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[Seite der Druckausgabe: 47 / Fortsetzung]


7. Bündelung der Kräfte - Die regionale Zusammenarbeit als Zukunftschance

7.1 Der neue Verband Region Stuttgart

Am 12. Juni 1994 wählten die 2,5 Millionen Menschen, die in den sechs Kreisen Stuttgart, Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr leben, erstmals die Mitglieder eines neuen parlamentarischen Gremiums, der Regionalversammlung der Region Stuttgart. Das Regionalparlament ist das Hauptorgan des im Februar 1994 vom Stuttgarter Landtag ins Leben gerufenen Verbandes Region Stuttgart. Vor den am 12. Juni 1994 gewählten 87 Mandatsträgerinnen und -trägern der Regionalversammlung liegt politisches Neuland. Die Regionalversammlung hat den Auftrag, sich erstmals über reine Stadt- und Kreisgrenzen hinweg mit den gemeinsamen Aufgaben in der Region Stuttgart als einheitlichem Wirtschafts-, Lebens-, Kultur- und Verkehrsraum zu beschäftigen. Eine Aufgabe, die angesichts des doppelten Spannungsverhältnisses zwischen den kommunalen Akteuren untereinander und andererseits mit den darüber liegenden Landes- und Bundesebenen außerordentlich konfliktträchtig ist.

Dabei herrscht in der Region bei allen politischen Akteuren Einigkeit über die prinzipielle Notwendigkeit zur Bildung des gemeinsamen Verbandes Region Stuttgart mit der Regionalversammlung als höchstem politischen Organ. Schließlich lassen sich eine Reihe neuer Aufgaben von der Abfallentsorgung bis zum öffentlichen Personennahverkehr heute nur noch regional lösen. Doch ebenso groß wie diese Einsicht sind auch die Vorbehalte gegenüber einem neuen starken Regionalorgan. Strittig ist dabei sowohl die Neuverteilung von Kompetenzen und Aufgaben als auch die besonders heikle Frage der Finanzierung. Ein Landespolitiker beschreibt die bisherigen Differenzen bei Finanzierungsfragen zwischen Vertretern der Landeshauptstadt und der Umlandkommunen treffend: Wenn es um die Umsetzung konkreter Maßnahmen gegangen sei, hätte der Stuttgarter Oberbürgermeister stets gefordert: "Ich brauche mehr Geld", worauf ihm seine Kollegen aus dem Umland zu antworten pflegten: "Wir geben nichts".

Nicht nur bei der Frage der Finanzierung bestimmter Aufgaben und Projekte wird es entscheidend sein, ob es den Befürwortern des Verbandes gelingt, die politischen Akteure zu einer vorbehaltlosen Unterstützung der Region zu motivieren. Die Regionalversammlung kann die vor ihr liegenden Aufgaben nur dann erfolgreich meistern, wenn - darüber sind sich Politiker aller Parteien einig - bei allen die Bereitschaft vorhanden ist, aus der Passivität der letzten Jahre herauszutreten und eine gemeinsame Vision für die Region für das Jahr 2000 zu entwickeln. Und nur dann kann die Regionalversammlung ihre politische Existenz auf Dauer rechtfertigen. Denn Skeptiker gibt es genug und über eines sind sich Befürworter und Kritiker der Regionalversammlung einig: Die Bildung der Regionalversammlung und der Versuch der politischen Einigung der Region Stuttgart ist ein Experiment, dessen Erfolg oder Mißerfolg vor Abschluß der ersten fünfjährigen Wahlperiode kritisch auf ihr Soll und Haben überprüft werden wird.

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7.2 Die Gründung des Verbandes Region Stuttgart

Alle Ballungsräume stehen heute unter einem ständig wachsenden Problemdruck. Dies gilt auch und gerade für die Region Stuttgart, in der auf 10 Prozent der Landesfläche 25 Prozent der Einwohner des Bundeslandes Baden-Württemberg leben. Zentrale Fragen der Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Verkehr, Abfallentsorgung und Flächenbedarf können in derart hochverdichteten Räumen nur noch im regionalen Konsens gelöst werden.

Neben diesen generellen Problemen von Ballungsräumen kommen in der Region Stuttgart noch die spezifischen Probleme des wirtschaftlichen Strukturwandels hinzu. In dieser Umbruchphase sind die Akteure aus Politik und Wirtschaft besonders aufgefordert, die vorhandenen Stärken der Region auszubauen und die bestehenden Struktur- und Standortdefizite zu beheben, auch wenn dabei teilweise unbequeme Entscheidungen notwendig sind und bestehende Besitzstände angegriffen werden müssen. Die Akteure innerhalb der Region - Regionalverband, Kreise, Gemeinden, Kammern, Gewerkschaften, Verbände und Arbeitsverwaltungen - müssen gemeinsam den regionalpolitischen Handlungsbedarf analysieren, Entwicklungspotentiale und Engpaßfaktoren erkennen und Perspektiven entwickeln. Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Region Stuttgart hängt primär von Faktoren ab, die in die originären Aufgabenfelder der Akteure der Wirtschaft (Unternehmer, Gewerkschaften) fallen. Aber es gibt eine Reihe von Faktoren, die in die öffentliche Verantwortung fallen, und zugleich eng mit den Aufgaben der Tarifpartner verknüpft sind. Dies gilt für alle Fragen der Ver- und Entsorgungseinrichtungen, der Infrastruktur und der Entwicklungs- und Planungsdimension.

Die neuen regionalen Aufgabenfelder stoßen in der Praxis an die tradierten Strukturen mit Gemeinde- und Kreisgrenzen und den jeweiligen spezifischen Verantwortlichkeiten und damit teilweise an bislang unüberwindbare Grenzen. Eine effektive Steuerung und eine vernünftige Finanzierung der notwendigen Maßnahmen war aufgrund dieser Situation oftmals nicht mehr gewährleistet. So war die Gründung einer neuen politischen Ebene zur Steuerung der neuen regionalen Anforderungen fast zwangsläufig Resultat einer Entwicklung, die deutlich machte, daß die Anforderungen an die Gesamtsteuerung einer so hoch verdichteten Region eben mehr ist als die Summe der Einzelinteressen ihrer 179 Städte und Gemeinden oder der fünf Landkreise und der Stadt Stuttgart - zugleich aber auch wesentlich spezieller und individueller sind, als es die Landesregierung in ihrer Politik für das gesamte Bundesland zu berücksichtigen vermochte.

Ein zweiter Aspekt kommt durch das Zusammenwachsen Europas und die Globalisierung der Märkte hinzu. Wettbewerb spielt sich heutzutage nicht mehr zwischen einem Standort Sindelfingen und einem Standort Böblingen ab, sondern zwischen den verschiedenen Groß- und Ballungsräumen Deutschlands und Europas. Es reicht nicht mehr aus, daß eine einzelne Stadt besonders günstige Voraussetzung für die Ansiedlung neuer Industrien bietet, sondern die Regionen müssen wettbewerbsfähig sein, die Rahmenbedingungen in den Groß- und Ballungsräumen müssen stimmen. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einer Region bedarf es daher zunächst einmal der Geschlossenheit einer Region und eines Konsenses über die angestrebten Ziele der Regionalpolitik. Diese Einsicht hat bereits in anderen Regionen Deutschlands zur Bildung regionaler Strukturen geführt. Die Bildung des Regionalverbandes Stuttgart ist daher keine politische Novität, sondern reiht sich ein in einen Prozeß des regionalen Zusammenwachsen von Großräumen. Den Anfang machte die Bil-

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dung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet, dem die Konstituierung des Zweckverbandes Großraum Hannover und des Umland Verbandes Frankfurt folgte.

Auch die Region Stuttgart beginnt bei ihrer regionalen Neuorganisation nicht bei Null, denn bereits seit 20 Jahren existiert der Regionalverband Region Stuttgart, seit 1976 gibt es den Nachbarschaftsverband Stuttgart und außerdem wurden eine Reihe bestimmter Zweckverbände geschaffen. All diesen Organisationen ist es jedoch in der Vergangenheit nicht gelungen, über Absichtserklärungen und Empfehlungen hinaus konkrete Maßnahmen in die Wege zu leiten. Nach dem Willen der Gründer des Regionalverbandes soll dies jetzt anders werden, denn im Gegensatz zu den verschiedenen Vorläufern erhält der neue Verband Region Stuttgart eine Reihe konkreter Pflichtaufgaben, zu deren Erfüllung er vom Gesetzgeber des Landes Baden-Württemberg verpflichtet wurde.

Die Konstituierung des neuen Regionalparlamentes ist das Resultat einer politischen Kraftanstrengung der Landespolitik. Bereits vor drei Jahren hatte die Landesregierung eine Regionalkonferenz einberufen, in der es aber nach Ansicht von Beobachtern weniger um die Belange der Region als vielmehr um parteipolitische Auseinandersetzungen ging. So trat die Regionalpolitik weitgehend auf der Stelle - eine Situation, mit der nach Konstituierung der Regionalversammlung des neuen Verbandes Region Stuttgart jetzt Schluß sein soll. Am parteipolitischen Zündstoff hat sich indes nichts geändert. So erinnert ein SPD-Politiker daran, daß es in der Vergangenheit gerade die Abgeordneten der CDU gewesen seien, die im Stuttgarter Landtag vehement gegen die Bildung der Regionalverbandes opponiert hätten. Nur aufgrund der Hartnäckigkeit der SPD sei das Gesetz über die Gründung des Verbandes Region Stuttgart schließlich im Februar 1994 verabschiedet worden, wobei die CDU-Fraktion dem Gesetz gerade mal mit einer Stimme Mehrheit zugestimmt habe. Aber, so der SPD-Politiker, in der Politik gäbe es eben kein Urheberrecht, und so sei es auch nicht verwunderlich, daß sich heute gerade die Politiker, die vor kurzem noch gegen den Regionalverband argumentiert hätten, zu seinen vehementesten Befürwortern gewandelt hätten.

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7.3 Aufgaben des Regionalverbandes

Strittig war im Vorfeld der Gründung des Verbandes Region Stuttgart vor allem die konkrete Aufgabenzuteilung. So wollten einige Politiker den Regionalverband als eine Art Regionalkreis konzipieren, der auch Funktionen der bisherigen Landkreise übernehmen sollte. Diesem Vorschlag war entgegengehalten worden, daß auf diese Weise ein Mammutgremium geschaffen würde, das zur Bewältigung seiner Aufgaben zu groß und damit nicht mehr handlungsfähig wäre. Außerdem hätten die Kreise in ihren originären Aufgabenfeldern durchaus gute Arbeit geleistet. So setzte sich schließlich eine Position durch, die nur die Aufgaben an den Regionalverband übertragen wollte, die auch wirklich regionaler Lösungen bedürfen. Strittig blieb dabei bis zuletzt die Zuordnung der Abfallentsorgung, die letztendlich im Aufgabengebiet der Kreise verblieb. Die Befürworter einer regionalen Abfallentsorgung sind sich sicher, daß auf diesem Wege die Probleme der Region in diesem Bereich nicht gelöst werden können und auf Dauer auch die Abfallentsorgung in die Verantwortung des Regionalverbandes übertragen werden wird, da nur so eine tragfähige Gesamtlösung für die Region zu erreichen sei.

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Zu den Pflichtaufgaben des Verbandes Region Stuttgart gehören die Siedlungsentwicklung, die Regionalplanung, der regionale öffentliche Nahverkehr, Teilbereiche der Abfallentsorgung, die Wirtschaftsförderung sowie Aufgaben im Bereich Tourismus und Marketing. Gerade in diesen Bereichen war es in der Vergangenheit zu erheblichen Defiziten gekommen. Zu diesen Aufgaben kommt die Trägerschaft und Koordinierung neuer Messen und Messebeteiligungen sowie von Kongressen, Kultur- und Sportveranstaltungen hinzu.

Die besondere Qualität des neuen Verbandes liegt darin, daß zur Planungsdimension nun in Teilbereichen auch die Vollzugs-, Träger- und Umsetzungsverantwortung hinzukommt. Zur Umsetzung erhält der Verband neben der Planungskompetenz mit dem sogenannten "Gebot" auch ein Druckmittel an die Hand, um widerstrebende Gemeinden zu bewegen, für regional bedeutsame Industrie- und Gewerbegebiete Bauleitpläne aufzustellen. Die Wirkungsfähigkeit dieses Instrumentes ist umstritten. Jedoch besteht allseits die Hoffnung, daß es in der Praxis gelingt, die notwendigen Entscheidungen im Konsens zu fällen, so daß auf den Einsatz derartiger Sanktionsinstrumente verzichtet werden kann.

7.3.1 Infrastruktur

Eine zentrale Aufgabe des neuen Verbandes ist die Bewältigung der Verkehrsprobleme. Dabei geht es sowohl um die Einbindung der Region in die nationalen und internationalen Verkehrsnetze, als auch um die Verbesserung des Verkehrs innerhalb der Region, vor allem im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

Die internationalen Verkehrssysteme in Europa sind in Bewegung geraten. Durch das Ende des Ost-West-Konfliktes und die Öffnung Osteuropas haben sich die Hauptverkehrsströme verlagert und die großen alten Verkehrsachsen wurden wieder zum Leben erweckt. Der Ost-West-Verkehr spielt sich heute auf einer südlichen Achse von Südfrankreich über Norditalien nach Slowenien und einer nördlichen vom Pariser Becken über Nordbaden und Frankfurt nach Berlin ab. Die beiden großen Nord-Süd-Achsen verlaufen einmal im Westen durch das Rheintal nach Basel und Südfrankreich und zum anderen von Norditalien über München und Prag nach Berlin. Diese vier Hauptverkehrsachsen bilden ein Viereck, in dessen Mitte Stuttgart liegt - eine Situation, die bereits im 19. Jahrhundert eine eklatante Schwäche der Region war. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich diese Situation zum Wohle der Region grundlegend gewandelt: Stuttgart war nun fest eingebunden in das Verkehrsnetz der Bundesrepublik. Diese verkehrstechnische Integration war einer der Faktoren, die für den wirtschaftlichen Aufschwung Stuttgarts nach 1945 ausschlaggebend waren. Durch den Verlust der Einbindung in die internationalen Verkehrsachsen könnte der Region nun wiederum ein erheblicher Wettbewerbsnachteil entstehen. Deshalb sind Maßnahmen notwendig, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Dazu gehört die Fortführung der Schnellbahntrasse nach Süden in Richtung München und der Ausbau der Leistungsfähigkeit der Autobahnstruktur durch die Schaffung einer dritten Spur sowie gegebenenfalls auch den Bau neuer Autobahnstrecken. Denn bereits heute ist die Kapazität der Autobahnen in der Region für den alltäglichen Verkehr nicht mehr ausreichend.

Zweite zentrale Aufgabe ist die Verbesserung der Verkehrs innerhalb der Region. Der öffentliche Nahverkehr in der Region wird dem Bedarf nur noch ungenügend gerecht und der starke Individualverkehr kommt in und um Stuttgart jeden Morgen und Abend zum Stehen. Im Mittelpunkt der Diskussion um einen Ausbau des ÖPNV steht dabei die Frage der Fi-

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nanzierung. Es bestehen Zweifel, ob es in den nächsten Jahren gelingen wird, die für die Verbesserung des ÖPNV notwendigen Mittel akquirieren zu können. Für die Finanzierung ist es notwendig, daß das Land Baden-Württemberg alle Mittel, die vom Bund für den Ausbau und die Instandhaltung des Verkehrsnetzes bislang an das Land transferiert wurden, in Zukunft an die Region als neuen Träger weitergibt. Vertreter der Landesregierung betonen, daß sie bei den bisherigen Verhandlungen mit den Vertretern des Bundes stets klargestellt haben, daß die Höhe der zukünftig an die Region für den Bereich ÖPNV transferierten Bundesmittel mindestens dem jetzigen Status quo mit einer vernünftigen Dynamisierung entsprechen müßte.

Auf Grund der bundesweiten Regionalisierung des Schienenverkehrs und wesentlicher Teile des ÖPNVs muß jedoch mit Problemen gerechnet werden. Denn damit ändert sich nicht nur die Trägerschaft, sondern zugleich beginnt ein verschärfter Konkurrenzkampf um die Mittelzuweisungen der öffentlichen Hand zwischen den Regionen innerhalb des Landes und Deutschlands, in denen sich überall neue, regionale Verkehrsträgerstrukturen entwickelten. Es ist zu erwarten, daß gerade die ländlichen Regionen hier einen verstärkten Bedarf anmelden werden, da hier ein besonderer Nachholbedarf besteht. Da das Gesamtvolumen der zur Verfügung stehenden Mittel jedoch nicht vergleichbar zur steigenden Nachfrage und den sowieso steigenden Betriebs- und Investitionskosten anwachsen wird, ist es fraglich, in welcher Höhe die Region Stuttgart in Zukunft öffentliche Mittel für den ÖPNV wird akquirieren können. Auch hier weckt die neue Regionalversammlung Hoffnungen, denn das neue Gremium schafft jetzt die Möglichkeit, den notwendigen politischen Druck gegenüber Land, Bund oder Europa zu machen. Gleichwohl bleibt die Sorge, inwieweit die Region beim Ausbau des ÖPNV-Netzes angesichts leerer Kassen in Bonn und Stuttgart auf öffentliche Mittel zurückgreifen kann, berechtigt und es wird notwendig sein, für den ÖPNV-Ausbau neue Finanzierungswege einzuschlagen. Eine mögliche Finanzierungsquelle könnte die Erhebung einer zweckgebundenen Abgabe von möglicherweise 10 Pfennig auf den Benzinpreis zum Ausbau des ÖPNV sein.

Neben der Finanzierungsfrage wird natürlich auch über Art und Umfang des ÖPNV-Ausbaus kontrovers diskutiert. Dabei besteht Einigkeit darüber, daß ein ganz großes Manko des öffentlichen Verkehrsnetzes in der Region die fehlenden Tangentialverbindungen um Stuttgart sind. Resultat dieser Situation ist, daß der gesamte Verkehr auf den Stuttgarter Hauptbahnhof zugeleitet wird, der dadurch hoffnungslos überlastet ist. Da der Stuttgarter Hauptbahnhof zudem unterdimensioniert und von der Ausstattung her nicht mehr zeitgemäß ist, wird diese Überlastung noch verschärft. Dabei gibt es im Umland der Landeshauptstadt durchaus Bahnstrecken, die die Umlandstädte zumindest teilweise direkt verbinden; Strecken, die aber im Augenblick nur für den Güterverkehr genutzt werden. Hier besteht ein großes Potential für einen relativ preisgünstigen Ausbau des ÖPNV-Netzes, zumal diese Strecken auch durch Gebiete mit einem erheblichen Siedlungspotential führen. Der Nachbarschaftsverband Stuttgart hat untersuchen lassen, ob die Nutzung dieser Strecken als S-Bahn-Strecken wirtschaftlich wäre und kam zu dem Ergebnis, daß diese Linien zum überwiegenden Teil sehr wirtschaftlich betrieben werden könnten.

Aber die Versuche, das ÖPNV-Netz auf diesem Wege auszubauen, stoßen auch auf Widerstand. So hat der Nachbarschaftsverband Mitte Juni 1994 über ein Gutachten diskutiert, in dem die Wirtschaftlichkeit einer Tangentialverbindung untersucht worden ist. Nach diesem Gutachten wäre die Nutzung der Tangente von Dettenhausen über Böblingen nach Markgröningen ausgesprochen rentabel. Der Plausibilitätsfaktor für diese Strecke liegt bei

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1:2,93 und bereits bei einem Faktor 1:1 ließe sich eine Strecke rentabel bewirtschaften. Dennoch zeigt sich die Geschäftsführung der Stuttgarter VVS bislang ausgesprochen reserviert gegenüber den Plänen für eine Inbetriebnahme der Strecke als S-Bahn-Linie und meldet erhebliche Zweifel an der Aussagekraft des Gutachtens an. Statt der Tangentiallösungen plädieren die VVS-Vertreter für Investitionen in die Radiallösung - alle Investitionen in den ÖPNV sollten zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Hauptachsen in Richtung Stuttgarter Hauptbahnhof verwendet werden. Nach übereinstimmender Auffassung von Regionalpolitikern verschiedener Parteien ist dies ein typisches Beispiel dafür, wie nötig in der Region die Schaffung eines politischen Entscheidungsorgans war, damit der die gesamte Region betreffende ÖPNV nicht weiter hilflos den jeweiligen Partikularinteressen einzelner Akteure oder Träger ausgeliefert bleibt.

Aber das Thema "Verkehr" hat für die Region neben der konkreten Ausgestaltung und Verbesserung des ÖPNV eine weitere Bedeutung. Gerade in einer Region, die entscheidend von der Automobilindustrie geprägt ist, kann der Umgang mit dem automobilen Individualverkehr zu einem Aspekt großer Bedeutung werden. So wird bei den intensiven Diskussionen über die Verkehrsprobleme zwar vehement darüber gestritten, ob das Auto an sich noch eine Zukunft hat; über die Schaffung eines intelligenten und qualifizierten Gesamtverkehrskonzeptes unter ausdrücklicher Einbeziehung des Automobilverkehrs wird jedoch kaum gesprochen. Gerade in der Region Stuttgart könnte die Umsetzung eines solchen integrierten Verkehrskonzeptes der Zukunft, in dem Individualverkehr und öffentlicher Nahverkehr leistungsfähig verbunden sind, eine Vorbildfunktion für andere Regionen in Deutschland entwickeln und damit auch der Zukunftsdiskussion um das Auto eine neue Wendung verleihen. Eine solches Gesamtkonzept kann weder von einer Gemeinde, einem Kreis oder von oben durch das Bundesland gelöst werden - auch hierzu bedarf es eines Gremiums wie des Verbandes Region Stuttgart.

Neben der Verkehrsproblematik leidet die Region Stuttgart in erheblichem Maße unter einem Bedarf an Gewerbeflächen und an Bauland. Gerade in einem Prozeß der Umstrukturierung wächst der Flächenbedarf der Wirtschaft. Als Folge dieser steigenden Nachfrage bei zu geringem Angebot steigen zwangsläufig die Preise für Gewerbeflächen. Diese sind nach Informationen des DIHT schon heute in der Region Stuttgart doppelt so hoch wie in München, dreimal so hoch wie in Frankfurt und elfmal so hoch wie in Hamburg, und steigen weiterhin an - eine Entwicklung, die bereits heute einen eklatanten Standortnachteil für die Region darstellt. Für die Region wird es daher gerade im Hinblick auf den angestrebten Strukturwandel wichtig sein, zukünftig ein ausreichendes Angebot an Gewerbe- und Baulandflächen zur Verfügung zu stellen. Denn unverändert besteht in der Region außerdem ein Mangel an Wohnraum, auch wenn es im oberen Preisniveau ab 18 DM/qm inzwischen zu einer gewissen Sättigung gekommen ist und die Mietpreise partiell zurückgegangen sind. Aber im unteren und mittleren Marktsegment und ganz besonders im Geschoßwohnungsflächenbau besteht weiterhin ein erhebliches Defizit an Wohnungen - ein Aspekt, der ebenfalls schon heute ein Standortdefizit für die Region ist.

Auch in der Region Stuttgart wird die Diskussion um die Ausweisung weiterer Gewerbe- oder Wohnungsbauflächen bislang von zwei Extrempositionen beherrscht. Auf der einen Seite wird im Sinne einer klassischen Wachstumsideologie ein ungebremstes Ausweisen von Bauland und dessen zügige Bebauung gefordert. Die Gegenposition fordert vor allem aus ökologischen Gründen einen sofortigen Stopp weiterer Bebauung. Die Folge dieser Polarisierung ist eine oftmals unsachlich ausgetragene Diskussion und eine völlig unkoordi-

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nierte Politik der einzelnen Kommunen, was dazu führt, daß der Flächendruck, unter dem die Region leidet, ungeordnet weitergegeben wird. So entstehen nach und nach viele kleine Sünden, die sich schließlich zu einem Gesamtproblem großen Ausmaßes summieren. Deshalb ist es notwendig, in der Region Stuttgart zu einem koordinierten und ökologisch verträglichen Gesamtkonzept zu gelangen. Dazu müßte erst einmal allseits akzeptiert werden, daß ein Bedarf nach mehr und vor allem nach bezahlbarem Wohnraum in der Region existiert, und daß dessen Deckung für die Zukunft der Region von entscheidender Bedeutung ist. Dies kann nur regional gelöst werden. Denn gerade durch ein Gesamtkonzept mit koordinierter Flächenausweisung ließen sich die notwendigen Eingriffe in die Landschaft umweltverträglicher gestalten, als dies bei der bisherigen Praxis der Fall ist. Daher ist die Ausweisung von Flächen auch als eine der zentralen Aufgaben des neuen Regionalverbandes festgeschrieben worden, für das dem Verband mit dem Planungsgebot ein Instrument zur Durchsetzung seiner Beschlüsse in die Hand gegeben wurde. Die Verantwortlichen hoffen jedoch, daß sie die anstehenden Fragen im Konsens mit den Kommunen zu regeln vermögen.

7.3.2 Messestandort Stuttgart

Neben der Flächenausweisung zählen auch andere Fragen wie der Ausbau des Messeplatzes Region Stuttgart zu den zentralen Aufgaben des Verbandes. Stuttgart ist heute als Messeplatz in Deutschland von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu Frankfurt, Hannover oder Köln. Der Versuch, dieses Defizit durch den Ausbau des Messegeländes auf dem Killesberg zu beseitigen, muß jedoch als gescheitert angesehen werden. Deshalb ist die Frage der Messe zu einem politischen Reizthema in der Region geworden. Das Messegelände am Killesberg ist als Gemeinschaftsunternehmen der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg in zwei Stufen ausgebaut worden. Während der Ausbaumaßnahmen zur zweiten Stufe setzte sich bei den meisten Beteiligten die Erkenntnis durch, daß der Standort mit dem Killesberg falsch gewählt wurde. Dennoch wurden in der zweiten Phase noch einmal 450 Millionen D-Mark in diesen Standort investiert. Ein Mitglied der Landesregierung bemerkt bitter, daß eben niemand in der Lage gewesen sei, den fahrenden Zug noch anzuhalten. Heute fordern die Wirtschaft, das Land und Teile der Kommunen einen neuen Messestandort. Ein solches Desaster wäre nach Auffassung eines Regionalpolitikers zu vermeiden gewesen, wenn es bereits früher eine regionale Interessenvertretung wie den Regionalverband gegeben hätte.

7.3.3 Wirtschaftsförderung

Weitere zentrale Aufgabe des Regionalverbandes ist die Schaffung einer einheitlichen Wirtschaftsförderungskonzeption für die Region und deren Umsetzung. Deshalb soll der Verband die. Trägerschaft für die regional-bedeutsame Wirtschaftsförderung als Pflichtaufgabe übernehmen und durch die Schaffung einer privaten Gesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung des Verbandes sowie der Wirtschaft und der Kommunen organisieren. Die Notwendigkeit für eine solche Maßnahme liegt auf der Hand. Derzeit gibt es in der Region keinen zentralen Ansprechpartner für investitionswillige Unternehmen. Statt dessen müssen die Unternehmen den jeweils für ihr Anliegen zuständigen Ansprechpartner in den fünf Landkreisen, der Stadt Stuttgart oder den 179 Gemeinden ausfindig machen - ein Zustand, der im Vergleich zu anderen Regionen einen echten Wettbewerbsnachteil darstellt, da es

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dort bereits zentrale Ansprechpartner mit den notwendigen Kompetenzen für eine regionale Wirtschaftsförderung gibt.

Deshalb soll in Zukunft eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft diese Aufgaben sowie die generelle Betreuung der Wirtschaft, das Standortmarketing und die Bereiche Information, Kooperation und Koordination nach innen und außen wahrnehmen. Das Wirtschaftsministerium in Stuttgart betreibt die Vorbereitungen zur Gründung dieser Wirtschaftsförderungsgesellschaft für die Region Stuttgart bereits seit einigen Jahren. Denn aus Sicht des Wirtschaftsministeriums läßt sich nur so eine koordinierte Wirtschaftsförderung für die gesamte Region und damit die Schaffung neuer Perspektiven für die lahmende Wirtschaft und den notwendigen Strukturwandel schaffen. Erste Vorgespräche wurden bereits im Frühjahr 1993 arbeitsteilig von der IHK-Stuttgart mit den Unternehmen und vom Wirtschaftsministerium mit den Kommunen geführt. In beiden Gesprächskreisen wurde eine breite Zustimmung zu diesem Vorhaben erzielt. Im März 1994 haben dann Vertreter des Wirtschaftsministeriums mit kommunalen und regionalen Vertretern ein Konzept zur Errichtung einer regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft verabschiedet. Derzeit befaßt sich eine regionale Arbeitsgruppe der Landesregierung, der Industrie- und Handelskammern und der Kommunen mit vorbereitenden Aktivitäten sowie der Erarbeitung einer Gesellschaftssatzung und der konkreten Konzeption von Werbeveranstaltungen, damit die Wirtschaftsförderungsgesellschaft nach Konstituierung der Regionalversammlung zügig ihre Arbeit aufnehmen kann.

Den Vorgaben dieser Arbeitsgruppe entsprechend soll die Wirtschaftsförderungsgesellschaft das im Gesetz über den Verband Region Stuttgart vorgesehene Aufgabenspektrum übernehmen, wobei besonders dem Flächenmanagement eine hohe Priorität beigemessen wird. Dabei soll sich die Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht nur auf die Vermarktung des Flächenangebots in der Region konzentrieren, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem Verband Region Stuttgart und den Kommunen aktiv an der nachfrageorientierten Planung, Entwicklung und Bereitstellung gewerblicher Flächen sowie der Schaffung eines markt-, vermittlungs- und verkaufsfähigen Flächenangebots mitwirken.

Für den Erfolg der Wirtschaftsförderungsgesellschaft wird es von entscheidender Bedeutung sein, ob es ihr gelingt, frühzeitig ein Kontaktnetz zu den Unternehmen (Unternehmensleitung und Arbeitnehmerschaft), den Kommunen, dem Verband und den relevanten Stellen der (Wirtschafts-)verwaltung aufzubauen. Auf dieser Basis könnte dann in Verbindung mit den allgemein zugänglichen Wirtschaftsdaten eine Art "regionales Frühwarnsystem" aufgebaut werden. Dabei sollte sich die Arbeit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft aber nicht nur auf die frühzeitige Erkennung krisenhafter Erscheinungen beschränken, sondern es könnten in bestimmten zielorientierten Arbeitskreisen auch entsprechende Kooperations- und Innovationsprozesse initiiert werden, um beispielsweise bei drohenden Betriebsverlagerungen oder -schließungen und damit verbundenen Entlassungen frühzeitig Wege für einen Ausgleich zu finden.

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft soll in der Rechtsform einer GmbH errichtet werden. Als Gesellschafter kommen der Verband Region Stuttgart, die Kommunen und die Akteure der Wirtschaft (Unternehmen, Kammern, Verbände der Wirtschaft und Gewerkschaften) in Frage, wobei aus Sicht der Landesregierung auf eine ausgewogene Gesellschafterstruktur geachtet werden soll. Der Verband Region Stuttgart sollte mindestens 50 Prozent des Gesellschaftskapitals übernehmen, um den instrumentalen Charakter der Gesellschaft für

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den Verband deutlich zu machen. Der verbleibende Teil sollte je zur Hälfte von der Wirtschaft und Interessierten (Kommunen, wirtschaftsnahe Institutionen, etc.) gehalten werden. Um deutlich zu machen, daß die Intention der Gesellschaft über das wirtschaftliche und kommunale Spektrum hinaus geht, wird außerdem die Gründung eines Beirates erwogen, in dem Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, Politik und Kultur vertreten sein sollten.

Die Finanzierung der Gesellschaft soll in erster Linie durch Mittelzuweisungen des Verbandes Region Stuttgart für die Erledigung der Pflichtaufgaben des Verbandes erfolgen. Die Erschließung weiterer Finanzierungsmittel für die Gesellschaft wird jedoch auf Dauer unumgänglich sein. Potentielle Geldgeber könnten der Bund, das Land, die EU oder auch Stiftungen sein. Finanzierungsmöglichkeiten könnten sich mittelfristig auch aus den Erträgen aus dem Marktgeschäft und von der Wirtschaft bereitgestellten Mitteln ergeben. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht an eventuellen Planungsgewinnen partizipieren darf, soweit bei Gewerbe- und Industriegebieten städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch eingesetzt werden.

Generell wird die Schaffung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft von allen politischen Akteuren begrüßt. Dennoch gibt es auch Kritik. So moniert ein Gewerkschaftsvertreter, daß die Aufgaben der Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht auch den Bereich der Beschäftigungsförderung enthalten. Gerade in diesem Bereich sieht er einen erheblichen Handlungsbedarf für die Region. Eine Beschränkung der Wirtschaftsförderung auf die bessere Vernetzung der Fördereinrichtungen und Förderprogramme von Region, Land, Bund und EU sowie das Flächenmanagement sei zu wenig.

Die Gewerkschaften hatten zudem angeregt, den interessierten gesellschaftlichen Gruppen einen geordneten, institutionellen Einfluß auf die Entscheidungsgremien der Region einzuräumen. Konkret plädierten sie für die Schaffung eines Sozial- und Wirtschaftsausschusses; ähnliche Einrichtungen gibt es bei der Europäischen Union und in Frankreich. Außerdem hatten die Gewerkschaften die Einrichtung einer Entwicklungsagentur für arbeitsorientierte Strukturpolitik vorgeschlagen, die eine qualifizierte Zuarbeit für Projekte regionaler Relevanz leisten könnte. Beispielsweise könnte sie die Großprojekte Messe oder den Bau des unterirdischen Hauptbahnhofs in Stuttgart unter beschäftigungs-, sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten prüfen. Vergleichbare Einrichtungen gibt es in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen. Schließlich hatten sich die Gewerkschaften für die Schaffung einer Agentur für Kompensationsgeschäfte eingesetzt, durch die Kompensationsgeschäfte kleiner und mittlerer Unternehmen unterstützt werden könnten. Diese Agentur könnte bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft angesiedelt sein. Ihre zentrale Aufgabe sollte die Förderung des Außenhandels der Region sein.

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7.4 Zukunftsperspektiven des Verbandes Region Stuttgart

Ein Regionalpolitiker sieht das Kardinalproblem des Regionalverbandes darin, daß der Verband in seiner Konzeption zwar eine neue Dimension der Kooperation innerhalb der Region einleiten soll und dies auch weitgehend gesetzlich fixiert ist, die neue Struktur aber gleichzeitig keinem der bisherigen politischen Akteure auf Gemeinde-, Kreis- oder Landesebene etwas von dessen Zuständigkeiten und Kompetenzen wegnehmen soll und es ebenso mög-

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lichst zu keiner gravierenden Umverteilung der finanziellen Mittel kommen soll. Hieraus ergäbe sich zwangsläufig ein großes Konfliktpotential.

Aus diesem Grunde wird teilweise bezweifelt, ob es sich auf Dauer als sinnvoll erweisen wird, von der Bezirksebene in Stuttgart bzw. Teilortsebene in der Fläche über Gemeinde und Kreis bis zur Regionalebene insgesamt vier Verwaltungsebenen innerhalb eines einheitlichen Lebensraumes aufrecht zu halten. Gerade im Hinblick auf die heute allerorts geforderte schlanken Verwaltungsstrukturen sei die Einführung der neuen Verwaltungsebene Region daher problematisch. Schließlich müssen alle vier Verwaltungsebenen finanziert werden und es muß damit gerechnet werden, daß es in der alltäglichen Praxis zu einer Fülle von Abstimmungsproblemen kommen werde. Daher wird bezweifelt, ob es bei so vielen Ebenen und Zuständigkeiten noch gelingen wird, dem Bürger transparent zu machen, wer überhaupt für welche Aufgaben zuständig ist. Auf der anderen Seite wird aber auch vor einer zu großen Zentralisierung von Aufgaben und Kompetenzen gewarnt. Unübersichtliche Großstrukturen wie der "Moloch Frankfurt" dürften nach übereinstimmender Auffassung nicht als Vorbild dienen. Denn nur in kleinen Einheiten besteht überhaupt die Chance für eine Identifikation der Bürger mit ihrem Gemeinwesen, und eine solche Identifikation ist unabdingbare Voraussetzung für ein verantwortliches Handeln des Einzelnen gegenüber dem Gemeinwesen.

Zugleich besteht breiter Konsens darüber, den Regionalverband mit einem minimierten zentralen Steuerungs- und Verwaltungsapparat auszustatten und die Aufgaben und Geschäftsbereiche weitgehend auszugliedern. Generell soll das Subsidaritätsprinzip Vorrang haben. Lediglich die Aufgaben, die sinnvoll gemeinsam erledigt werden müssen, sollen zentral betreut werden.

Neben diesen grundsätzlichen Bedenken bestehen Zweifel, ob der Regionalverband ausreichende Instrumente besitzt, um die anstehenden Probleme überhaupt lösen zu können. Dem wird entgegengehalten, daß der Erfolg des Verbandes weniger von der Wirksamkeit seiner Instrumente, als vielmehr von der Einstellung der Akteure in der Region abhängen wird. Die anstehenden Probleme werden nur in Kooperation mit allen zu lösen sein. Die Vertreter und Repräsentanten der Region müssen daher werbend und nicht polarisierend für die Einsicht eintreten, daß ein vernünftiges Wachstum in der Region notwendig ist und nur gemeinsam erreicht werden kann. Hierzu muß eine breite und offene Diskussion über Perspektiven und Visionen für die Region eingeleitet werden, aus der dann konkrete Handlungsschritte erarbeitet werden können. Dazu muß ein Umdenken bei allen Entscheidungsfragen und Akteuren in der Region einsetzen, denn in der Vergangenheit sind wichtige Entscheidungen oftmals verschleppt worden, da sich lokale Akteure erfolgreich gegen bestimmte Maßnahmen gewehrt hatten. So hatten Politiker beispielsweise öffentlich die Notwendigkeit des Weiterbaus der Schnellbahntrasse betont, bei konkreten Entscheidungen vor Ort aber vehement dagegen opponiert. Die Umsetzung mancher Projekte erfolgte daher nicht am eigentlich günstigsten Standort, sondern dort, wo der politische Widerstand schließlich am geringsten war. Oder konkrete Entscheidungen wie die Frage des Tunnelbaus im Raum Ludwigsburg und Kornwestheim wurden unverantwortlich lange verzögert. Wenn die Region auf Dauer ihre Probleme lösen will, dann ist hierfür ein neues Denken notwendig, das von einer Verantwortung für die Gesamtregion gekennzeichnet ist.


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