FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 10 / Fortsetzung]

2. Die Bildung von Privateigentum an Wohnraum

Der Einigungsvertrag postuliert als wohnungspolitisches Ziel den Aufbau einer sozialen Wohnungsmarktwirtschaft in den neuen Ländern. Dabei ist die Wohnungsprivatisierung und insbesondere die Bildung von individuellem Wohneigentum eine zentrale politische Aufgabe. Die Privatisierung fördert die Eigentumsbildung, mobilisiert Eigeninitiative und Kapital für die Instandsetzung bzw. Modernisierung und entlastet die Unternehmen von vielen Problemen - sie verringert insbesondere das Problem der Altschulden. Damit kann die Privatisierung von Wohneigentum dazu beitragen, daß sich die Wohnqualität in den neuen Bundesländern dem Standard in den alten Ländern nähert.

[Seite der Druckausgabe: 11]

Page Top

2.1 Das Privatisierungspotential

Die Antwort auf die Frage "Wieviele Wohnungen können in den neuen Bundesländern privatisiert werden?" hängt von einer Reihe von Einzelfaktoren ab. Hierbei sind das Wohnungsangebot, die Entwicklung der Wohnungsnachfrage sowie verschiedene institutionelle Rahmenbedingungen zu unterscheiden.

Betrachtet man zunächst die Angebotsseite, dann kann festgestellt werden, daß hier der Verkauf kommunaler Wohnungen an die Mieter, durch den individuelles Wohneigentum gebildet wird, im Vordergrund steht. Umstritten ist, ob auch der Verkauf genossenschaftlicher Wohnungen als Privatisierung anzusehen ist. Nach verbreiteter Ansicht ist die Bildung wieder unabhängiger Genossenschaften als ein Akt der Privatisierung zu verstehen, da die Mieter genossenschaftliche Eigentümer sind. Hinzu kommt, daß sich in der Praxis - trotz der Genossenschaftsanteile in Privateigentum - kaum Unterschiede zwischen genossenschaftlicher und kommunaler Wohnungswirtschaft gezeigt haben. Deshalb sollte nach Ansicht des Bundesbauministeriums der Verkauf genossenschaftlicher Wohnungen bei Kaufinteresse der Mieter nicht grundsätzlich aus dem Privatisierungsprozeß ausgeschlossen werden.

Zu den Wohnungsbeständen, die für eine Privatisierung durch Verkauf an die Mieter in Frage kommen, gibt es abweichende Schätzungen. Unterschiedlich wird von den Experten vor allem die Privatisierungsfähigkeit der Plattenbauten beurteilt. Bei der Überprüfung der Privatisierungspotentiale müssen die Kommunen auch festlegen, wieviele Wohnungen sie in ihrem Einflußbereich behalten wollen - insbesondere unter dem Aspekt der Schaffung von Belegungsrechten im Rahmen einer kommunalen Wohnungspolitik.

Von den etwa 7 Millionen Wohnungen in den neuen Bundesländern sowie in Berlin (Ost) befinden sich rund 4,7 Millionen in Mehrfamilienhäusern. Davon sind nur 0,9 Millionen in privatem Eigentum. Im Ergebnis einer staatlich verordneten wohnungspolitischen Zwangswirtschaft in der ehemaligen DDR sind dagegen 2,7 Millionen Wohnungen in staatlicher und 1,1 Millionen Wohnungen in genossenschaftlicher Hand. Diese Struktur ist allerdings regional stark differenziert. Vom Wohnungsbestand in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt befinden sich zum Beispiel 46% in kommunaler, 30% in genossenschaftlicher und 24% in privater Hand. Insgesamt kann man davon ausgehen, daß der private Bestand in den Städten und insbesondere in den Großstädten erheblich unter dem Durchschnittswert von 40% liegt.

[Seite der Druckausgabe: 12]

Der Wohnungsbestand der kommunalen Wohnungsunternehmen wird sich in der kommenden Zeit nach Schätzungen des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft um rund 700 000 Wohnungen verringern, die rückübertragen werden müssen. Vom verbleibenden Bestand sieht der Verband nur etwa 200 000 Altbauwohnungen als privatisierungsfähig an. Allerdings wird die Möglichkeit bezweifelt, daß die nach dem Krieg gebauten Wohnungen, insbesondere die gut 1,5 Millionen Plattenbauwohnungen, in großem Umfang privatisierbar sind.

Auch das Beratungs- und Forschungsinstitut GEWOS hält die Mehrfamilienhäuser bis Baujahr 1945 prinzipiell für privatisierbar. Allerdings muß seiner Auffassung nach bei der Ermittlung der kurz- und mittelfristig zur Verfügung stehenden Bestände der Bauzustand beachtet werden. Hier ist festzustellen, daß sich die Altbauten in einem bemerkenswert schlechten Zustand befinden. Über 50% der Mehrfamilienhäuser fallen in die Bauzustandsstufen 3 "größere Mängel" und 4 "nicht mehr bewohnbar". Dabei vergrößern sich die Anteile der Kategorien 3 und 4 in rasantem Tempo, d.h. der Verfall ist noch nicht annähernd gestoppt, und der Leerstand wird immer größer; z.B. sind in Dresden 16.000 Wohnungen und in Leipzig 22.000 Wohnungen nicht mehr bewohnbar. Aus diesen Zahlen ergibt sich umgekehrt, daß in den nächsten Jahren nur knapp die Hälfte der Altbauten (Bauzustandsstufen 2 mit 40% und 1 mit 9%) für eine Privatisierung in Frage kommen. Insgesamt wird bei den älteren Mehrfamilienhäusern mit Instandsetzungskosten von 600 bis 1.200 DM/qm gerechnet.

In etwa in dieser Größenordnung (600 bis 1.000 DM/qm) bewegen sich nach Meinung von Fachleuten auch die Instandsetzungskosten für die Plattenbauten. Hierbei gibt es zwar noch Diskussionen um die Restnutzungsdauer. Inzwischen hat sich aber die Auffassung durchgesetzt, daß die meisten Betonbauten eine gute Statik haben, durchaus modernisiert und anschließend privatisiert werden können. Für die sonstigen Mehrfamilienhäuser (Baujahr nach 1945) gilt schließlich, daß Gebäude in Blockbauweise gut für eine Privatisierung geeignet sind.

Auch das Bundesbauministerium vertritt den Standpunkt, daß die nach 1948 in traditioneller Bauweise errichteten Wohnungen sowie bei den Plattenbauten die Wohnungen in Gebäuden mit weniger als sechs Geschossen grundsätzlich für eine Privatisierung in Frage kommen. Das gesamte Privatisierungspotential beläuft sich nach entsprechenden Berechnungen auf etwa eine Million Wohnungen. Nach Ansicht des Bundesbauministeriums würde selbst bei Privatisierung dieses Wohnungsvolumens ein noch ausreichend großer Wohnungsbestand in der Verantwor-

[Seite der Druckausgabe: 13]

tung der kommunalen Wohnungsunternehmen und der Kommunen verbleiben. Eine echte Gefahr für die kommunalen Belegungsrechte wird deshalb nicht gesehen. Der Anteil von belegungsgebundenen Sozialwohnungen ist in den westdeutschen Städten deutlich niedriger.

Nach Einschätzung des Bundesbauministeriums ist die Verkaufsbereitschaft auf der Eigentümerseite (Kommunen, kommunale Wohnungsunternehmen, Genossenschaften) trotz eines zum Teil überraschend hohen Kauf Interesses auf der Mieterseite bisher insgesamt noch zu gering. Verantwortlich dafür ist ein ganzes Bündel von Ursachen. Das sind in erster Linie

  • politische Vorbehalte und Unsicherheiten über die Rolle des Wohneigentums, der kommunalen Wohnungsunternehmen und der kommunalen Wohnungspolitik
  • konkurrierende politische Standpunkte in den Kommunen ungeklärte Rechtsfragen wie die Zuordnung des Vermögens und die Gründung rechtlich selbständiger Unternehmen
  • die ungeklärte Altschuldenfrage und
  • die Sorge mancher Politiker und Geschäftsführer, durch Verringerung der kommunalen Wohnungsbestände Aufgaben und Einfluß zu verlieren.

Bei der Untersuchung des Privatisierungspotentials sind neben der Angebotsseite auch verschiedene Nachfrageaspekte zu beachten. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, daß die Informationen über das Kaufinteresse von Mietern mit Vorsicht aufzunehmen sind. Befragungen in Kommunen haben zwar vielfach zunächst ein sehr hohes grundsätzliches Interesse gezeigt, teils weit über 50% der befragten Mieter. Die Ursachen für diesen hohen Anteil liegen zum großen Teil in einem stark ausgeprägten Defizit an Informationen u.a. über den Kaufpreis und die Verpflichtung zur Finanzierung umfangreicher Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten.

Zum Nachfragevolumen liegen Informationen aus einer repräsentativen Befragung von GEWOS vor. Hiernach planten 1992 rund 335.000 Haushalte in den neuen Ländern den Erwerb von Wohneigentum in den nächsten zwei Jahren. Dabei kann ein Rückgang der Nachfrage gegenüber dem Vorjahr registriert werden, der sicher auch durch die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Unsicherheit über die künftige Entwicklung zustande kommt. Hauptnachfrager sind jüngere und größere Haushalte. Gewünscht werden in erster Linie (54%) Ein- und Zweifamilienhäuser; dagegen ist nur jede fünfte Haushalt an einer privatisierten Eigentumswoh-

[Seite der Druckausgabe: 14]

nung interessiert. Damit entsprechen die Präferenzen nicht der Bestandsstruktur. Es zeigt sich, daß Bürgerhäuser und Gründerzeitbauten leichter zu verkaufen sind; in Leipzig gaben bei einer Umfrage 78% der Befragten an, daß sie derartige Häuser bevorzugen. Dagegen ist bei den Plattenbauten, bei denen ein größerer Wohnungsbestand zur Disposition steht, mit einem schwierigeren Absatz zu rechnen. Das Kaufinteresse beträgt hier lediglich 2%. Verschiedene Beispiele zeigen aber, daß auch Wohnungen in Plattenbauten verkäuflich sind, wenn sie modernisiert und instandgesetzt sind, und wenn der Preis stimmt.

Aufschlußreich sind auch die Ergebnisse einer Befragung über die Kaufmotive der Interessenten. Dabei zeigt sich eine alarmierende Diskrepanz zwischen West- und Ostländern. Während in den alten Bundesländern die Eigentumsbildung das primäre Kaufmotiv ist, dient in den neuen Bundesländern die Wohneigentumsbildung in erster Linie der sozialen Absicherung, dem Schutz gegen Spekulation und der Sicherung gegen Kündigung.

Neben dem Kaufinteresse stellt auf der Nachfrageseite auch die Finanzkraft der Bevölkerung einen wichtigen Aspekt dar. Diese hängt einmal vom Haushaltsnettoeinkommen ab. Nach der Befragung von GEWOS gilt hier für 1992 ein Durchschnittswert von 1.860 DM. Den Hauptnachfragern, also jungen Familien und großen Haushalten, stehen mit 2.150 DM bzw. 2.110 DM etwas höhere Monatseinkommen zur Verfügung. Berücksichtigt man zusätzlich die durchschnittlichen Spareinlagen der ostdeutschen Haushalte, die bei etwa 9.000 bis 11.000 DM liegen, dann zeigen sich einerseits die engen finanziellen Grenzen für den Erwerb von Wohneigentum. Andererseits wird aber auch deutlich, daß es eine Gruppe von Haushalten mit höheren Einkommen und Spareinlagen gibt, die bei einer ergänzenden öffentlichen Förderung durchaus für eine Privatisierung infrage kommt.

In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, daß nicht jeder Haushalt seine oder eine Wohnung kaufen soll. Deshalb erscheint auch aus der Sicht des Deutschen Mietersbundes die Aufklärung darüber sehr wichtig, welche Rechte beim Kaufverzicht bestehen, und daß kein Mieter zum Wohnungskauf gezwungen werden kann. In den bisher bekannten Fällen sind die Wohnungsgesellschaften Eigentümer der nicht verkauften Wohnungen geblieben. Weitere Möglichkeiten sind: Verkauf an Dritte mit der Vereinbarung eines Dauerwohnrechts oder Angebot eines Wohnungstausches.

[Seite der Druckausgabe: 15]

In die Modellvorhaben des Bundesbauministeriums werden deshalb nur Gebäude einbezogen, deren Mieter auch nach näheren Informationen ihr Kaufinteresse aufrecht erhalten. Weiter kann der Verkaufserfolg durch die Beachtung von Faktoren wie Bewohnerstruktur sowie Zustand und Lage des Objektes positiv beeinflußt werden. Nach den bisher in den Modellprojekten gesammelten Erfahrungen ist das Kaufinteresse in den Gebäuden, bei denen seriöse Beratungen und Bauuntersuchungen erfolgten sowie Kostenvoranschläge und Kaufpreisforderungen vorliegen, erstaunlich hoch. Es liegt mindestens bei 50%, ja zum Teil noch deutlich darüber. Vor allem Haushalte mit gesicherten Einkommensverhältnissen und Personen im erwerbsfähigen Alter, aber auch Rentner sind am Kauf einer Wohnung interessiert.

Schließlich ist auch festzulegen, an wen verkauft werden soll. Hier sind die Mieter als vorrangige Zielgruppe zu berücksichtigen. Dieser Weg führt zur Bildung von individuellem Wohneigentum und trägt zur sozialverträglichen Gestaltung der Privatisierung bei. Er stellt aus Sicht der Kommunen und Wohnungsgesellschaften ein relativ aufwendiges Verfahren dar - u.a. wegen der notwendigen Aufklärung und der Beachtung der abweichenden Interessenlage der Mieter, die nicht kaufen. Sichergestellt werden muß auch, daß die Mieter keine Spekulationsgewinne mit ihrer Wohnung machen.

Eine andere Käufergruppe bilden die Investoren. Diese kommen für die Privatisierung ganzer Wohngebäude oder umfangreicher Wohnungsbestände in Frage. Hier werden also größere Mengeneffekte erzielt. Gleichzeitig ergeben sich positive Rückwirkungen auf die Liquidität der Wohnungsgesellschaften; diese erhalten so die finanziellen Mittel zurück, die sie für die Instandsetzung und Modernisierung vorfinanziert haben. Verhindert werden muß, daß der Wohnungskauf durch Investoren zu Mieterverdrängungen führt. Negativ zu bewerten ist beim Wohnungskauf durch Investoren, daß sich insgesamt eine geringere Eigentumsbildung ergibt, und daß eine Weiterveräußerung von Wohnungen, die unerwünscht Konsequenzen auslösen kann, nicht verhinderbar ist.

Einen dritten Einflußbereich auf Umfang und Tempo der Privatisierung bilden verschiedene institutionelle Rahmenbedingungen, Hierzu gehören folgende Aspekte:

  • Übertragung der Eigentumsrechte an die kommunalen Wohnungsgesellschaften. Diese steht bislang vielfach noch aus. Beispielsweise sind in Leipzig bisher nur 50 Grundstücke mit weniger als 500 Wohnungen übertragen.
  • Einbindung der Privatisierung in kommunale wohnungspolitische Konzepte. Diese fehlt in den meisten Fällen zur Zeit noch.

[Seite der Druckausgabe: 16]

  • Entscheidung über Umfang und Struktur der Privatisierung. Hierbei sind viele Kommunen derzeit noch personell überfordert. Bund und Länder sollten hier indirekt und unterstützend eingreifen.
  • Abwicklung vermögensrechtlicher Ansprüche. Dies läuft nur sehr langsam und wird noch mehrere Jahre andauern.
  • Preisbildung in Einklang mit dem Gemeindehaushaltsgesetz. In diesem Zusammenhang gibt es einen Interpretationsspielraum zwischen der Forderung nach sorgfältiger und wirtschaftlicher Verhaltensweise der Kommune einerseits, derentsprechend die Gemeinde bei der Privatisierung keine finanziellen Mittel verschenken darf, und andererseits der Auflage, die Wohnungen günstig an die Mieter zu verkaufen. Es muß ein Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen von Kommunalpolitik und verkaufender Gesellschaft gefunden werden.
  • Fördermittel. Die Landesmittel sind sehr schnell ausgeschöpft und reichen bei weitem nicht aus.
  • Modellprojekte des Bundesbauministeriums. Die Modellvorhaben sind als erster wichtiger Anschub zu werten. Da sie 1993 auslaufen und der Privatisierungsprozeß noch nicht richtig in Gang gekommen ist, erscheinen ergänzende Programme sinnvoll und notwendig.

Insgesamt stellen die Defizite bei verschiedenen institutionellen Rahmenbedingungen nach Auffassung der GEWOS neben den ungeklärten Eigentumsfragen derzeit das größte Hindernis bei der Privatisierung dar.

Page Top

2.2 Die Modellvorhaben zur Wohnraumprivatisierung

Die Bundesregierung hat die Privatisierung von Wohnraum in den neuen Bundesländern von Beginn an erheblich unterstützt. Zum einen geschieht dies durch das sogenannte Erwerbszuschußprogramm, zum anderen auf indirektem Weg durch die Förderung von Sanierungs- und Modernisierungsinvestitionen sowie durch Modellvorhaben.

Mit den Modellvorhaben soll ein Anreiz für die Kommunen und für die kommunalen Wohnungsgesellschaften geschaffen werden, mit der Privatisierung ihrer Wohnungsbestände zu beginnen. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln, wie die Privatisierung unter den spezifischen Bedingungen der neuen Bundesländer sachgerecht und vor allem mieter- und käuferfreundlich durchgeführt werden kann. Da es

[Seite der Druckausgabe: 17]

im Osten Deutschlands nur sehr mangelhafte Erfahrungen im Umgang mit Wohneigentum, dafür aber viele Ängste und Sorgen der Mieter gibt, wird auf eine seriöse Mieter- und Erwerberberatung und -betreuung im Rahmen der Modellvorhaben großer Wert gelegt. Ausgangspunkt ist dabei der Grundsatz, daß ein Verkauf von Wohnungen nur unter Bedingungen erfolgen darf, die das Risiko für den Erwerber minimieren. Das "Modell Freital" hat die ganze Brisanz, die in einer unzulänglichen Beratung liegt, mit abschreckenden Deutlichkeit aufgezeigt.

Page Top

2.3 Wie ist der Stand der Modellvorhaben?

Vom Bundesbauministerium wurden bisher 31 Modellvorhaben in größeren und kleineren Kommunen der fünf neuen Bundesländer ins Leben gerufen. Anders als in der Startphase 1991 werden 1992 die zur Verfügung stehenden Fördermittel von den Kommunen voll in Anspruch genommen. Die Träger der einzelnen Projekte haben es sich zum Ziel gestellt, insgesamt 6.500 Wohnungen durch den Verkauf an Mieter zu privatisieren. Dabei differiert der Umfang der verschiedenen Modellvorhaben erheblich. So sind in Dresden 1.500 WE für eine Wohnungsprivatisierung vorgesehen gegenüber 700 WE in Rostock, 470 WE in Ronneburg, 200 WE in Luckenwalde und nur acht WE in Halle.

Die Modellvorhaben wurden vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau unter Hinzuziehung eines unabhängigen Expertengremiums aus einer Vielzahl von Bewerbungen ausgewählt. Ziel der Auswahl war es vor allem, möglichst unterschiedliche Privatisierungvarianten sowie die Privatisierungsfähigkeit unterschiedlicher Wohnungsbestände zu untersuchen. Kriterien waren und sind dabei

  • die Art des Privatisierungsträgers (Kommune, Wohnungsgesellschaft, externer Auftraggeber),
  • der Gebäude- bzw. Wohnungstyp (z.B. Altbauten, ältere Neubauten und Plattenbauten),
  • der Eigentümer (z.B. kommunale Wohnungsgesellschaften, Werkswohnungen,
  • Zwischenerwerbergesellschaften),
  • die Größe der Gemeinden und
  • die Länder.

Das Interesse an den Modellvorhaben ist sehr unterschiedlich. So beteiligt sich der Freistaat Sachsen mit 11 Modellvorhaben, Berlin dagegen nur mit einem Projekt.

[Seite der Druckausgabe: 18]

Unterschiedlich ist auch der Stand der Verwirklichung der 31 Modellvorhaben. Das hat zum einen seine Ursache in einem unterschiedlichen Privatisierungsbeginn, zum anderen sind hierfür Differenzen in den zu lösenden Problemen verantwortlich. In Ribnitz-Damgarten an der Ostseeküste wurde zum Beispiel mit der Privatisierung im Juli 1991 begonnen, in Halle-Neustadt dagegen erst im August 1992. Die ersten Modellvorhaben konnten inzwischen abgeschlossen werden. In Lobenstein (Thüringen) wurden sämtliche 50 Wohnungen eines neuen, noch nicht bezogenen Plattenbaus verkauft. In Wörlitz (Sachsen-Anhalt) konnten alle 86 Wohnungen in konventionell errichteten Gebäuden privatisiert werden.

Nach Einschätzung des Bundesbauministeriums gehen die Arbeiten bei der Mehrzahl der Vorhaben, wenn auch langsam, doch weitgehend planmäßig voran. Bei einzelnen Vorhaben tauchen aber auch unvorhergesehene Schwierigkeiten auf. So kommt es trotz anfänglicher politischer Unterstützung auf kommunaler Ebene aus Stadtverwaltungen und -parlamenten immer wieder zu unerwarteten Behinderungen. Es zeigt sich deutlich, daß in der gegenwärtig äußerst komplizierten politischen und wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern mit hohen Arbeitslosenzahlen und dem Zusammenbruch ganzer Industrieregionen, mit dem Ausbleiben des "Aufschwungs Ost" auch der politische Konsens in den Rathäusern hinsichtlich der Privatisierung von Wohnraum nur schwer herstellbar ist.

Nach den ursprünglichen Planungen war beabsichtigt, die Modellvorhaben bis Ende 1992 abzuschließen. Da schon jetzt absehbar ist, daß dies nicht in allen Fällen gelingen wird, besteht in Einzelfällen die Möglichkeit, die Laufzeit für die noch nicht verwirklichten Modellvorhaben bis in das Jahr 1993 hinein zu verlängern.

Ein vollständiger Überblick über das Privatisierungsgeschehen außerhalb der Modellvorhaben liegt nicht vor. Man kann aber davon ausgehen, daß auch außerhalb der vom Bundesbauministerium initiierten Projekte zunehmend die Wohnungsprivatisierungen erfolgen. Dafür spricht eine ganze Reihe von Indizien. So werden die Erwerberzuschüsse verstärkt in Anspruch genommen. Während im gesamten Jahr 1991 nur 14 Millionen DM genutzt wurden, waren es bis Ende August 1992 bereits 35 Millionen DM. Bewilligt wurden bis zu diesem Zeitpunkt annähernd 50 Millionen DM. Zu beachten ist aber, daß insgesamt 180 Millionen DM zur Verfügung stehen. Hingewiesen werden muß zusätzlich darauf, daß in einigen Ländern auch der Verkauf von Eigenheimen aus kommunalem Bestand oder aus Werkwohnungskontingenten gefördert wurde und wird. Auch aus Beständen der Treuhand konnten Wohnungen privatisiert werden.

[Seite der Druckausgabe: 19]

Außerdem weist eine Vielzahl von Berichten der Länder, Pressemeldungen und Eingaben usw. darauf hin, daß noch in vielen anderen Gemeinden außerhalb der Modellvorhaben Wohnungen an die Mieter verkauft werden sollen, Verkaufshandlungen eingeleitet bzw. Wohnungen schon verkauft wurden.

Eine Umfrage des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft bei den Mitgliedsunternehmen in den neuen Bundesländern und in Berlin (Ost) hat ergeben, daß 1991 bei ca. 87.000 Wohnungen ein Verkauf an die bisherigen Mieter geplant war. Tatsächlich konnten nur etwa 600 Wohnungen privatisiert werden - das entspricht lediglich 0,02% des Gesamtbestandes. Weitere 6.500 Wohnungen wurden an Dritte verkauft.

Page Top

2.4 Wohnungsprivatisierung durch die Treuhandanstalt

Die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt (TLG) ist für die Vermarktung der nicht betriebsnotwendigen Grundstücke und Wohnungen der Unternehmen zuständig, die der Treuhandanstalt (THA) aufgrund des Einigungsvertrages in den neuen Bundesländern zugefallen sind. Dabei ist die THA bei einem Teil der Liegenschaften direkt Eigentümer der Wohnungen, insbesondere im ländlichen Bereich. Zu diesen Wohnungsbeständen gehören einmal die Mieteinheiten der (Ende 1991 aufgelösten) landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die - da genaue Informationen zur Zeit noch nicht vorliegen - auf ca. 45.000 geschätzt werden. Hinzu kommen die Bestände der volkseigenen Güter, von denen noch etwa 15.000 Wohnungen privatisiert werden müssen. Daneben gibt es weitere Herkunftsarten - wie das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit und die Nationale Volksarmee -, deren Wohnungsvolumen mit etwa 5.000 Einheiten angegeben wird.

Bei einem anderen Marktsegment befinden sich die zu privatisierenden Wohnungen im Eigentum der THA-Unternehmen. Hier ist es Aufgabe der TLG, die nicht betriebsnotwendigen Grundstücke und Wohnungen aus den Unternehmen herauszukaufen. Auch zu diesem Bereich liegen keine genauen Angaben vor. Man rechnet hier mit Beständen zwischen 100.000 und 150.000 Wohneinheiten. Insgesamt sind damit von der TLG ca. 200.000 Wohnungen abzuwickeln.

[Seite der Druckausgabe: 20]

Betrachtet man die Struktur dieses Wohnungsbestandes, so kann man feststellen, daß es sich zu etwa 60% um Ein- und Zweifamilienhäuser und Reihenhäuser, also um Objekte handelt, die sich gut privatisieren lassen. Die restlichen Wohnungen befinden sich in Mehrfamilienhäusern, Wohnanlagen und Plattenbauten. Kennzeichnend für den Gesamtbestand ist weiter, daß weitgehend dislozierter Streubesitz mit einer schlechten Bausubstanz vorliegt, zum Teil gibt es erhebliche Bewirtschaftungsdefizite. Dagegen spielt das Problem der Altschulden bei den bereits durchgeführten Verkäufen kaum eine Rolle. Nur bei wenigen THA-Unternehmen waren bislang Altschulden zu registrieren, die sozusagen mitprivatisiert wurden.

Aufgabe der TLG ist es, Wohnungen und Grundstücke zu verkaufen und keine Bestandshaltung zu betreiben. Verkauft wird zum Verkehrswert. Dieser ergibt sich bei einem Teil der Privatisierungen als Marktpreis aus dem sogenannten Bieterverfahren, bei dem mindestens sechs Angebote vorliegen müssen. In den restlichen Fällen wird der Verkehrswert entweder über ein besonderes Sachverständigengutachten bestimmt oder in einem vereinfachten standardisierten Bewertungsverfahren festgelegt, bei dem der Substanzwert einer Immobilie über den Wohnwert und den Bauzustand ermittelt und durch einen Vergleich mit dem Ergebnis des Ertragswertverfahrens kontrolliert wird. Kann die Immobilie nicht zu dem so ermittelten Preis verkauft werden, dann hat die TLG die Möglichkeit, den gutachterlichen Wert um eine gewisse Spanne zu reduzieren.

Zielsetzung der Wohnungsprivatisierung durch die TLG sind Sozialverträglichkeit und breite Eigentumsbildung. Die Umsetzung dieser Ziele bereitet in der Regel keine Probleme beim Verkauf an die Mieter. Dieser Käufergruppe wird eine vorrangige Kaufoption eingeräumt. In der weiteren Reihenfolge der Käufer stehen Familienangehörige und Werksangehörige. Erst sekundär geht das Kaufangebot an den Markt. Beim letztgenannten Verkaufstyp kann es auch zu Härtefällen kommen. Diese treten z.B. auf, wenn Mieter ihre Wohnung nicht erwerben können, aber auf die Sicherung ihres Wohnrechtes angewiesen sind. Hier bemüht sich die TLG mit besonderer Sorgfalt, einen Käufer zu finden, der bereit ist, im Kaufvertrag eine Härtefallklausel mit entsprechender Einschränkung seines Verfügungsrechtes zu akzeptieren.

Bei der Privatisierung können drei Verkaufsformen unterschieden werden:

  • Beim Einzelverkauf werden Grundstücke und Gebäude im Grundbuch und Kataster als zusammengehörende Einheit ausgewiesen. Der typische Fall ist das Ein- und Zweifamilienhaus, das primär an die Mieter verkauft werden soll.

[Seite der Druckausgabe: 21]

  • Beim Globalverkauf werden Wohnungen und Häuser en bloc veräußert. Zu den entsprechenden Beständen gehören auch Einfamilienhäuser, die in geschlossenen Werkswohnungsbeständen liegen, Restbestände von Eigentumswohnungen, die über den Einzelverkauf nicht zu vermitteln waren, sowie Häuser, die sich für eine Aufteilung in Eigentumswohnungen nicht eignen. Der Verkauf erfolgt hier an Dritte. Diese können zwar an einer Bestandshaltung interessiert sein und damit auch dem Ziel "Sozialverträglichkeit" Rechnung tragen (Beispiel: Verkauf an Genossenschaften oder kommunale Wohnungsgesellschaften). Beim Globalverkauf an Privatinvestoren kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß zu einem späteren Zeitpunkt eine Aufteilung des Bestandes gemäß Wohneigentumsgesetz vorgenommen wird. Hierdurch können neben der unerwünschten Beeinträchtigung der privaten Eigentumsbildung auch negative Konsequenzen auf die angestrebte Sozialverträglichkeit ausgeübt werden, die die TLG mit Hilfe der oben erwähnten Härtefallklauseln zu verhindern sucht.
  • Zur Verstärkung ihres Einflusses auf die Eigentumsbildung und die soziale Verträglichkeit der Wohnungsprivatisierung prüft die TLG zur Zeit, ob für den Globalverkauf kleinerer Wohnungsbestände Genossenschaften oder BGB-Gesellschaften neu gegründet werden sollten.

Zum Leistungsumfang der TLG bei der Wohnungsprivatisierung ist festzustellen, daß das zentrale Element des Verkaufskonzeptes die umfassende Beratung der Mieter über die Vor- und Nachteile der Eigentumsbildung durch den Kauf einer Wohnung darstellt. Eine detaillierte Finanzberatung über den Einsatz von Eigenmitteln, Darlehen, Nutzung von öffentlichen Fördermitteln, Steuervergünstigungen etc. gehört ebenfalls zur Dienstleistungspalette wie eine kontinuierliche Begleitung der Käufer bei der Abwicklung des Wohnungskaufs.

Der Einzelverkauf von Wohnungen erfolgt grundsätzlich nach Modernisierung. Beim Verkauf von Wohnungen, die durch Aufteilung von Häusern nach den Bestimmungen des Wohneigentumsgesetzes entstehen, wird auf die Einhaltung bestimmter Mindeststandards geachtet. Für die entsprechenden Bestände wird auf der Grundlage eines technischen Gutachtens ein Modernisierungskonzept aufgestellt. Dieses Konzept ist Bestandteil der Kaufverträge, die mit allen Teilhabern an der Wohneigentümergemeinschaft abgeschlossen werden. Die Modernisierung der einzelnen Wohnungen liegt dabei allein in der Zuständigkeit des jeweiligen Erwerbers. Für das Gemeinschaftseigentum organisiert die TLG über ihre Vertriebspartner die komplette Modernisierung. Hierfür werden ein Festpreis und die Ausführungszeit garantiert.

[Seite der Druckausgabe: 22]

Zur Beschleunigung des Prozesses der Wohnungsprivatisierung gewährt die THA für die eigenen Bestände beim Verkauf an die derzeitigen Mieter oder deren Familienangehörige ein Restkaufgeld-Darlehen zu sehr günstigen Konditionen (Zinsen: 1. bis 3. Jahr 2%; 4. und 5. Jahr: 4%; 6.bis 9.Jahr: 6%; ab 10. Jahr: Marktzins; Tilgung: 6. bis 15. Jahr). Dieses Darlehen dient als Eigenkapitalersatz und umfaßt 20% des Kaufpreises, maximal jedoch 10.000 DM. Bei Werkswohnungen kann es ebenfalls gewährt werden; allerdings liegt die Entscheidung darüber dann im Ermessen des jeweiligen Unternehmens. Mit dem Restkaufgeld-Darlehen hat die TLG neben dem Verkaufspreis einen zweiten Parameter, mit dessen Hilfe ein ausgewogenes Verhältnis zwischen künftig zu erwartender Mietbelastung und Kaufbelastung hergestellt werden kann.

Da mit der Privatisierung erst vor kurzem begonnen wurde, sind bisher auch erst bescheidene Verkaufserfolge zu registrieren. Im Herbst 1992 waren etwa 1.000 Wohnungen veräußert, und bis zum Ende des Jahres sollten noch weitere 7.000 Wohneinheiten verkauft werden. Den Hauptteil ihrer schwierigen Privatisierungsaufgabe, die im Verkauf von ca. 200.000 Wohnungen unter vorrangiger Beachtung der Aspekte "breite Eigentumsbildung" und "Sozialverträglichkeit" besteht, hat die TLG also noch in den kommenden Jahren zu absolvieren.

Page Top

2.5 Der Privatisierungssonderfall Berlin

In Berlin müssen bei der Privatisierung von Wohnungen im West- und im Ostteil der Stadt unterschiedliche Problemlagen beachtet werden: Im Westen soll die drohende Umwandlungswelle im Mietwohnungsbestand umgehend gestoppt werden. Es wird deshalb eine klare Anti-Umwandlungspolitik betrieben. In Ost-Berlin und in den neuen Bundesländern plädiert man dagegen für eine Umwandlung. Hier ist der Wunsch nach Wohneigentum stark ausgeprägt, nicht zuletzt, weil die zunehmenden Wohnungsprobleme und insbesondere die zahlreichen Restitutionsansprüche zeigen, daß letztlich nur das Eigentum und nicht die Miete Sicherheit im Wohnungsbereich garantiert. Verstärkend wirkt in diesem Zusammenhang, daß zu den leistungsfähigen Rechtsmitteln des Mieterschutzes bislang nur unzureichende Erfahrungen vorliegen.

In Berlin bestehen immense Investitionsnotwendigkeiten im Wohnungsneubau, für die Plattenbauten und im Altbau. Es fehlen etwa 100.000 Wohnungen. In den nächsten fünf Jahren sollen - fast ausschließlich mit Mitteln aus dem Landeshaushalt -

[Seite der Druckausgabe: 23]

80.000 Wohnungen gefördert werden. Gleichzeitig liegt ein hoher Bedarf an Modernisierung und Instandsetzung von Altbauwohnungen vor (in Ost-Berlin bei etwa 300.000 Wohnungen); dafür werden pro Jahr eine Milliarde DM Stadterneuerungsmittel benötigt. Hinzu kommt schließlich noch ein großer Instandsetzungsbedarf beim Plattenwohnungsbestand. Diese Konstellation verlangt, daß kein Geld für die Änderung der Rechtsform von Wohnungen eingesetzt wird, weil sich hierdurch die Wohnungsversorgung weder qualitativ noch quantitativ verbessert. Im Gegenteil: Durch die Umwandlung würde die Zahl der Mietwohnungen sogar noch weiter reduziert. Dementsprechend sollen alle vorhandenen öffentlichen Finanzmittel auf die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum konzentriert werden.

Die eindeutig negative Einstellung gegenüber der Umwandlung von kommunalen Mietwohnungen in Eigentumswohnungen im Westteil der Stadt macht es für den Berliner Senat außerordentlich schwer, im Ostteil die Privatisierung zu forcieren. Außerdem sind in den östlichen Bezirken der Bundeshauptstadt bei der Förderung von privatem Wohneigentum folgende Aspekte zu beachten: Bei den 48.000 Ein- und Zweifamilienhäusern wurden zu einem hohen Prozentsatz Rückübertragungsansprüche gestellt. Hier ist in den kommenden Jahren in großem Maßstab mit einer Privatisierung zu rechnen.

Zur Zeit gibt es noch 24.000 Mietwohnungen, die von selbständigen Wohnungsbaugesellschaften verwaltet werden. Die Auflösung dieser Verwaltungsaufgaben ist zur Zeit in vollem Gange. Damit kommt kurzfristig ein großer Wohnungsbestand wieder in die Verfügung der privaten Eigentümer zurück. Weitere 54.000 Wohnungen befinden sich in staatlicher Verwaltung; deren Eigentümer stehen zwar im Grundbuch, können zur Zeit aber nicht über ihr Eigentum verfügen. Diese staatliche Verwaltung endet bekanntlich mit dem 31.Dezember 1992. Damit läuft praktisch über Nacht die größte in Deutschland jemals stattgefundene Privatisierungsaktion ab.

Weiter gehören zum Ostberliner Wohnungsbestand noch die 167.000 vor dem Krieg gebauten Wohnungen, die sich in der Hand der ehemaligen kommunalen Wohnungsgesellschaften befinden. Fast alle dieser Wohnungen - der Senat geht von 90% aus - werden ebenfalls rückübertragen werden müssen, entweder an die früheren Eigentümer oder an deren Erben. Diese Privatisierungswelle wird 1993 langsam einsetzen und sich über mehrere Jahre hinziehen. Ziel des Senats ist es, dieses durch den Einigungsvertrag vorgegebene Restitutionsprogramm in den kommenden acht Jahren abzuwickeln. Im Durchschnitt handelt es sich dabei um

[Seite der Druckausgabe: 24]

über 20.000 Wohnungen pro Jahr und damit um einen weiteren beachtenswerten Privatisierungsansatz.

Bei diesen Entwicklungsperspektiven stellt sich in Berlin die Frage, ob über dieses gigantische Privatisierungsprogramm hinaus die Umwandlung weiterer Wohnungen in Privateigentum überhaupt noch sinnvoll und verkraftbar ist. Nach Abspaltung der oben genannten Privatisierungsbereiche verbleiben in Ost-Berlin noch 108.000 Wohnungen der Genossenschaften (17% des Bestandes) und 188.000 Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaften (30% des Bestandes) in dauerhafter Verfügbarkeit des Landes Berlin. Dies ist nach Meinung des Senats schon ein zu geringes Wohnungsreservoir, auch unter dem Gesichtspunkt, daß Berlin in den kommenden Jahren den Prognosen nach ein enormes Bevölkerungswachstum und damit auch eine deutlich erhöhte Nachfrage nach billigen Mietwohnungen verkraften muß. In dieser Situation würde eine zusätzliche Privatisierung kompensatorische Neubaumaßnahmen erforderlich machen und damit unverhältnismäßig hohe öffentliche Wohnungsbaumittel binden. Wirtschaftlicher als die Neubauförderung ist auch die Sanierung von Plattenbauten.

Einen Beitrag zur Privatisierung leistet schließlich auch die vorgesehene Klärung der Grundstücksfrage bei den Ostberliner Wohnungsgenossenschaften. Diese Unternehmen, die über erheblich größere Wohnungsbestände als vergleichbare Genossenschaften aus den alten Bundesländern verfügen, sind bislang nur Eigentümer der Gebäude. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser stehen, ist dagegen noch nicht übertragen. Der Senat hat sich nun entschlossen, die Grundstücke den Genossenschaften zu einem Viertel des Verkehrswertes zu verkaufen.

Page Top

2.6 Hindernisse bei der Bildung von privatem Wohneigentum

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß eine zügige und breite Privatisierung durch eine Reihe von Hindernissen beeinträchtigt wurde. In diesem Zusammenhang spielen vor allem folgende Aspekte eine Rolle:

  • Auf kommunaler Ebene ergeben sich Verzögerungen des Privatisierungsprozesses aus dem Interessenkonflikt zwischen wohnungs- und versorgungspolitischen Gesichtspunkten einerseits und wirtschaftlichen Erfordernissen andererseits. Das bedeutet: Auf der einen Seite muß die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen sichergestellt werden; eine Reihe von Kommunen befürchtet, daß bereits jetzt zu wenig Belegungsrechte bestehen. Auf der anderen Seite müssen

[Seite der Druckausgabe: 25]

  • die kommunalen Wohnungsgesellschaften durch den Verkauf von Wohnungen Liquidität gewinnen und damit die Bewirtschaftungsdefizite sowie das Instandsetzungsproblem reduzieren. Hinzu kommt, daß in den noch im Aufbau befindlichen kommunalen Verwaltungen die Privatisierung durch zum Teil lange Entscheidungsprozesse verzögert wird.
  • Beeinträchtigungen der Privatisierung ergeben sich auch aus den Restitutionsansprüchen, insbesondere im Altbaubestand. GEWOS geht davon aus, daß etwa ein Viertel der kommunalen Wohnungen von Rückübertragungsforderungen betroffen ist.
  • Als Hemmnis stellt sich vielerorts auch die gegenwärtig sehr schwierige bzw. unsichere wirtschaftliche Lage der Mieter dar. Ungenügende Kenntnisse über Eigentumswohnungen sowie eine Zurückhaltung gegenüber Kreditfinanzierungen sind weitere Faktoren.
  • Ein weiterer beachtenswerter Aspekt sind nicht selten die hohen Sanierungs- bzw. Modernisierungskosten, hohe Grundstückspreise, aber auch zum Teil falsche Vorstellungen über den Wert des Wohneigentums.
  • Die Altschulden waren bei der bisherigen Privatisierungspraxis nur von untergeordneter Bedeutung, weil bislang überwiegend Altbaubauten oder ältere Plattenbauwohnungen ohne oder mit nur geringen Schulden verkauft werden konnten. Bei Plattenbauten neueren Datums erweisen sich die zum Teil beträchtlichen Altschulden als ein schwerwiegendes Hindernis. Oft übersteigen hier die zugeordneten Altschulden den Wert der Immobilie. Generell treiben sie den Kaufpreis nach oben, wenn es nicht gelingt, beim Verkauf unterschiedlich belasteter Wohnungen zu einem unternehmensinternen Ausgleich zu kommen. Nach einer Ermittlung von GEWOS sind die Wohnungen in den neuen Bundesländern sehr unterschiedlich mit Altschulden belastet. Die Werte liegen zwischen 4.000 und 50.000 DM. In Thüringen sind es je Wohnung zwischen 7.500 und 20.000 DM, bei Bauten aus den Jahren nach 1985 sogar 60.000 DM.
  • Die Ausschöpfung bzw. das bevorstehende Auslaufen von Förderkonzepten im Rahmen des Gesamtprogramms "Aufschwung Ost" zum Jahresende belasten schon heute den Fortgang der Privatisierung. Besonders gravierend ist das Auslaufen des Erwerbszuschußprogramms, für dessen Verlängerung sich das Bundesbauministerium einsetzt.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß auf diesem hochsensiblen Gebiet der Privatisierung nur eine seriöse und bürgerfreundliche, eine offene, die Schwierigkeiten nicht verschweigende Informationspolitik auf Dauer die gewünschten Erfolge bringen kann.

[Seite der Druckausgabe: 26]

Page Top

2.7 Die Privatisierung aus Sicht der Mieter

In den neuen Bundesländern hatten die Begriffe Wohneigentumsbildung, Privatisierung oder Verkauf bzw. Schenkung von Wohnungen an die Mieter in den ersten Monaten nach der Wiedervereinigung einen sehr hohen Stellenwert. Die damit verbundene Euphorie ist mittlerweile erheblich abgeklungen, denn es hat sich gezeigt, daß die Wohneigentumsbildung nicht das Allheilmittel für die Sanierung der maroden Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern ist.

Bei vielen Mietern, die anfangs bereit waren, eine eigene Wohnung zu erwerben, aber auch bei anderen Kaufinteressenten wurden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt worden sind. Der Deutsche Mieterbund ist zwar nicht generell gegen die Bildung von Wohneigentum. Er vertritt aber den Standpunkt, daß sich bei der Umwandlung von bestehenden Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und auch im Hinblick auf die vielen Restitutionsfälle die Wohneigentumsbildung für die Masse der Fälle als undurchführbar darstellt. Der Mieterbund ist daher - ebenso wie das Institut der Deutschen Wirtschaft - der Meinung, daß sich die im Einigungsvertrag geschaffene realitätsfremde Regelung zur Wohnungsprivatisierung in der Praxis als Hemmnis, insbesondere auch für die Bautätigkeit, erweist.

Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes wird im Zusammenhang mit der Diskussion um die Wohneigentumsbildung viel zu wenig die aktuelle wirtschaftliche und soziale Lage der Mieterhaushalte beachtet. Für die Mieter ergibt sich aber sehr wohl eine Reihe von Sorgen und Risiken, die - verglichen mit der Situation in den alten Bundesländern - anders gelagert sind. Persönliche Risiken für die Mieter stellen zum Beispiel

  • die finanzielle Belastung,
  • die Altschulden,
  • die Arbeitsplatzunsicherheit,
  • die verbreitete Unkenntnis bundesdeutschen Rechts und
  • die Angst vor Verlust der Mietwohnung dar.

Auf Grund der Rechtsunsicherheit und des Wohnraummangels befürchten viele Mieter - vor allem ältere und Arbeitslose -, die eigene Wohnung zu verlieren. Dieser Umstand wird von einigen privaten Wohnungsumwandlern als erhebliches Druckmittel eingesetzt, um die Mieter zum Kauf ihrer Wohnung zu überreden. Nach An

[Seite der Druckausgabe: 27]

sicht des Deutschen Mieterbundes wird diese Angst derzeit durch die Politik der Bundesregierung begünstigt, weil in den fünf neuen Bundesländern seit der Wende der Wohnungsneubau enorm zurückgefahren wurde. Es wird geschätzt, daß etwa eine Million Wohnungen in Ostdeutschland fehlen. In dieser Situation hält es der Mieterbund für falsch, daß das Bundesbauministerium zwar eine Vielzahl von Privatisierungsmodellen, dafür aber zu wenig den Neubau fördere oder für die Mieter verträglichere Modelle offeriere, wie die Bildung von kleineren Genossenschaften.

Generell wird auch viel zu wenig für die Information der Mieter getan. Kaum ein Mieter ist z.B. umfassend darüber aufgeklärt, welche Konsequenzen das Wohneigentumsgesetz mit sich bringt. Nur wenige Mieter wissen, daß man nach dem Kauf einer Wohnung im Rahmen eines Mehrheitsbeschlusses der Wohneigentümergemeinschaft zu Reparaturleistungen an Gemeinschaftsanlagen hergezogen werden kann; diese können die finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen überschreiten und in der Endkonsequenz sogar wieder zum Verlust der Eigentumswohnung führen.

Die Angst vor dem Verlust der eigenen Mietwohnung beruht nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes zu einem Großteil auch darauf, daß die Mieter nicht ausreichend darüber informiert sind, welche Rechte sie haben, wenn ihre Wohnung an Dritte verkauft wird. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz "Kauf bricht nicht Miete". Weiter sind Umwandlungs-Kündigungssperrfristen, allgemeine Kündigungsfristen sowie der zusätzliche Mieterschutz (Sozialklausel, Vollstreckungsschutz) zu beachten. Bei laufenden Eigenbedarfsklagen beweisen die Mieter oft zu wenig Rückgrat und kämpfen nicht um den Erhalt ihrer Wohnung. In vielen Fällen versuchen die betroffenen Mieter schnellstmöglich eine andere Wohnung zu bekommen. Damit geben sie den im Regelfall aufgrund des Einigungsvertrages unbegründeten Eigenbedarfsbegehren der Vermieter nach.

Der Deutsche Mieterbund ist zwar nicht generell gegen die Wohneigentumsbildung, die nach seiner Einschätzung nur einen geringen Beitrag zur Verbesserung der Wohnversorgung leisten kann und nicht das Zauberinstrument ist, mit dem alle wohnungswirtschaftlichen Probleme in den neuen Bundesländern zu lösen sind. Für notwendig gehalten werden aber weitere Korrekturen der Schutzbestimmungen bei Eigenbedarfskündigungen. Gefordert werden

  • das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gegen den Willen der betroffenen Mieter,

[Seite der Druckausgabe: 28]

  • ein genereller und unbefristeter Kündigungsschutz für Mieter in umgewandelten Eigentumswohnungen und
  • die Abschaffung der Steuervorteile für Gebrauchtwohnungen.

Auf diese Weise kann die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sozialverträglicher gestaltet werden.

Page Top

2.8 Wohneigentumsbildung aus Sicht der Freien Wohnungsunternehmen

Nach Auffassung des Bundesverbandes Freier Wohnungsunternehmen (BFW) besteht derzeit auf dem ostdeutschen Immobilienmarkt eine Situation, in der sich der Wohnungsbau nicht lohnt. Verantwortlich hierfür sind einmal die Grundstückspreise. Diese sind aufgrund einer Goldgräbermentalität, die auf Spekulationsgewinne hofft, zu hoch. Gerechnet wird mit einer Flut von Konkursen bei den sogenannten Entwicklern, die Grundstücke zu teuer aufgekauft haben - in der Umgebung Berlins z.B. für 300 DM pro qm -, baureif entwickeln und dann wieder mit Gewinn verkaufen wollen.

Aber auch bei realistischen Grundstückspreisen und selbst dann, wenn fertig erschlossene Baugrundstücke verschenkt würden, ist nach Meinung des BFW kaum zu erwarten, daß sich genügend Investoren finden, die bereit sind zu bauen. Ausschlaggebend ist das derzeitige Mietpreisniveau in Ostdeutschland, das bei weitem nicht im erforderlichen Umfang zu Erträgen führt. Dies macht eine einfache Modellrechnung klar, bei der von folgenden Prämissen ausgegangen wird:

  • Finanzbedarf 3.000 DM je qm Wohnfläche (ohne Grund und Boden
  • davon ein Drittel durch Eigenkapital abgedeckt
  • Restfinanzierung durch Kredit mit 9% Zinsen (ohne Tilgung)

Hieraus ergeben sich reine Zinskosten in Höhe von 15 DM je qm. Hinzu kommen weitere Kosten wie Verwaltungsaufwand, Instandhaltungspauschale und Abschreibung. Insgesamt ergibt sich eine Kostenmiete, die weder in den alten und erst recht nicht in den neuen Bundesländern bezahlt werden kann. Sind die Erträge einschließlich staatlicher Förderung aber nicht so hoch, daß sich zumindest eine geringe Rendite ergibt, dann besteht kein Anreiz für Investitionen in den Wohnungsbau.

Kritisiert werden die derzeitige Wohnungsbaupolitik sowie die Ideologisierung des Mietwohnungsbaus und der Mietensituation. Der BFW plädiert für ein spezielles

[Seite der Druckausgabe: 29]

Programm, das zur Verringerung der Fehlbelegungen im sozialen Mietwohnungsbau beträgt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei die Feststellung, daß die bestehenden Probleme nicht durch einen Mangel an öffentlich geförderten Sozialwohnungen, sondern dadurch verursacht werden, daß dieses Wohnungen durch die falschen, d.h. einkommensstärkere Mieter blockiert werden und die wirklich Bedürftigen keine Chance haben, eine entsprechende Wohnung zu bekommen. In dieser Situation hat es wenig Sinn, Personen mit relativ geringen Einkommen zu fördern; z.B. sind die in den neuen Bundesländern weit verbreiteten Haushalte mit einem Nettoeinkommen von etwa 2.000 DM nach Einschätzung des BFW kaum in der Lage, die hohen Beiträge für Eigentumsmaßnahmen aufzubringen. Gefordert wird deshalb ein staatliches Programm für Eigentumsmaßnahmen von höheren Einkommensbeziehern. Diese Einkommensgruppe will man aber aus sozialpolitischen Gründen nicht fördern. Diese Position hält der BFW für ideologisch und nicht problemadäquat. Sie verkenne, daß die Besserverdienenden bereit sind, sich mit erheblich höheren Beiträgen am Wohnungsneubau zu beteiligen, als die Mieter über ihre Miete zu den Wohnungsbaukosten beitragen.

Nach Auffassung des BFW können für den Betrag, der im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau für den Neubau einer Wohneinheit erforderlich ist, etwa drei Wohnungen als Eigentumsmaßnahmen für Mittelverdiener hergestellt werden. Auf diese Weise werden drei Wohnungen im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau freigemacht. Mit demselben Mittelvolumen kann also die dreifache Anzahl von sozial bedürftigen Haushalten mit einer Wohnung versorgt werden. Hieraus leitet der BFW die wohnungsbaupolitische Forderung ab "Weg vom öffentlich geförderten Mietwohnungsbau - hin zur Eigentumsförderung." Durch diese Umschichtung von öffentlichen Mitteln werden im Gegenzug überproportional viele Wohnungen von Fehlbelegern frei.

[Seite der Druckausgabe: 30]

Page Top

2.9 Sanierung der Wohnungen vorher - Ja oder Nein?

Wichtig ist bei allen Privatisierungsprojekten auch die Frage, ob die Wohnungen in unsaniertem oder in saniertem Zustand verkauft werden sollen. Beide Varianten sind denkbar und in den alten Ländern in der Vergangenheit auch praktiziert worden. Wird saniert, erhöhen sich die Kaufpreise ganz erheblich, und die Illusionen vom billigen Wohnungserwerb zerplatzen. Bei den Fachleuten hat sich aber mittlerweile die Meinung durchgesetzt, daß vom Verkauf oder Kauf unsanierter Wohnungen in Ostdeutschland abzuraten ist. Zumindest das Gemeinschaftseigentum - also Zentralheizung, Klingelanlagen, Dach, Fassade, Müllschlucker usw. - sollte im Zuge der Umwandlung zwingend saniert werden.

Die Gründe für diesen Standpunkt liegen auf der Hand: Die Käufer, so argumentiert auch das Bundesbauministerium, sollen keine Risiken eingehen, sondern schon bei der Kaufentscheidung die auf sie zukommenden Kosten kennen. Niemand soll wegen eines vermeintlich niedrigen Preises zum Kauf verleitet werden, ohne spätere Verpflichtungen zu kalkulieren, zu denen er durch Mehrheitsbeschluß der Eigentümergemeinschaft gezwungen werden könnte. Wegen des schlechten baulichen Zustandes vieler Gebäude wären anderenfalls die Risiken gerade für die relativ kapitalschwachen Käufer in Ostdeutschland besonders hoch. Aus den alten Bundesländern bekannte Fälle, in denen sich Käufer bis an den Rand des finanziell Machbaren verschuldet hatten und dann in der Endkonsequenz gezwungen waren, ihre Eigentumswohnung wieder zu verkaufen, sollen und müssen in den neuen Ländern möglichst vermieden werden.

Bei den Modellprojekten unter Schirmherrschaft des Bundesbauministeriums wurden für die Privatisierung der Wohnungen in den neuen Ländern von einem Arbeitskreis der Bundesnotarkammer unterschiedliche Rechtskonstruktionen entwickelt:

  • das Verkäufermodell und
  • das Käufermodell.

Zur Anwendung gelangt vorwiegend das Verkäufermodell. Hierbei wird ein Baubetreuungsvertrag über Sanierungsarbeiten vom Verkäufer abgeschlossen, der auch die aus dem Vertrag resultierenden Risiken trägt. Das Käufermodell dagegen bedeutet zwar zunächst, daß die Wohnung unsaniert verkauft wird. Zusätzliche Vereinbarungen machen es aber auch hierbei möglich, daß mit dem Abschluß des

[Seite der Druckausgabe: 31]

Kaufvertrages ein Baubetreuungsvertrag zwingend vorgesehen wird, in dem der Umfang der Sanierungsarbeiten festgelegt ist. Der Nachteil dieses Modells besteht darin, daß das Risiko aus dem Baubetreuungsvertrag beim Käufer verbleibt.

Page Top

2.10 Wieviel kostet eine Eigentumswohnung?

Einen ganz wesentlichen Punkt bei der Kaufentscheidung stellt natürlich der Kaufpreis dar. Die bisher im Rahmen der Modellvorhaben ermittelten Preise für verkaufte oder angebotene Wohnungen liegen überwiegend zwischen 1.000 und 1.500 DM je Quadratmeter Wohnfläche. Die Unterschiede sind bedingt durch abweichende Gebäudewerte, vor allem aber durch Differenzen bei den Grundstückswerten. In den genannten Kaufpreisen sind die Kosten für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums enthalten. Diese Kosten liegen bei etwa 700 bis 900 DM je Quadratmeter.

Nach Auffassung von GEWOS sind die Preise für Wohneigentum derzeit vielfach nicht marktfähig. Es besteht eine allgemeine Überhitzung des Marktes. Das Angebot ist viel zu gering. Es werden überwiegend keine Marktpreise, sonder Spekulationspreise gezahlt. So werden z.T. Preise nach dem sogenannten Windhund-Verfahren festgelegt, d.h. der Verkauf erfolgt rasch - aber zu einem zu hohen Preis. Beispiele für das derzeitige Preisniveau, die aus einer Auswertung von Zeitungsanzeigen stammen, zeigen folgendes Bild: In Leipzig werden für einen Quadratmeter Wohnraum im Durchschnitt 4.000 DM verlangt, in der Spitze sogar 7.000 DM. In Dresden sind es 3.000 DM und in Halle 2.500 bis 2.800 Mark je Quadratmeter. Diese Preise stehen in keiner vernünftigen Relation zu den finanziellen Möglichkeiten der ostdeutschen Bevölkerung. In jüngster Zeit ist allerdings eine deutliche Beruhigung des Marktes zu erkennen. Es sind bereits Preisrückgänge zu beobachten. Mit einem Anhalten dieses Trends wird gerechnet.

Nach Erhebungen des Bundesbauministeriums ergibt sich in der Mehrzahl der bisherigen Privatisierungsfälle eine monatliche Belastung für die Erwerber, die zwischen 6.00 und 7.50 DM je Quadratmeter Wohnfläche liegt. Dabei sind die staatlichen Hilfen - wie Modernisierungszuschuß oder verbilligte Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie der Erwerbszuschuß - berücksichtigt. Nicht berücksichtigt sind dagegen etwaige steuerliche Entlastungen oder direkte Hilfen wie der Lastenzuschuß im Rahmen des Wohngeldes.

[Seite der Druckausgabe: 32]

Vergleichsrechnungen verschiedener Institutionen deuten darauf hin, daß die Belastung für eine Eigentumswohnung häufig nicht höher ist als für eine vergleichbare (sanierte und modernisierte) Wohnung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Mieterhöhung. Wie erwähnt, sollten Gebäude und Wohnungen zum Schutz der Käufer nur mit sanierten Gemeinschaftseinrichtungen privatisiert werden. Anderenfalls könnten kurzfristig bestimmte unvorhergesehene Baumaßnahmen erforderlich werden, die von der Wohneigentümergemeinschaft beschlossen werden und vor allem finanzschwächeren Bewohnern erhebliche finanzielle Probleme bereiten können.

Der Behauptung, die Wohneigentumsbildung rechne sich, widerspricht der Deutsche Mieterbund. Seiner Meinung nach gelten die gängigen Vorteile - wie Anlagesicherheit, Rendite, Steuerersparnis und Wertentwicklung - für die neuen Bundesländer nur sehr begrenzt. Die Investition in eine Eigentumswohnung kann sehr schnell zu einem Flop werden, wenn größere Sanierungen und Modernisierungen nachfinanziert werden müssen.

Ein Kritikpunkt besonderer Art sind die Grundstückspreise. Vor allem in Großstadtlagen ist der Markt derzeit zum Teil überhitzt und auch mit Altansprüchen belastet. In der Diskussion sind deshalb auch sozialorientierte Preisabschläge - zu Lasten der Kommunen oder Wohnungsgesellschaften. Die Bereitschaft zu deutlichen Preisabschlägen, insbesondere beim Grundstückspreis, ist aber - auch mit Blick auf die Vorgaben der Kommunalaufsicht - überwiegend gering. Auch hinsichtlich der Nichterwerber oder später nicht mehr begünstigster Erwerber lassen sich grössere Abschläge nur schwer rechtfertigen. In Einzelfällen kommt es vor allem aufgrund der Finanznot der Veräußerer zu überzogenen Preisforderungen, die sich aus dem Objekt nur schwer erklären lassen und zu Verzögerungen des Verkaufsgeschäftes führen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

Previous Page TOC Next Page