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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 39]
Obwohl die Umweltverbände seit Jahren eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes fordern, lehnen sie den vorliegenden Kabinettsentwurf strikt ab. Denn der am 23. Oktober vom Kabinett verabschiedete Entwurf nennt zwar als Ziel auch umweltverträgliche Versorgung, regelt aber faktisch nicht in diesem Sinn. Seine Umsetzung würde deregulieren, aber keineswegs Wettbewerb schaffen, vielmehr die Marktmacht weniger großer Strommonopole zu Lasten kommunaler und anderer unabhängiger Unternehmen massiv stärken und weitere Konzentrationseffekte auslösen. Die Ziele Energieeinsparung und Umweltschutz werden konterkariert, nicht zuletzt durch Verdrängung der effizienten örtlichen Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung. In diesem übereilt vorgelegten Kabinettsentwurf geht es nur um eines: Dafür zu sorgen, daß die Großindustrie möglichst billig Strom einkaufen kann. Umweltschutz und marktwirtschaftlicher Wettbewerb bleiben bei diesem konzentrationsfördernden "Flurbereinigungsgesetz" Etikettenschwindel. Sowohl um Wettbewerb zu schaffen, als auch Umweltschutz zu erreichen, bedarf es entsprechender Regulierungen, die in dem vorliegenden Regierungsentwurf fehlen. Im Rahmen eines vom BUND initiierten Energiebündnisses sind Eckpunkte unter der Prämisse, mehr Wettbewerb mit mehr Umweltschutz zu verbinden, erarbeitet worden. Dieses Bündnis besteht nicht nur aus Umweltverbänden, sondern die 28 Unterzeichner kommen aus dem Bereich der Gewerkschaften, der Städte und Kommunen und der Wirtschaft. Im Rahmen der Umweltministerkonferenz stellen die deutschen Umweltverbände dieser Eckpunkte den UmweltministerInnen vor, mit der Forderung, den vorliegenden Kabinettsentwurf sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag abzulehnen und sich für eine zukunftsfähige und ökologische Energierechtsreform einzusetzen. Energiebündnis Erklärung zur Deutschen Energierechtsreform vom 28. November 1996
Die deutsche Energierechtsreform steht im engen Zusammenhang mit dem geplanten EU-Energierecht. Die vorgeschlagene Richtlinie der Europäischen Union für den Elektrizitätsbinnenmarkt ist zwar vorwiegend wettbewerbspolitisch begründet, ermächtigt aber ausdrücklich dazu, die Elektrizitätswirtschaften in den Mitgliedsstaaten auch unter weitergehender Einbindung in umweltpolitische Zielsetzungen zu reformieren. Der vom Bundeswirtschaftsminister vorgelegte Gesetzesentwurf zur Neuregelung des deutschen Energiewirtschaftsrechts nennt zwar als Ziel auch die "umweltverträgliche Versorgung", regelt aber faktisch nichts in diesem Sinn. Seine Umsetzung würde deregulieren, aber keineswegs Wettbewerb schaffen, vielmehr die Marktmacht weniger großer Strommonopole zu Lasten kommunaler und anderer unabhängiger Unternehmen massiv stärken und weitere Konzentrationseffekte auslösen. Die Ziele Energieeinsparung und Umweltschutz werden konterkariert, nicht zuletzt durch Verdrängung der effizienten örtlichen Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung. Selbst das erklärte [Seite der Druckausg.: 40] Ziel Preissenkung würde nur für wenige industrielle Großkunden - zu Lasten der übrigen Verbraucher - erreicht. Sowohl um Wettbewerb zu schaffen als auch um Umweltschutz zu erreichen, bedarf es entsprechender Regulierungen, die im vorliegenden Regierungsentwurf fehlen. Im Bereich des Energiewirtschaftsrechts bedeutet Umweltschutz in erster Linie, den Einsatz fossiler Energieträger und den damit einhergehenden Ausstoß von Treibhausgasen zu vermeiden; durch verstärkten Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung und der erneuerbaren Energien sowie durch die Verpflichtung der Versorgungswirtschaft zum Energiesparen im Verbraucherbereich im Sinne der integrierten Ressourcenplanung. Eckpunkte einer zeitgemäßen, diesen Zielen verpflichteten und die Interessen der Kommunen beachtenden sowie mit der vorgeschlagenen EU-Richtlinie kompatiblen deutschen Energierechtsreform sind: Präambel Das geltende deutsche Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1935 muß dringend reformiert und mit der EU-Ebene harmonisiert werden. Die derzeitige Initiative der Europäischen Union ist insoweit zu begrüßen. Zum Schutz der Umwelt sollte der EU-Vorschlag u. a. um eine Energiesteuer und eine integrierte Ressourcenplanung ergänzt werden. Die Strom- und Gasversorgung ist marktwirtschaftlich zu organisieren und dem Gemeinwohl verpflichtet: das beinhaltet Umwelt- und Klimaschutz, die Schonung der Ressourcen, den Verbraucherschutz und auch die langfristige Versorgungssicherheit. Entflechtung der Transportfunktion von Erzeugung und Verteilung Der Stromtransport ist im ersten Schritt mindestens verwaltungsmäßig und kaufmännisch von der Stromerzeugung und -verteilung strikt zu trennen; dies ist Voraussetzung für einen diskriminierungsfreien Netzzugang. Der Stromtransport unterliegt als Monopol staatlicher Lizenzierung und öffentlicher Aufsicht. Nach einer Übergangszeit ist auch die eigentumsrechtliche Entflechtung anzustreben. Kommunen konzessionieren örtliche Versorgungsunternehmen Ausschließlich den Städten und Gemeinden obliegt wie bisher im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge die Strom- und Gasverteilung sowie die Belieferung der örtlichen Verbraucher, die nicht zu Fremdbezug zuzulassen sind im Sinne der in der vorgeschlagenen EU-Richtlinie genannten nationalen Marktquote. Dazu konzessionieren sie eigene oder dritte Unternehmen für Verteilnetzbetrieb und Energielieferung. [Seite der Druckausg.: 41] Auf der örtlichen Ebene werden die Funktionen Verteilnetzbetrieb und Energielieferung kaufmännisch getrennt. Behinderungsfreie Bedingungen für Teilbezieher, Eigenerzeuger und Einspeiser sind umzusetzen. Nach einer Übergangszeit ist zu prüfen, ob Wettbewerb um alle Endverbraucher eingeführt werden sollte. Neutrale Transport- und Verteilnetze - Leitungsbau vermeiden Die Netze für Transport und Verteilung stehen den örtlichen Netzbetriebs- und Energielieferungsunternehmen, den gemäß der in der vorgeschlagenen EU-Richtlinie zuzulassenden Verbrauchern, Erzeugern und Händlern zu gleichen und behinderungsfreien Bedingungen zur Verfügung. Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb auf Verbundebene sind kostenorientierte, das heißt u. a. entfernungsabhängige Durchleitungsgebühren. Die Regeln der vorgeschlagenen EU-Richtlinie über den Vorrang der Netznutzung vor konkurrierendem Leitungsbau sind umzusetzen und auszuschöpfen; auf der Verteilebene ist im Interesse rationellen Netzbetriebs die Ablehnung konkurrierender Leitungen zu ermöglichen. Vorrangregeln bei Kraftwerksgenehmigung - Öko-Prüfung beim Leitungsbau Für neu zu errichtende Kraftwerke, die nicht erneuerbare Energien nutzen, ist eine sehr hohe Effizienz der Energieumwandlung, insbesondere durch Kraft-Wärme-Kopplung vorzuschreiben. Dementsprechend sind im Genehmigungsverfahren auch Standortalternativen zu prüfen. Genehmigungsverfahren für zusätzliche überörtlicher Leitungen müssen ein Raumordnungsverfahren (ROV) mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung (einschließlich Nullvariante) enthalten und den Anforderungen der Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) sowie der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) entsprechen. Einspeisevorgang für KWK und erneuerbare Energien - Stromeinspeisungsgesetz Die Betreiber der Transport- und Verteilernetze sind verpflichtet, den in Kraft-Wärme-Kopplung und aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom vorrangig abzunehmen. Die Vergütung für Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung ist in Anlehnung an das Gesetz zur Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien gesetzlich zu regeln. Zur Vermeidung regionaler Ungleichgewichte werden dadurch entstehende Mehrkosten auf alle Stromkunden anteilig umgelegt. [Seite der Druckausg.: 42 Energiesparangebote an Kunden sind Pflicht Die Betreiber von Netzen sowie die örtlichen Versorgungsunternehmen sind zur integrierten Ressourcenplanung und zu Energiesparangeboten für die Verbraucher verpflichtet und erhalten hierfür gesetzlich abgesicherte Anreize. Verbrauchsfördernde Preis- und Tarifstrukturen sind durch energiesparfördernde abzulösen. Umweltzuschlag auf Netzgebühren Sowohl auf die Transport- als auch auf die Verteilnetzgebühren ist ein Zuschlag zu erheben, aus dem öffentlich auszuschreibende Energiesparaktivitäten, Programme zur integrierten Ressourcenplanung sowie die eventuellen Mehrkosten des Einspeisevorgangs finanziert werden können. Starke Mißbrauchsaufsicht - starke Preisaufsicht - Fusionskontrolle Verdrängungspraktiken und sonstiger Mißbrauch marktbeherrschender Stellungen sind durch Schaffung geeigneter Mechanismen wirksam zu verhindern. Der Schutz der Verbraucher, die nicht selbst ihre Versorgung organisieren können oder wollen, ist durch eine funktionsfähige, intensivierte und öffentliche Preisaufsicht zu gewährleisten. Die Fusionskontrolle hat das Unterlaufen der Wettbewerbsorientierung zu verhindern. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |