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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 6]

2. Die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen

Die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern ist nicht nur auf der Grundlage der Sektoren, sondern auch anhand der Situation in den einzelnen Wirtschaftsräumen zu beurteilen. Das ist notwendig, weil

  • die Regionen in Ostdeutschland mit den Anpassungsproblemen unterschiedlich gut fertig werden und
  • regionale Entwicklungsprogramme eine echte Alternative zu sektoralen Erhaltungssubventionen darstellen. Priorität in den neuen Bundesländern hat nicht der Erhalt von Arbeitsplätzen um jeden Preis, sondern der Ersatz unrentabler durch wettbewerbsfähige Beschäftigungsmöglichkeiten.

Dieses Ziel ist aber eher durch eine regionale als durch eine sektoral orientierte Strukturpolitik erreichbar, die in der Vergangenheit in der alten Bundesrepublik oft strukturkonservierend gewirkt hat. Die Standortfaktoren, die die Entwicklungsmöglichkeiten von Wirtschaftsräumen bestimmen, sind in der Übersicht 1 zusammengestellt.

Die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsräumen hängt zunächst von ihrer Lage innerhalb einer Volkswirtschaft ab. Eine zentrale Lage, die Nähe zu einem attraktiven Verdichtungsraum und damit ein hohes Absatzpotential begünstigen die regionale Wettbewerbsfähigkeit. Aus diesem Grund wird es Thüringen in der Mitte Deutschlands leichter im Anpassungsprozeß haben als etwa die peripher an der polnischen oder tschechoslowakischen Grenze liegenden Wirtschaftsräume. Der zweite Standortfaktor besteht in der regionalen Wirtschaftsstruktur, die von einer Vielzahl von Einflußgrößen, wie der Sektoralstruktur (zukunftsträchtige oder veraltete Wirtschaftszweige, gute Durchmischung mit kleinen, mittleren und großen Betrieben oder Monostrukturierung), den Exporten weltmarktfähiger Produkte, dem Grad der mit der Produktion verbundenen Umweltbelastung, der Betriebsgröße und der Berufsstruktur abhängig ist.

[Seite der Druckausgabe: 7]

Übersicht 1:


Kriterien zur Beurteilung der ökonomischen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen





Lage

Wirtschaftsstruktur

Infrastruktur

Siedlungsstruktur

1. Zentralität der Lage
(= Erreichbarkeit)

1. Sektoralstruktur

2.1 Wachstumspotential der regionalen Sektoralstruktur
(= Strukturfaktor)

3.2 Grad der Monostrukturierung

1. Verkehr

2.1 Straße

3.2 Schiene

1. Leistungsfähigkeit des Zentrums der Region (= zentralörtliche Funktion)

2. Entfernung zum nächsten Verdichtungsraum

2. Ausbildungsniveaus der Erwerbstätigen

2. Kommunikation

2. Einwohnerdichte der Region

3. Erreichbare Bevölkerung in x Stunden Fahrzeit

3. Grad der Umweltbelastung

3. Forschung und Entwicklung

3.1 von Unternehmen

3.2 von öffentlichen Institutionen (Universitäten, Akademie der Wissenschaften)



4. Durchschnittliche Betriebsgröße

4. Aus- und Weiterbildung



5. Anteil der Selbständigen

5. Ver- und Entsorgung


[Seite der Druckausgabe: 8]

Drittens erhöht eine gut ausgebaute Infrastruktur die Effizienz der privaten Produktion und damit die regionale Attraktivität für Investoren. Bestimmend für die Güte der Infrastruktur sind Verkehr, Telekommunikation, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Aus- und Weiterbildungsstätten, verfügbare Gewerbeflächen sowie Einrichtungen zur Ver- und Entsorgung. Der vierte Standortfaktor ist die Siedlungsstruktur. Insbesondere ein attraktives Zentrum ist für eine Region bedeutsam, weil von ihm positive Effekte für die wirtschaftliche Entwicklung ausgehen. Die aufgrund der räumlichen Nähe zu Institutionen, Zulieferern, Arbeitskräften und Abnehmern auftretenden Kostenvorteile für Investoren erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsräumen.

Werden die einzelnen Standortfaktoren in den Wirtschaftsräumen bewertet, gelangt man zu Standortprofilen, die beispielhaft für die Kreisregion Suhl, d.h. die Zusammenfassung von Suhl-Stadt und Suhl-Land, aus der Abbildung 1 hervorgehen.

Nach links vom Normwert 100 abweichende Ausprägungen deuten auf eine Standortschwäche, nach rechts reichende Ausprägungen auf eine Standortstärke hin. Besonders negativ für den Wirtschaftsraum Suhl ist demnach die Entfernung zum nächsten Verdichtungsraum, das in unmittelbarer Nähe liegende geringe Absatzpotential, die Sektoralstruktur, die Höhe der Schwefeldioxidemissionen, die Verkehrsinfrastruktur und die Forschung in Betrieben. Standortstärken bestehen in einer zentralen Lage im vereinigten Deutschland, einer gesunden Mischung der Betriebsgrößen sowie in der Attraktivität des Zentrums.

Insbesondere der Verkehrsinfrastruktur kommt angesichts der zunehmenden just-in-time-Fertigung eine entscheidende Rolle zu. Abbildung 2 bringt die Güte der Verkehrsinfrastruktur im Bereich der Straße zum Ausdruck. Ein ähnliches Ergebnis ergibt sich, wenn die Berechnungen für die Schiene durchgeführt werden.

[Seite der Druckausgabe: 9]


[Seite der Druckausgabe: 10]


[Seite der Druckausgabe: 11]

Ausgemalte große Quadrate bezeichnen jeweils die Kreise, deren Erreichbarkeit sehr gut ist, während freigelassene große Quadrate auf eine sehr schlechte Verkehrsinfrastruktur hindeuten. Eine Massierung der am schlechtesten erreichbaren Kreise findet sich im südlichen Thüringen.

Anhand von Modellrechnungen läßt sich nun überprüfen, welche Regionen von den Verkehrsprojekten am meisten profitieren, die im Rahmen der Maßnahmen der Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" durchgeführt werden sollen. Abbildung 3 enthält das entsprechende Ergebnis in bezug auf den Ausbau der Autobahn A44, die derzeit vom Ruhrgebiet nach Kassel führt und deren Verlängerung bis nach Eisenach geplant ist.

Interessanterweise liegen die größten Nutznießer (weiße Quadrate) nicht direkt an der Strecke, sondern vor allem im südlichen Thüringen. Außerdem sind Ausstrahlungseffekte bis in das südwestliche Sachsen zu erwarten. Entsprechende Ergebnisse lassen sich auch für andere Verkehrsmaßnahmen ableiten, so daß jede Region sofort sehen kann, für welches Projekt sie streiten muß und welches ihre potentiellen politischen Verbündeten sind.

[Seite der Druckausgabe: 12]



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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