit weiteren Gewinnsteuerentlastungen rechnen, wenn auch mit deutlich geringerem Tempo als in der ersten Hälfte der neunziger Jahre.

Die Steuerentlastungen beschränken sich nicht auf den Unternehmenssektor. Auch die Arbeitnehmerhaushalte profitieren von einer Senkung der Lohn- und

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Einkommensteuer, so daß die Steuerbelastung bezogen auf die Arbeitseinkommen im Jahr 2010 knapp einen Prozentpunkt geringer ausfällt. Belastet werden die Haushalte jedoch durch eine um 2 Prozentpunkte höhere Mehrwertsteuer und durch eine Erhöhung der von ihnen verstärkt getragenen Sozialabgabenbelastung.

Durch diese Maßnahmen fällt der Anteil der Staatseinnahmen am Bruttoinlandsprodukt um fast 3 Prozentpunkte geringer aus als im Referenzszenario. Um gleichzeitig eine Verringerung der Defizitquote zu erreichen, werden die Staatsausgaben auf breiter Front gekürzt. Die realen Staatsinvestitionen werden auf dem gegenwärtigen Niveau eingefroren und der Staatsverbrauch zu konstanten Preisen bleibt mit einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate von 0,2 Prozent ebenfalls nahezu gleich. Der Anteil der Subventionen am Bruttoinlandsprodukt wird drastisch auf 1,2 Prozent verringert und viele Transferleistungen pro Empfänger werden deutlich schwächer als in der Vergangenheit zunehmen.

Das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz weist darüber hinaus bereits die Richtung auf, in der bei einer Kostensenkungsstrategie eine weitere Entlastung der Sozialversicherungssysteme angestrebt wird (BfA 1996). Hierin reiht sich der Vorschlag ein, die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre zu erhöhen. Begleitet wird diese Strategie durch eine Verkürzung der Studiendauer, um das Durchschnittsalter des Berufseintritts zu senken. Eine Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten soll deren Bewilligung erheblich erschweren.

Dem Integrationsszenario als Referenzmodell zum Kostensenkungsszenario liegt ein umfassendes Modernisierungskonzept zugrunde. Im Mittelpunkt steht die Erneuerung und Weiterentwicklung der institutionellen und materiellen Infrastruktur. Die Modernisierungsstrategie ist darauf gerichtet, den hohen Stand des sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Leistungsniveaus zu sichern und dabei gleichzeitig durch flexiblere Ausgestaltungen mehr Spielraum für individuelle und betriebliche Lösungen zu schaffen.

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Wesentliche Elemente der Modernisierungsstrategie sind

  • eine Lohnpolitik, die auch bei vermehrten betrieblichen Sonderregelungen die Partizipationschancen der breiten Arbeitnehmerschaft am Wachstumserfolg enthält;

  • eine Arbeitszeitpolitik, die unter Berücksichtigung der unterschiedlichen betrieblichen Rahmenbedingungen mehr Spielraum für eine gerechtere Verteilung von Arbeit schafft;

  • eine Bildungspolitik, die durch Verstärkung der Erstausbildung und vor allem der Weiterbildung den sich ausdifferenzierenden Qualifikationsanforderungen gerecht wird;

  • eine Infrastrukturpolitik, die durch qualitativen Ausbau das Leistungsangebot für hochwertige Produktionen permanent verbessert;

  • eine Förderpolitik in Ostdeutschland, die ausgerichtet auf eine weitere Kapitalintensivierung und zunehmendes technologisches Niveau die Anpassung an westdeutsche Verhältnisse massiv unterstützt.

In der Summe setzt ein solches Strategienbündel auf eine aktive Rolle des Staates bei der Verbesserung der Produktionsbedingungen in Deutschland. Dies wird ohne zusätzliche öffentliche Ausgaben nicht zu realisieren sein und muß sich daher in vielen Teilen über die aktuellen Sparzwänge hinwegsetzen.

Die Umsetzung dieses Strategiebündels in quantitative Angaben für die Szenarienrechnung läßt sich an einer Vielzahl von Größen festmachen. So wird für die Entwicklung der Reallöhne damit gerechnet, daß sie sich mit einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 1,5 Prozent ähnlich entwickeln wie in den letzten 15 Jahren in Westdeutschland. Es wird mit einer gegenüber der Vergangenheit leichten Beschleunigung der Arbeitszeitverkürzung gerechnet. Die Strategien in der Bildungs- und Infrastrukturpolitik schlagen sich auch in einer

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merkliche Erhöhung des Wachstumstempos der totalen Faktorproduktivität im Unternehmenssektor nieder. Das staatliche Dienstleistungsangebot wird um jährlich etwa 3,5 Prozent ausgeweitet. Die Annahmen zur Förderpolitik in Ostdeutschland werden u.a. durch nominell nahezu unveränderte Ausgaben für Investitionszuschüsse konkretisiert.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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