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TEILDOKUMENT:


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3. Umweltschutz und Wettbewerb: Der empirische Befund


3.1 (Mögliche) Wettbewerbsnachteile durch Umweltschutz

3.1.1 Wettbewerbsnachteile durch international höhere Umweltschutzanforderungen

Es ist unbestreitbar, daß die Anforderungen des Umweltschutzes die deutsche Industrie vor große Aufgaben gestellt haben, die nur mit starkem unternehmerischen Engagement und finanziellem Aufwand bewältigt werden konnten. Um einen Eindruck von der Größenordnung der umweltschutzbezogenen Aufwendungen zu vermitteln, sei zunächst auf die Entwicklung der Umweltschutzausgaben im Produzierenden Gewerbe verwiesen (vgl. Tab. 1). Danach sind die jährlichen Ausgaben (Investitionen und laufende Ausgaben; ohne Abschreibungen und Entgelte für Dritte) von rd. 7,8 Mrd. DM im Jahre 1980 auf schätzungsweise 18,4 Mrd. DM im Jahre 1990 gestiegen. Real (d.h. in Preisen von 1989) haben sich die Umweltschutzausgaben nahezu verdoppelt. In diesem Zeitraum ist vor allem ein kräftiger Anstieg der Umweltschutzinvestitionen (in erster Linie durch Luftreinhaltemaßnahmen der Energieversorger), aber auch eine deutliche Zunahme der Betriebskosten aufgrund eines wachsenden umweltschutzbezogenen Kapitalstocks zu beobachten.

Im Hinblick auf die ökonomische Bedeutung der Umweltschutzausgaben bieten sich einige Kennziffern an. Der Anteil der Umweltschutzinvestitionen an den Gesamtinvestitionen des Produzierenden Gewerbes ist von 3,5% im Jahre 1980 auf 5,9% im Jahre 1990 gestiegen. In den einzelnen Hauptbereichen des Produzierenden Gewerbes lag 1989 der Anteil der Umweltschutzinvestitionen am Bruttoproduktionswert (als Näherungsgröße für den Umsatz) zwischen 0,05 und 2,14% (vgl. Tab. 2). Herausragend sind die entsprechenden Anteilssätze im Bergbau (2,14%), im Versorgungssektor (mit 1,69%), in der Zellstoff- und Papierindustrie (mit 1,32%), der Ledererzeugung (1%) und der chemischen Industrie (0,87%).

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Selbst wenn man die laufenden Aufwendungen, Abschreibungen, Gebühren und Entgelte zugrundelegt, belaufen sich die Umweltschutzbelastungen gegenwärtig im Durchschnitt des Produzierenden Gewerbes allenfalls auf gut 1 % des Bruttoproduktionswertes. Sie erreichen damit als betrieblicher Kostenfaktor in etwa die Größenordnung von Mieten und Pachten. Weitaus stärker schlagen die Personalkosten und der Materialverbrauch zu Buche.

Die im Vergleich zu anderen Kostenfaktoren jedoch eher geringe Kostenbelastung durch Umweltschutz erschwert einen Nachweis negativer Wirkungen auf Produktion, Beschäftigung und Rentabilität. [Fn. 9: Vgl. auch RWI, Strukturwandel und Umweltschutz, Essen 1987, S. 154.] Insgesamt betrachtet kann die Frage nach dem Einfluß der Umweltschutzmaßnahmen auf die relativen Preise, das sektorale Wachstum, die Effizienz des Kapitaleinsatzes und die Entwicklung der Rentabilität, nur mit starken Einschränkungen bejaht werden. Diese Indikatoren wurden und werden eben nicht allein von der Umweltschutzgesetzgebung, sondern von vielen ökonomischen und politischen Faktoren und den jeweiligen Reaktionsmustern der Unternehmen mit geprägt.

Dies alles heißt natürlich nicht, daß die vermuteten Zusammenhänge in der Realität, insbesondere in einzelnen Produktbereichen und/oder Unternehmen, nicht gegeben sind, sondern beinhaltet nur das Eingeständnis, daß mit den heute verfügbaren Daten ein solcher Einfluß nicht nachweisbar, bzw. von anderen Faktoren nicht separierbar ist.

Die Konzentration der Umweltschutzaufwendungen auf einige wenige Produktionsbereiche lassen zwar bei einzelnen Unternehmen bzw. Produktgruppen vermuten, daß deren Position im intersektoralen und internationalen Wettbewerb geschwächt wurde. Dabei ergibt sich jedoch ein recht uneinheitliches Reaktionsmuster, denn die umweltschutzkostenbelasteten Branchen

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  • gehören teils zu den Wachstumsbranchen (Energie- u. Wasserversorgung, Chemische Industrie, Zellstoff-, Papier- und Pappeverarbeitung), teils zu den Schrumpfungsbranchen (Bergbau, Mineralölverarbeitung, Eisenschaffende Industrie und Gießereien);
  • haben ihre Nettosachkapitalrendite teils verbessern können (chemische Industrie, Steine und Erden, Eisenschaffende Industrie sowie der Sektor Zellstoff, Papier- und Pappeerzeugung), teils mußten sie erhebliche Einbußen hinnehmen wie der Bergbau, die Mineralölverarbeitung, die Gießereien und die Holzbearbeitung; die Energie- und Wasserversorgung wie auch die NE-Metallerzeugung hatten dagegen nur leichte Rückgänge zu beklagen;
  • haben z.T. ihre relativen Preise senken müssen (aus Wettbewerbsgründen) oder aber senken können (als Folge kostensparender Produkt- und Prozeßinnovationen); dazu zählen die Energie- und Wasserversorgung, die Chemische Industrie, Steine und Erden, die Eisenschaffende Industrie, die Holzbearbeitung sowie die Zellstoff-, Papier- und Pappeerzeugung,

  • haben die Kapitalproduktivität sowie die Kapitalintensität erhöht oder gesenkt. [Fn. 10: Vgl. RWI, Umweltschutz, Strukturwandel und Wirtschaftswachstum, Essen 1991, S. 256.]

Die gegenwärtig in der Diskussion befindliche CO2- und Energiesteuer bzw. Abfallabgabe, die erhöhten Abwasserabgaben und die im Bereich der Entsorgung durch Dritte steigenden Abfall- und Entwässerungsgebühren werden bzw. würden ohne Zweifel in einzelnen Wirtschaftsbereichen noch einmal umweltschutzinduzierte Kostenimpulse auslösen. Angesichts der Tatsache, daß die neuen Investitions- und Abgabenimpulse mit rückläufigen Ausgabenimpulsen in

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den Schwerpunktbereichen der vergangenen Jahre (Entschwefelung und Entstickung von Kraftwerken, Kläranlagenausbau) einhergehen, dürfte es insgesamt allenfalls zu mäßigen Kostenniveauerhöhungen kommen, d.h. Strukturveränderungen bei Umweltschutzbelastungen dürften im Vordergrund stehen. Soweit einzelne Sektoren, wie z.B. die Energiewirtschaft und die chemische Industrie, stärker von den geplanten Steuer- bzw. Abgabenregelungen betroffen wären, so

  • zeichnet sich im Bereich der EG-Klimaschutz- und Energiesteuer gegenwärtig eine Verzögerung durch Abwarten auf vergleichbare Regelungen in den OECD-Staaten ab,

  • während im Bereich der Abfallentsorgung durch die EG-einheitliche Ausrichtung auf den Vorrang nationaler Entsorgungskonzepte und die Knappheit von Entsorgungskapazitäten in der BRD auch ohne Abfallabgaben mit einer Verteuerung bei den betrieblichen Entsorgungsaufgaben zu rechnen ist.

Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer dramatischen Erhöhung der Umweltschutzkosten in einzelnen Produktionsbereichen, würde dies jedoch auf keinen Fall den Kostendruck einer beispielsweise vierprozentigen Lohnkostensteigerung erreichen.

Ein Vergleich der umweltschutzinduzierten Kostenbelastung zwischen der deutschen Wirtschaft und den ausländischen Konkurrenten ist z.Zt. nicht möglich, da keine nach Wirtschaftsgruppen differenzierten Vergleichszahlen vorliegen. Die von der OECD und der EG bislang vorgelegten Zahlen sind im Hinblick auf einen sektoralen Belastungsvergleich nicht aussagekräftig.

Soweit Umweltschutzanforderungen und -kosten international miteinander verglichen werden, deutet sich vor allem zwischen den wichtigsten Welthandelskonkurrenten Japan, BRD und USA eine weitgehende Konvergenz bei den zu erfül-

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lenden Auflagen an. "Auf den Gebieten Gewässerschutz, Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft, Produktsicherheit und Anlagensicherheit werden in den Ländern der Triade Europa, USA und Japan Standards gefordert, die sich mehr und mehr einander angleichen" [Fn. 11: Vgl. E.-H. Rohe, Unternehmensziel Umweltschutz vor dem Hintergrund internationaler Umweltpolitik, in: ZfB, Ergänzungsheft 2/90, S. 34.] Auch wenn im Vollzug und bei den Sanktionsmechanismen noch immer mit Unterschieden zu rechnen ist, ist dies offensichtlich für Investitions- und Standortentscheidungen "besonders schwierig vergleichend zu erfassen". [Fn. 12: Vgl. E.-H. Rohe, Unternehmensziel Umweltschutz vor dem Hintergrund internationaler Umweltpolitik, in: ZfB, Ergänzungsheft 2/90, S. 39.]

Angesichts teilsweise nur marginaler und höchst unsicherer internationaler Unterschiede bei Umweltschutzanforderungen könnte ein kurzfristiger Wettbewerbsvorteil bereits mittelfristig in einen Wettbewerbsnachteil umschlagen, wenn nämlich ein konsequenter Vollzug oder schärfere Anforderungen kostspielige Nachrüstungsaufwendungen am neuen Standort erfordern. Insofern erscheinen die vom Verband der Chemischen Industrie aufgestellten Umwelt-Leitlinien, wonach "für den Export bestimmte Produkte nach den gleichen Kriterien hergestellt und vermarktet werden wie die für das Inland bestimmten Produkte" und "für Umweltschutz und Anlagensicherheit für die deutschen Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften im In- und Ausland gleiche Grundsätze gelten", [Fn. 13: VCI, Chemie im Dialog - Umweltleitlinien, Frankfurt/M. 1992, S. 24.] als Ausdruck ökonomischer und ökologischer Vernunft und als Verzicht auf ein kurzfristiges "Ökodumping".

Darüber hinaus läßt sich zunächst einmal feststellen, daß mit Japan und der Bundesrepublik Deutschland zwei Industrieländer mit sehr scharfen Umweltschutzauflagen auch die höchsten Außenhandelsüberschüsse aufweisen. Dies spricht dem ersten Anschein nach dafür, daß sich eine hohe internationale Wett-

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bewerbsfähigkeit der Industrie und eine strenge Umweltpolitik nicht gegenseitig ausschließen.

3.1.2 Wettbewerbsnachteile aufgrund aufwendiger umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren

Neben den direkten monetären Belastungen aufgrund der einzuhaltenden Umweltschutzanforderungen können Wettbewerbseffekte auch dadurch eintreten, daß die heimische Industrie im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten mit relativ zeitraubenden und kostensteigernden umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren und Klageprozeduren konfrontiert ist. Derartige Belastungen für die Industrie können sich vor allem im Zusammenhang mit Standort- und anderen strategischen Investitionsentscheidungen ergeben und können dort zu einer spürbaren Erhöhung der Unsicherheit sowie in manchen Fällen auch zur Verlagerung von Produktionen ins Ausland führen.

Eine Quantifizierung der umweltschutzbedingten Investitionshemmnisse und -verzögerungen, Produktionsstillegungen und Produktionsverlagerungen ins Ausland ist allerdings methodisch außerordentlich problematisch. Der empirische Befund in bezug auf internationale Wettbewerbsnachteile auf diesem Gebiet ist dementsprechend wenig aussagefähig. Zwar waren bei einer DIHT-Umfrage im Jahre 1988 [Fn. 14: Vgl. DIHT, Dauer von Genehmigungsverfahren - Ergebnisse einer Umfrage im DIHT-Umweltausschuß, Bonn, September 1988.] knapp 75% der befragten 130 Unternehmen mit der Bearbeitungszeit ihrer Anträge in dem Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren des Umweltrechts höchst unzufrieden. Doch fehlten Vergleichswerte und Erfahrungen mit Genehmigungsverfahren im Ausland bei den meisten der befragten Unternehmen.

Zwei Jahre später förderte eine Infratest-Studie über mittelständische Unternehmen im Auftrag des Bonner Wirtschaftsministeriums dieselben Sorgen zutage:

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obwohl die Genehmigungsverfahren nicht als entscheidende Standortfaktoren angesehen wurden, beklagten immerhin 72 Prozent der 200 befragten Firmen die Länge der Genehmigungsverfahren. [Fn. 15: Vgl. T. Fröhlich, Schnellere Genehmigungen im Zeitlupentempo, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 52 vom 30.10.92.]

Auch eine entsprechende BDI-Dokumentation hebt die Unterschiede in der Genehmigungspraxis hervor (vgl. Abb. 2). Auch wenn ein aussagekräftiger internationaler Vergleich der durchschnittlichen Länge der umweltrelevanten Genehmigungsverfahren in der Praxis noch aussteht und auch nicht bekannt ist, auf welche Gründe vergleichsweise längere Wartezeiten zurückzuführen sind und daher eine Quantifizierung der Wettbewerbsnachteile infolge umweltschutzinduzierter Investitionsverhinderungen oder -verzögerungen schwerlich möglich ist, so darf die Bedeutung dieses Phänomens nicht unterschätzt werden. Es darf keinesfalls verkannt werden, daß umweltrelevante Vorschriften tatsächlich Investitionsvorhaben verzögert haben oder verzögern, die nach Abbau der administrativen Hemmnisse umgehend verwirklicht werden. In diesen Fällen handelt es sich jedoch nicht um Auswirkungen von Kostenbelastungen, die durch die Veränderung der umweltpolitischen Rahmenbedingungen eingetreten sind, sondern vielmehr um administrative Probleme. Da die betroffenen Betriebe offensichtlich bereit waren bzw. sind, die erforderlichen zusätzlichen Umweltschutzaufwendungen im Rahmen der Gesamtinvestition zu tragen, geht es hier auch nicht um eine Infragestellung der umweltpolitischen Normen an sich, sondern vielmehr um administrative Fragen, die es für die Zukunft zu lösen gilt. [Fn. 16: Vgl. hierzu u.a. Bericht des MURL (NRW) zur "Beschleunigung von Genehmigungsverfahren", Stand: Januar 1990.]

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3.1.3 Wettbewerbs- und Standortnachteile durch eine ökonomisch ineffiziente Umweltpolitik

Wettbewerbsnachteile für den Industriestandort Bundesrepublik werden von manchen Experten nicht nur auf die vergleichsweise schärferen Umweltschutzanforderungen, sondern auch auf die bisherige Wahl der umweltpolitischen Instrumente zurückgeführt. [Fn. 17: Vgl. u.a. H. Bonus, Wettbewerbswirkungen umweltpolitischer Instrumente, in: ifo Schnelldienst 1-2/1981, S. 20 ff.] Die Bundesrepublik Deutschland kann längerfristig als Produktionsstandort vor allem durch eine inflexible, überregulierte, vollzugsdefizitäre und unwirtschaftliche Umweltpolitik unattraktiv werden. [Fn. 18: K.H. Hansmeyer, H.K. Schneider, Zur Fortentwicklung der Umweltpolitik unter marktsteuernden Aspekten, Köln 1989, S. 27.]

In der Bundesrepublik dominiert nach wie vor das ordnungsrechtliche Instrumentarium, wobei der Staat mit Geboten, Verboten, Einzelanordnungen, Verfahrens- oder Produktnormen versucht, die Einhaltung bestimmter Grenzwerte sicherzustellen. Eine fortschrittliche, die technische Entwicklungsdynamik und die Preissignale des Marktes nutzende Umweltpolitik mit sog. ökonomischen Instrumenten (z.B. Abgaben, Kompensationslösungen u. dgl.) existiert bislang nur in wenigen Regelungsbereichen und - wegen des Komplementäreinsatzes zum Ordnungsrecht - mit keinen oder nur marginalen Effizienzverbesserungen.

So wichtig das Auflageninstrumentarium im Einzelfall aus ökologischer Sicht auch sein mag, so teuer wurde und wird dadurch in den meisten Fällen die angestrebte Umweltqualität erkauft. Denn die spezifischen Vemeidungsgrenzkosten je Emissionseinheit variieren von Emissionsquelle zu Emissionsquelle, von Betrieb zu Betrieb, von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig. Gleichwohl leistet sich die Ordnungspolitik den Luxus, Schadstoffe nicht dort zu vermindern, wo dies am kostengünstigsten erfolgen könnte. Denn sie bietet in der Regel keine Möglichkeit, den individuell unterschiedlichen Grenzkosten durch ökologisch und

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ökonomisch sinnvolle unterschiedliche Reinigungsgrade zu entsprechen. Die gegenwärtig zu beobachtende Fortschreibung von verbindlichen Emissionsgrenzwerten macht die Umweltpolitik in der Bundesrepublik ökonomisch immer ineffizienter, je schärfer die allgemein verbindlichen Umweltschutzanforderungen werden und je stärker dementsprechend die Grenzkosten steigen.

Durch die in der Bundesrepublik Deutschland gehandhabte Vorgehensweise, die im wesentlichen über das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG die von Neu- und Erweiterungsinvestitionen ausgehenden Emissionen kontrolliert, aber die Sanierung von Altanlagen nur ungenügend betreibt, können die für Ballungsräume zu erwartenden Wachstumshemmnisse nicht abgewehrt werden. [Fn. 19: Vgl. hierzu K.H. Hansmeyer, Der Einfluß der Umweltpolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung in den Ballungsräumen und die Möglichkeiten einer ballungsraumspezifischen Umweltpolitik, in: K.H. Hansmeyer u.a. (Hrsg.), Ballungsräume im Strukturwandel, Bonn 1992, S. 105.]Die Genehmigung von Neu- und Erweiterungsinvestitionen wird zumindest verzögert, da die Schaffung der notwendigen Belastungsspielräume kurzfristig kaum möglich erscheint. Außerdem kann durch die Länge des Genehmigungsverfahrens die Durchsetzung des technischen Fortschritts verlangsamt werden, d.h. vorhandene Technologien und Anlagestrukturen werden konserviert. Insofern führt die gegenwärtige umweltpolitische Praxis z.T. zu ökonomisch und ökologisch unerwünschten Behinderungen des Strukturwandels und zu Investitionshemmnissen bei im Vergleich zu emissionsintensiven Altanlagen umweltfreundlichen Neu- bzw. Erweiterungsvorhaben.

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3.2 Staatliche Anpassungshilfen zur Abschwächung von umweltschutzbezogenen Wettbewerbsnachteilen

Auch wenn nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen keine Anzeichen dafür erkennbar sind, daß durch die Umweltschutzanforderungen ganze Branchen

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bzw. Unternehmensgruppen in existentielle Bedrängnis geraten sind bzw. in absehbarer Zukunft existenzgefährdende Wettbewerbsnachteile auf breiter Ebene zu befürchten sind, sind wohl auch weiterhin partielle Anpassungsfriktionen nicht auszuschließen. Allerdings zeigt hier die bisherige umweltpolitische Praxis in der Bundesrepublik, daß der Staat keineswegs eine Umweltpolitik "mit der Brechstange" betreibt, sondern die Durchsetzung von Umweltschutzanforderungen seit geraumer Zeit und wohl auch mit Erfolg mit einem breitgefächerten Instrumentarium von Anpassungshilfen fördert bzw. abfedert (vgl. Tab. 3). Es dürfte nicht zuletzt auf diese in hohem Maße mit rechtzeitigen Ankündigungen operierende, stufenweise und flexibel vorgehende Umweltpolitik zurückzuführen sein, daß sich trotz eines immer dichter werdenden Regelungsnetzes mit inzwischen ca. 2.000 Umweltvorschriften Anpassungsfriktionen auf wenige Einzelfälle beschränkten und der durch umweltpolitische Anforderungen forcierte Strukturwandel weitgehend reibungslos bewältigt werden konnte. Ausbau bzw. Verfeinerung des Instrumentariums der Anpassungsförderung im Umweltschutz lassen - ceteris paribus - auch für die Zukunft kaum Friktionen auf breiter Ebene befürchten.

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Tabelle: 3

Typen und Beispiele für staatliche Anpassungshilfen im Umweltschutz


Arten von Anpassungshilfen

Anwendungsbeispiele

1. Inkrafttreten von Umweltschutzvorschriften

- Großfeuerungsanlagenverordnung
- Abwasserabgabengesetz und Novellen
- Verpackungsverordnung

2. Zeitlich progressive Abgabengestaltung

Abwasserabgabe

3. Ausnahme- bzw. Übergangsregelungen

gilt für nahezu alle Umweltregelungen in den neuen Bundesländern

4. Kompensationsregelungen

TA Luft

5. staatlich angeregte Selbstbeschränkungen

freiwillige Vereinbarungen z.B. bei Asbest, Batterien, Verpackungen, FCKW

6. Verrechnung der Abgabenschuld mit Investitionen

- Abwasserabgabe
- geplante Abfallabgabe

7. Offene Subventionen

Finanzhilfen von Bund, KfW, DA und Ländern bzw. Länderbanken

8. Versteckte Subventionen

Nicht-kostendeckende Entsorgungsgebühren

9. Vollzugsverzögerungen
- gesetzliche Vollzugsdefizite

- verwaltungsmäßige Vollzugsdefizite

Nichtumsetzung von EG- bzw. Bundesrecht Kapazitätsengpässe bei Vollzugsbehörden

10. Nichtvollzug bzw. Aussetzung der Abgabenlast

bei wirtschaftlicher Unverhältnismäßigkeit bzw. bei Liquiditätsproblemen gem. AO

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3.3 (Mögliche) Wettbewerbsvorteile durch Umweltschutz

3.2.1 Wettbewerbsvorteile von Wirtschaftsräumen, Branchen und Unternehmen durch hohe Umweltqualität

Manche Wirtschaftszweige bzw. Unternehmen benötigen an ihrem Standort eine hohe Umweltqualität für ihr Güter- bzw. Dienstleistungsangebot. In diesen Fällen erweist sich eine nicht oder wenig belastete Umwelt als ein knapper Produktionsfaktor und damit als ein Wettbewerbsfaktor von existentieller Bedeutung. Als Beispiel für solche umweltqualitätsabhängigen Wirtschaftsgruppen gelten

  • Getränkehersteller, für die die Qualität des Rohstoffes "Mineralwasser" marktentscheidend ist,

  • die Fischer, für die unbelastete Gewässer eine nahezu existentielle Voraussetzung sind,

  • land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die für ihre Produktion unbelastete Böden bzw. eine geringe Luftverschmutzung benötigen,

  • die Fremdenverkehrswirtschaft, für die eine intakte, weitgehend naturbelassene Umwelt von hoher Bedeutung ist

  • die elektrotechnische Produktion, die möglichst reines Prozeßwasser bzw. Reinstluft (z.B. bei der Chip-Produktion) erfordert.

Die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsräumen hängt häufig von den bereits bestehenden Vorbelastungen ab, die für die Gewinnung neuer Produktionen unter Umständen zunächst eine Nachrüstung oder Stillegung bestehender Emissionsquellen oder die Sanierung von Gewerbeflächen mit Altlasten erfordert.

Wurde dem Umweltschutz in der Vergangenheit nicht ausreichend Rechnung getragen, kann die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsräumen dadurch sinken, daß ansiedlungswilligen neuen Betrieben überdurchschnittliche, kostenintensive Umweltschutzanforderungen auferlegt werden (müssen).

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Sind z.B. neue oder vorhandene Betriebsgelände kontaminiert, so sind möglicherweise hohe Bodenreinigungskosten erforderlich. Will sich ein Betrieb in einem Luftbelastungsgebiet ansiedeln, sind die Luftreinhaltevorschriften beim Bau und beim Betrieb von luftbelastenden Anlagen schärfer bzw. bei Smogsituationen werden Betriebsänderungen oder -beschränkungen erforderlich, was in aller Regel zu erhöhten Produktionskosten führt.

Dies wird besonders deutlich am Beispiel der industriellen Ballungsräume in den alten Bundesländern, vielmehr aber noch in den neuen Bundesländern mit dem hohen Nachhol- und Sanierungsbedarf im Umweltschutz.

Wenn die in der Bundesrepublik Deutschland übliche Vorgehensweise, im wesentlichen über das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG die von Neu- und Erweiterungsinvestitionen ausgehenden Emissionen zu kontrollieren, aber die Sanierung von Altanlagen nur ungenügend zu betreiben, fortgesetzt würde, wäre zumindest in den hochbelasteten Ballungsräumen der alten Bundesländer mit spürbaren Hemmnissen bei Neubauvorhaben zu rechnen.

Noch viel stärker zeigt sich die Abhängigkeit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze von einer wirksamen ökologischen Sanierung und Modernisierung in den neuen Bundesländern. Hier kann nur durch klare rechtliche und finanzielle Regelungen für die Altlastensanierung und rasche Angleichung der Umweltqualität ein Anreiz für den Aufbau bzw. die Erhaltung wettbewerbsfähiger Unternehmen geschaffen werden.

Gute Umweltbedingungen können eine wichtige Bedingung für die Gewinnung von Arbeitskräften für eine Region oder ein Unternehmen sein. Denn das Angebot von Arbeitskräften - eines der Hauptmotive bei der betrieblichen Standortwahl - kann von den Umweltbedingungen am bestehenden oder geplanten Betriebsstandort mehr oder weniger stark beeinflußt werden. Insbesondere für Führungskräfte, aber auch für andere qualifizierte Fachkräfte bilden Arbeits- und

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Lebensbedingungen eine Einheit. Daher kommt dem Umweltimage einer bestimmten Region oder einer Gemeinde bei der Gewinnung umworbener Arbeitskräfte u.U. große Bedeutung zu. [Fn. 20: Im Anschluß an L. Wicke u.a., Betriebliche Umweltökonomie, München 1992, S.103 f.]

Dieses Image wird - abgesehen von den häufig dominierenden nicht umweltbezogenen Faktoren - neben weitgehend unbeeinflußten topographischen und meteorologischen Umweltaspekten auch von solchen Faktoren wie der Schadstoffbelastung der Umweltmedien und des Ausmaßes der Naturbelassenheit der Landschaft wesentlich mitgeprägt. Angesichts der durchschnittlichen Abnahme der Bedeutung von orts- oder regionsgebundenen Standortbedingungen (infolge der steigenden Bedeutung der Technik) bei Firmenneugründungen bzw. -verlagerungen wird die Entscheidung der Eigentümer und der Führungskräfte für bestimmte Standorte sicher auch durch die zu erwartenden persönlichen Lebens- und Umweltbedingungen an den in Aussicht genommenen Standorten und im Hinblick auf die Möglichkeit der Gewinnung von qualifizierten Arbeitskräften auch aus anderen Regionen eine immer wichtiger werdende Rolle spielen (vgl. Tab. 4). Diese Tendenz wird wiederum mit dem sukzessiven Übergang von der Arbeits- zur Freizeitgesellschaft und insbesondere der weiteren Steigerung des materiellen Lebensstandards und den damit verbundenen sinkenden Nutzenzuwächsen weiterer Einkommensverbesserungen begründet.

Die wettbewerbsrelevante Arbeitsproduktivität, die u.a. von der Verfügbarkeit und der Arbeitsleistung der (leitenden und ausführenden) Arbeitskräfte abhängt, wird auch über den Einfluß der Umweltbelastung in einer Gemeinde bzw. einer Region (zusammen mit den Belastungen am Arbeitsplatz und in der Wohnung der Arbeitskräfte) mitgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, daß beispielsweise in einer hochbelasteten Industrieregion umweltverschmutzungsbedingte Krankheitsaus-

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fälle und Leistungsminderungen deutlich höher sind als in sogenannten "Reinluft"-Gebieten ist sehr hoch und zum Teil auch statistisch verifiziert (z.B. ist die durchschnittliche Lebenserwartung im Raum Halle etwa sechs Jahre niedriger als in weniger belasteten Gebieten der neuen Bundesländer).

3.3.2 Wettbewerbsvorteile durch umweltschutzbezogene Verhaltensanpassungen

Als Folge umweltschutzinduzierter Veränderungen der Wettbewerbsposition kommt es bei vielen Unternehmen zu einer aktiven Anpassung ihres Wettbewerbsverhaltens [Fn. 21: Vgl. hierzu R.U. Sprenger, Umweltschutz und unternehmerisches Wettbewerbsverhalten, in: ifo Schnelldienst 1-2/1981, S. 3 ff.] Zu den in erster Linie im Produktions- und Kostenbereich ansetzenden Wettbewerbshandlungen, die durch umweltpolitische Einwirkungen in die Unternehmenssphäre beeinflußt werden bzw. wurden, zählen im wesentlichen

  • Verhandlungen mit den Vollzugsbehörden über den Umfang der einzuhaltenden Umweltschutzauflagen und/oder der zu entrichtenden Abgaben (Bargaining-Aktivitäten)

  • Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten zur Verringerung oder Vermeidung produktionabezogener Umweltschutzkosten (Prozeßinnovationen)

  • Rationalisierungsaktivitäten

  • die Substitution eigener Umweltschutzaktivitäten durch Inanspruchnahme externer Umweltschutzleistungen und/oder die Substitution von Leistungen Dritter durch eigene Umweltschutzmaßnahmen

  • finanzierungspolitische Maßnahmen

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  • Produktionseinschränkungen oder -stillegungen

  • Produktionsverlagerungen (Standortinnovationen).

Neben diesen primär auf Kostendämpfung ausgerichteten Wettbewerbsaktivitäten sind solche Wettbewerbshandlungen anzuführen, die in erster Linie dem Marktverhalten, d.h. dem unmittelbaren Produkt- oder Dienstleistungswettbewerb auf dem Markt zuzuordnen sind. Umweltschutzbezogene Veränderungen des Marktverhaltens zielen in der Regel darauf ab:

  • im Rahmen der unternehmerischen Gesamtstrategie die Erfolgswirksamkeit umweltschutzbedingter Anpassungen im Produktions- und Kostenbereich marktseitig zu unterstützen

  • und/oder der unternehmerischen Marketing-Strategie unter Berücksichtigung veränderter umweltpolitischer Rahmenbedingungen zum Erfolg zu verhelfen.

Umweltschutzinduzierte Veränderungen des Marktverhaltens konkretisieren sich dementsprechend in nahezu allen Bereichen des Marketing-Mix, und zwar bei

  • der Preispolitik

  • der Produktpolitik (z.B. durch Produktvariation oder -innovation)

  • der Programmpolitik (z.B. durch Diversifizierung)

  • der Distributionspolitik und/oder

  • der Werbepolitik.

Die Frage, ob die umweltpolitisch besonders betroffenen Branchen bzw. Unternehmen in erster Linie passiv oder aber mit einer aktiven Anpassung ihres Wettbewerbsverhaltens reagieren und gegebenenfalls welche Anpassungsformen sie wählen, entzieht sich gegenwärtig noch weitgehend einer empirischen Beantwortung. Hierzu wären sehr detaillierte Unternehmens- und produktspezifische Einzelstudien für die jeweils relevanten Märkte erforderlich.

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An dieser Stelle soll daher der Hinweis auf einige aktuelle Untersuchungen genügen, die die Bedeutung des Umweltschutzes für die unternehmerische Wettbewerbspolitik und -Situation illustrieren:

  • in Modellversuch [Fn. 22: Vgl. IWL, Modellversuch Umweltorientierte Unternehmensführung - Befragungsergebnisse Köln, o.J.] , in dessen Rahmen rd. 600 Betriebe aus dem Produzierenden Gewerbe, dem Handel und Bankgewerbe bundesweit zum Thema "Umweltorientierte Unternehmensführung" befragt wurden, erbrachte folgende Ergebnisse (vgl. auch Tab. 5). [Fn. 23: Vgl. UBA, Jahresbericht 1989, Berlin 1990, S. 32.]

  • (1) Über 70 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, daß Umweltschutz zur Sicherung ihres Produktionsstandortes unbedingt nötig ist

  • (2) Zwei Drittel betrieben Umweltschutz als Teil ihrer Existenzsicherung.

  • (3) Nur rd. 30 Prozent der befragten Unternehmen waren der Ansicht, daß Umweltschutz das wirtschaftliche Ergebnis ihres Unternehmens verschlechtert.

  • (4) Weit über die Hälfte der Befragten meinte, daß die konsequente Verfolgung des Umweltschutzgedankens ihre Chancen im Wettbewerb verbessern und die Umsetzung des Umweltschutzes ihrem derzeitigen Know-How neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen kann.

  • (5) Rund 66 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzen Jahren konkrete Maßnahmen oder Aktionen realisiert, die Kostensenkungen oder Erlössteigerungen erbracht und dem Umweltschutz gedient haben.

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Tabelle: 5

Umweltschutz im unternehmerischen Zielsystem

(Angaben in Prozent)


Das Unternehmensziel
... steht zu den Umweltschutzzielen

(stark)
fördernd

neutral

(stark) hemmend

Unternehmensexistenz sichern

60

34

6

Unabhängigkeit des Unternehmens

26

69

5

Mitarbeitergewinnung, -motivation

72

25

3

Liquiditätsziel

16

52

32

Wettbewerbsfähigkeit steigern

52

32

16

Unternehmenswachstum

46

53

1

Marktanteil steigern

44

55

1

Umsatz steigern

44

55

1

Angebotsqualität steigern

58

41

1

Gewinn steigern

28

67

5

Kunden- und Marktorientierung

63

36

1

Ansehen in der Öffentlichkeit verbessern

87

13

0

Konkurrenzsituation verbessern

51

47

2

Quelle: Modellversuch "Umweltorientierte Unternehmensführung"
(UFO-Plan-Nr.: 10901 041)

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  • (6) Besonders beachtenswert ist die große Harmonie zwischen dem Umweltschutzziel und dem Ziel "Mitarbeitergewinnung und -motivation". So erklärten 72 Prozent der Unternehmen, daß sich die konsequente Verfolgung von Umweltschutzzielen auf die Mitarbeitergewinnung und -motivation positiv auswirkt.

  • (7) Kaum ein Unternehmen erwägt, wegen der Umweltschutzgesetzgebung die Produktion in das Ausland zu verlagern.

  • Eine Methodenuntersuchung des Statistischen Bundesamtes läßt erkennen, daß sich vor allem im Zuge von integrierten Umweltschutzmaßnahmen die Kosten- und Wettbewerbssituation keineswegs verschlechtern muß, sondern im Gegenteil sogar verbessert hat (vgl. Tab. 6) [Fn. 24: Statistisches Bundesamt, Methodenuntersuchung "Kosten für Umweltschutzmaßnahmen des Produzierenden Gewerbes" - Ergebnisse, Wiesbaden 1989.]

Damit wird deutlich, daß Umweltschutz für den Wettbewerb nicht nur als Kostenfaktor wirkt, sondern Kostensenkungspotentiale sowie andere Chancen und Vorteile für die Unternehmen bietet.

3.3.3 Wettbewerbsvorteile durch Märkte für umweltfreundliche Produkte

In der Bundesrepublik und in anderen westlichen Industrienationen hat sich mit dem wachsenden Wohlstand einerseits und der Erfahrung der ökologischen Risiken der Wohlstandsgesellschaft ein hohes Umweltbewußtsein herausgebildet. Das inzwischen hohe Umweltbewußtsein hat sich dabei kontinuierlich entwickelt und folgte im wesentlichen folgenden Trends:

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  • Die wirtschaftliche Entwicklung brachte den Bürgern in den meisten Industrieländern wachsende materielle Sicherheit. Wirtschaftliche Existenzfragen traten zurück und qualitative Komponenten, so auch eine intakte Umwelt, traten in den Vordergrund.

  • Die nachlassenden Spannungen zwischen Ost und West ließen die Angst vor einem neuen Weltkrieg schwinden, so daß die drohenden globalen Umweltgefahren einen neuen herausragenden Stellenwert im gesellschaftspolitischen Problemkatalog erhielten.

Das gestiegene Umweltbewußtsein in der Bevölkerung richtet sich auch immer mehr an den Kaufentscheidungen der Konsumenten aus. Marketingexperten haben erkannt, daß die Qualifizierung eines Produktes als "umweltfreundlich" ein zunehmend wichtigeres Verkaufsargument darstellt. Sog. umweltfreundliche Produkte, die im Vergleich zu anderen, dem selben Gebrauchszweck dienenden Produkten deutlich niedrigere Umweltbelastungen aufweisen, haben in der Bundesrepublik große Chancen.

Die Tendenzaussage, daß sich das Kaufverhalten zugunsten umweltfreundlicher Produkte verändert, wird inzwischen durch zahlreiche Marktstudien belegt. [Fn. 25: In Anschluß an W. Schulz, a.a.O., S. 225.] Die G&l-Forschungsgemeinschaft für Marketing, Nürnberg führt seit 1985 bei 5 000 Bundeshaushalten turnusmäßige Paneluntersuchugnen zum Thema "Umweltbewußtes Kaufverhalten" durch. Seit 1990 werden zusätzlich 2 000 Haushalte aus den neuen Bundesländern befragt. Das Prädikat "Umweltbewußt" verdienten danach im Jahre 1990 rd. 62% der westdeutschen (1985: 40%) und immerhin 40% der ostdeutschen befragten Haushalte. Diese "Umweltbewußten" kauften im Jahre 1990 im Vergleich zu den "Nichtumweltbewußten":

  • 37% weniger Weichspüler (1985: 37%)

  • 32% weniger Sanitärreiniger (1985: 28 %)

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  • 38% weniger Schaumbäder (1985: 28%)

  • 25% weniger Fensterreiniger (1985: 26%)

  • 13% weniger WC-Pulverreiniger (1985: 20%)

  • 18% weniger Universalwaschmittel (1985: 16%)

  • 39% weniger traditionelle Haushaltsreiniger (1985: 14%)

  • 10% weniger Duschbäder (1985: 11%).

Die Palette umweltfreundlicher Produkte wird ständig breiter und ihr Marktanteil nimmt offensichtlich zu. Einen großen Anteil an dieser zunehmenden Verbreitung umweltfreundlicher Produkte dürfte das Umweltzeichen "Blauer Engel" haben, das seit 1977 vergeben wird und inzwischen in 80% der Haushalte bekannt ist. Waren Ende 1987 rd. 2 000 Produkte aus 50 Produktgruppen mit diesem Markenzeichen ausgestattet, so tragen inzwischen ca. 4 000 Produkte aus rd. 70 Produktgruppen mit günstigen Umwelteigenschaften diese Kennzeichnung (vgl. Abb. 3). Produkte mit dem Blauen Engel konnten Umsatzsteigerungen bis zu 40% erzielen oder wie im Falle der lösungsmittelarmen Dispersionslackfarben bedeutende Markanteile erobern. Insofern bieten hohes Umweltbwußtsein der Bürger und eine fortschrittliche umweltbewußte Produktgestaltung große Chancen für die Hersteller auch im internationalen Warenverkehr.

3.3.4 Wettbewerbsvorteile für den Umweltschutzsektor

Zu den plausiblen Aussagen über die positiven Wettbewerbswirkungen strenger nationaler Umweltschutzanforderungen zählt "die Hypothese, daß durch umweltpolitisch induzierte technologische Entwicklungen Entsorgungsgüterindustrien entstehen, die durch Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Stabilisierung des allgemeinen wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesses beitragen und - vor allem

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bei einer der internationalen Entwicklung vorauseilenden nationalen Umweltpolitik - durch Know-how-Vorsprünge langfristige Exportchancen vermitteln." [Fn. 26: Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1978, Stuttgart-Mainz 1978, S. 528.]

Das jährliche Marktvolumen für umwelttechnische Produkte und Dienstleistungen wird inzwischen auf jährlich 30 Mrd. DM allein in Westdeutschland geschätzt. EG-weit dürften es bereits rd. 70 Mrd. DM sein, darunter allein ca. 40 Mrd. DM an investiver Nachfrage für den Umweltschutz (vgl. Tab. 7). Mit großen Zuwachsraten kann auch in Zukunft gerechnet werden. Auf dem Umweltschutzmarkt Deutschlands werden für die kommenden Jahre Wachstumsraten von 6 bis 8 Prozent erwartet. [Fn. 27: Vgl. BDI, Umweltpolitik Inter-National-Perspektiven 2000, Köln 1992, S. 59.] Vergleicht man die Entwicklung der Umweltschutzindustrie mit den Marktvolumina etablierter Branchen in Westdeutschland, z.B. der Eisenschaffenden Industrie mit 47 Mrd. DM Umsatz, so kann man feststellen, daß der Umweltschutzmarkt dabei ist, sich zu einem bedeutenden Bestandteil der deutschen Industrie zu entwickeln. [Fn. 28: Vgl. BDI, Umweltpolitik Inter-National-Perspektiven 2000, Köln 1992, S. 59.]

Für die Bundesrepublik Deutschland kommt darüber hinaus zum Tragen, daß die Umweltschutzindustrie sehr exportorientiert ist. Ca. 40% ihres Umsatzes entfallen auf den Auslandsabsatz, während nur ca. 15% der deutschen Nachfrage nach Umweltschutzgütern durch Importe befriedigt werden. Aufgrund einer ifo Analyse der Patentstatistik (u.a. Auslandspatentanmeldungen) und der verfügbaren Informationen über die F+E-Aktivitäten im Umwelttechnikbereich ist anzunehmen, daß die deutsche Umweltschutzindustrie ihre Marktstellung im internationalen Wettbewerb noch weiter ausbauen wird (vgl. Abb. 4).

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Die in der Bundesrepublik Deutschland wirksame Milliardennachfrage nach Gütern und Dienstleistungen für den Umweltschutz trifft inzwischen auf ein breites und differenziertes Angebot. [Fn. 29: Vgl. hierzu R.U. Sprenger, Der Umweltschutzsektor - Chancen für die deutsche Wirtschaft, in: K.-D.-Arndt-Stiftung (Hrsg.), Bedrohte Natur in der Wohlstandsgesellschaft, Bonn 1990, S. 61 ff.]

Ging man bei den ersten Marktanalysen Anfang der achtziger Jahre noch von knapp 1 000 Anbietern aus, so verzeichnen die überregionalen Anbieterverzeichnisse inzwischen rd. 2000 Anbieter im Bereich der Umwelttechnik. Regionale Marktanalysen des ifo Instituts für Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin erbrachten allein für diese Bundesländer bereits einen Bestand von rd. 2800 Anbietern, und dies weitgehend ohne die Anbieter aus der Bauwirtschaft, der chemischen Industrie und dem Handwerk. Offensichtlich dringen im Vertrauen auf den Handlungsbedarf im Umweltschutz immer mehr Anbieter auf den Markt. Nach vorsichtiger Einschätzung dürften gegenwärtig bereits über 5 000 Anbieter von Anlagen, Zubehör, Bauten, Betriebsstoffen, Handwerks- und Dienstleistungen für den Umweltschutz in der Bundesrepublik tätig sein.

Bei den Anbietern handelt es sich mit großer Mehrheit um kleine und mittelständische Unternehmen. Die Umweltschutzindustrie zeichnet sich durch eine außergewöhnlich stark differenzierte Branchenstruktur aus. Sie hat ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt vor allem in der Bauwirtschaft und im Maschinenbau, des weiteren in der elektrotechnischen und chemischen Industrie.

Mit rd. 330 Tsd. direkt oder indirekt Beschäftigten durch Umweltschutz im Produzierenden Gewerbe sowie im Dienstleistungssektor ist der Umweltschutzsektor inzwischen auch ein nicht mehr zu vernachlässigender Beschäftigungsfaktor (vgl. Tab. 8)

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Wissenschaftliche Untersuchungen haben die Vermutung bestätigt, daß die Entwicklung des Marktes für Umweltschutzeinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland in zeitlicher und quantitativer Hinsicht eindeutig dem Ausbau der Umweltpolitik folgte.

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3.4 Umweltschutz und Standortentscheidungen

Zu den möglicherweise durch verschärfte Umweltschutzanforderungen ausgelösten unternehmerischen Wettbewerbshandlungen zählen auch Standortverlagerungen ins Ausland. Gerade in der laufenden öffentlichen Debatte über den Wirtschaftstandort Bundesrepublik wird auch wieder die Frage nach dem Stellenwert von Umweltschutzanforderungen im Inland für anstehende Investitions- und Standortentscheidungen aufgeworfen.

Dabei sei vorab noch einmal darauf verweisen, daß

  • Standortentscheidungen von einer Vielzahl absatz-, produktions- und kostenorientierter sowie sonstiger "weicher" Standortfaktoren und Entscheidungskriterien abhängen

  • sich die umweltpolitischen Anforderungen in Europa, Japan und den USA immer stärker ähneln bzw. angleichen.

Über den Stellenwert, der den Kosten des "Faktors Umwelt" bei Standortentscheidungen in der Praxis beigemessen wird, liegen verschiedene bundesdeutsche Untersuchungen aus den siebziger und achtziger Jahren vor. [Fn. 30: W. Schulz, a.a.O.] Danach konnte die These, daß Unternehmen einen Standortwechsel dann vornehmen werden, wenn zwischen den Umweltschutzkosten des In- und Auslandes ein er-

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hebliches Gefälle besteht, nicht bestätigt werden. Industrieverlagerungen allein aus Umweltschutzgründen finden praktisch nicht statt. Nach Ansicht verschiedenen Autoren hat dieses Argument eher einen Stellenwert als "Drohstrategie" von Interessengruppen, mit denen Umweltschutzanforderungen in Deutschland verringert werden sollen.

Aus der Sicht der Betriebe sind absatzmarktorientierte Faktoren und die Umgehung von Handelsschranken und Importrestriktionen die ausschlaggebenden Motive für Investitionen im Ausland. Als Hauptgründe werden nach wie vor Markterschließung und Marktpflege genannt. Diese Einschätzung bestätigt eine Umfrage des ifo Instituts, die im September 1989 bei rd. 500 bundesdeutschen Unternehmen (Industrie, Handel, Bau) durchgeführt wurde: "Weniger Umweltschutz" als Hauptmotiv für Auslandsinvestitionen der Wirtschaft in den nächsten Jahren spielt nahezu keine Rolle. Wesentlich wichtiger sind: "größere Marktnähe", "EG-Binnenmarkt", "geringere Arbeitskosten" und "geringere Steuern" (vgl. Abb. 5).

Eine im Dezember 1991 durchgeführte ifo Umfrage ergab, daß Steuerbelastung, Sozialabgaben, Löhne und Arbeitszeiten als Standortfaktoren von den betroffenen Betrieben negativer beurteilt werden als die Umweltschutzanforderungen (vgl. Abb. 6).

Auch die Modelluntersuchung "Umweltorientierte Unternehmensführung" erbrachte keine Anhaltspunkte, daß Unternehmen aufgrund strengerer Umweltschutzanforderungen Standortverlagerugnen ins Ausland vornahmen bzw. planten. [Fn. 31: Vgl. IWL, a.a.O]

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