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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 1]


Anmerkungen


Ohne Zweifel fasziniert das Schweben, Beschleunigen und Bremsen mit Hilfe der Magnetbahntechnologie. Es ist daher ein verständlicher Wunsch, diese Technologie als Innovation in Form einer Hochgeschwindigkeitsbahn und als Symbol für den Standort Deutschland nutzbringend anzuwenden. Die Geschichte der Realisierung einer solchen Magnetbahn ist jedoch nicht gerade glücklich verlaufen. Das wirft die Frage auf, wie es bei uns mit den Voraussetzungen, den Rahmenbedingungen und den Folgewirkungen aussieht. Konkret: Ist der Bau der Strecke Hamburg - Berlin ökonomisch und ökologisch sowie unter verkehrs-, wirtschafts- und industriepolitischem Blickwinkel wirklich sinnvoll?

Eine Fülle von Argumenten und Gegenargumenten liegt inzwischen vor, fast alle sind intensiv diskutiert worden - eine Bewertung der Fakten ist nun möglich.

Aus der Argumentation sticht folgendes hervor: Bei der Prognose des künftigen Verkehrsaufkommens ist eine Reihe von „Bestfallannahmen" ausgewählt worden. Das Eintreten dieses außerordentlichen Verkehrsaufkommens ist jedoch nicht wahrscheinlich, ja es ist nahezu ausgeschlossen; zudem wäre es aus ökologischen Gründen auch abzulehnen. Das Verfehlen des zweifelhaften Ziels bedeutet, daß über die Investitionskosten hinaus, die keineswegs im abgesteckten Rahmen bleiben werden, auch in Zukunft weitere bedeutende Subventionsbeträge aus dem Bundeshaushalt zu leisten wären. Mit Recht hat der Bundesrechnungshof daher Anfang 1996 die überhöhten Schätzungen, die inkonsistenten Kostenrechnungen sowie die finanziellen Risiken scharf gerügt. Zu kritisieren ist außerdem, daß technologiepolitische und wirtschafts- bzw. handelspolitische Anliegen im Verkehrshaushalt abgewickelt werden sollen.

Beim Rad/Schiene-System sind, obwohl es im Gegensatz zur Magnetbahntechnik kaum Förderung erfahren hat, bedeutende Innovationen erzielt worden. Abgesehen von der Geschwindigkeitssteigerung ist u.a. auf ein erhöhtes Transportpotential auf der Schiene durch verbesserte Informationstechnik zu verweisen. Innovative Technik muß nicht spektakulär sein, die gezielte Anwendung neuer Technologien in einem komplexen System kann durchaus zu einer optimalen Lösung führen. Das dürfte bei der klassischen Bahn der Fall sein.

[Seite der Druckausgabe: 2]

Fest steht schon jetzt, daß die Magnetbahnstrecke Hamburg - Berlin eine ,Insellösung" bleiben würde. Eine Überlagerung des bestehenden Systems ist aus technischen, aus ökonomischen und ökologischen sowie aus finanziellen Gründen weder in mittlerer noch in ferner Zukunft zu verwirklichen. Schon die gelegentlich vorgebrachte Weiterführung nach Dresden würde die oben angedeuteten Probleme nur noch verschärfen.

Vor der Realisierung der Neubaustrecken Hannover - Würzburg, Mannheim - Stuttgart und jetzt Frankfurt - Köln war die Position der Magnetschnellbahn nicht so abwegig. Allerdings hat damals das Argument, den innerdeutschen Flugverkehr zu ersetzen, noch nicht die rechte Durchschlagkraft gehabt.

Ein Fehler, der sich auch immer wieder bemerkbar macht, war sicher, daß die neue Technik nicht gründlich bzw. umfassend genug getestet worden ist. Viele Fragen sind noch offen: Wie ist ein gefahrloser Begegnungsverkehr bei Hochgeschwindigkeit zu realisieren? Wie sind Anschläge und Sabotage auf der empfindlichen Trasse zu verhindern? Oder wie ist, ganz einfach, Eis und Schnee zu begegnen? Auch die Frage, ob die Magnettechnik vorzüglich dem Fernverkehr oder dem Nahverkehr dienen kann, ist noch offen. Vorstellbar wäre eine Anwendung als U-Bahnsystem.

Im Fall besonderer Eignung für den Fernverkehr zeigt die Karte Europas eine vom Raumgefüge des Kontinents interessante Verbindung. Es ist eine Achse von Berlin nach Warschau in östlicher und nach Brüssel oder Paris in westlicher Richtung, jeweils mit einer potentiellen Weiterführung in anschließende Metropolen. Über die Wirtschaftlichkeit einer solchen achsialen Strecke läßt sich nur spekulieren. Sie könnte jedoch eine politische Funktion haben, könnte ein Ersatz für nicht realisierbare EU- oder NATO-Mitgliedschaften sein, könnte ein festes Band vom Westen in die Weite des Ostens knüpfen. Bei Verhandlungen mit den europäischen Partnern würden sich aber die noch offenen Fragen der Magnetbahntechnik ebenfalls störend bemerkbar machen.

Was bleibt von den jahrelangen Bemühungen und den umfangreichen Subventionen? Zunächst müßten die offenen Fragen geklärt werden. Das kann mit weiterer Forschung bzw. einem Ausbau der vorhandenen Teststrecke geschehen. Selbst wenn dafür mehrstellige Millionenbeträge gewährt würden, wäre das besser als die riskante Verausgabung vieler Milliarden für die überflüssige Verbindung Hamburg -

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Berlin. Interessenten für den Transrapid, mögen sie die Strecken Los Angeles - Las Vegas in den USA oder Djakarta - Surabaja in Indonesien im Auge haben, muß doch klar zu machen sein, daß wir in einem dichtbesiedelten, von Leitungs- und Verkehrstrassen zerschnittenen Land wegen des vorhandenen dichten Bahnnetzes auf eine weitere Trasse in Magnetbahntechnik verzichten. Realitätsorientierter Verkehr ist aber wegen der vielen ständigen Besucher auf der Teststrecke durchaus möglich. Das sollte in Verbindung mit den technischen und wirtschaftlichen Garantien für den Verkauf genügen. Darüber hinaus muß das Produkt für sich sprechen und die jeweiligen Gegebenheiten adäquat erfüllen können.

Einzelheiten sind dem folgenden Bericht zu entnehmen - er wurde von Dipl.-Geogr. A. Bela Bergemann von der Universität Kaiserslautern verfaßt.

Bonn, im Februar 1996Dr. Hannes Tank


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