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[Seite der Druckausgabe: 32 / Fortsetzung]


6. Handlungsempfehlungen des Ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsplanes Niederlausitz

Als Grundlage für die ökologisch verträgliche Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der besonders belasteten Niederlausitzer Bergbau- und Energieregion wurde Ende 1993 nach zweijähriger Bearbeitungszeit das vom Bundesumweltministerium mit ca. 5 Mio. DM geförderte und in Kooperation mit den Ländern Brandenburg und Sachsen sowie den betreffenden Landkreisen erstellte Konzept "Ökologischer Sanierungs- und Entwicklungsplan Niederlausitz" vorgelegt. Es verbindet eine umfassende Zustandsanalyse aller betroffenen Bereiche mit Empfehlungen für kurz- und mittelfristige Maßnahmenplanungen der Länder und Kommunen unter Einbeziehung sozio-ökonomischer Aspekte. Sie beinhaltet neben der Aufarbeitung umfassenden Datenmaterials zur Umweltsituation der Niederlausitz eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen. Hierzu gehören nach Themenfeldern:

a) Raumordnungs- und Regionalplanung

Tiefgreifende Strukturveränderungen bestimmen die Situation in der Niederlausitz. Aufgabe der Regionalplanung unter Vorgaben der raumordnerischen Konzepte von Bund und Ländern ist es, Entwicklungen zu steuern und Fehlentwicklungen zu vermeiden. Ihr obliegt die Ergänzung aller Planungen durch Systemzusammenhänge und die Berücksichtigung indirekter, fachübergreifender Wirkungen, damit aus der Summe optimaler Fachplanungen auch eine optimale Raumgestaltung entsteht. Zur Stärkung der Steuerungsfunktion der Raumordnung als integrierender Planung gehört:

  • die Ausstattung mit über das übliche Maß hinausgehenden, ggf. zeitlich zu beschränkenden Kompetenzen in Anpassung an die Besonderheiten des Aufbaus in den neuen Bundesländern,

  • die Verbesserung von Verfahrensregeln,

  • die Verbesserung der Informationsgrundlagen,

  • ein hieraus abgeleitetes offensives Angebot an Flächen, die für bestimmte Nutzungen aus ökologischer und raumordnerischer Sicht besonders geeignet sind und

  • eine verbesserte Ausstattung mit Ressourcen, um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können.

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Zur Steuerung der Entwicklung bedarf es darüber hinaus der Entwicklung von Fachplänen und -konzepten mit folgenden Aufgabenfeldern:

  • Entwicklung des ländlichen Raums sowie agrarstrukturelle Vorplanung mit dem Ziel einer ökologisch verträglichen, an die vorwiegend ungünstigen natürlichen Ertragsbedingungen angepaßten, weitgehend auf Nischenproduktion abgestellten extensiven Land- und Forstwirtschaft,

  • Wohnungsbau mit Vorrang für die Erhaltung und Sanierung traditioneller Wohnquartiere,

  • Verkehrswegeausbau mit dem Ziel der Schonung sowohl von Siedlungen und Dorfkernen als auch größerer, wertvoller unzerschnittener Räume, unter Beachtung der Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer, einschließlich Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung,

  • Tourismusentwicklung mit dem Ziel der Erhaltung der den Tourismus anziehenden, regionsspezifischen Naturraumpotentiale und Attraktivitäten,

  • landes- und regionalplanerische Wertung zur Nutzungseignung und -orientierung für altindustrielle Standorte und Rüstungskonversionsflächen.

b) Bergbau

Nach der derzeitigen Planung sollen im Jahr 2000 noch etwa 68 Mio. t Braunkohle in fünf Tagebauen in der Niederlausitz gefördert werden.

Dringend zu empfehlen ist die Erarbeitung eines einheitlichen und verbindlichen Leitfadens zur Erstellung "Ökologischer Anforderungsprofile", der sich an den Zielen, Inhalten und Verfahrensweisen von Umweltverträglichkeitsuntersuchungen orientiert. Dieser Leitfaden ist auf die Planungen sowohl für die weiterzuführenden Tagebaue als auch für die auslaufenden Tagebaue und die Sanierungs- bzw. Rekultivierungsmaßnahmen anzuwenden. Im Zusammenhang mit den vordringlichsten Aufgaben zur Gefahrenabwehr und Sanierung stehen kurzfristig durchzuführende Forschungsaufgaben, die zur Entwicklung möglichst wirtschaftlicher und wirkungsvoller Sanierungskonzepte und -techniken sowie zur Erkennung und Bewertung gegenwärtiger und künftiger Gefahren erforderlich sind. Hierzu gehören beispielsweise praktikable, wirtschaftliche Verfahren zur Sanierung setzungsfließgefährdeter Flächen, Möglichkeiten der technischen Nutzung und Bebauung von Kippenflächen, Untersuchung der Grundwasseraufsäuerung beim Grundwasserwiederanstieg und Möglichkeiten zur Abpufferung, Sicherstellung und Auswertung der regionalen Kenntnisse und personengebundenen Erfahrungen zur Rekultivierung von Teiloberflächen.

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c) Wasserhaushalt

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht stellt das infolge der bergbaulich bedingten Grundwasserentnahme entstandene Grundwasserdefizit von derzeit rd. 13 Mrd. m3 das dominierende Problem der Region dar. Die Sicherstellung der Wasserversorgung von Region und Unterliegern (sowohl qualitativ als auch quantitativ) muß aus wasserwirtschaftlicher Sicht das oberste Ziel sein. Um die Wasserhaushaltssituation in der Lausitz und im Berliner Raum nicht weiter in einen überkritischen Zustand gelangen zu lassen, sind Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl kurzfristig zur Gefahrenabwehr als auch mittel- und langfristig zur Sanierung des Wasserhaushalts und der Gewässergüte führen sollen.

d) Wasserver- und -entsorgung

Obwohl derzeit die Trinkwasserversorgung in der Lausitz weder quantitativ noch qualitativ Probleme aufweist, muß damit gerechnet werden, daß bei lückenloser Datenerhebung insbesondere in bezug auf Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe Belastungen auftreten. Zur Abwehr drohender Gefahren für die Trinkwasserqualität und damit die Gesundheit der angeschlossenen Haushalte sind kurzfristige Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Hierzu gehört vor allem der Ausbau der Überwachungseinrichtungen. Als Vorsorgemaßnahmen sind außerdem zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung neue Trinkwasservorkommen zu erkunden. Dem Ausbau des Wasserver- und -entsorgungsnetzes kommt hierbei eine bedeutende Rolle zu.

c) Abfall

Die aktuelle abfallwirtschaftliche Situation ist gekennzeichnet durch einen enormen Anstieg des Abfallaufkommens, die fast ausschließliche Entsorgung durch Deponierung, durch die Zunahme des Anfalls an Klärschlamm und einen zu erwartenden Anstieg an Sonderabfällen im Zuge der Sanierungsmaßnahmen.

Als vordringlichste Maßnahme wird die Planung, Genehmigung und Errichtung von entsprechenden, den heutigen Anforderungen genügetuenden Abfallbeseitigungs- bzw. -verwertungsanlagen empfohlen. Voraussetzung hierfür ist die Überarbeitung der vorhandenen, auf noch sehr unzuverlässigen Zahlen beruhenden Abfallkonzepte. Besonders zu beachten ist hierbei der Großbedarf an organischen Bodenverbesserungsmitteln und die Sanierung von Kippenflächen. Zu fordern ist ferner die Erstellung betrieblicher Abfallkonzepte, vorrangig für die Betriebe der Braunkohlenveredelungsindustrie.

f) Lufthygiene

Die Lausitz gehörte 1989 zu den lufthygienisch am stärksten belasteten Gebieten Mitteleuropas. Die Situation hat sich zwar in den letzten Jahren entschärft, konnte aber noch

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nicht zufriedenstellend gelöst werden. Nach wie vor treten vor allem erhebliche Immissionen aus Industriebetrieben und Altablagerungen aus, die weit über den zugelassenen Grenzwerten liegen. Für konkrete Handlungsempfehlungen müssen zunächst gezielte Immissionsmessungen erfolgen. Hierzu muß das erforderliche Meß- und Datenerfassungssystem zügig ausgebaut werden.

g) Altlasten

In der Lausitz wurden bisher etwa 3.500 Altlastenverdachtsflächen und Altlasten mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 200 Mio. m³ und einer Fläche von 50 km² erfaßt. Über die Sanierung und Erkundung dieser Flächen hinaus beziehen sich weitere Empfehlungen vor allem auf die Entwicklung neuer Sanierungstechniken für die besonders großflächigen und großvolumigen Altlasten unter dem Gesichtspunkt der Kostenreduzierung sowie auf die Fahndung nach weiteren zu vermutenden Altlasten in überbaggerten bzw. bereits rekultivierten ehemaligen Tagebauen.

h) Boden/Landwirtschaft

Die Böden in der Lausitz werden überwiegend als ertragsschwach eingestuft. Der durch den jahrzehntelangen Bergbau bedingte Grundwassermangel auf etwa 50 % der Fläche bot der gewerblichen Landwirtschaft kaum Grundlagen. Zur Produktionssteigerung wurden große Mengen Pflanzenbehandlungs- und Düngemittel sowie organische Abfälle aus der Tierproduktion eingesetzt. Diese Ausgangsbedingungen lassen nur ein geringes wirtschaftliches Potential zur landwirtschaftlichen Nutzung erkennen. Chancen zu einer regionalwirtschaftlichen Ergänzung bestehen vor allem im Westen der Lausitz für eine Grünlandbewirtschaftung, in großen Teilen des Gebietes für eine forstwirtschaftliche Nutzung, und je nach naturräumlichen Gegebenheiten für Standort- bzw. Markt-angepaßte Nischenprodukte sowie durch die Kombination mit landschaftspflegerischen Aufgaben und touristischen Nutzungsformen. Es wird empfohlen, die Entwicklung entsprechender Wirtschaftsformen zu unterstützen. Hierbei sollten insbesondere Klein- und Mittelbetriebe, für die die Land- und Forstwirtschaft gegebenenfalls auch als Nebenerwerb interessant erscheint, gefördert werden.

i) Biotopsituation

Weite Flächen der Niederlausitz verfügen über eine erhebliche Bedeutung für überregionale und internationale Biotopfunktionen. Hierzu gehören große, störungsarme Waldgebiete und Niederungsflächen, Flußlandschaften von Spree, Neiße und Elbe, der Spreewald und Feuchtgebiete, Seen sowie eingeschränkt zugängliche Landschaftsteile der Bergbaufolgelandschaften. Wichtige erforderliche Maßnahmen sind: Fortsetzung und laufende Aktualisierung der selektiven Biotopkartierung, rechtliche Sicherstellung geplanter

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Schutzgebiete und Ausweisung neuer Schutzgebiete, Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit zur Erhöhung der Akzeptanz des Naturschutzes bei der Bevölkerung und Einrichtung eines Biotopschutzfonds "Bergbaufolgelandschaften".

j) Erholung

Umfangreiche Flächen der Niederlausitz eignen sich hervorragend für eine naturnahe, landschaftsbezogene Erholung. Diese befinden sich in den Gebieten, die bereits im Zusammenhang mit der Biotop-Situation beschrieben wurden. Daher ist auf das Konfliktfeld Tourismus/ Biotopschutz hinzuweisen. Maßnahmen und Empfehlungen richten sich darauf, die Lausitz in ihrem Wert als "Freizeitlandschaft" erkennbar zu machen, das Erholungspotential des Wohnumfeldes und des Stadtrandbereiches aufzuwerten und bestehende Ansätze der naturnahen, landschaftsbezogenen Erholung zu fördern. Die Entwicklung von Freizeitlandschaften in dieser Region muß sowohl unter dem Aspekt eines überregionalen Tourismus gesehen werden als auch in ihrer Bedeutung für das regionale Image, für ein positiv gestimmtes Regionsbewußtsein der Bevölkerung. Dies wirkt sich indirekt als nicht unwesentlicher Standortvorteil aus und ist eine der Stärken der Region.

Allen Sanierungsmaßnahmen muß ein Ziel gemeinsam sein, nämlich die Gestaltung einer lebensfähigen, abwechslungsreichen Bergbaufolgelandschaft, die sich sowohl in den Natur- als auch in den Wirtschaftsraum Lausitz harmonisch einfügt. Die Lausitz benötigt Naturräume genauso wie Siedlungs- und Verkehrskonzeptionen. Das wichtigste für die hier lebenden Menschen ist die Schaffung sicherer Arbeitsplätze. Die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft stellt zum einen eine überdimensionale Herausforderung, zum anderen aber auch eine große Chance für die wirtschaftliche Zukunft der Lausitz dar.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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