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4. Erfolgreich durch Anderssein - Erfolgsberichte aus der Praxis 4.1

4.1 Unicor Holding AG

1984 wurde die Unicor GmbH im fränkischen Haßfurt gegründet; heute gilt sie als ein mittelständisches Vorzeigeunternehmen. Unicor ist Marktführer bei der Herstellung von Mehrschicht-Kunststoffröhren und beim Bau der Maschinen zur Produktion dieser Röhren. Aus der Haßfurter Ein-Mann-GmbH wurde eine Aktiengesellschaft mit insgesamt zehn GmbHs, vier nationalen und zwei internationalen Standorten sowie fünf Joint Ventures in Fernost. Die Mitarbeiterzahl wuchs von 15 auf über 800, der Umsatz stieg binnen 14 Jahren auf 200 Mio. DM. Für 1999 ist der Börsengang der Unicor Holding AG geplant. Mittlerweile besitzt das Unternehmen 70 firmeneigene Patente und eine Vielzahl von Auszeichnungen. 1994 erhielt Unicor den Innovationspreis Sachsen, 1995 den Innovationspreis Thüringen, 1996 den Innovationspreis Bayern, 1995 zählte das Unternehmen zu den "European Top 500" und 1997 erhielt der Vorstandsvorsitzende der Unicor Holding AG, Horst Rahn, die wichtige Auszeichnung "Entrepreneur des Jahres".

Der Unternehmenserfolg basiert nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Unicor Holding AG auf einem denkbar einfachen Ansatz:

"Anderswerden" in Bezug auf neue, innovative Produkte, "Anderssein" in Bezug auf die Motivation der Mitarbeiter, und schließlich "Andersbleiben". Denn den größten Erfolg am Markt habe immer derjenige, der auf die Frage nach Vergleichsmaßstäben antworten könne: "Vergleichen? Womit? Das gibt es nur bei uns". Eine solche Sonderstellung im Markt sei natürlich der Idealfall. Aber auch wenn dieser Idealfall nicht erreicht werden könne, müsse das Ziel jedes Unternehmens lauten, in möglichst vielen Facetten anders zu werden und sich von den Konkurrenten zu unterscheiden. Der Weg dahin sei ein langer Prozeß, der sich in vielen Stufen und unzähligen kleinen Schritten vollziehe. Um diesen Prozeß vollziehen zu können, bedürfe es einer Reihe grundsätzlicher Bedingungen.

  • Hierzu gehöre vor allem das Prinzip "k + k" - "konsequent und konzentriert". Wenn ein Projekt aus welchen Gründen auch immer nicht nach dem Prinzip "k + k" durchführbar sei - beispielsweise wegen fehlender Zeit, fehlendem Geld oder fehlendem Personal - solle man es lieber sein lassen.

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  • Zudem müßten die Unternehmensziele klar definiert sein. Und sie dürften keine Geheimsache darstellen, sondern müßten allen bekannt gemacht werden. Dazu gehöre auch das Bekenntnis, daß das Unternehmen Profit machen wolle, nämlich den Profit, der notwendig sei, um den ständigen Wandel zum Anderssein finanzieren zu können.

  • Schließlich bedürfe es des kontinuierlichen Einsatzes für die Unternehmenswerte. Dazu müsse die Erkenntnis erzeugt werden, daß Unternehmenswerte auch wirklich etwas wert seien und daß es lohne, sich für sie zu engagieren.

Das Anderssein von Unicor begann mit dem Erkennen einer Marktlücke und der Entwicklung einer Innovation, die in diese Lücke paßte. Wasser ist Leben, und entsprechend hat der Transport von Wasser seit Urzeiten eine existentielle Bedeutung für die Menschheit. Über die Jahrtausende veränderten sich die Transportmittel von ausgehöhlten Baumstämmen über Tonkrüge und Steinkanälen bis zu den modernen Rohrleitungen unserer Zeit. Aber nicht nur die Wasserleitungssysteme wurden weiterentwickelt, auch das Wasser veränderte sich. Reines Quellwasser ist zur seltenen Kostbarkeit geworden; das Wasser, das heute aus den Wasserhähnen läuft, ist verschnitten, recycelt und chemisch aufbereitet. Und es reagiert sehr aggressiv gegenüber allem, was mit ihm in Berührung kommt. Metallrohre konnten dem chemischen Angriff nur sehr schlecht widerstehen. Zwar hatten die in den 70er Jahren auf den Markt gekommenen Kunststoffrohre mit der Korrosion keine Probleme, dafür aber andere Nachteile wie mangelnde Wärmestabilität, mangelnde Druckfestigkeit, problematisches Langzeitverhalten, fehlende Biegefähigkeit und mangelnde Sauerstoffdichtigkeit. Beide Systemvarianten hatten spezifische Vor- und Nachteile, die nicht miteinander kompatibel zu sein schienen.

Bei Unicor wurde erkannt, daß diese Situation einer Lösung bedurfte und daß eine Lösung am Markt verkaufbar sein müßte. Das Fehlen eines für alle Marktanforderungen geeigneten Rohres war mehr als ein klassisches Kundenproblem, nämlich das Problem eines ganzen Marktes. Betroffen war nicht nur eine bestimmte Kundengruppe, sondern der Verbraucher beim Zähneputzen oder Duschen ebenso wie der Installateur beim Einbau, der Sanitär- und Heizungshandel beim Vertrieb und die Industrie bei der Herstellung dieser Produkte.

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Als Lösung für dieses Marktproblem entwickelte Unicor ein Mehrschicht-Kunststoff-Metall-Verbundrohr namens Unipipe. Ein innovatives Verbundrohr aus Kunststoff- und Metallrohr, bei dem die Metallschicht in der Mitte liegt, und somit den korrosiven Angriffen von innen und außen wirkungsvoll entzogen wird. Durch diese Materialkombination gelang es, die positiven Eigenschaften von Kunststoff und Metall unter Wegfall der negativen Attribute beider Werkstoffe zu verbinden. Doch nach der Entwicklung des neuen Rohres mußte festgestellt werden, daß es für das neue Rohr kein Verbindungssystem gab. Entsprechend dem Unicor Ansatz "k + k" wurde ein neues Preßfittingverfahren entwickelt, patentiert und mit Erfolg auf den Markt gebracht.

Auch im Vertrieb mußte Unicor neue, innovative Wege gehen. Denn der Markt für Heizungs- und Sanitärsysteme entpuppte sich als eher konservativ und innovativen Systemen gegenüber nicht gerade aufgeschlossen. Statt des üblichen Vertriebsweges über den Großhandel, wandte sich Unicor direkt an die Verbraucher und die Installateure. Und schließlich mußten zum Herstellen des neuen Rohres auch völlig neue Technologien entwickelt werden, um Wirtschaftlichkeit und Produktionssicherheit im Dauerbetrieb zu erreichen. Durch den weltweiten Verkauf von Maschinen und die Eigenproduktion von Rohren und Fittings konnten erhebliche Synergien erzeugt werden, was den Maschinen und Produkten sehr zugute kam.

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4.2 Planungsgruppe IFB Dr. Braschel GmbH

Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel GmbH ist ein Dienstleistungsunternehmen aus dem Consultingbereich. 1975 wurde das Unternehmen als Ein-Mann-Betrieb in Stuttgart-Zuffenhausen gegründet. Heute arbeiten bei der Planungsgruppe IFB Dr. Braschel 260 Mitarbeiter an den Standorten Stuttgart, Berlin, Bonn, Jena und Frankfurt/Oder. Das Leistungsbild umfaßt die Bereiche Architektur, Tragwerksplanung, technische Gebäudeausrüstung, Projektentwicklung, Projektsteuerung und Facility Management. Auch die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel ist in den letzten Jahren mit einer Reihe von Auszeichnungen bedacht worden: 1992 gewann sie den Deutschen Holzbaupreis, 1994 den Thüringer Architekturpreis und den BDA-Preis Sachsen, 1996 den Thüringischen Denkmalschutzpreis und den Ingenieurbau-Preis, 1997 den MIPIM Special Jury Award, den MIPIM

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Award in der Kategorie Business Center und den Sonderpreis des Deutschen Städtebaupreises.

Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel ist in einem Bereich tätig, der derzeit überwiegend negative Schlagzeilen macht: die Baubranche. Eine Branche, in der es durch das Auslaufen der Abschreibungsmodelle, die mangelnde Investitionsbereitschaft der Industrie und die fehlenden Investitionsmittel der öffentlichen Hand zu einem erheblichen Abwärtstrend gekommen ist. Parallel zu dieser Negativentwicklung haben sich die Kundenanforderungen in diesem Bereich in den letzten Jahren erheblich verändert, wodurch sich nach Einschätzung des Vertreters der Planungsgruppe IFB Dr. Braschel eine Reihe neuer Marktchancen ergeben haben. Nur die Unternehmen, die sehr schnell auf diese Veränderungen reagiert hätten, seien in der Lage, den ausländischen Wettbewerbern Paroli zu bieten oder sogar mit den Kunden ins Ausland zu gehen und dort weitere Aktivitäten zu entwickeln. Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel habe die geänderten Anforderungen in der Bauwirtschaft frühzeitig wahrgenommen und grundlegend analysiert. Dabei habe sich herausgestellt, daß die Auftraggeber heute ein erweitertes Leistungsspektrum erwarteten. Die klassischen Planungsleistungen würden heute in dieser Beschränkung nur noch sehr selten gefragt. Statt dessen legten die Kunden Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung.

Entsprechend habe sich die Projektabwicklung von der klassischen Gewerketeilung und Handwerkevergabe immer mehr hin zum Generalplaner verlagert. Die Unternehmen der Baubranche seien auf diese gravierenden Veränderungen höchst unterschiedlich vorbereitet gewesen. Bei rund 87 Prozent der Planungsbüros in Deutschland handle es sich um kleine Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern; lediglich 2 Prozent hätten mehr als 50 Mitarbeiter. Zwangsläufig täten sich die kleinen Firmen mit den neuen, sehr komplexen Aufgaben und Leistungsbildern schwer. Vor diesem Hintergrund habe die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel den Weg zur großen Einheit gewählt, um möglichst viele Leistungen integriert im Haus abdecken zu können. Dank modernster Kommunikationstechnik könne das Unternehmen heute arbeitsteilig in ganz Deutschland arbeiten, indem die in den verschiedenen Standorten verteilten Ressourcen gebündelt und für ganz konkrete Aufgaben einsetzbar gemacht würden.

Das umfangreiche Leistungsangebot schuf die Möglichkeit, auf neue Herausforderungen reagieren zu können und das Leistungsbild durch zusätzli-

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che Bereiche zu erweitern. Heute werde das Projekt schon im Vorfeld durch Projektentwicklung begleitet, es würden Machbarkeitsanalysen und Standortuntersuchungen geliefert und der Bauherr werde umfassend in allen Bereichen begleitet. Parallel zu den geforderten Planungsaktivitäten erwarteten die Bauherrn heute auch, daß sie bei der Vermarktung unterstützt würden. Das Planungsbüro müsse daher zunehmend Finanzierungskompetenz nachweisen und teilweise sogar Aufgaben vom Bauherrn übernehmen, von der Projektabwicklung bis zu Vergabe, Preisgarantie und Projektmanagement. Diese Beispiele illustrierten, daß aus dem relativ kleinen Leistungsbild der klassischen Planungsunternehmen heute ein komplexes Leistungsbild erwachsen sei. Nur, wer sich diesem ganzheitlichen Ansatz stelle, habe die Chance, in Zukunft am Markt erfolgreich zu sein.

Auch bei der Projektabwicklung habe sich das Anforderungsprofil vom klassischen gewerkeweisen Vergabeverfahren zum Generalplaner entwikkelt. Eine Entwicklung, die Chancen für große, kompetente Einheiten eröffne, die in der Lage seien, alle Aufgaben im Haus abzuwickeln. Die Planungsgesellschaft als Generalplaner könne die Bauherreninteressen gegenüber dem Generalunternehmer wesentlich besser vertreten als eine gewerkeorientierte Planergesellschaft. Seit neuestem komme nun der Wunsch hinzu, den Bauherren gegenüber als Generalübernehmer aufzutreten, d.h. der Planer plane nicht nur, sondern er führe auch mit Hilfe von Subunternehmern aus und garantiere Preise und Termine. Diese Entwicklung werde forciert vor dem Hintergrund, daß sich die Bauherren zunehmend auf ihre Kernkompetenz zurückzögen und sich mit dem eigentlichen Bauprozeß nicht mehr beschäftigten. Durch die Auslagerung ihrer Kapazitäten in diesem Bereich könnten leistungsstarken Planungsbüros neue Chancen erwachsen.

Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel habe aber nicht nur auf Marktveränderungen reagiert, sondern auch innovative Schritte eingeschlagen, wobei sich das Unternehmen Erfahrungen aus anderen Branchen zunutze gemacht habe. So habe es im Maschinenbaubereich seit langem Qualitätsmanagementsysteme gegeben, um den Kunden die Qualität der geleisteten Arbeit nachzuweisen. Im Bau- und auch im Planungsbereich sei dies dagegen ein völlig neuer Ansatz gewesen. Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel war eines der ersten Planungsbüros in Deutschland, das sich zertifiziert habe. Motiv für diese Innovation sei der Ansatz gewesen, die Prozesse für den Bauherrn leichter nachvollziehbar und überprüfbar zu ma-

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chen. Für ein Planungsbüro, das auf Basis von Werkverträgen tätig ist, sei der Nachweis der geleisteten Leistung ein besonders wichtiger Aspekt.

Zudem habe das Unternehmen eine grundsätzliche Veränderung der Arbeitsphilosophie im Hause durchgeführt, indem von der klassischen gewerkeorientierten Bearbeitung abgegangen wurde, bei der der Architekt, der Statiker, der Elektriker oder der Planer für sich arbeiteten und erst zu einem relativ späten Projektstadium zusammengeführt würden. Jetzt werde das Projekt in den Vordergrund gestellt und interdisziplinäre Projektteams gebildet, die von einem Gesamtprojektleiter verantwortlich für das gesamte Leistungsspektrum betreut würden. Diese Umstrukturierung habe zum Vorteil, daß es nur einen Ansprechpartner für den Bauherren gebe, die internen Schnittstellenprobleme reduziert und der komplette Arbeitsablauf wesentlich effektiver würde. Motiv für diese Maßnahme sei die Einsicht gewesen, daß das Kapital eines Planungsbüros wie bei allen Dienstleistern die Mitarbeiter seien. Und nur wenn die Mitarbeiter mitzögen, sich fortbildeten und auf neue Anforderungen einstellten, könne das Unternehmen auf Dauer erfolgreich sein.

Eine solche Projektorientierung widerspreche jedoch diametral der klassischen Ausbildung der Mitarbeiter als Architekt, Statiker, Zeichner oder Maschinenbauingenieur. Da sich der Markt auch weiterhin in diese Richtung entwickeln dürfte, werde die klassische, einseitig ausgerichtete Ausbildung keine Zukunft mehr haben. Vielmehr müsse zum gesamtheitlichen Berufsbild früherer Zeiten zurückgekehrt werden. Schließlich waren die berühmten Architekten des Mittelalters, des Barocks und anderer Epochen die Baumeister. Die FAZ beschrieb diesen Baumeister neuen Typs als "Koordinator alter Schule für nationale und internationale Aufgaben". Die Planungsgruppe IFB Dr. Braschel versuche derzeit, die Defizite der Ausbildung im Hinblick auf ganzheitliche Qualifizierung intern zu kompensieren. Die Mitarbeiter würden durch interne Fortbildung und die intensive Kommunikation zwischen den Leistungsbereichen auf ihre neue Aufgabe gewerkübergreifend hingeführt. Nur dann, wenn die Mitarbeiter die Projekte ganzheitlich betrachteten und abarbeiteten, könnten die Planungsbüros zukünftig am Markt bestehen. Bei der Planungsgruppe IFB Dr. Braschel ist man überzeugt, daß das Unternehmen mit diesem ganzheitlichen Ansatz auf dem richtigen Weg sei. Dies zeige sich auch daran, daß das Unternehmen die Mitarbeiterzahl in den letzten Jahren konstant halten konnte, während es insgesamt im Consultingbereich, im Bauwesen und in der

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Bauwirtschaft dramatische Einbrüche gab. Und auch für das kommende Jahr habe das Unternehmen bereits jetzt volle Auftragsbücher.

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4.3 PA Power Automation AG

Die PA Power Automation AG, Tamm ist eine Firmengruppe von vier Firmen, die unterschiedliche Aufgaben im Bereich CNC-Technologie durchführen. Das Unternehmen ging aus der 1980 gegründeten Firma IBH hervor und startete 1993 mit einer GmbH und nicht einmal 30 Mitarbeitern; 1998 sollen es 80 Mitarbeiter sein. Im Juli 1997 wurde das Unternehmen als erster Schritt für den geplanten Börsengang in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der Umsatz lag 1997 bei 5 Mio. DM und soll in den nächsten fünf Jahren auf 55 Mio. DM ansteigen. Mit diesen ehrgeizig klingenden Zielen würde PA Power Automation jedoch lediglich einen Prozent des Weltmarktumsatzes erreichen.

PA Power Automation produziert hauptsächlich Software, insbesondere Komplett-CNC-Steuerungen, aber auch PC-gestützte Computersysteme oder Werkzeugmaschinen. Ein typischer Kunde ist beispielsweise der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf. Die Besonderheit des Unternehmens ist nach Einschätzung des Vorstands der PA Power Automation die Produktion von auf Windows-NT basierenden CPU-CNCs in einer weltweit einmaligen Position sowohl in der Architektur als auch in der Kostensituation. Denn bei PA Power Automation laufe die vollständige MC-Software auf dem Motherboard des normalen Personal Computer; eine ausgesprochen preiswerte Lösung für die Unternehmen. Das Erfolgsrezept des Unternehmens lasse sich insofern als Herstellung innovativer Produkte zu günstigen Preisen beschreiben. Die Basis hierfür seien vor allem die engagierten Mitarbeiter und eine motivationsfördernde Unternehmenskultur. Die erfolgreichsten Innovationen erwüchsen in der Praxis oftmals aus zunächst unmöglich scheinenden Anforderungen. Zur Bewältigung solcher Herausforderungen bedürfe es einer sehr offenen und effizienzorientierten Kommunikation innerhalb der Firma. Bei PA Power Automation gebe es daher regelmäßige wöchentliche Besprechungen mit allen Entwicklungs- und Marketingmitarbeitern, um aktuelle technische Probleme anzusprechen und eventuelle neue Ideen anzureißen. Außerdem würden je nach Bedarf Brainstorming-Seminare in sehr entspannter Atmosphäre und offener Kommunikationsstruktur durchgeführt, an denen kompetente Mitarbeiter

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aus allen betroffenen Bereichen teilnähmen. Insbesondere diese unkonventionellen Seminare hätten sich in der Vergangenheit als ausgesprochen produktiv erwiesen.

Beim Herangehen an ein neues Projekt bedürfe es zunächst einer grundsätzlichen Produktskizze, insbesondere im Hinblick auf Preis- und technische Struktur, Software- und Hardwareaufgaben, sowie der Festlegung eines Zielrahmens für Realisierung und Markteinführung. Hierzu würden von den zuständigen Mitarbeitern in den verschiedenen Abteilungen entsprechende Vorarbeiten - detaillierte Marktuntersuchungen, Preiseruierung, Untersuchungen im Hard- und Software-Bereich, Abklärung von Funktionsaspekten - abgearbeitet. Auf diese Phase folge üblicherweise ein zweites, wesentlich konkreteres Brainstorming, bei dem bereits ein erstes grundsätzliches Pflichtenheft vorliege. Nach dessen Abschluß folge der Einstieg in die Realisierungsphase. Da die Mitarbeiter bereits frühzeitig in die Projekte involviert würden, beteiligten sie sich an der Realisierung mit vollem Engagement. Die typischen Realisierungszeiträume lägen bei kleinen Projekten zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten, bei sehr großen Projekten bei rund 1,5 Jahren. Hierbei erfolgten natürlich laufend Überprüfungen im konstruktiven Sinn, um schnellstmöglich Korrekturen miteinander abzuklären. Gerade bei eventuellen Konflikten, die in der Entwicklungsphase immer auftreten könnten, erweise sich die positive Kommunikationskultur als ausgesprochen vorteilhaft, da widerstrebende Interessen lagen frühzeitig sachlich geklärt werden könnten.

Die PA Power Automation sah und sieht sich im Finanzierungsbereich mit den üblichen Problemen junger HighTech-Untemehmen konfrontiert. Die erste Phase der Finanzierung konnte aus privaten Mitteln des Untemehmensgründers bestritten werden. Für die Vertriebseinführungsphase wurde eine Venture-Capital-Firma aus Frankfurt gewonnen. In der nun anstehenden dritten Phase sollen die aus dem Börsengang des Unternehmen gewonnenen finanziellen Mittel dazu verwendet werden, das aus der inzwischen entwicklungsmäßig weitgehend abgeschlossenen Innovation resultierende Wachstumspotential effizient nutzen zu können. Für das Unternehmen wäre eine Finanzierung mit konventionellen Mitteln zur Ausschöpfung des Potentials und der damit einhergehenden Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht ausreichend gewesen. Die Suche nach einem Partner, der sich mit Venture Capital an dem Unternehmen beteiligt, war deshalb notwendige Konsequenz. Die Zusammenarbeit mit einem Venture-Capital-Unter

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nehmen bietet die Möglichkeit, im nächsten Schritt unter Federführung dieses Unternehmens an die Börse zu gehen und dadurch eine finanzielle Ausstattung zu erreichen, die ein weiteres Wachstum des Unternehmens möglich macht. Auch die Gelegenheit, die Mitarbeiter an Vermögen und Wertzuwachs besser beteiligen zu können, sei für PA Power Automation sehr attraktiv. Damit kann nicht nur das Commitment der Mitarbeiter an das Unternehmen erhöht werden, sondern auch ein kleiner Beitrag für ein Umdenken in der Gesellschaft geleistet werden.

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4.4 Advance Bank

Die Advance Bank wurde im Mai 1995 in München als Direktbank der Bayerischen Vereinsbank gegründet; ein Zeitpunkt, zu dem bereits andere Direktbanken am Markt etabliert waren. Angesichts von deren Wettbewerbsvorteilen, die nicht nur auf den früheren Start, sondern auch auf größere Budgets und Vorteile bei der Kundenakquisition beruhten, konnte das Erreichen der Marktführerschaft nach Einschätzung der Leiterin Call Center Service Mangement der Advance Bank kein realistisches Ziel sein. Statt dessen habe sich die Bank das nicht weniger ambitionierte Ziel gesetzt, in Deutschland die Qualitätsführerschaft zu erreichen.

Hierzu bedurfte es zur klaren Unterscheidung von der Konkurrenz vor allem der Entwicklung eines eigenständigen Konzeptes, in dessen Mittelpunkt eine konsequente Dienstleistungs- und Serviceorientierung der Bank stehen sollte. Ausgangspunkt der konzeptionellen Überlegungen war der "Traum von der idealen Bank".

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Im Sinne der angestrebten Dienstleistungs- und Serviceorientierung der Advance Bank sollte versucht werden, diese idealen Anforderungen so weit wie möglich in die alltägliche Realität des Bankgeschäftes umzusetzen. Gegen kritische Stimmen auch in der Bayerischen Vereinsbank gelang es der zur Konzeption der Advance Bank verantwortlichen Projektgruppe, eine Reihe von Attributen der "idealen Bank" in das Konzept der Bank zu integrieren und auch nach anderthalb Jahren am Markt beizubehalten. Als erste Direktbank in Deutschland bot die Advance Bank ihren Kunden eine komplette Beratung an. Damit sollte nach den bereits am Markt etablierten Dienstleistungen Service-Telefon und Direct-Brokern eine dritte Welle im Direkt-Banking eingeleitet werden.

Kennzeichen der Beratung der Advance Bank sollte eine möglichst große Objektivität sein. Den Kunden sollten nicht, wie bei anderen Banken üblich,

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ausschließlich Produkte aus dem eigenen Hause bzw. von der Mutterbank angeboten werden, sondern in allen Bereichen die jeweils besten Produkte. Um diesen Anspruch umzusetzen, seien auch innovative Bankdienstleistungen geschaffen worden wie ein völlig neu konzipiertes Girokonto. Zur Sicherstellung einer unabhängigen Beratung, wurde im Vermögensbereich eine eigene Research-Gruppe gebildet, die bei der Auswahl der zu empfehlenden Produkte ausschließlich auf deren Qualität achten sollte. Und schließlich gehöre zum Objektivitätsanspruch der Beratung auch, interessierten Neukunden ehrlich zu sagen, ob die Advance Bank für deren Anforderungen überhaupt die richtige Bank sei.

Der entscheidende Faktor für den Erfolg einer Direktbank seien die Mitarbeiter. Schließlich gebe es beim Telefon-Banking als Kommunikationsmittel ausschließlich das Telefon, mittels dessen die hochkomplexen Bankdienstleistungen verkauft werden müssen. Entsprechend wichtig sei daher die Art und Weise, wie die Mitarbeiter im Call Center den Kunden gegenübertreten. Nur motivierte und überzeugend agierende Berater seien in der Lage, abstrakte Bankprodukte zu vermitteln und gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln. Zentrale Anforderungen an die Mitarbeiter seien daher weniger bankspezifische Kenntnisse, als vor allem das Vorhandensein einer unbedingten Dienstleistungsbereitschaft. Wer nicht mit Menschen kommunizieren wolle oder könne, sei für einen Job in einer Direktbank ungeeignet. Entsprechend seien bei weitem nicht alle Mitarbeiter der Advance Bank gelernte Banker. Im Call Center habe lediglich jeder zweite Mitarbeiter eine Bankausbildung. In anderen Abteilungen wie der Vermögensberatung seien dagegen ausschließlich ausgebildete Vermögensberater tätig.

Ergänzt werden müsse die grundsätzliche Dienstleistungsbereitschaft der Mitarbeiter mit der Bereitschaft, Neues zu lernen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Der Kundentyp der Advance Bank ist Untersuchungen zufolge ein "autonomer, souveräner Verbraucher", der bereits über eine Grundkompetenz in Finanzfragen verfügt und klare Vorstellungen darüber hat, was er von seiner Bank erwartet. Derartige Kunden erwarteten sich von ihrer Bank auch ebenso souveräne Berater. Nur qualifizierte und kompetente Berater könnten anspruchsvollen Kunden auch mit der entsprechenden Souveränität gegenübertreten. Hierfür bedürfe es der notwendigen Schulung der Mitarbeiter, aber auch transparenter und motivationsfördernder Arbeitsstrukturen.

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Wichtig für die Motivation der Mitarbeiter seien vor allem die Arbeitsatmosphäre und Kommunikationskultur. Kennzeichen der Unternehmens- und Führungskultur sei das Prinzip "Offene Tür". Die Büroräumlichkeiten seien sehr offen, mit sehr wenigen Wänden und viel Glas gestaltet. Diese Arbeitsatmosphäre sei für viele Mitarbeiter zunächst sehr ungewöhnlich gewesen, werde aber inzwischen von nahezu allen Mitarbeitern geschätzt. Wichtig zur Etablierung einer solchen Kultur sei natürlich die Einbindung der Führungskräfte. Daher gelte das Prinzip "Offene Tür" bei der Advance Bank bis hinauf zum Vorstand. Alle Mitarbeiter könnten ihre Probleme und Kritikpunkte direkt bei den Vorgesetzen loswerden, und die Führungskräfte seien auch bereit, diese Anregungen aufzunehmen. Die Bank lege Wert auf ein sehr aktives Ideenmanagement. Positiven Einfluß auf die Arbeitsatmosphäre habe auch, daß sich die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz nach ihren eigenen Vorstellungen konzipieren könnten.

Darüber hinaus habe die Advance Bank erkannt, wie wichtig die Einbeziehung der Kunden gerade für eine virtuelle Bank sei. Schließlich wüßten die Kunden am besten, wo die Bank Defizite habe, wo Verbesserungsbedarf bestehe und was bereits gut funktioniere. Um das notwendige Feed-Back von den Kunden zu erhalten, führe die Advance Bank regelmäßig Kundenwerkstätten durch. Neukunden würden generell nach sechs Wochen befragt, ob sie mit der Bank zufrieden seien. Der Rücklauf bei diesen Befragungen sei mit 35 Prozent sehr hoch, was dokumentiere, wie groß das Interesse der Kunden sei, mit einer virtuellen Bank in Kontakt zu treten. Einmal pro Jahr werde zudem eine große Kundenbefragung durchgeführt. Und schließlich sei eine eigene Customer Care-Einheit mit elf Mitarbeitern eingerichtet worden, die ausschließlich Beschwerde- und Anregungsmanagement betreibe. Die Kunden würden ausdrücklich aufgefordert, dort anzurufen und ihre Kritik und Anregungen weiterzugeben. Wer aus Kritik lernen wolle, der brauche ein unverkrampftes Verhältnis zu Beschwerden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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