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[Seite der Druckausg.: 25 (Fortsetzung)]


4. Strategien und Leitprojekte Frankfurter Stadtentwicklungsplanung

4.1 Zur Ausgangslage: Frankfurt und die Region Rhein-Main

Die Stadt Frankfurt am Main kann nur im Kontext der gesamten Region Rhein-Main betrachtet werden. Sie wird vom Landkreis Limburg-Weilburg im Norden, dem Landkreis Bergstraße im Süden, dem Landkreis Main-Bingen im Westen sowie dem Landkreis Aschaffenburg im Osten eingegrenzt (vgl. Abbildung 2).

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Abbildung 2: Frankfurt im Kontext der Rhein-Main-Region (aus: Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995)

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Abbildung 3: Siedlungsflächen in der Rhein-Main-Region (aus: Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995)

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Frankfurt nimmt etwa 2% der Regionalfläche, 14% der Gesamtbevölkerung und ca. 50% der Arbeitsplätze ein (600.000 Beschäftigte). Die Tagbevölkerung überschreitet die Millionengrenze, die Nachtbevölkerung beläuft sich auf ca. 655.000 Einwohner. Der Anteil der Einpendler ist mit über 300.000 extrem größer als die geringe Zahl der Auspendler. Als dominantes Oberzentrum gegenüber Mainz, Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach und Aschaffenburg übernimmt Frankfurt am Main die meisten Metropolfunktionen in diesem polyzentrisch strukturierten Raum.

Das Wachstum der gewerblichen und Dienstleistungsarbeitsplätze sowie der Einwohnerzahl und der damit verbundenen Steuerkraft fanden während der letzten Jahrzehnte überwiegend in der Region, also außerhalb der Gemarkungsgrenzen Frankfurts statt. Dennoch ist Frankfurt ihr wirtschaftsdynamischer „Motor", wobei die Stadt allerdings zunehmend soziale und finanzielle Lasten für die gesamte Region übernimmt. Beispielsweise hält Frankfurt den größten Teil der kulturellen Infrastruktur vor, die zwar von der gesamten Region genutzt, aber allein von der Stadt Frankfurt finanziert wird.

Frankfurt kann als die „Innenstadt" der Region interpretiert werden, die wirtschaftlich alle Aufgaben der Finanzierung erfüllen muß, die sonst eine Gesamtstadt solidarisch übernimmt (vgl. Abbildung 3). Die finanziellen, aber auch sozialen und räumlichen Lasten werden durch die Rolle Frankfurts als traditionelle Zuwandererstadt noch verstärkt. Bevölkerungsentwicklung und Sozialstruktur, Arbeitsplatzkonzentration sowie kulturelles und infrastrukturelles Angebot sind daher die wesentlichen Themenfelder der künftigen Stadt- und Regionalentwicklungsplanung.

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4.2 Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung Frankfurts am Main

Begrenzte finanzielle Handlungsspielräume und planerische Engpaßsituationen wie beispielsweise der angespannte Wohnungsmarkt oder der zunehmende Siedlungsdruck auf Freiräume kennzeichnen die Ausgangslage der Stadtentwicklungsplanung Frankfurts. Der zentrale Problembereich sind die Folgen der seit 30 Jahren anhaltenden Suburbanisierungsprozesse, die sich v.a. im kontinuierlichen Niedergang der kernstädtischen Steuerbasis und der daraus resultierenden schwierigen Finanzlage der Stadt niederschlagen. In der Diskussion über die Fortentwicklung des Umlandverbandes Frankfurt gibt es daher vor allem zum Thema intraregionaler Lastenausgleich kontroverse Diskussionen zwischen Kernstadt und Umland, die allerdings gegenwärtig keine Lösung für eine Überbrückung dieser finanziellen Schieflage erkennen lassen. Spätestens hier kommen die individuellen Interessenlagen der einzelnen Gemeinden zum Tragen und erschweren eine intraregionale Kooperation. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung von Strategien zur Bindung der menschlichen und ökonomischen Ressourcen an die Kernstadt das wichtigste Ziel der gegenwärtigen Stadtentwicklungspolitik

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Frankfurts, um die Funktionsfähigkeit der Stadt bei gleichzeitig fortschreitender Regionalentwicklung aufrechterhalten zu können.

Die städtebaulichen Belange der Stadtentwicklungsplanung müssen mit dem tiefgreifenden sozialen Wandels der Gesellschaft in bezug gesetzt werden, der gerade in Frankfurt am Main deutlich sichtbar ist. Über die Prozesse sozialer Segregation hinaus findet hier vor allem die eingangs bereits vertiefter besprochene Ausdifferenzierung und Segmentierung bzw. Polarisierung der unterschiedlichen Lebensbereiche statt, die man mit den Stichworten Auflösung traditioneller Lebensformen und Individualisierung der Gesellschaft zu fassen versucht. So sind heute beispielsweise rund die Hälfte aller Frankfurter Haushalte Single-Haushalte, und eine räumliche Komponente der (stadt-) gesellschaftlichen Restrukturierung ist die Gentrifizierung, d.h. die Aufwertung einzelner Wohn- bzw. Stadtbereiche.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Fragmentierung der Stadtgesellschaft und weil die Stadtplanung nicht auf alle neuen Anforderungen individuell reagieren kann, sieht die Frankfurter Stadtentwicklungspolitik ihre Hauptaufgabe in der Herstellung flexibler, nachhaltig bewohn- und nutzbarer und damit stabiler Stadtstrukturen.

Zusammengefaßt liegen die Hauptaufgaben der Frankfurter Stadtentwicklungsplanung in den drei Bereichen

  1. Daseinsvorsorge für die Bevölkerung

  2. Sicherung der Stellung Frankfurts und der Region Rhein-Main als internationaler Wirtschaftsstandort

  3. Erfüllung der spezifischen Funktionen Frankfurts innerhalb der Region.

Konkrete Problembereiche sind

  • der angespannt Wohnungsmarkt,

  • soziale Segregation,

  • Verdrängung und Rückgang von Gewerbe- und Industriearbeitsplätzen,

  • Siedlungsdruck auf die Freiräume,

  • Überlastung der Verkehrsnetze und

  • die Gefährdung der urbanen Lebensqualität

    (vgl. Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995).

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4.3 „Strategische Stadtentwicklung"

Seit einigen Jahren werden in Frankfurt die Rahmenbedingungen für die Bereiche Wohnen und Arbeiten in der Stadt sowie Verkehr und Freiraumentwicklung - also den „Lebensraum Stadt" insgesamt - neu definiert und daraus entsprechende Entwicklungskonzepte abgeleitet, die damit ihr Funktions- und Handlungsspektrum deutlich erweitern. Stadtentwicklungsplanung wird dabei als ein permanenter Prozeß begriffen, der Zielkonflikte rechtzeitig erkennen, Entwicklungschancen nutzen und Korrekturprozesse frühzeitig einleiten soll. Aus dieser Auffassung ergibt sich die Logik, Stadtentwicklung nicht mehr nur auf räumliche Zielaussagen zu reduzieren, sondern - angesichts der Begrenztheit der Ressourcen Fläche und Finanzen - projektbezogene Strategien und Maßnahmen zur Steuerung öffentlicher und privater Investitionen zu definieren. Ein Beispiel dafür sind öffentlich-private Kooperationen (public private partnerships, PPP). Die Stadtentwicklungsplanung Frankfurts ist „strategisch" angelegt, d.h. sie gibt den Einzelprojekten nicht nur planerische Ziele vor, sondern umfaßt als fortlaufender Prozeß auch die gesamte Projektumsetzung: „Dieser Begriff umschreibt einen komplexen fortlaufenden Planungsprozeß parallel in unterschiedlichen Verfahrensstadien befindlicher Projekte. Strategische Entwicklungsplanung gibt den Einzelprojekten weniger planerische Endzustände als Ziel vor. Sie verknüpft und optimiert vielmehr die planerische Ausformung der verschiedenen Projektansätze und bildet ein Kommunikationsmittel zwischen entscheidungsfindenden und betroffenen Stellen (Projekt- und Steuerungsgruppen, Hearings, Workshops, Kolloquien)" (Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995: 5).

Darüber hinaus geht man in Frankfurt davon aus, daß eine städtische Gesamtentwicklung oder -steuerung weder machbar noch sinnvoll ist. Vielmehr werden Ungleichzeitigkeiten in der Entwicklung verschiedener Bereiche und Gebiete als normale Prozesse bewertet. Dementsprechend konzentriert sich die Frankfurter Stadtentwicklungsplanung auf Teil- und Leitkonzepte etwa für einzelne Stadtteile oder bestimmte städtische Funktionen.

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4.4 Leitbilder Frankfurter Stadtentwicklungsplanung

In Frankfurt werden übergeordnete Leitbilder für innerstädtische oder stadtnahe Bereiche und Stadtrandgebiete unterschieden. Für innerstädtische Gebiete gilt bauliche Verdichtung als Qualität der klassischen mitteleuropäischen Stadt. Am Stadtrand werden dagegen neue Stadtentwicklungskonzepte notwendig, um neue Bauflächen für Wohnraum und Gewerbe sinnvoll ausweisen zu können. Grundsätzlich hat die Binnenentwicklung immer Vorrang, um den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten.

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Die Leitmotive der Stadtentwicklungsplanung in Frankfurt zielen auf eine Verknüpfung restriktiver räumlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit den übergeordneten Planungszielen einer gesamträumlich ausgewogenen, ressourcenschonenden bzw. nachhaltigen Entwicklung durch gleichzeitiges Bewahren und Ausbauen, Verdichtung und Nutzungsmischung sowie Umweltverträglichkeit:

  • Leitmotiv „Bewahren und Ausbauen": Optimierung bestehender städtischer Strukturen und schonender Umgang mit vorhandenen Ressourcen.

  • Leitmotiv „Verdichtung und Nutzungsmischung": ressourcenschonender Rückgriff auf bestehende Strukturen bei Abbau vermeidbarer Überlastungen infolge ausgeprägter räumlicher Funktionstrennung; Schaffung von Vielfalt und Urbanität.

  • Leitmotiv „Umweltverträglichkeit": nachhaltige und wirkungsbezogene räumliche Planung, die sich an gegenwärtigen und zukünftigen Erfordernissen orientiert, „ohne die notwendigen Lebensgrundlagen von morgen anzutasten oder gar zu gefährden" (Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995: 5).

Im einzelnen ergeben sich aus Sicht der Stadt Frankfurt folgende Handlungsfelder (vgl. Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995: 9f):

  • Bewahren der historischen Strukturen: Ziel ist die Entwicklung eines ausgewogenen Nebeneinanders von Wohnungen und Arbeitsstätten v.a. in den gründerzeitlichen Innenstadtgebieten und alten Ortskernen u.a. durch den Einsatz der Instrumente Erhaltungssatzung, Denkmalschutz, verbindliche Bauleitplanung und städtebauliche Sanierungsmaßnahmen.

  • Strukturveränderung „Stadtraum Main": Untergenutzte Flächen sollen entwickelt und funktionsuntüchtige Strukturen verändert bzw. saniert werden Damit verbunden ist ein neues Finanzierungsmodell der Stadtentwicklung: Bei den Projekten handelt es sich zumeist um „(...) untergenutzte Gewerbeflächen, die einer neuen Nutzung aus Wohnungen, Büros und Gewerbebetrieben zugeführt werden sollen. Nur durch eine solche - zumindest teilweise - Aufwertung lassen sich die notwendigen finanziellen Mittel zur Altlastensanierung und Erneuerung der Infrastruktur erwirtschaften" (ebd.: 10). In den betroffenen innenstadtnahen Lagen möchte die Stadt Frankfurt durch Nutzungsmischung und verdichtete Bebauung „(...) eine Vielfalt städtischen Lebens erreichen" (ebd.: 10). Die meisten dieser Umstrukturierungsgebiete liegen in Ufernähe des Mains. Auf die in Vorbereitung befindlichen Projekte Deutschherrnviertel, Ost- und Westhafen wird weiter unten noch näher eingegangen.

  • Arrondierung: Die Ausweisung neuer Bauflächen für Wohnungen und Arbeitsplätze soll an den Rändern der vorhandenen Siedlungsflächen unter Berücksichtigung der vorhandenen Ortsteile und der naturräumlichen Besonderheiten erfolgen.

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  • Neue Stadtteile: Zwischen den historischen Stadtteilen sollen darüber hinaus neue Siedlungsgebiete als eigenständige Stadtteile entstehen. Entsprechende Möglichkeiten bieten sich im Norden und Westen der Stadt.

  • Gründerzeitliche Strukturen: Die genannten Maßnahmen orientieren sich am baulichen Leitbild der europäischen Stadt der Gründerzeit, die sich durch Dichte und Nutzungsdurchmischung auszeichnete. Dies hat sowohl ökonomische als auch ökologische Gründe: „Öffentliche Infrastrukturen und insbesondere der öffentliche Personennahverkehr können optimal ausgelastet, Bauland gespart und Freiflächen erhalten werden" (ebd.: 10).

  • Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie Verbesserungen des Fuß- und Radwegenetzes bei gleichzeitigem Rückbau von Pkw-Stellplätzen sollen Alternativen zum motorisierten Individualverkehr anbieten.

  • „Frankfurter Grüngürtel": Die Freiflächen in Frankfurt finden sich in den Wallanlagen, den Stadtteilparks, dem Grüngürtel und den Kleingartenflächen. Mainuferpark und Grüngürtel sind die zentralen Elemente der Frankfurter Freiraumplanung.

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4.5 Projektbeispiele Strukturveränderung „Stadtraum Main"

Ausgangslage: Bevölkerungs- und Wohnraumentwicklung

Nachdem die Einwohnerentwicklung Frankfurts über zwei Jahrzehnte rückläufig war, gab es zwischen der Mitte der 80er Jahre und 1992/93 einen Bevölkerungsanstieg, der zu einem Großteil durch Zuzug aus dem Ausland bedingt war. Seit 1993 verzeichnet die Stadt wieder eine Stagnationsphase der Bevölkerungsentwicklung.

Eine differenziertere Betrachtung dieser Entwicklung zeigt einen deutlichen Rückgang des deutschen Einwohneranteils, was sowohl auf Abwanderung als auch die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen ist. Dieser Rückgang wird gegenwärtig durch Zuzug aus dem Ausland und die günstigere natürliche Bevölkerungsentwicklung der ausländischen Wohnbevölkerung kompensiert. Der Ausländeranteil an der Frankfurter Einwohnerschaft beträgt heute offiziell 29% und würde die 30%-Marke weit überschreiten, wenn man die nicht registrierten Zuwanderer mit einbezöge.

Im regionalen Kontext zeigt diese Entwicklung deutliche Segregationsmuster mit einer Konzentration ausländischer Bevölkerung in Frankfurt und weit unterdurchschnittlichen Anteilen in seinem Umland. Ähnliche Muster finden sich noch einmal auf der Ebene der Kernstadt zwischen verschiedenen Stadtteilen.

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Verschiedene Prognosen rechnen mit einem erneuten Bevölkerungsanstieg durch Zuwanderung. Eine „Politik der offenen Grenzen", wie die Integrationskonzepte Frankfurts überschrieben sind, erfordert daher die Einbeziehung dieser Bevölkerungsprognosen in die Stadtentwicklungsplanung. Gleichzeitig muß allerdings den starken Segregationstendenzen entgegengewirkt werden, um langfristig irreversible sozialräumliche Polarisierungen auf Regionalebene zu vermeiden. Dazu bedarf es aus Sicht der Frankfurter Stadtplanung gezielter Konzepte, mit denen potentielle Abwanderer in der Kernstadt gehalten werden können. Das „soziale Kernstadtproblem" liegt aus dieser Sicht also nicht im weiteren Zuzug von Nicht-Deutschen, sondern in der Abwanderung der deutschen Wohnbevölkerung in das Umland.

Die heutige Wohnungsproblematik wird in Frankfurt auf eine Fehleinschätzung künftiger Zuwanderungszahlen in den 80er Jahren zurückgeführt. Da man damals nicht mit einem nennenswerten Bevölkerungsanstieg rechnete, wurden keine entsprechenden Flächen für den Wohnungsneubau vorgehalten. Um diesen Fehler nicht zu wiederholen, werden in Frankfurt entsprechende Potentiale entwickelt. Dabei ist es aus Sicht der Stadt nicht wichtig, wann diese Potentiale benötigt werden, sondern daß sie im Bedarfsfall zur Verfügung stehen.

Der zukünftige Wohnungsbedarf Frankfurts setzt sich aus folgenden Determinanten zusammen (vgl. Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995: 20ff.):

  • Bevölkerungszunahme um rund 40.000 Einwohner bis zum Jahr 2000 (Prognose des Regionalen Raumordnungsplans Südhessen von 1995)

  • Nachholbedarf im Wohnflächenkonsum (lag 1994 bei unterdurchschnittlichen 33,5 qm/Person)

  • Versorgung der ca. 35.000 Haushalte ohne Wohnung (dies ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber der ersten Hälfte der 80er Jahre) mit Wohnraum

  • Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten; damit einhergehender höherer spezifischer Wohnflächenbedarf; bereits heute liegt der Anteil der Single-Haushalte in Frankfurt bei rund 50%, die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt bei 2 Personen

  • Angleichung des Wohnflächenbedarfs ausländischer Einwohner an den Standard deutscher Haushalte

  • Bedarf an Ersatzwohnungen zum Ausgleich von Abriß-, Sanierungs- und Umnutzungsmaßnahmen

  • Schaffung der für Umzüge, Umbauten und Modernisierungen notwendigen Leerstandsrate von ca. 2% des Bestands

Die dringendsten Bedarfe entstehen sowohl im gehobenen Wohnungsmarktsegment, um einer weiteren Abwanderung einkommensstarker Hauhalte in das Umland entge-

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genwirken zu können, als auch im Bereich preisgünstiger Wohnungen. Der Sozialwohnungsbestand Frankfurts - Experten halten mindestens 20% am Bestand für erforderlich - wird bis zum Jahr 2000 um ca. 40.000 Wohneinheiten zurückfallen, die bis dahin aus der Bindung fallen werden (Rückgang auf 11%, bis 2010 auf 8% am Bestand).

Der daraus kalkulierbare Wohnungsbedarf beträgt allein zur Deckung der aktuellen Defizite ca. 25.000 Wohnungen - vorausgesetzt, einige der bisher wohnungslosen Haushalte sind bereit, zusammenzuwohnen. Legt man die vergleichsweise geringe jährliche Steigerung des Wohnflächenkonsum von 0,5% pro Jahr und Kopf zugrunde, entsteht allein daraus bis zum Jahr 2005 ein weiterer Bedarf von ca. 16.000 Wohnungen. Der prognostizierte Bevölkerungszuwachs erfordert nochmals 20.000 Wohnungen. Die für eine „normale" Wohnungsmarkt- bzw. Mietpreisentwicklung unabdingbare Leerstandsrate liegt bei Null. Insgesamt entstünde also innerhalb der nächsten Dekade ein Spitzenbedarf von rund 60.000 neuen Wohnungen, der aus heutiger Sicht der Stadt Frankfurt auf keinen Fall gedeckt werden kann. Trotz deutlicher Steigerungen im Wohnungsbau - von einem Bruttozugang von 2.500-3.000 Wohnungen in den 80er Jahren auf über 5.000 Wohnungen in den 90er Jahren - kann der prognostizierte Bedarf nicht erreicht werden. Das Gesamtwohnungsbaupotential Frankfurts umfaßt höchstens 40.000 Wohnungen, wobei rund die Hälfte aller Flächen erst mittelfristig verfügbar sein wird. Diese Zahl erreichen allerdings auch die Umlandgemeinden zusammengenommen, was den Segregationsprozeß forciert und das Kernstadtproblem aufrechterhält.

Für die Stadt Frankfurt ergibt sich daraus die doppelte Strategie „Bewahren und Sichern des Wohnraumbestandes" und „Entwickeln neuer Wohnungsbaugebiete" (vgl. Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995: 22). Gegenwärtig sind ca. 46% des Gesamtgemeindegebiets bebaute Flächen. Rund 30% der Flächen sind durch o.g. Grüngürtel dauerhaft geschützt („Wallservitut"). Der Grüngürtel ist als Landschaftsschutzgebiet deklariert und kraft entsprechender Beschlüsse von jeglicher Bebauung ausgenommen. Im Rahmen der Ausweisung neuer Baugebiete soll er sogar noch vergrößert werden.

Die eigentlichen Stadtentwicklungsflächen liegen somit im v.a. im Innenstadtbereich entlang des Mains, wo die städtischen Strukturen der gründerzeitlichen Stadt (s.o.) weitergebaut werden sollen. Der andere Schwerpunkt der Stadtentwicklung liegt - wie bereits angesprochen - im Frankfurter Nordwesten, wo jenseits des Grüngürtels Siedlungserweiterungsflächen sowohl für Wohn- als auch gewerbliche Nutzungen ausgewiesen sind. Vor allem auf diesen beiden Stadtentwicklungsflächen sollen die 40.000 neu zu schaffenden Wohnungen entstehen.

