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4. Die Sanierungsgebiete des früheren Uranbergbaus

Neben dem Grubengebäude der ehemaligen Bergbaubetriebe Drosen und Beerwalde befinden sich im Ronneburger Bergbaugebiet ein bis 1990 betriebener Untertagebau, aus dem bis zu 3 500 Tonnen Erz gefördert wurde, sowie das Restloch des früheren Tagebaus Lichtenberg. Der von 1957 bis 1978 betriebene Tagebau Lichtenberg erreichte eine Tiefe von 260 m. Nachdem ein Teil des Tagebaurestlochs mit Abraummaterial verfüllt wurde, ist das Restloch heute etwa 160 m tief, 1 500 m lang und 400 bis 600 m breit. Das offene Volumen beträgt 80 Millionen Kubikmeter. Die in der Nähe des Tagebaurestlochs liegenden Abraumhalden haben ein Gesamtvolumen von über 100 Millionen Kubikmetern und nehmen eine Gesamtfläche von 420 Hektar ein. Allein vier Spitzkegelhalden enthalten je 3-4 Millionen Kubikmeter Abraum. Der größte Teil des Abraums, 64 Millionen Kubikmeter, befindet sich auf der Zentralhalde direkt neben dem Tagebaurestloch.

Neben den in den Halden lagernden radioaktiven Stoffen gefährdet der im Abraum vorhandene Pyrit, eine Verbindung aus Schwefel und Eisen, die Umwelt. Unter Einfluß von Luftsauerstoff, der mit Regenwasser in die Halden gelangt, wird Pyrit durch bakterielle Umwandlungen zu Schwefelsäure oxidiert. Diese Schwefelsäure führt zum einen zu hohen Sulfatkonzentrationen im Sickerwasser der Halden, zum anderen laugt die Säure gebundenes Uran aus dem Haldenmaterial heraus. Auf der heute rund 7 Millionen Kubikmeter umfassenden Gessenhalde ist früher sogar Schwefelsäure aufgebracht worden. Auf dieser Halde hatte man uranarmes Erz, dessen Transport zur Aufbereitungsanlage nicht lohnte, aufgeschüttet. Um dennoch Uran daraus zu gewinnen, besprühte man die Halde mit Schwefelsäure. Die durch Auslaugung entstehende uranhaltige Lösung wurde am Fuß der Halde gesammelt und anschließend aufbereitet

Das Grundwasser im Ronneburger Raum ist vor allem durch Sickerwasser aus den Abraumhalden sowie durch die Eingriffe des Untertagebaus in den Bergkörper gefährdet. Grubenbaue sowie Risse im Gebirgskörper haben Grundwasserwegsamkeiten in den Bereich erzführender Schichten geschaffen, so daß von dort aus auch radioaktive Stoffe ausgewaschen werden können. Hinzu kommt, daß in den durch Bergbauarbeiten aufgelockerten Gebirgskörper Niederschlagwasser eindringen kann, das die Umwandlung des vorhandenen Pyrits in Schwefelsäure begünstigt.

Nach Angaben des technischen Geschäftsführers der Wismut GmbH weisen im Ronneburger Raum Sickerwässer aus den Halden zum Teil über 1 000 Grad deut-

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scher Härte aus, das heißt, die Wässer enthalten sehr hohe Konzentrationen an Metallionen. Hinzu kommen pro Liter Wasser bis zu 10 Gramm Sulfat, 2 Gramm Eisen, 3 mg Uran sowie 200 mBq Radium. Diese hohen Schadstoffbelastungen führen dazu, daß der Anteil der mit Sickerwässern in die Umgebungsgewässer geleiteten Schadstoffe sehr viel höher ist, als es dem Anteil der Sickerwässer an den Gesamteinleitungen entsprechen würde. Während der Anteil des Sickerwassers nur 9 Prozent der Gesamteinleitungen von Schachtwässern in die Vorflut beträgt, verursachen die Sickerwässer 39 Prozent der eingeleiteten Härte sowie 46 Prozent der Belastungen der Gewässer durch Sulfat, 83 Prozent der Eisen- und 24 Prozent der Uranfrachten.

Ähnlich wie im Ronneburger Raum sind auch in der Region des Bergbaubetriebs Aue, im Erzgebirge, sowie im Bergbaugebiet Königstein Beeinträchtigungen des Grundwassers zu befürchten. Die Untertagelaugung im Betrieb Königstein hat niemals 12 Millionen Kubikmeter Gestein und Grundwasserleiter chemisch verändert. Zwei vor Bergbaubeginn voneinander isolierte Grundwasserleiter sind als Folge des Bergbaubetriebes nun miteinander verbunden. Zur Zeit befinden sich rund 1,8 Millionen Kubikmeter schwefelsaure Lösung, die pro Liter ein Gramm Sulfat und mehr als 30 mg Uran enthält, im Umlauf. Da im Bereich des Bergwerksbetriebs ein für die lokale Trinkwasserversorgung wichtiger Grundwasserleiter verläuft, muß die unkontrollierte Ausbreitung der schwefelsauren Lösung unbedingt verhindert werden.

Auf dem Gebiet des ehemaligen Aufbereitungsbetriebes Crossen müssen der Standort der Aufbereitungsanlage (17 Hektar), das Erzlager (8 Hektar) und einige weitere kontaminierte Flächen von zusammen rund 9 Hektar saniert werden. Hinzu kommen eine nördlich vom Betriebsgelände gelegene Halde mit rund 4 Millionen Tonnen Abraummaterial, zwei kleinere Absetzbecken (Dänkritz 1 und 2) und eine größere Absetzanlage (Helmsdorf). In den zur Aufbereitungsanlage Crossen gehörenden Absetzanlagen mit einer Gesamtfläche von rund 200 Hektar lagern 57 Millionen Tonnen Aufbereitungsrückstände. Das die Schlämme abdeckende Freiwasser des Beckens Helmsdorf enthält pro Liter bis zu 6,1 mg Uran und 6 Gramm Sulfat.

In den Absetzanlagen des Aufbereitungsbetriebes Seelingstädt, Culmitzsch und Trünzig, lagern zusammen über 100 Millionen Tonnen Aufbereitungsschlämme. Der weitaus größte Teil davon liegt in den beiden Becken A und B der Absetzanlage Culmitzsch, wo die Schlämme Mächtigkeiten bis zu 70 m erreichen. Der

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Radiumgehalt in den Schlämmen beträgt rund 10 Bq pro Gramm. Nach Angaben der Bürgermeisterin der am Norddamm des Absetzbeckens Culmitzsch liegenden Gemeinde Wolfersdorf drangen bis vor fünf bis sechs Jahren Sickerwässer aus dem Becken bis an Wohngebäude. Erst danach seien Auffangeinrichtungen zum Zurückpumpen des austretenden Wassers installiert worden. Die Rohre dieser Anlagen seien bereits jetzt wieder korrodiert, was auf die Aggressivität des austretenden Wassers schließen läßt. Früher sei das Wasser in einen nahe gelegenen Bach gesickert und von dort in die Weiße Elster geflossen.

Ein besonderes Sanierungsproblem wirft das Becken Trünzig A auf, das seit einigen Jahren nicht mehr unter die Rechtsträgerschaft der Wismut fällt. Nachdem das Becken 1967 aus dem aktiven Betrieb ging, wurde es etwa einen Meter hoch mit Erde abgedeckt. Übrig blieb ein Restsee mit einer Fläche von rund 15 Hektar. Das Becken wurde 1979 von der Wismut an den Rat des Bezirks Gera abgetreten, der es in die Rechtsträgerschaft des Kreises Greiz stellte. Auf Weisung des Rates des Bezirks Gera wurde in den frühen achtziger Jahren dort eine Sondermülldeponie eröffnet, deren Betreiber zur Auflage bekam, die Schadstoffe unterhalb der Wasseroberfläche des Restsees einzuleiten. Eine schwer durchschaubare Rechtskonstruktion ließ die Verantwortung für die Einrichtung und den Betrieb der Sondermülldeponie verschwimmen. Als Rechtsträger trat der Rat des Kreises Greiz auf, Betreiber war der Rat der Gemeinde Teichwolframsdorf, das Territorium lag auf der Flur der Gemeinde Großkundorf und die zuweisende Körperschaft war die Bezirksschadstoffkommission.

Im Laufe der achtziger Jahre sollen zahlreiche ostthüringische Betriebe, darunter auch chemische Betriebe, ihre besonders belasteten Abwässer, Bohrschlämme und anderen Abfälle von höchst unterschiedlicher Beschaffenheit im Trünziger Becken entsorgt haben. Während der Chemismus der Aufbereitungsschlämme einigermaßen bekannt ist, weiß heute niemand, welche Stoffe sich in der Sondermülldeponie befinden. Bereits in den ersten Jahren des Betriebes der Sondermülldeponie kam es zu Senkungen des Wasserspiegels; nach einer anhaltenden Trockenheit im Winter und Frühjahr 1988/89 häuften sich unter den Bewohnern der Region Beschwerden über seltsame Gerüche und über unklare Krankheitsbilder. Ende 1989 wurde die Schadstoffdeponie geschlossen.

Neben den heute noch in der Rechtsträgerschaft der Wismut befindlichen Halden, Absetzbecken, Gruben und Schächten trifft man überall in den Bergbauregionen auf weitere Altlasten, die heute nicht mehr zur Wismut gehören. Über die Altlasten

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sowohl des früheren konventionellen Erzbergbaus als auch des Uranerzbergbaus gibt es bisher keinen vollständigen und systematischen Überblick. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist mit der Erstellung eines Altlastenkatasters beauftragt worden, das die aus dem Uranerzbergbau und dem konventionellen Bergbau in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt stammenden Altlasten als Grundlage für eine Bewertung der radiologischen Situation der Bevölkerung erfaßt Auch wichtige konventionelle Schadstoffe sollen bei der Bestandsaufnahme berücksichtigt werden. Im Auftrag des BfS koordiniert die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) die Datenerfassung. Dabei wirken unter anderem eine Reihe von Unternehmen aus den neuen Ländern mit.

Nach einer vorläufigen Bestandsaufnahme ist unter anderem mit folgenden Altlasten zu rechnen:

  • rund 2 000 tagesnahe Hohlräume

  • knapp 300 Schächte und Stollen des Uranerzbergbaus

  • 15-20 industrielle Absetzanlagen für Rückstände aus der Uranerzaufbereitung und eine Reihe kleinerer Aufbereitungsanlagen

  • rund 180 Erzverladestellen

  • bis zu 3 000 zum Teil radioaktiv kontaminierte und schwermetallbelastete Halden sowohl aus dem Altbergbau als auch aus dem Uranerzbergbau. Bei den Halden handelt es sich sowohl um Spitzkegel- und Tafelhalden als auch um Hangschüttungen, die kaum mehr als Halden zu erkennen sind.

Hinzu kommt, daß mangelnde Sicherheitsvorkehrungen beim Transport radioaktiv kontaminierten Materials dazu geführt haben, daß heute verschiedene Straßen in den Bergbauregionen zusätzlich radioaktiv belastet sind. So wurde zum Beispiel Haldenmaterial auf nicht abgedeckten LKWs transportiert; mit dem verwehten Staub und den verlorengegangenen größeren und kleineren Klumpen und Brocken verteilten sich auch die radioaktiven Inhaltsstoffe weiträumig. In der Gemeinde Teichwolframsdorf ist eine Straße so stark mit radioaktivem Staub belastet, daß dem Bürgermeister von Medizinern empfohlen wurde, diese Straße sanieren zu lassen. Die dort wohnenden Menschen sollen wegen der hohen Radonbelastungen der Innenraumluft einerseits ihre Häuser häufig lüften, andererseits holen sie sich bei offenen Fenstern den radioaktiven Staub in die Wohnungen.

Die Vielzahl der Belastungsquellen mit ihren zum Teil nur vage bekannten Gefährdungspotentialen macht zwar eine rasche und wirksame Sanierung nötig,

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doch die kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen dürfen die langfristig gebotenen Sanierungsvorhaben nicht erschweren oder gar verhindern. Unterschiedliche Auffassungen bestehen zur Zeit vor allem über die Zuverlässigkeit und Nützlichkeit der bisher von der Wismut vorgelegten Konzepte für die langfristig wirksame Sanierung und Sicherung der Altlasten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000

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