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[Seite der Druckausg.: 23 (Fortsetzung)]


4. Probleme der Umsetzung der Umweltpolitik in den neuen Bundesländern

Der katastrophale Zustand der Umwelt in der ehemaligen DDR ist allgemein bekannt. Um so wichtiger ist es, die Sanierung der Umwelt rasch zu beginnen und dafür die umweltpolitischen Vorschriften, wie sie in der Bundesrepublik entwickelt worden sind, in den neuen Bundesländern umzusetzen. Dafür ist nicht nur der Aufbau entsprechender Umwelt- und Genehmigungsbehörden erforderlich, sondern auch eine bereitwillige Mitarbeit der Unternehmen. Wie die Erfahrungen in Westdeutschland zeigen, von denen Prof. Ulrich Steger vom "Institut für Ökologie und Unternehmensführung" an der "European Business School" berichtete - ist eine solche Mitarbeit

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der Unternehmen allein dadurch schwierig, daß in Westdeutschland seit 1983 sehr viele Umweltvorschriften (ungefähr 2.000) erlassen worden sind. Auf der anderen Seite ist der Umweltschutz inzwischen ein Marktfaktor geworden: Die Käufer kaufen umweltbewußt. Daher ist es für die Unternehmen wichtig, sich mit dem Umweltproblem auseinanderzusetzen. Untersucht man nun, wie die Unternehmen mit dieser Problematik umgegangen sind, so zeigen sich deutliche Unterschiede, die vor allem auf normativen Vorentscheidungen beruhen.

Aufgrund seiner Erfahrungen hält Herr Steger die These für gerechtfertigt, daß die Fähigkeit zum Umgang mit dem Umweltproblem um so größer sei, je professioneller das Management arbeite. Außerdem setzt eine produktive und kreative Auseinandersetzung mit den Umweltproblemen eine entsprechende Organisation der Unternehmen voraus, es handelt sich nämlich um eine ausgesprochene Querschnittsaufgabe, die eine entsprechende Berücksichtigung in der Organisationsstruktur erfordert. Daher weisen erfolgreiche umweltorientierte Unternehmen ein Management mit hohem professionellem Standard auf. Sie sind zu Neuerungen bereit und haben die Fähigkeit, komplexe Instrumente der strategischen Unternehmensplanung und Organisationsentwicklung anzuwenden. Dabei ist es auch notwendig, den Umweltschutz in das Zielsystem der Unternehmung explizit aufzunehmen.

Wichtig wäre auch, daß die Manager von DDR-Unternehmen den Umweltschutz als gleichwertigen Teil des Modernisierungsprozesses bewußt annehmen und sich nicht eine (falsche) Priorität setzen: "Erst überleben, dann Umweltschutz". Diese normative und psychologische Orientierung prägt die Problemwahrnehmung und die Selektion von Informationen und damit die zur Entscheidung vorgelegten strategischen Optionen bis weit in die Umsetzung hinein. Sichtbares Engagement von Spitzenmanagern ist hier gefragt. Ohne diese Akzeptanz bleiben alle anderen Maßnahmen nur halb so wirksam.

Aber auch wenn diese Bedingungen erfüllt sind, erweist sich die Art der Umweltschutz-Gesetzgebung, wie wir sie in der Bundesrepublik haben, als kontraproduktiv, da sie aus sehr vielen Einzelvorschriften besteht. Diese lassen keine oder wenig Handlungsspiel-

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räume, sind damit für den Anwender demotivierend. Sie schaffen bürokratische Abläufe. Sie beziehen sich alle auf einzelne Punkte und bestärken damit eine Einzelpunktbetrachtung, statt daß man das Umweltproblem auf den gesamten Produktionskreislauf bezieht und damit die Gesamtzusammenhänge erkennt, und sie ist schließlich auf neue Sachanlagen fixiert statt auf Produkte, gibt also zu wenig Anreize, neue, umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln. Insgesamt ist die vorhandene Umweltschutzgesetzgebung hinderlich für Lernprozesse in den Organisationen, die zu einem Umgang mit der Umweltproblematik in den Unternehmen beitragen, der über das reine, widerwillige Erfüllen gesetzlicher Vorschriften hinausgeht.

Betrachtet man vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen die Aussichten der raschen und erfolgreichen Umweltpolitik in Ostdeutschland, so ist mit zwei gegenläufigen Tendenzen zu rechnen: Auf der einen Seite gibt es einen Gratiseffekt des Strukturwandels und der Anpassungskrise allein durch den Rückgang der Industrieproduktion, und dort insbesondere der Förderung und Verwendung von Braunkohle. Dieser bewirkt eine beachtliche Entlastung der Umwelt, die aber eigentlich nicht der Umweltpolitik zugerechnet werden kann. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß gerade die Umweltpolitik selbst die Sanierung der Umwelt eher verlangsamt als beschleunigt, denn die Unmasse einzelner Umweltvorschriften führt in Ostdeutschland zu einer absoluten Überforderung sowohl der (erst aufzubauenden) Umweltbehörden als auch der Unternehmen. Dies kann zu Verzögerungen bei den Genehmigungsverfahren für neue Anlagen führen, was dann die Einführung umweltverträglicher Produktionsweisen verzögert, weil eben - wegen der Fixierung der Vorschriften auf neue Anlagen - die alten Produktionsweisen fortgeführt werden können.

In dieser Situation ist der Hang zu perfekten Lösungen auch ökologisch problematisch. Erfolgsversprechender wäre es, in einer ersten Runde alle Umweltbelastungen sehr schnell zu beseitigen, die akute Gefahren für Gesundheit und irreversible Schäden bedeuten. Wie eine Studie, an der das Institut für Ökologie und Unternehmensführung mitgearbeitet hat, zeigt, sind dies vor allem die Bereiche Arbeitsschutz, Energieerzeugung und Abwasserbehandlung. Provisorische Lösungen sind hier besser als keine. Erst in einer zweiten Runde sind dann die Vorsorgemaßnahmen zu implementieren,

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die - administrativ viel schwieriger - Umweltbelastungen auf ein Niveau drücken, das die natürlichen Lebensgrundlagen auch dauerhaft nicht überlastet.

Unabhängig von der speziellen Situation in den neuen Bundesländern wäre es wünschenswert, daß in der Umweltpolitik die jetzt dominierenden administrativ-bürokratischen Regelungen durch mehr marktorientierte Instrumente ersetzt werden, die das eigene Interesse der Unternehmen am Umweltschutz stärken und den Betrieben Anreize geben, selber im Umweltschutz mit eigenen Lösungen aktiv und innovativ tätig zu werden. Demgegenüber haben Auflagen zwei gravierende Nachteile: a) Die Unternehmen haben keinen Anreiz, die Auflagen zu unterschreiten und dafür entsprechende neue Anlagen oder Verfahren zu entwickeln, b) Da verschärfte Auflagen - von Ausnahmen abgesehen - immer nur für neuerrichtete Anlagen gelten, haben die Unternehmen ein Interesse, technisch veraltete umweltbelastende Anlagen länger zu betreiben, als es ohne die Auflagen für neue Anlagen der Fall wäre. Beide Nachteile werden durch Regelungen vermieden, die zu einer finanziellen Belastung für alle verbleibenden Schadstoffemissionen führen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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