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Die gesamte Baulandentwicklung wird in Frankfurt in einem computergestützten Informationssystem zusammengefaßt, aus dem jeder Bauherr oder Grundstückseigentümer ersehen kann, wann das entsprechende Grundstück baureif sein wird. Das System ermöglicht natürlich auch eine Prognose, in welchem Jahr wieviel Bauland insgesamt zur Verfügung steht. Danach kann ein jährliches Bauvolumen von 4.000 bis 5.000 neuen Wohnungen pro Jahr lediglich im Zeitraum 1998 bis 2000 erreicht werden. Danach werden sich die Baulandreserven sehr schnell aufbrauchen, was die Stadtplanung bereits heute vor die Aufgabe einer entsprechenden Zukunftsplanung stellt.

Wohnungsbauprojekte

In zukünftigen Neubaugebieten werden ca. 19.000 neue Wohnungen entstehen, auf gewerblichen Umstrukturierungsflächen weitere 7.500 Wohnungen, 4.300 auf Konversionsflächen ehemals amerikanischer Militärnutzung und 8.000 „Am Riedberg", einem neuen Stadtteil. Der Anteil der inneren Entwicklung macht mit ca. 12.000 Wohnungen deutlich weniger als die Hälfte aller Wohnungsneubauten aus, erschöpft aber alle Potentiale im Innenstadtbereich. Die Entwicklungsachse „Stadtraum Main" umfaßt dabei verschiedene Gebiete.

  • Das aufgelassene Gebiet des ehemaligen Schlachthofs soll zu einem Wohngebiet entwickelt werden.

  • Im Osten der Stadt wird gemeinsam mit der Stadt Offenbach das Gebiet Kaiserlei entwickelt.

  • Die Flächen im Bereich der Frankfurter Großmarkthalle auf der nördlichen Mainseite waren ursprünglich ebenfalls für die Entwicklung neuen Wohnraums vorgesehen. Dieses Vorhaben ist allerdings von der Stadtverordnetenversammlung gekippt worden, da man die Verdrängung von Großmarktfunktionen aus der Stadt und Aufwertungsprozesse in den benachbarten Wohnvierteln fürchtete.

  • Im Bereich des Osthafens war ursprünglich das Großprojekt „Wohnen am Wasser" vorgesehen, das eine kombinierte Stadtentwicklung aus Wohnfunktionen und - durch eine Reaktivierung bzw. Modernisierung des Hafens - Gewerbebetrieben anstrebte. Dieses Projekt ist zugleich als ein neues Finanzierungsmodell vorgesehen, denn die partielle Aufwertung des Hafens durch Wohnnutzung soll die Reaktivierung der Gewerbeflächen finanzieren. Die entsprechenden Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung sind allerdings durch den Bruch der rot-grünen Koalition gestoppt worden. Gegenwärtig wird die Gesamtlage der Hafenanlagen im Frankfurter Osten erneut analysiert. Über eine Fortführung der Pläne zum Osthafen muß erneut abgestimmt werden.

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Abbildung 4: Neubebauung Deutschherrnviertel (aus: Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, 1995)

  • Das Deutschherrnviertel, der frühere Schlachthof, ist ein Stadtquartier mit etwa 1.500 Wohnungen auf 12 ha und ca. 70.000 m2 Büroflächen sowie vergleichsweise wenigen Einzelhandelsnutzungen. Hier wird versucht, im Stil der gründerzeitlichen Stadt die „Stadt am Main" weiterzuentwickeln. Einzelhäuser am Mainufer, Blockstrukturen im Innern als Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs und ein dominantes Ensemble, das aus einem großen Gebäudeoval und einem Turm besteht, sollen als „neue Gründerzeitbebauung" an die alte anschließen, ohne aber den entstandenen Bruch zu vertuschen (vgl. Abbildung 4).

    In Frankfurt wird die Notwendigkeit einer „neuen sozialen und ökologischen Gründerzeit" im Städtebau, bezogen auf den Entwicklungstyp solcher Stadtquartiere inklusive der Baustruktur bis zur Parzellierung, gesehen. Dazu gehöre beispielsweise der Versuch, in entsprechenden Blockstrukturen wieder Innenhöfe als für eine Stadt unverzichtbaren öffentlichen Raum bzw. „Räume zwischen den Gebäuden", die letztlich den Bestimmungsfaktor von „Stadt" ausmachten, entstehen zu lassen. Die Nutzungsvielfalt der Zwischenräume zwischen öffentlichen, halb-öffentlichen, halb-privaten und privaten Situationen wird als Voraussetzung für die Möglichkeiten einer sozialen Nutzung dieser Räume und damit als Chance für die soziale Entwicklung einer Stadt gesehen. Soziale Entwicklung sei auf direktem Wege über Stadtplanung nicht zu erreichen, sondern nur über ein Angebot eben solcher Chancen.

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    Die Vermarktung der Flächen im Deutschherrnviertel ist - wie auch in anderen deutschen Großstädten - vor dem Hintergrund des Grundstückspreisverfalls zu sehen, der in Frankfurt während der letzten Jahre überdurchschnittliche 15% betrug. Dadurch ließen sich die ursprünglich erwarteten Erlöse nicht realisieren, und die mit der Projektdurchführung betraute Gesellschaft hatte aufgrund einer Fehleinschätzung dieser Entwicklung Probleme, mit adäquaten Preisanpassungen auf diese Situation zu reagieren.

  • Ein anderes Beispiel für diesen Typ der Stadtentwicklung ist der Westhafen. Das hier zu entwickelnde Areal hat eine ähnliche Größenordnung wie der Schlachthof, unterscheidet sich aber von seiner Projektkonzeption. Der Westhafen grenzt direkt an ein gründerzeitliches Viertel und soll mit einer diese Struktur ergänzenden Bauform die Innenstadtqualität bis unmittelbar an das Mainufer ausweiten.

    Auch hier kommt ein neues Finanzierungsmodell zum Tragen. Das Projektgrundstück Westhafen wurde von der Stadt Frankfurt an ein durch ein Wettbewerbsverfahren gebundenes Konsortium verkauft, wodurch eine dauerhafte Entwicklung trotz eventueller kommunalpolitischer Veränderungen, d.h. die Unveränderlichkeit von Beschlüssen, gewährleistet und eine Grundstücksbeleihung für die Projektentwicklung sichergestellt werden sollten. Der Verkehrswert des Grundstückes wurde vor der Entwicklung als Transaktionserlös für die Stadt Frankfurt festgeschrieben. Das Konsortium gründete eine Grundstücksgesellschaft und anschließend gemeinsam mit der Stadt Frankfurt eine Entwicklungsgesellschaft mit je hälftiger Beteiligung, welche die gesamte Projektentwicklung durchführt. Nach der Entwicklung werden die Grundstücke wieder verkauft, und die Stadt ist am Gesamterlös aus der Projektentwicklung wiederum mit 50% beteiligt.

Die Stadt Frankfurt sieht in dieser Form von public private partnerships einen zukunftsträchtigen Weg der Stadtentwicklung. Voraussetzung sei es aber, daß die Interessenlagen der Partner gleichgerichtet werden und sowohl die Erlöse als auch die Kosten - beispielsweise für die Altlastensanierung - auf beide Partner verteilt sein müssen. Auch für die Stadt müsse sich eine Rendite ergeben, damit einerseits die angestrebten Projekte nicht Gefahr laufen, durch langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse behindert zu werden und andererseits die entstehenden Gewinne nicht ausschließlich in die Hände der developer fallen, während die Stadt für eventuelle Nachsubventionen bei möglichen Verlusten aufkommen muß.

Außer in Hamburg wurden seit Anfang der 70er Jahre in keiner deutschen Großstadt mehr großdimensionale (Innen-) Stadtentwicklungsprojekte durchgeführt. Der Frage, ob derartige Großprojekte die richtige Antwort auf die Forderungen nach Nutzungsmischung und Nachhaltigkeit im Städtebau seien, begegnet der Frankfurter Stadtpla-

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nungsdezernent mit dem Hinweis auf die Möglichkeiten, die sich für eine Kommune aus der Anwendung des Instruments Baugesetzbuch ergeben, und - auf der anderen Seite - die Notwendigkeit, für geplante Rahmenbedingungen auch Investoren finden zu müssen. Daher seien public private partnerships im Sinne eines Interessenausgleich im Vorfeld besser als die andernorts üblichen Planbefreiungen im Nachhinein.

In Frankfurt wird mit Verweis auf die gegenwärtige Umbruchsituation und die fiskalpolitischen Bedingungen der Stadt kein Projekt begonnen, das nicht nachweisen kann, ohne kommunale Zuschüsse auszukommen. Stadtentwicklung müsse allein aus den Bodenwerten finanzierbar sein. Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung sei natürlich nur „nach bestem Wissen und Gewissen" möglich, zumal Großprojekte mit Laufzeiten von 10-15 Jahren nur zum Ausgangszeitpunkt rentierlich geplant werden könnten. Daher sei Mut zur eventuellen Deckungslücke gefordert. Es gibt somit keine Bereitschaft, auch unrentierliche Projekte zu planen. Vielmehr müßten die rentierlichen Projekte die unrentierlichen tragen

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4.6 Globalisierung - Regionalisierung?

Die aufgeführten Projekte deuten eine eigenständige Binnenentwicklung Frankfurts unter Verzicht auf gemeinsame Lösungen mit dem Umland an. Dies ist u.a. als Reaktion auf die bisher gescheiterten Versuche, einen Konsens zwischen Kernstadt und Umland herzustellen, zu verstehen. Dieser Versuch wurde erstmals 1974 mit der Gründung des Umlandverbandes Frankfurt institutionalisiert, ist aber aus Sicht Frankfurts niemals erfolgreich gewesen. So sei beispielsweise die gemeinsame Flächennutzungsplanung stets zuungunsten des zahlenmäßig unterlegenen Frankfurts ausgefallen, das sich mit seinen Großstadtproblemen alleingelassen fühlte, während die umliegenden Gemeinden - trotz zum Teil anderslautender vorbereitender Bauleitplanungen - mit Baulandausweisungen für Einfamilienhäuser die zahlungskräftigen Schichten aus der Kernstadt abwarben. Auch gemeinsame Projekte zur Ver- und Entsorgung hätten aufgrund finanzieller Eigeninteressen der einzelnen Gemeinden nie richtig funktioniert. Schließlich ist der Umlandverband aus Sicht der Stadt Frankfurt unter den Aspekten Größe und funktionale Verflechtung falsch zugeschnitten.

Dennoch wird der Grundgedanke der intraregionalen Kooperation als richtig und wichtig erachtet, wenngleich man sich in der Region einig ist, mit dem Umlandverband dafür nicht das geeignete Instrument in der Hand zu haben. Die Bildung interkommunaler Zweckverbände ist aus Frankfurter Sicht ebenfalls keine sinnvolle Alternative, sondern vielmehr ein Instrument der Ent-Demokratisierung. Außerdem stehe die große Zahl der in der Region mitentscheidenden Verwaltungs- und Organisationsebenen -Ortsbeiräte/Stadtteilparlamente, Stadt, Umlandverband, Landkreise, Zweckverbände, Regierungspräsident, Landesebene - in krassem Gegensatz zu den beiden „echten"

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Verantwortungsträgern im Sinne demokratischer Rechenschaftspflicht vor dem Hintergrund von Kommunal- und Landtagswahlen: die Kommunen und das Land. Für den Frankfurter Planungsdezernenten bietet sich als Lösung dieser personalintensiven, teuren und unflexiblen Schieflage nur eine radikale Reduktion der Entscheidungsebenen an, wobei der Gesetzgeber als Initiator gefragt sei. Soll die Region im Sinne einer Körperschaft für eine gezielte Entwicklung handlungsfähig werden, sei die Bündelung der Steuererhebung und der verbindlichen Bauleitplanung auf Regionalebene notwendig. Dies bedeute weder eine Absage an die kommunale Selbstverwaltung noch die Stärkung der Landesebene.

Im Land Hessen kommt erschwerend hinzu, daß Finanzausgleichsmaßnahmen bisher immer in starkem Maße in die relativ strukturschwachen Regionen Nord- und Mittelhessen flössen und sich die vergleichsweise reiche Rhein-Main-Region aus eigenen Mitteln helfen mußte. Die stärkere Bevorzugung Frankfurts würde Proteste sowohl im nördlichen und mittleren Hessen als auch innerhalb der Rhein-Main-Region selbst auslösen. Hier ist mit keinerlei Beweglichkeit zu rechnen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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