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[Seite der Druckausgabe: 48]

8. Zusammenfassung und Ausblick: Die Entwicklungsspielräume der ostdeutschen Großsiedlungen müssen mutig genutzt werden !

Bei aller Vielschichtigkeit der Problemlage um die Weiterentwicklung der "Plattenbausiedlungen" sind sich Fachleute verschiedener Disziplinen darüber einig, daß das Negativ-Image, das heute noch weitgehend mit den Großsiedlungen verknüpft ist, nicht gerechtfertigt ist. Die Großsiedlungen sind viel besser als ihr Ruf! Eine Analyse des bautechnischen Zustandes verdeutlicht, daß die ostdeutschen Neubaugebiete erhaltenswürdig und die Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen weit billiger als Neubau sind. Der Abriß von Großsiedlungen stellt keine akzeptable Alternative dar für ergänzende Baumaßnahmen, die primär auf den Ausgleich von Infrastrukturdefiziten abzielen.

Trotz einer Reihe deutlicher Mängel - beispielsweise im städtebaulichen Umfeld, im Wohnungszuschnitt und an der Bausubstanz - bieten die Großsiedlungen vielseitige Ressourcen und Chancen, die es zu erkennen und auszuschöpfen gilt. Den notwendigen und dringlichen Aufgaben der Instandsetzung, Sanierung und Modernisierung auf wohnungsbaulicher und städtebaulicher Ebene stehen in den Großsiedlungen räumliche, soziale und städtebauliche Potentiale gegenüber, die sowohl zur sofortigen Stabilisierung als zur langfristigen Qualitätsverbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen beitragen können. Werden diese Potentiale genutzt, dann können die großen Neubausiedlungen auch in Zukunft eine lebenswerte Heimat für weite Bevölkerungsteile der neuen Bundesländer bleiben. Aus wohnungswirtschaftlichen Gründen muß dies auch gewährleistet werden.

Große Bedeutung ist der intensiven Beteiligung der Bewohner an den die Großsiedlungen betreffenden Planungs- und Entscheidungsprozessen beizumessen, denn sie entscheidet weitgehend über die Akzeptanz der Eingriffe. Hierdurch wird zugleich erreicht, daß verschiedene Konfliktpotentiale erst gar nicht entstehen. Weiter steigt die Bereitschaft der Bewohner, sich an der Umgestaltung ihrer Großsiedlung zu beteiligen. Auf dieser Basis können dann auch der teilweise in den Neubaugebieten vorhandene bzw. entstehende Vandalismus und die von verschiedenen Konferenzteilnehmern kritisierte Lethargie in den "Plattenbausiedlungen" überwunden werden. Die Siedlungen können sich dann zu attraktiven Wohngebieten entwickeln. Entscheidend kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, den derzeitigen Bewohnern die Sicherheit zu geben, daß ihre Siedlungen auf dem Wege sind, sich zu Wohngebieten mit differenziertem Wohnungsangebot, guter infrastruktureller Ausstattung und hohen Wohnumfeldqualitäten zu entwickeln. Auch auf die vielen

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Maßnahmen der kleinen Schritte, mit denen oft kurzfristig wirksame Erfolge erzielbar sind, sollte nicht verzichtet werden. Deren Umsetzung kann zu einer stärkeren Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier beitragen.

Die wohnungspolitische und wohnungswirtschaftliche Dimension der Problematik der Großsiedlungen in den neuen Bundesländern zeigt sich besonders deutlich bei der Frage nach den Kosten und der Finanzierung von notwendigen Instandsetzungs-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Neben planungsrechtlichen und organisatorischen Aspekten, die die schnelle Umsetzung einzelner Maßnahmen noch behindern, ist es vor allem die Suche nach möglichen Formen der Finanzierung, die jeden einzelnen Bewohner, die jeweiligen Wohnungsunternehmen und die Kommunen beschäftigt. In diesem Zusammenhang sind aber auch die Länder und der Bund gefordert. Ohne besondere Bund-Länder-Förderprogramme, wie es sie für die Sanierung innerstädtischer Altbaugebiete gibt, wird der erhebliche Finanzierungsbedarf nicht zu decken sein. Zu diskutieren sind weiter kombinierte Finanzierungsmodelle, bei denen sich mehrere Finanzierungsträger ergänzen.

Bei der Sanierung der Großsiedlungen kommt es einerseits darauf an, möglichst viele Wohnungen auf einem Mietniveau zu erhalten, das es den jetzigen Bewohnern erlaubt, auch in Zukunft in ihrer Siedlung wohnen zu bleiben. Andererseits sind aber auch Formen der Eigentumsbildung in den industriell gefertigten Neubaugebieten zu fördern, weil auf diese Weise zusätzliches Kapital erschlossen werden kann. In diesem Spannungsfeld besteht eine erhebliche Bandbreite sowohl für die möglichen als auch für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen - mit entsprechenden Kosteneffekten. Offen bleibt in vielen Fällen noch die Antwort auf die Frage nach dem angemessenen Umfang und Standard der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Fest steht aber, daß eine bestandsorientierte Erneuerung und Verbesserung in den Großsiedlungen eine volkswirtschaftlich sinnvolle und bei der Menge des Wohnungsbestands die einzig realistische Lösung darstellt.

Die Probleme der Großsiedlungen können weder allein von den Mietern, noch allein von den Unternehmen der Wohnungswirtschaft und auch nicht allein vom Staat bewältigt werden. Notwendig sind enorme Investitionen, die jedoch durch die Substanz der industriell vorgefertigten Bauten gerechtfertigt werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, daß die zu sanierenden und modernisierenden Neubaugebiete lebenswert gestaltet werden. Dann haben die "Plattenbausiedlungen" in den neuen Bundesländern eine Zukunft.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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