FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 12]

2. Alte und neue Instrumente zur Förderung des Osthandels



Die vorübergehende Stabilisierung des deutsch-sowjetischen Handels ist - wie bereits erwähnt - dem gezielten Einsatz des im Westen jahrzehntelang bewährten Exportförderungsinstrumentariums, den sogenannten Hermes-Bürgschaften und -Garantien, zu verdanken. Mit Ausfuhrbürgschaften (für Geschäfte mit ausländischen Regierungen) und Ausfuhrgarantien (für Geschäfte mit privaten ausländischen Firmen) werden Risiken abgedeckt, die aus einer Zahlungsunfähigkeit des Importeurs im Ausland oder aus politischen Risiken entstehen.

2.1 Umfang und Wirksamkeit des Hermes-Instrumentariums im Osthandel

Angesichts des drohenden Zusammenbruchs des deutsch-sowjetischen Handels und der extremen Abhängigkeit ostdeutscher Unternehmen vom Export in die ehemalige Sowjetunion hatte die Bundesregierung den sowjetischen Handelspartnern seinerzeit Konditionen eingeräumt, mit denen im Jahr 1991 nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums Lieferverträge in Höhe von zunächst 9,7 Mrd. DM abgeschlossen und Hermes-Bürgschaften zugesagt werden konnten. Nach diesen Sonderkonditionen waren die sowjetischen Handelspartner nicht wie sonst üblich verpflichtet, ca. 15% des Kaufpreises für Waren aus Ostdeutschland anzuzahlen. Zusätzlich wurden die Kreditlaufzeiten von 7 auf bis zu 10 Jahre verlängert und eine tilgungsfreie Zeit von maximal 3 Jahren eingeräumt.

Dieses Sonderprogramm für Exporte aus ostdeutschen Betrieben in die ehemalige Sowjetunion ist am 31.12.1991 ausgelaufen. Es ermöglichte den sowjetischen Außenhandelspartnern, sofort Waren aus den neuen Bundesländern zu beziehen, ohne über konvertible Währung zu ihrer Bezahlung zu verfügen.

Positiv waren die in Regierungsverhandlungen erzielten Abschlüsse für die Produktionsbereiche Schienenfahrzeuge, Landtechnik und Maschinenbau, weniger zum Zuge kamen der Konsumgütersektor und der Schiffsbau. Die Ostseewerften sollten ursprünglich für ca. 800 Mio. DM Schiffe an sowjetische Reeder liefern, das Geschäft stockte allerdings, weil es Probleme mit der in-

[Seite der Druckausgabe: 13]

ternen Rubelverrechnung gab. Die sowjetische Außenhandelsbank weigerte sich, die Vorteile aus den Hermes-Sonderkonditionen an die sowjetischen Reeder weiterzugeben. Die Schiffe lagen seitdem auf Reede; inzwischen hat sich aber die russische Regierung bereit erklärt, die Schiffe doch noch abzunehmen.

Auch für 1992 wurden - noch vor dem Zerfall der Sowjetunion - eine Reihe von Lieferverträgen abgeschlossen, die die Beschäftigung in vielen ostdeutschen Betrieben sichern sollten. Inwieweit die jetzt selbständigen Republiken der GUS sich an diese Verträge gebunden fühlen, wird noch zu klären sein. Sicherlich sind dort zunächst einige wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, in die die Lieferverträge eingebettet werden können, und es ist vor allem zu klären, ob in den Republiken Außenhandelsbanken oder Staatsbanken vorhanden sind bzw. gegründet werden, die in der Nachfolge der sowjetischen Außenhandelsbank Garantieerklärungen für pünktliche Zahlungen der Devisen aus den Importgeschäften übernehmen.

Mit dem Zerfall der alten Sowjetunion kamen das gesamte Hermes-Instrumentarium und die mit dem Handel mit der Sowjetunion verbundenen Finanzierungsrisiken auf den Prüfstand. Bis zum 26.11.1991 waren schon für 26,8 Mrd. DM Bürgschaftszusagen für Exporte in die ehemalige Sowjetunion aufgelaufen gegenüber 14,5 Mrd. DM im Mai 1991. Rechnet man noch die Zusagen für sog. ungebundene Finanzkredite an die ehemalige Sowjetunion in Höhe von 11,6 Mrd. DM hinzu, so ergibt sich ein Obligo in Höhe von 38,4 Mrd. DM. Dazu kommen noch grundsätzliche Hermes-Deckungszusagen für noch nicht abgewickelte Exportaufträge in Höhe von ca. 22,1 Mrd. DM, die allerdings spätestens Ende Mai 1992 verfallen sollen, wenn bis dahin nicht die erforderlichen Kreditverträge und die Haftungszusagen des Empfängerlandes vorliegen.

Weiterhin lagen bis Ende November 1991 Kredit- und Deckungsanträge von Unternehmen aus den neuen Bundesländern in Höhe von 25 Mrd. DM vor. Diese Summe soll sich inzwischen beim Endspurt um die Sonderkonditionen auf ca. 60 - 70 Mrd. DM erhöht haben. Der Bundeswirtschaftsminister hatte zu dieser vorgezogenen Antragstellung aufgefordert, auch wenn die Ware erst viel später geliefert wird.

[Seite der Druckausgabe: 14]

Faßt man zusammen und bezieht auch noch die Altlast aus den früheren Transferrubel-Geschäften in Höhe von ca. 15 Mrd. DM mit ein, so addiert sich das Finanzierungsrisiko aus den Geschäften mit der ehemaligen Sowjetunion und ihren Folgerepubliken auf eine Summe von mindestens 40 - 50 bis maximal 80 - 100 Mrd. DM.

In welcher Höhe aus den Gesamtbürgschaftsvolumen für den Bundeshaushalt reale Belastungen entstehen, die auf Zahlungsausfälle zurückzuführen sind, ist wegen der Freijahre bei den Hermes-Sonderkonditionen zur Zeit noch nicht abzusehen. Mittelfristig könnte es hier zu dramatischen Zuspitzungen kommen, vor allem dann, wenn die Nachfolgerepubliken der alten Sowjetunion diese Schulden nicht begleichen können oder wollen. Schon 1990 lag eine kassenmäßige Unterdeckung bei den Hermes-Bürgschaften von 2,4 Mrd. DM vor, die vor allem aus Irak-Risiken resultierte. Für 1992 sind im Bundeshaushalt ca. 4 Mrd. DM für fällig werdende Bürgschaften eingesetzt. Voraussichtlich ist aber mit einer höheren Belastung aus Zahlungsausfällen zu rechnen.

Die Bundesregierung war ursprünglich fest entschlossen, das Hermes-Sonderprogramm für Unternehmen aus den neuen Bundesländern mit dem 31.12.1991 auslaufen zu lassen. Die Begründung dafür war, daß die Partnerländer in der EG und der OECD, Unternehmen in den alten Bundesländern und auch Betriebe in den kleineren mittel- und osteuropäischen Ländern mit Argwohn auf diese Sonderkonditionen schauten, die sie als wettbewerbsverzerrend im internationalen Handel ansähen, und auf die sie sicherlich alsbald mit einem Konditionenwettlauf reagieren würden, der für alle Beteiligten schädlich wäre. Hinzu kamen Überlegungen, den öffentlichen Eindruck einer einseitigen Bevorzugung der ehemaligen Sowjetunion gegenüber den anderen osteuropäischen Ländern und den Entwicklungsländern auszuräumen.

Angesichts der dramatischen politischen und sozialen Entwicklung in der ehemaligen Sowjetunion und der nach wie vor großen Abhängigkeit ostdeutscher Unternehmen von den Ostmärkten werden zum Ende des Jahres 1991 Überlegungen angestellt, die auf eine Fortsetzung des Hermes-Sonderprogramms hinausliefen. Einen massiven Beschäftigungseinbruch in den neuen Bundesländern als Folge des Förderungsstops glaubte sich die Bundesregierung nicht erlauben zu können. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und angesichts der drohenden Finanzierungsrisiken zog dann die Bundesregierung

[Seite der Druckausgabe: 15]

Ende Januar 1992 doch die Notbremse und entschied sich im Zielkonflikt zwischen Beschäftigungsstabilisierung und haushaltspolitischer Solidität für letztere. Sie beendete das Sonderprogramm und begrenzte die Hermes-Bürgschaften für Ausfuhren in die GUS auf zunächst 5 Mrd. DM für 1992. Gleichzeitig wurde eine strengere und differenziertere Prüfungspraxis eingeführt, die u.a. auch die Verbesserung der Devisenerlösfähigkeit der GUS-Republiken zum Inhalt hat. Darüber hinaus soll eine Obergrenze von ca. 100 Mio. DM für Einzelgeschäfte gelten und eine Haftungserklärung der jeweiligen Empfängerregierung vorliegen.

Fragt man nach der Effizienz des Hermes-Sonderprogramms, so ist zunächst einmal festzustellen, daß trotz der hohen Subventionierung der deutsch-sowjetische Handel in 1991 stark rückläufig gewesen ist (Ausfuhren west- und ostdeutscher Unternehmen 1990 28 Mrd. DM, 1991 14,5 Mrd. DM). Zu vermuten ist aber, daß es ohne den Einsatz des Hermes-Sonderinstrumentariums zu einem noch viel stärkeren Einbruch im Osthandel und zu einem raschen Beschäftigtenabbau gekommen wäre.

Die Bundesregierung verfolgte mit dem Hermes-Sonderprogramm für die neuen Bundesländer vor allem beschäftigungspolitische Zielsetzungen. Sie sicherte damit 1991 einen Arbeitsplatzbestand für ca. 500 bis 600.000 Beschäftigte. Das Programm war allerdings mit einer Laufzeit von nur einem Jahr viel zu kurzfristig angelegt. In diesem Zeitraum - auch nicht in einem zwei- oder dreijährigen - läßt sich der geforderte Strukturwandel in den betreffenden Betrieben hin zu international wettbewerbsfähigen Produkten und zur Orientierung auf Westmärkte sicher nicht bewerkstelligen. Der Strukturwandel ist nur mittelfristig zu schaffen, entsprechend mittelfristig müssen auch die flankierenden Förderprogramme angelegt sein. Bei einer so kurzen Laufzeit war das Risiko für die auf den Osthandel spezialisierten Unternehmen in Ostdeutschland, sich von traditionellen Exportmärkten abzuwenden, zu groß, wie das Beispiel der Deutschen Waggonbau AG zeigt. Lieber klammerte man sich an die zuletzt immer vagere Hoffnung, es werde wohl nicht zum totalen Zusammenbruch kommen. Insoweit war diese massive kurzfristige Stützung des Sowjetunion-Handels mit seinen riskanten Perspektiven kaum der richtige, weil strukturerhaltende Weg. Besser wäre es wohl gewesen, von Anfang an allgemeine strukturpolitische Investitionshilfen zur Modernisierung der Produktion der Exportbetriebe und zur Erschließung neuer Märkte zu geben, und im

[Seite der Druckausgabe: 16]

Osthandel lediglich das normale Hermes-Instrumentarium (ohne Sonderkonditionen) einzusetzen. Darüber hinaus wäre es sinnvoller gewesen, über den vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgeschlagenen Weg degressiver Lohnkostensubventionen den exportorientierten Unternehmen eine Chance zur allmählichen Anpassung an die neuen Marktgegebenheiten zu geben.

Den Argumenten, daß die Alternative zu diesem Crash-Programm ein massiver Anstieg der Kosten für Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bzw. der Ausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gewesen sei, ist entgegenzuhalten, daß aufgrund des geringen Anreizes des Sonderprogramms zur Modernisierung der Produktion und zur Entwicklung neuer wettbewerbsfähiger Produkte viel Zeit verstrichen ist, die besser hätte genutzt werden können, und die zusätzlichen Kosten der Arbeitslosigkeit nur um ein Jahr hinausgeschoben wurden.

Wenig effektiv war das Hermes-Sonderprogramm auch aus budgetpolitischer Sicht. Im Verlauf des Jahres 1991 wurde mit zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen in der ehemaligen Sowjetunion immer deutlicher, daß die Finanzierung der Sowjetunion-Exporte ostdeutscher Unternehmen unter normalen Risikogesichtspunkten überhaupt nicht mehr darstellbar war, da voraussichtlich mit einem hohen Anteil an Zahlungsausfällen zu Lasten des Bundeshaushalts zu rechnen war. Schon 1990 mußte die bundeseigene Hermes-Versicherung die Rechnungen für deutsche Lieferungen in die Sowjetunion mit mehreren Millionen begleichen. Nach dem Haushaltsrecht darf die Bundesregierung aber nur dann für Exporte bürgen, wenn nicht absehbar ist, daß sie als Bürge auch in Anspruch genommen wird. Zahlungsausfälle in erheblichem Umfang waren aber absehbar, und es ist schon jetzt sicher, daß die Ausfallquote in den nächsten Jahren erheblich ansteigen wird. Garantieerklärungen der ehemals sowjetischen Außenhandelsbank und der Staatsbanken der Nachfolgerepubliken sind im um sich greifenden wirtschaftlichen Chaos in den GUS-Staaten kaum noch als ausreichende Sicherheiten für die pünktliche Devisenzahlung von Exportrechnungen zu bewerten. Auch von daher war eine Beendigung des Hermes-Sonderprogramms dringend geboten, wollte man nicht zulassen, daß die Risiken für den Bundeshaushalt unüberschaubar werden.

[Seite der Druckausgabe: 17]

Weiterhin ist nach den Wirkungen des Hermes-Instrumentariums auf die Kreditnehmerseite, das Importland Sowjetunion bzw. auf seine Nachfolgerepubliken, zu fragen. Für sie wie auch für die übrigen Länder des ehemaligen RGW (Ausnahme: Rumänien) gilt, daß sie hoch verschuldet oder gar überschuldet sind und große Schwierigkeiten haben, einen Handelsbilanzüberschuß zu erzielen, um den Schuldendienst zu leisten.

Die gesamten Auslandsverbindlichkeiten der ehemaligen europäischen RGW-Länder beliefen sich 1990 auf ca. 150 Mrd. US-$. Gegenüber 1985 hat sich die Verschuldung mehr als verdoppelt. Die untergegangene Sowjetunion stand zuletzt bei einer Auslandsverschuldung von 70 - 80 Mrd. US-$, allein in den letzten drei Jahren war ein Zuwachs von ca. 30 Mrd. US-$ zu registrieren. Geht man einmal davon aus, daß die GUS-Staaten auf diese Auslandsschuld ca. 10 % Zinsen zu zahlen haben, so wären allein 7-8 Mrd. US-$ Zinsen per Anno bereitzustellen. Sollen die Schulden der ehemaligen Sowjetunion oder ihrer Nachfolgerepubliken nicht weiter ansteigen, so müßten sie in dieser Höhe Handelsbilanzüberschüsse erzielen, ein angesichts des Zerfalls der Wirtschaft, insbesondere auch der export- und devisenträchtigen Gas-, Öl- und Rohstoffproduktion sowie angesichts des niedrigen Produktivitätsstandards und des unzulänglichen politischen und wirtschaftspolitischen Krisenmanagements aussichtsloses Unterfangen. Für 1991 wird mit einer realen Schrumpfung des Bruttosozialprodukts von ca. 13% gerechnet, eine Entwicklung, deren Ende noch nicht absehbar ist.

Das Hermes-Sonderprogramm stabilisierte zwar kurzfristig die Beschäftigungssituation in ostdeutschen Exportbetrieben und ihren Zulieferbetrieben, verschlechterte aber die wirtschaftliche Stabilität der GUS bzw. der Nachfolgerepubliken der Sowjetunion, da es ihre Verschuldung hochtrieb und so ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Auslandsschulden gefährdete. Insoweit könnte das Hermes-Sonderprogramm mittel- und langfristig einen Bumerang-Effekt haben, als es nicht nur große Risiken für den Bundeshaushalt mit sich bringt, sondern auch die Möglichkeiten einer gemeinsamen Entwicklung des Außenhandels und der wirtschaftlichen Kooperation zwischen der Bundesrepublik und den Nachfolgerepubliken einengt.

Schließlich ist die Beschränkung des Hermes-Sonderprogramms 1991 auf Lieferungen in die Sowjetunion bzw. die GUS angesichts der Tatsache, daß in

[Seite der Druckausgabe: 18]

den letzten Jahren die Ausfuhren ostdeutscher Unternehmen in die kleineren mittel- und osteuropäischen Länder (MOEs) stärker zurückgegangen sind als die in die ehemalige Sowjetunion, zu kritisieren. Die Bundesregierung hat sich anders als im Fall Sowjetunion um Geschäfte mit den MOEs nicht direkt, z.B. durch Regierungsverhandlungen über Exportaufträge, gekümmert. Ausschlaggebend waren dabei Überlegungen, wonach in diesen Ländern der Anpassungsprozeß an die Marktwirtschaft schon weit fortgeschritten sei und institutionelle Wirtschaftsreformen Platz gegriffen hätten, die einen ungestörten Handel, fortschreitende Kooperationen zwischen den Unternehmen und Direktinvestitionen ermöglichten. Gleichwohl ist die wirtschaftliche Lage dieser Länder ebenso prekär wie die in der ehemaligen Sowjetunion, gekennzeichnet durch eine Schrumpfung des Sozialprodukts, einen riesigen Modernisierungs- und damit Importbedarf und eine besorgniserregende Verschuldungssituation. Exportförderungsprogramme für Ostdeutschland in der Nachfolge des beendeten Hermes-Sonderprogramms dürfen nicht auf die Staaten der ehemaligen Sowjetunion beschränkt bleiben, sie müssen auch die MOEs einbeziehen.

Page Top

2.2 Neue Herausforderungen auf osteuropäischen Märkten

Es ist keine Frage, daß sich die bundesdeutsche Wirtschaftspolitik, die Finanzierungsinstitutionen wie auch die exportierenden Unternehmen auf den osteuropäischen Märkten und insbesondere in den Nachfolgerepubliken der ehemaligen Sowjetunion vor neue Herausforderungen gestellt sehen. Nichts ist mehr, wie es mal war, alte Kontakte werden wertlos, neue Strukturen sind noch nicht vorhanden bzw. im Aufbau. Es zeigt sich immer mehr, daß die Unternehmen vor der Notwendigkeit stehen, eigenständig, und nicht wie früher über Regierungen und Außenhandelsorganisationen, Kontakte zu alten und neuen Unternehmen in Osteuropa und den GUS-Staaten zu suchen, um in erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu kommen. In dieser Situation sind alle Maßnahmen wichtig, die die gegenseitigen Bedürfnisse der Handelspartner nach mehr Marktinformationen befriedigen (z.B. durch Messen und Ausstellungen), und die Märkte in den MOEs und in den GUS-Republiken für die westlichen Partner dadurch transparenter machen, daß sie helfen, laufend über neu entstehende Unternehmens-, Verwaltungs- und Politikstrukturen sowie über Finanzierungsinstitutionen zu informieren. Hilfen bei der Kon-

[Seite der Druckausgabe: 19]

taktaufnahme mit neuen Handelspartnern sind in diesem Zusammenhang besonders willkommen.

Die Bundesregierung stellt Mittel für Messen und Ausstellungen, für Informationsveranstaltungen und Präsentationen in den MOEs und den Nachfolgerepubliken der GUS zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es die Handelsförderungsstellen bei den Botschaften und Handelsdelegierte der deutschen Wirtschaft haben bei den Handelsförderungsstellen, z.B. in den Hauptstädten der MOEs, in Moskau, in St. Petersburg, in Minsk und in Kiew ihren Sitz. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Außenhandelsverhandlungen auf osteuropäischen Märkten durch Beamte der ehemaligen DDR-Außenhandelsverwaltung flankieren zu lassen, die über Erfahrungen auf diesen Märkten und über vielfältige Geschäftskontakte verfügen. Informationen zu den einzelnen Programmen können u.a. bei der Außenstelle Berlin des Bundesministeriums für Wirtschaft und der Bundesstelle für Außenhandelsinformation, beim Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels in Bonn, beim Bundesverband des Exporthandels in Hamburg und beim Ostausschuß der Deutschen Wirtschaft, Kooperationsbüro Berlin, eingeholt werden.

Page Top

2.3 Clearing und Kompensationsgeschäfte

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine wichtige Zielsetzung der Förderung des Osthandels angesichts chronischer Devisenknappheit der osteuropäischen Staaten und der GUS-Republiken sein muß, einerseits einen Warenaustausch zu organisieren, der die Devisenbestände dieser Staaten weitgehend schont, und andererseits die Devisenerlösfähigkeit dieser Staaten zu verbessern.

In diesem Zusammenhang wird immer häufiger vorgeschlagen, zum alten, im früheren Ost-West-Handel gebräuchlichen staatlich gelenkten Clearing-System zurückzukehren. Bei diesem System werden die Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem zwischenstaatlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen zwei oder mehreren Ländern über Verrechnungskonten aufgerechnet. Negative Salden werden kreditiert (Swing) oder in Devisen ausgezahlt. Der Vorteil dieses Systems liegt darin, daß ein Land einen relativ umfangreichen Außenhandel mit relativ geringen Devisenreserven abwickeln

[Seite der Druckausgabe: 20]

kann. Trotz dieses Vorteils und trotz der Tatsache, daß gerade ostdeutsche Exportunternehmen dank des langjährigen Umgangs mit Clearing und Verrechnungsgeschäften im RGW-Handel, aber auch im innerdeutschen Handel einen Erfahrungsvorsprung haben, äußerten sich die Bundesregierung und Verbände des Osthandels zu diesem Vorschlag eher zurückhaltend bis ablehnend. Sie verwiesen zu Recht darauf, daß die Wiedereinführung eines solchen Systems erneut starre administrative Regelungen mit sich bringe und eine detaillierte staatliche Planung und Steuerung des Außenhandels voraussetze. Dieses sei gerade in der Einführungsphase marktwirtschaftlicher Reformen das falsche Signal. Die Kombination der noch zu sehr durch die frühere Spezialisierung im RGW geprägten Import- und Exportstrukturen mit dem alten staatlichen Außenhandelsverrechnungssystem würde mit ziemlicher Sicherheit zur Behinderung bzw. Vermeidung des dringend benötigten Strukturwandels führen. Im übrigen gibt es von Seiten der GUS-Republiken Hinweise, daß man Lieferungen nicht über Clearing abrechnen, sondern über die Verwendung erwirtschafteter Devisen souverän verfügen will.

Ähnliche Einwände wie gegen das Clearing-System gelten auch gegen Überlegungen, Sonderkonten für Devisenerlöse aus Erdgas- und
Öl-Exporten der GUS-Republiken einzurichten, um damit West-Lieferungen zu bezahlen.

Anders stellt sich die Lage auf der Ebene der Unternehmen dar. Hier wurde inzwischen aus der (Devisen) Not eine geschäftliche Tugend gemacht und Kompensations- oder Barter-Geschäfte in großem Umfang auf den Weg gebracht.

Bei Kompensations- und Bartergeschäften findet ein zwischenstaatlicher Warenaustausch ohne Transfer von Zahlungsmitteln statt, d.h. Wertübertragungen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen werden nur in Form von Gütern vollzogen. Auf diesem Feld bieten sich erfinderischen und flexiblen Unternehmen in den MOEs, den GUS-Republiken und in den neuen Bundesländern interessante und absatzträchtige Projekte. Neben dem Investitionsgüter- spielt dabei auch der Konsumgütersektor (Nahrungsmittel, Bekleidung, Haushaltswaren u.a.m.) eine zunehmende Rolle. Die ostdeutschen Unternehmen haben dabei einen klaren Wettbewerbsvorteil, wurde doch diese Form von Handelsgeschäften in der Ex-DDR im großen Stil betrieben.

[Seite der Druckausgabe: 21]

Der Ablauf der Geschäfte sieht typischerweise so aus, daß Betriebe eigenständig Kontakte zu alten und neuen Unternehmen in den MOEs oder GUS-Republiken aufnehmen, diesen Betrieben beispielsweise alte oder auch neue Anlagen liefern und die auf diesen Anlagen produzierten Konsum- oder Investitionsgüter als Bezahlung entgegennehmen. Diese versuchen sie dann im Westen abzusetzen. Häufig wird dabei die Form eines Joint Ventures gewählt, bei dem den beiderseitigen Gewinninteressen Rechnung getragen wird und in gewissem Umfang ein Transfer von technischem und Management-Know-how erfolgt. Kompensationsgeschäfte bieten so beiden Partnern die Chance, neue Märkte zum gegenseitigen Nutzen zu erschließen, ohne auf die prekäre Valuta-Situation der osteuropäischen Länder Rücksicht nehmen zu müssen. Entscheidend für den einigermaßen reibungslosen Ausbau der Kompensationsgeschäfte ist es, daß die ostdeutschen Exportfirmen rasch einen Überblick über die neuen Unternehmensstrukturen in Osteuropa und den GUS-Republiken bekommen, und so schneller Marktinformationen sammeln und Kontakte zu Partnerfirmen herstellen können. Sie müssen allerdings damit rechnen, daß sie sich zumindest in den GUS-Republiken von der Informationssammlung und der Kontaktaufnahme über die Bezahlung bis zur Auslieferung und den Transport der Kompensationsware um alles selber kümmern müssen. Dabei sollten ihnen verstärkt staatliche und Verbandshilfen an die Hand gegeben werden.

Page Top

2.4 Transfer von System- und Reform-Know-how

Die Verbesserung der Devisenerlösfähigkeit in den MOEs und GUS-Republiken setzt zunächst einmal voraus, daß die marktwirtschaftlichen Reformen in diesen Ländern zügig voran gebracht und wirtschafts-, finanz- und geldpolitische Institutionen aufgebaut bzw. handlungsfähig gemacht werden. Wirtschafts- und Finanzpolitiker dieser Staaten und dort ansässige Unternehmen müssen so schnell wie möglich Funktion und Wirkungsweise der Marktwirtschaft erlernen, einen geeigneten rechtlichen (Wirtschafts-, Steuer-, Sozial- und Tarifrecht u.a.m.) Rahmen und eine Geld- und Währungsverfassung für ihre Marktwirtschaft entwickeln und Managementwissen und technisches Know-how aufnehmen, um moderne Produktionskapazitäten aufzubauen und östliche Produkte an weltwirtschaftliche Standards heranzuführen. Dadurch wären die östlichen Länder und Republiken in der Lage, am Weltmarkt Devi-

[Seite der Druckausgabe: 22]

sen zu erlösen, mit denen dringend benötigte Importe bezahlt werden können. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Maßnahmen und Programme wie

  • die allgemeinen volkswirtschaftlichen Missionen, Beratungen und Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IMF). Hierbei geht es um technische Hilfsaktionen und um Ausbildung von wirtschafts-, geld- und finanzpolitischen Führungskräften sowie von Bankern und Managern auf den Gebieten Zentralbank und Geldpolitik, Ausgaben- und Einnahmemanagement, Steuer- und Budgetpolitik, Statistik u.a.m.
  • das PHARE-Programm der 12 Länder der Europäischen Gemeinschaft sowie 12 weiterer Industrieländer (G 24). Ursprünglich gedacht als ein Hilfsprogramm zur Unterstützung des Reform- und Umstrukturierungsprozesses und zur Stärkung des privaten Sektors in Polen und Ungarn, wurde das Programm inzwischen auf die übrigen kleineren Länder Mittel- und Osteuropas ausgedehnt. In Mittelpunkt der PHARE-Strategie stehen Beratung und finanzielle und technische Hilfen bei der Modernisierung der Landwirtschaft, bei Unternehmensumstrukturierungen, beim Aufbau eines Bank- und Finanzwesens, bei der Investitionsförderung, beim Umweltschutz und der beruflichen Bildung sowie bei der Verbesserung des Zugangs zu westlichen Märkten.

Die Bundesregierung trägt neben ihrem Finanzierungsanteil bei derartigen internationalen Programmen selbst noch mit erheblichen finanziellen und technischen Hilfen zum Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen in den MOEs und den GUS-Republiken bei. Existenzgründerseminare, Managerfortbildungen, Unternehmensberatungen und der Aufbau einer Arbeitsverwaltung sind nur einige Beispiele für die vielfältigen Aktivitäten.

Page Top

2.5 Abbau von Handelshemmnissen im Ost-West-Handel

Das PHARE-Programm beinhaltet Maßnahmen für einen besseren Zugang für polnische und ungarische Exporte zu westlichen Märkten, eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung der Devisenerlösfähigkeit. Mengenbeschränkungen müssen aufgehoben und der Status der meistbegünstigten Länder zuerkannt werden. Die Europäische Gemeinschaft ist im Rahmen ihrer

[Seite der Druckausgabe: 23]

inzwischen abgeschlossenen Verhandlungen über die sogenannten Europa-Abkommen mit Polen, Ungarn und der CSFR zu größeren Zugeständnissen in handelspolitischen Fragen bereit, weil sie sieht, daß über eine Verbesserung der Chancen für Exporte in den EG-Markt ein wesentlicher Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung dieser Länder geleistet werden kann. Für Produkte aus den "sensiblen" Bereichen Kohle und Stahl, Textil und aus dem Agrarsektor ist ein Abbau von EG-Zöllen, die Senkung von Abschöpfungen und die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen vorgesehen. Eine Ausdehnung der Europa-Abkommen auf andere kleinere osteuropäische Staaten (Bulgarien, Rumänien) sowie auf die Nachfolgerepubliken der Sowjetunion ist dringend erforderlich und anzustreben.

Eine weitere Möglichkeit, Marktzugangsbeschränkungen im Ost-West-Handel abzubauen und die Modernisierung der mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften zu beschleunigen, besteht darin, die sogenannten COCOM-Embargo-Listen angesichts der gewandelten sicherheitspolitischen Lage in der Welt auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Mit diesen Listen sollte der Zugang der ehemaligen COMECON-Staaten zu Produkten und Technologien von militärischer/strategischer Bedeutung kontrolliert und weitgehend verhindert werden.

Page Top

2.6 Kooperationen und Direktinvestitionen

Letztlich entscheidend für den Erfolg der wirtschaftlichen Reformen in den MOEs und den GUS-Staaten und damit auch für die Verbesserung der Aufnahmefähigkeit für Exporte aus den ostdeutschen Bundesländern wird sein, westliches privates Kapital und Know-how zu einem direkten Engagement in diesen Ländern zu bewegen. Im Prinzip sind die Ertragsaussichten für Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa nicht schlecht. Westliches Know-how und Sachkapital, verbunden mit den auf mittlere und längere Sicht niedrigen Löhnen lassen gute Renditen erwarten. Ungarn, Polen und die CSFR bieten sich dafür als die im Reformprozeß am meisten fortgeschrittenen Länder an. Möglichkeiten zum Kapitalengagement werden hier inzwischen von vielen westlichen Unternehmen genutzt.

[Seite der Druckausgabe: 24]

In den GUS-Republiken wird es vordringlich darauf ankommen, mehr politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität zu erreichen, da anderenfalls kaum mit einem breiten Zustrom privaten Kapitals zu rechnen sein wird. Daneben ist es dringend erforderlich, eine marktwirtschaftlichen Vorstellungen entsprechende Eigentumsordnung zu schaffen und eine investitionsfreundliche Rahmengesetzgebung zu verabschieden (z.B. Investitionsschutzgesetze mit gesicherten Möglichkeiten des Gewinntransfers und investitionsfördernde Steuergesetze). Schließlich müssen den Reformrepubliken finanzielle und technische Hilfen beim Aufbau einer effizienten Infrastruktur - ein wesentliches Hemmnis für westliche Direktinvestitionen - und einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung (Beseitigung des Kompetenz- und Zuständigkeitswirrwarrs in den neuen Republiken) gegeben werden.

Eine vergleichsweise rasche Verbesserung der Devisensituation der Nachfolgerepubliken der ehemaligen Sowjetunion kann dadurch erreicht werden, daß mit Hilfe von Kapital aus den Industrieländern die Öl- und Gasproduktion sowie der Abbau mineralischer Rohstoffe modernisiert und gesteigert wird. Projekte dazu sind bereits in Verhandlung.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die deutsche Exportförderungsstrategie gegenüber den mittel- und osteuropäischen Staaten von der Subventionierung überkommener Exportstrukturen wegkommen und einen Aufbau zukunftsträchtiger stabiler Handelsbeziehungen anstreben muß, die den beiderseitigen Interessen dient. Investieren und Modernisieren in diesen Ländern sind geeignetere Strategien zur Exportförderung und zur Erschließung und Pflege neuer Märkte. In diesem Rahmen könnten dann auch die Unternehmen in den neuen Bundesländern ihre traditionell guten Landes- und Marktkenntnisse besser ausspielen und für sich Marktvorteile erringen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page