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Poersch, Bruno (1872 - 1929)

Geboren am 16. Januar 1872 in Korschen (Ostpreußen) als Sohn eines Lokomotivführers, protestantisch, verheiratet. Kam als Zweijähriger mit seinen Eltern nach Königsberg, wo er auch die Volksschule besuchte. Erlernte nach der Schulentlassung in Königsberg den Beruf eines Sattlers und Tapezierers, bestand am 5. Januar 1891 seine Gesellenprüfung. [1890] Mitglied des "Allgemeinen deutschen Sattlervereins" und der SPD. Ging als Geselle nach Berlin und arbeitete in der Hauptstadt von [1891] bis [1892] in seinem erlernten Beruf, tat sich in Berlin als sozialdemokratischer Agitator hervor. 1893 Rückkehr nach Königsberg. Der 1. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 14. bis 18. März 1892 in Halberstadt übertrug der Generalkommission der Gewerkschaften die Aufgabe, die Arbeiter der gewerkschaftlich zurückgebliebenen Regionen Deutschlands zu organisieren. Anfang 1893 wurden auf Veranlassung der Generalkommission in Danzig und Königsberg in öffentlichen Gewerkschaftsversammlungen aller Branchen Agitationskommissionen gewählt, die die Generalkommission finanziell unterstützte. Zum Mitglied der Königsberger Kommission gewählt. Gleichzeitig Mitarbeiter der sozialdemokratischen Königsberger "Volkszeitung". Bis Ende 1893 betrieb die Königsberger Kommission die gesamte gewerkschaftliche Agitation für Ost- und Westpreußen.

Poersch gelang es, einige lokal organisierte Gruppen für die Zentralverbände zu gewinnen (Maler) und darüber hinaus, einige der modernen Arbeiterbewegung bislang fernstehende Berufsgruppen für die Gewerkschaften zu rekrutieren (Kellner), wobei er gegen antigewerkschaftliche Ressentiments der örtlichen Sozialdemokratie zu kämpfen hatte. Arbeitete an der ersten umfänglichen Statistik zur Struktur der ost- und westpreußischen Gewerkschaftsbewegung mit. Seit 1893 Mitarbeiter am "Sozialpolitischen Centralblatt" (später: "Soziale Praxis. Centralblatt für Sozialpolitik. Zugleich Organ des Verbandes deutscher Gewerbegerichte"). In seinen gewerkschaftspolitischen und sozialpolitischen Ansichten deutlich von der englischen Gewerkschaftsbewegung beeinflußt. Anfang 1895 erneute Umsiedlung nach Berlin, trat als "Hilfsarbeiter" in den Dienst der Berliner Gewerkschaftskommission. Im Frühjahr 1895 zum Vorsitzenden der "Lohn- und Agitationskommission der Sattler Berlins und Umgebung" gewählt, die 1895 in 20 öffentlichen Versammlungen für die Ziele der Sattlergewerkschaft warb (ab 1894: "Verband der Sattler, Tapezierer und Berufsgenossen"). Poersch stellte die Agitation zunächst auf Verstöße gegen die Sonntagsarbeit ab und brachte 25 Übertretungen zur Anzeige. Im September 1895 versuchte die Kommission, die günstige Konjunktur unter den Militäreffekten-Arbeiter (Tornistersattler und Täschner) zu nutzen und durch Streiks entscheidende Lohnverbesserungen durchzusetzen. Die Berliner Streikbewegung der Militärsattler gestaltete sich höchst kompliziert, weil die staatlichen Militärbehörden den Kleinfabrikanten weit entgegenkamen. Mit seiner Mehrfachstrategie - Streikagitation, Petitionierung beim Kriegsministerium, Erhebung sozialstatistischen Materials für die sozialdemokratische Reichstagsfraktion - ging Poersch weit über die gängige Arbeitskampfpraxis der neunziger Jahre hinaus, ohne indes nennenswerte Streikerfolge zu erzielen.

Wiederwahl in die "Lohn- und Agitationskommission der Sattler Berlins und Umgebung" am 21. Februar 1896. Wiederwahl zum Vorsitzenden in der konstituierenden Sitzung. Am 21. Februar 1896 ebenfalls für die Berliner Sattler in die Berliner Gewerkschaftskommission gewählt. Im März 1896 Mitorganisator des Streiks in 14 Berliner Treibriemenfabriken, der trotz Hilfe des Einigungsamts des Gewerbegerichts nur als Teilerfolg endete. Wandte sich gegen weitere Streikaktionen der Berliner Sattler im Frühjahr 1896, da der Organisationsgrad zu schwach sei. Am 21. November 1896 beauftragte der Berliner Ortsvorstand der Sattlergewerkschaft eine Kommission - unter Federführung Bruno Poerschs - Entstehung und Entwicklung der Hausindustrie in der Berliner Militäreffekten-Fabrikation zu dokumentieren, um der SPD-Reichstagsfraktion Material bei der Diskussion des Militärhaushalts an die Hand zu geben. Redner und Agitator in zahlreichen Berliner Gewerkschaftsveranstaltungen. Am 18. September 1896 vor dem Berliner Landgericht wegen "öffentlicher Beleidigung durch die Presse" zu einer Geldstrafe verurteilt. Poerschs rhetorisches Talent, seine Erfolge im Umgang mit wenig gewerkschaftlich geschulten Arbeitern mag der Grund gewesen sein, daß ihn die Berliner Gewerkschaftskommission mit der Regelung des Arbeitskampfkonfliktes der Berliner Gasarbeiter betraute.

Ende März 1896 forderten die Betriebsarbeiter der Gasanstalten II (Gitschiner Straße) und IV (Danziger Straße), die achtzehnstündige sonntägliche Wechselschicht abzuschaffen. Erste Streikerfolge wurden am 11. September 1896 zunichte gemacht, als die Direktion die Arbeitszeitverkürzungen kassierte. Der Streik der Gasarbeiter der Danziger Straße war aus strukturellen Gründen von vornherein zum Scheitern verurteilt, mündete indes in der Gründung des ersten gewerkschaftlichen Zentralverbandes der Gemeindearbeiter. Poersch referierte am 26. September 1896 erstmals vor den Gasarbeitern und leitete den Streik an. Der gelernte Sattler - dezidierter Anhänger zentralorganisierter Gewerkschaften - half mit, den seit März 1896 in dieser Form bestehenden "Verein zur Wahrung der Interessen aller in Berlin und Umgebung auf Holz- und Kohlenplätzen, Bahnhöfen, Gasanstalten etc. beschäftigten Arbeiter und Kutscher" in eine Zentralorganisation umzuwandeln. Der Berliner Lokalverein löste sich auf. An seiner Stelle konstituierte sich am 4. Oktober 1896 in einer außerordentlichen Generalversammlung (später als 1. Verbandstag gezählt) der "Verband der Arbeiter in Gasanstalten, auf Holz- und Kohlenplätzen und sonstiger Arbeitsleute". Wahl Poerschs zum 1. Vorsitzenden. Am 15. Dezember 1896 legte Poersch die Probenummer der "Gewerkschaft. Organ für die Interessen der Arbeiter in städtischen Betrieben (Gasanstalten, Straßenreinigung, Kanalisations-Wasserwerke etc.) auf Holz- und Kohlenplätze und sonstige Arbeitsleute. Publikations-Organ des Verbandes der Arbeiter in Gasanstalten, auf Holz- und Kohlenplätzen und sonstigen Arbeitsleute" vor. Poersch besorgte Redaktion, Verlag und Expedition.

Bis zur 3. Generalversammlung vom 14. bis 18. April 1903 blieb "Die Gewerkschaft" im Besitz des Verbandsgründers. (Seit 1903: Redakteur Heinrich Bürger.) Von Januar 1897 bis zu seiner Festanstellung als Sekretär auf dem 2. Verbandstag vom 16. bis 17. April 1900 erhielt Poersch nur eine Aufwandsentschädigung und betrieb nebenbei ein Versicherungsbüro; bis 1902 war die Wohnung des jungen Vorsitzenden identisch mit dem Verbandsbüro. Dem organisationserfahrenen Ostpreußen schwebten von Anfang an eine Einheitsorganisation aller in kommunalen Diensten stehenden Arbeiter vor, drängte deshalb im August 1897 sanft die Arbeiter der Holz- und Kohlenplätze aus der Organisation, die sich dem "Zentralverband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands" anschlossen. Ohne Widerspruch setzte Poersch ab 15. September 1897 den neuen Verbandsnamen "Verband der Arbeiter in Gasanstalten und in anderen städtischen Betrieben" durch. Er war die vorwärtstreibende Kraft, die der jungen Organisation Leben einhauchte und in der instabilen Frühzeit nahezu alle organisatorischen Basisarbeiten übernahm.

Poersch nutzte das Verbandsblatt, um alle Kommunalarbeiter für die junge Organisation zu gewinnen. Im Oktober 1897 traten die ersten Berliner Kanalisationsarbeiter dem Verband bei, der 1898 neben den Gasarbeitern bereits Wasserwerker, Desinfektoren, Laternenanzünder, Markthallenarbeiter, Schlachthofarbeiter und die Arbeiter der Revierinspektoren der Gaswerke rekrutierte. Der Verbandsvorsitzende stimmte zunächst einer Organisation in eigenständigen Filialen zu, um die Identität der einzelnen Berufsgruppen zu stärken. Als Rückgrat der Berliner Organisation initiierte er ein ausgedehntes Vertrauensmännersystem, das die bislang als "unorganisierbar" geltenden Gemeindearbeiter fester an die Gewerkschaft band. Verfasser der Denkschrift "Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Ein zeitgemäßes Wort mit besonderer Berücksichtigung der Arbeitslosen-Unterstützung". Berlin 1897. Am 11. Oktober 1898 entschied sich die Versammlung aller Filialen für den Anschluß an die Berliner Gewerkschaftskommission, zum Mitglied wurde Bruno Poersch gewählt. Dem Anschluß an die Generalkommission der Gewerkschaften im gleichen Jahr stand der Einspruch des "Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands" entgegen, der Anspruch auf die Organisation der Gasarbeiter erhob.

Mit der Anerkennung von Poerschs Delegiertenmandat auf dem 3. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 8. bis 13. Mai 1899 in Frankfurt am Main wurde die junge Gewerkschaftsorganisation akzeptiert und offiziell am 1. Juli 1899 in die freie Gewerkschaftsbewegung aufgenommen. Künftig Delegierter auf dem 4. Kongreß (1902) und 5. Kongreß (1905) der Gewerkschaften Deutschlands. Rückzug vom Posten des Vorsitzenden von April 1899 bis zum 3. Verbandstag im April 1903, in dieser Zeit Funktionen als Sekretär und Redakteur. (Ehrenamtlicher Vorsitzender Robert Fiebig.) Autor eines "Streik- und Maßregelungs-Reglements" vom 7. Dezember 1896, das die Zustimmung der Zentrale zu Streiks festschrieb. Verfasser des Verbandsstatuts vom Februar 1899, welches nach erfolgter Urabstimmung den Verbandsnamen in "Verband der in Gemeindebetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten" änderte. Urheber des Verbandsprogramms, das auf dem 2. Verbandstag vom 16. bis 17. April 1900 in Berlin verabschiedet wurde.

Wahl zum 1. besoldeten Verbandsvorsitzenden auf der 3. Generalversammlung vom 14. bis 18. April 1903. Neben den hauptstädtischen Gemeindearbeitern bemühte sich Poersch um eine Ausdehnung der Organisation auf das ganze Reich. Nach ersten Organisationserfolgen in Königsberg, Erfurt, Mannheim, den Berliner Vororten, Magdeburg, Mainz und Pforzheim gelang es Poersch durch direkte Verhandlungen drei wichtige Stützpunkte für die zentralorganisierten Gemeindearbeiter zu gewinnen. Poersch entwickelte in den ersten Jahren seiner Organisationstätigkeit eine eigenständige Gewerkschaftstheorie und eigenständige sozialpolitische Vorstellungen, die er im eigenen Verbandsorgan, der "Sozialen Praxis", der "Neuen Zeit" und den "Sozialistischen Monatsheften" popularisierte. Poerschs Vorstellungen unterschieden sich deutlich von der herrschenden Gewerkschaftsmeinung, sie fanden Eingang in die programmatischen Dokumente seiner Gewerkschaft und lehnten sich eng an Positionen der englischen Gewerkvereinsbewegung an. Strebte eine umfassende Industrieorganisation auf der Basis einer Betriebsgrundlage an. Die gemeinsam in städtischen und staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten könnten ihre wirtschaftlichen Interessen gegenüber dem gemeinsamen Arbeitgeber nur durch eine gemeinsame Betriebsorganisation wahren. Den Vorstellungen einer Organisation in einzelnen Berufsgewerkschaften erteilte er eine entschiedene Absage. Streiks in lebenswichtigen kommunalen Betrieben sollten nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden. Öffentliche Petititionen, die Beschwerde, das Ausschöpfen der gesetzlichen Möglichkeiten der Gewerbeordnung und der Gewerbegerichte seien die Hauptwaffen einer Gewerkschaft in Gemeindebetrieben, wobei sich Poersch auf gleichgerichtete Einschätzungen sozialdemokratischer Kommunalpolitiker stützen konnte. Revolutionär war seine Forderung nach einem Soziallohn, der Dienstalter und Kinderzahl berücksichtigen sollte und im krassen Gegensatz zur Theorie des Leistungslohnes der großen Berufsgewerkschaften stand. Gleichzeitig verlangte Poersch den Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer und die Weiterzahlung des Lohnes im Krankheitsfalles für Arbeiter öffentlicher Betriebe. Abgerundet wurden seine gewerkschaftspolitischen Ideen mit der Forderung nach absoluter politischer und religiöser Neutralität der deutschen Gewerkschaften. Mit dem Erstarken des Gemeindearbeiterverbandes (1897: 924, 1900: 4.723, 1904: 13.726 buchmäßige Mitglieder) kollidierten Poersch und sein Verband mit der Generalkommission und anderen konkurrierenden Berufsgewerkschaften, wobei sich Grenzstreitigkeiten und taktisch-theoretische Fragen mischten.

Der Konflikt kumulierte nach einer Resolution, verabschiedet auf einer Konferenz des Vorstandes, des Ausschusses und der besoldeten Angestellten der Organisation, die für den "Verband der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten" das Recht in Anspruch nahmen, "die allein zuständige Organisation für die in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Personen zu sein". Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands antwortete am 11. Juli 1904 mit einem Ultimatum, gepaart mit Sanktionsdrohungen, von der verabschiedeten Resolution Abstand zu nehmen. Verurteilung des Gemeindearbeiterverbandes auf einer Konferenz der Vertreter der Zentralvorstände am 25. Oktober 1904 in Berlin. Weiterer Eklat nach einer an den "Hochwohllöblichen Magistrat und das Stadtverordneten-Kollegium zu Berlin" gerichteten Petition, in der Poersch die restriktive Streiktaktik begründete. Beschwerde der Generalkommission beim Verbandsausschuß im Oktober 1904 wegen der Streiktaktik des Verbandes. Der Ausschuß entschied partiell gegen den Verbandsvorsitzenden. Poersch zeigte 1905 deutliche Zeichen der Resignation, da auch innerhalb des Verbandes sich Stimmen gegen den Vorsitzenden mehrten, wobei Poerschs dominierender Führungsstil Angriffsflächen bot. Ab September 1905 meldete sich Poersch krank.

Am 8. Dezember 1905 suchte Poersch um seine Entlassung nach, dem der Verbandsvorstand und der Verbandsausschuß zum 1. Januar 1906 nachgaben. In seinem Abschiedsschreiben gab er der Hoffnung Ausdruck, eine kommende Einheitsgewerkschaft werde "wahre Neutralität in parteipolitischer und religiöser Hinsicht" üben. Der zurückgetretene Gewerkschaftsvorsitzende trat im Januar 1906 in Düsseldorf seine neue Stellung als Redakteur der "Westdeutschen Abendpost" an, für die der liberale Gewerkschaftsführer Anton Erkelenz verantwortlich zeichnete. Die Zeitung des 1901 ins Leben gerufenen "Rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes der deutschen Gewerkvereine" erschien seit Ende 1905 als Tageszeitung. Das ambitionierte Presseunternehmen brach Ende Mai 1906 zusammen. Poersch sanierte die Zeitung und gab als Geschäftsführer das Nachfolgeorgan "Westdeutsche Arbeiter-Post" als Wochenblatt heraus. Wahl in den Vorstand des Ausbreitungsverbandes im Mai 1906. Erarbeitete im Frühjahr 1906 das umfängliche Kommunalprogramm der liberalen Gewerkschaftsorganisation, das die Gemeinde als künftigen Träger der sozialen Reform mit weitreichenden Rechten beschrieb. Setzte im Verband ein Gutteil seiner alten Vorstellungen durch. ("Die Gewerkvereine stehen in religiöser Beziehung auf neutralem Boden, d. h. sie mischen sich grundsätzlich nicht in die Streitigkeiten bezüglich der Konfession und der religiösen Anschauung ein.") In der Denkschrift "Die Gewerkvereine und das Unternehmertum. Ein Beitrag zur Frage 'Hamonie oder Interessengegensatz'". Düsseldorf 1906, beschrieb Poersch den Streik für die liberalen Gewerkschaften als "unbedingt notwendiges Mittel", um die Arbeitgeber der Privatindustrie zum Einlenken zu bewegen.

Am 9. September 1906 auf dem 7. rheinischen Bezirkstag des "Vereins der Deutschen Kaufleute. Unabhängige Organisation für Handlungsgehilfen und Gehilfinnen" zum Bezirksleiter bestimmt. Poersch übernahm im April 1907 die Redaktion der "Westdeutschen Arbeiter-Post", da Erkelenz ein Hochschulstudium absolvierte (ab Juni 1907: "Düsseldorfer Post. Wochenblatt für soziale Politik und nationale Kultur"). Redigierte das Blatt im Sinne eines "sozialen Liberalismus". Wiederwahl in den Vorstand auf dem 9. Delegiertentag des "Rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes der Deutschen Gewerkvereine" am 2. Mai 1907. Erlitt indes als Kandidat der Gewerkvereine bei den Reichstagswahlen am 25. Januar 1907 Schiffbruch. Konnte im Wahlkreis Mülheim an der Ruhr/Stadt Duisburg nur 588 von 93.077 abgegebenen Stimmen erringen. Schied am 1. Oktober 1907 als Redakteur der "Düsseldorfer Post" aus und legte auch alle Gewerkschaftsämter nieder. Übernahm das Sekretariat der "Sozialliberalen Vereinigung von Rheinland und Westfalen (Zweigverein der Freisinnigen Vereinigung)".

Im Juli 1908 folgte Poersch dem Ruf des linksliberalen Besitzers und Herausgebers der "Hessischen Landeszeitung", Hellmut v. Gerlach, nach Marburg als Redakteur (als Nachfolger Otto Nuschkes). 1912 verlor Gerlach sein Marburger Reichstagsmandat. Hauptamtliche Anstellung 1912 als Sekretär der Deutschen Fortschrittspartei für Kurhessen und Waldeck, gleichzeitig Geschäftsführer des Marburger Arbeiter-Bau- und Sparvereins. In einer Ergänzungswahl am 8. November 1911 zum Marburger Stadtverordneten gewählt. Schied nach der Wahl zum unbesoldeten Magistratsmitglied am 1. April 1916 als Stadtverordneter aus. Vom 1. September 1916 an zum Kriegsdienst eingezogen; eine Freistellung wegen seiner Tätigkeit im Magistrat lehnte die Reichswehr ab. