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TEILDOKUMENT:
Streiter, Georg (1884 - 1945 ?) Geboren am 14. Dezember 1884 in Berlin als Sohn eines Borsig'schen Metallarbeiters, evangelisch, verheiratet. Besuch der Volksschule in Berlin, anschließend Lehre in einer Textilwarenhandlung, später Bürogehilfe und Krankenpfleger im Dienste der Inneren Mission. Nebenbei Weiterbildung in theologischen, volkswirtschaftlichen und sprachlichen Kursen und der Königlichen Kunstschule in Berlin. Als Mitglied des "Evangelischen Jugendbundes für soziale Arbeit" zu Berlin gehörte Streiter zum inneren Kreis der Jugendlichen, die eine gewerkschaftliche Organisation des Krankenpflegepersonals auf christlicher Grundlage anstrebten. Bei der Konstituierung des "Gewerkvereins der Krankenpfleger, -Pflegerinnen und verwandter Berufe Deutschlands" wurde dem knapp Neunzehnjährigen am 18. Oktober 1903 die Geschäftsführung des Verbandes übertragen, der sogleich den Anschluß an den "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands" suchte. Im Oktober 1906 Mitglied des Gesamtausschusses des "Nationalen Arbeiterwahlausschusses" von über 100 evangelischen Gewerkschaftsbeamten und Arbeitersekretären, die der Christlichen-Sozialen Partei neue Arbeiterwählerschichten zuführen sollte. Verantwortlicher Redakteur des Verbandsblattes "Der Krankenpfleger" (ab November 1903). Auf dem 1. Delegiertentag am 13. Januar 1907 in Berlin (Mitgliederzahl 1907: 879) trat Carl Hintsche vom Posten des 1. Vorsitzenden zurück. Der "Gewerkverein", der bereits drei Vorsitzende "verbraucht" hatte, wählte Streiter in das Vorstandsamt. Als Schriftleiter, Geschäftsführer und Vorsitzender wurde er ab 1907 der erste besoldete Funktionär der Organisation, die den Namen "Deutscher Verband der Krankenpfleger und -Pflegerinnen" annahm. Auf dem 2. Delegiertentag am 7. März 1909 in Berlin erneute Wiederwahl zum Vorsitzenden. Bekenntnis zum "Streik im allgemeinen als gerechtfertigtes Mittel der Gewerkschaften [...] soweit das Volkswohl dabei nicht in Gefahr kommt". (Mitgliederzahl 1909: 1.409). Wiederwahl zum Vorsitzenden auf den weiteren Delegiertentagen (1913 in Nürnberg, 1919 in Berlin, 1922 in Würzburg). Der sog. "Streiter-Verband" verschrieb sich programmatisch vor allem der Reform der beruflichen Krankenpflege, die er mit gewerkschaftlichen Mitteln erzielen wollte. Der Verband konnte vor dem I. Weltkrieg, was die Organisation des Pflegepersonals anbelangte, die freigewerkschaftliche Konkurrenzorganisation übertreffen. Von 1904 bis 1920 war Streiter Delegierter auf allen Gewerkschaftskongressen des "Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands", wurde auf all diesen Kongressen in den Ausschuß des "Gesamtverbandes" gewählt. Setzte sich auf dem außerordentlichen Kongreß der christlichen Gewerkschaften im November 1912 im "Gewerkschaftsstreit" dezidiert für das Organisationsrecht christlicher, interkonfessioneller Gewerkschaften ein. Trat auf den Kongressen mit scharfen antisozialistischen Stellungsnahmen auf; propagierte seit 1906 die stärkere Einbeziehungen von Frauen in die christlichen Gewerkschaftsorganisationen. Streiter nahm während des Weltkrieges eine Fülle von Ämtern und Ehrenämtern ein: 1916/18 Leiter der Kriegsbeschädigtenfürsorge der christlich-nationalen Arbeiterbewegung, Mitglied des Brandenburgischen Landesbeirats der Kriegsbeschädigtenfürsorge, Mitglied des Beirates der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Krieg gefallenen, ferner fungierte er als Berufsberater der Stadt Berlin für den Krankenpflegebedarf. Streiter tat ferner als Mitglied des Zentralkomitees des Roten Kreuzes Dienst in der freiwilligen Krankenpflege in Belgien, Polen und der Türkei. Für seinen Dienst mehrfach ausgezeichnet: Eisernes Kreuz II. Klasse am weiß-schwarzen Bande, Preußisches Verdienstkreuz für Kriegshilfe, Preußische Rote-Kreuz-Medaille 2. und 3. Klasse, Österreichische Ehrenmedaille vom Roten Kreuz. Nach Kriegsende während der Demobilmachung Leiter einer Zentralauskunftstelle für Arbeitsvermittlung. Engagement für die Deutsche Volkspartei (DVP) an höchster Stelle: Mitbegründer und Zentralvorstandsmitglied der DVP, Mitglied ihrer Ausschüsse für Arbeiterfragen und Kommunalpolitik, Mitglied des Vorstandes und des geschäftsführenden Ausschusses des Wahlkreisverbandes Berlin. Redigierte zeitweise das Arbeiterblatt der DVP. Von Juni bis Juli 1920 Abgeordneter des Deutschen Reichstages auf dem Reichswahlvorschlag der DVP. Das Mandat wurde am 9. Juli 1920 durch den Reichswahlausschuß infolge Wahlwiederholung der Wahl in Polzin (Wahlkreis 6) für nichtig erklärt. Erneuter Einzug in den Reichstag auf dem Reichswahlvorschlag der DVP vom 7. März 1921 bis Mai 1924. Avancierte im Reichstag rasch zum gesundheitspolitischen Sprecher der DVP. Trug jeweils bei den Haushaltsberatungen die gesundheits- und sozialpolitischen Positionen seiner Partei vor. Machte auf Grund seiner Spezialkenntnisse bei Diskussionen zur Arbeitszeit in der Kranken- und Wohlfahrtspflege und bei parlamentarischen Auseinandersetzungen über die Sozialrenten der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen der SPD auf ihrem ureigensten Gebiet sehr zu schaffen. Pointierter Anhänger im Parlament für den Einsatz der Technischen Nothilfe. Mitglied des 6. Ausschusses des Reichstages (Sozialpolitischer Ausschuß) und Berichterstatter des Ausschusses in wichtigen sozialpolitischen Fragen. Landtagsabgeordneter in Preußen von 1926 bis 1928. Vom 20. März 1919 bis 1925 DVP-Stadtverordneter in Berlin. Zuständig für den Verwaltungsbereich IV (Prenzlauer Tor), als solcher Mitglied in der Deputation für das Gesundheitswesen, in der Deputation für Arbeit und Gewerbe, im Kuratorium der Dietrich-Thora-Stiftung. Nach 1918 engagierte Mitarbeit in politischen und sozialpolitischen protestantischen Gremien. Vorstandsmitglied des Evangelisch-Sozialen Kongresses, der Evangelisch sozialen Schule in Bethel und der Herder-Hochschule in Berlin. Teilnehmer an der "Allgemeinen Weltkonferenz für politisches Christentum" im August 1925 in Stockholm. Beiratsmitglied des in Stockholm konstituierten "Forschungsinstituts für die wirtschafts-ethischen Fragen". Herausgeber des Quellenbandes "Evangelisch-soziale Dokumente für die deutschen Arbeitnehmer. Von Bethel bis Stockholm". Berlin 1926. Nach der Novemberrevolution konnte der "Streiter-Verband" nur in geringen Maß vom Mitgliederzuwachs der Gewerkschaften profitieren (1919: 2.500 Mitglieder). Am 5. September 1920 beschloß der erweiterte Hauptvorstand eine Namensänderung in "Deutscher Verband für die berufliche Kranken- und Wohlfahrtspflege". Gleichzeitig trat die Organisation dem (christlichen) "Gesamtverband deutscher Beamtengewerkschaften" bei. Die von Streiter herausgegebene Gewerkschaftszeitung führte seither den Untertitel: "Zeitschrift für die gesamte berufliche Kranken-, Irren- und Wohlfahrtspflege und die wirtschaftlichen Interessen der Beamten und Angestellten in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, Universitäts- und Privatkliniken, Sanatorien, Kur-, Bade-, Massage- und Desinfektionsanstalten und im Fürsorge- und Erziehungswesen (einschließlich der Säuglings- und Kinderpflege)". Die Geldentwertung der frühen zwanziger Jahre bereiteten dem christlichen Krankenpflegeverband erhebliche Existenzsorgen. 1921 führten die christlich organisierten Krankenpfleger Fusionsgespräche mit dem "Zentralverband der Gemeindearbeiter und Straßenbahner", die von Streiter äußerst zurückhaltend bestritten wurden, hatte er doch bislang eine einheitliche Organisation von Krankenpflegern, Straßenbahnern, Gasarbeiter und Straßenkehrern stets bekämpft. Die Fusion mit den christlichen Gemeindearbeitern wurde auf dem 6. Delegiertentag am 4. und 5. September 1922 in Würzburg gebilligt und zum 1. November des gleichen Jahres vollzogen. Die Gemeindearbeiterorganisation nahm nach der Fusion die Bezeichnung "Zentralverband der Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe und Verwaltungen" an. Streiter wurde als hauptamtlicher Mitarbeiter übernommen und auf dem Verbandstag 1922 in Würzburg in den Vorstand des "Zentralverbandes" kooptiert. Streiter leitete künftig das christliche Krankenpflegepersonal als Fachgruppe und blieb für die "Deutsche Krankenpflege" redaktionell zuständig. Wiederwahl in den Vorstand auf dem 3. Verbandstag 1925 in Münster. Streiter konnte innerhalb der christlichen Gewerkschaftsbewegung auf eine reiche publizistische Arbeit zurückblicken. Seine Standardwerke "Der Krankenpflegeberuf - kein Durchgangs-, sondern ein Lebensberuf! Ein Weckruf". 3. u. 4. Aufl. Osterwieck 1925 und "Die wirtschaftliche und soziale Lage der beruflichen Krankenpflege in Deutschland". 2., verb. u. erg. Aufl. Jena 1924 wurden auch vom politischen Gegner wohlwollend registriert. Auf der Düsseldorfer Reichskonferenz am 4. September 1926 gab er sich noch als Theoretiker der christlichen Krankenpflege und präsentierte die "Grundzüge für ein Reichskrankenpflegegesetz". Mit der letzten Dezembernummer 1926 der "Deutschen Krankenpflege" gab Streiter die Schriftleitung ab und engagierte sich fortan im Deutschen Beamtenbund. Er hob 1927 die "Reichsarbeitsgemeinschaft des Krankenpflegepersonals im DBB" mit aus der Taufe und wurde deren geistiger Berater. In der "Rundschau für die deutsche Krankenpflege" entwickelte Streiter die wirtschaftsfriedliche Programmatik dieser von den christlichen Gewerkschaften abgesplitterten Organisation. Gleichzeitig präsidierte er der "Deutschen Gesellschaft für Krankenpflege", die sich der wissenschaftlichen Förderung der Krankenpflege durch Ausbildungs- und Fortbildungskurse zum Ziel gesetzt hatte. Hauptamtlicher Mitarbeiter des Roten Kreuzes. Als Vorstandsmitglied des Deutschen Roten Kreuzes am 15. Dezember 1934 in Danzig verhaftet. Am 1. November 1944 wurde der Nazi-Gegner Streiter erneut in seiner Dienststelle im Führungsstab des Deutschen Roten Kreuzes verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Im Frühjahr 1945 dort vermutlich erschossen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |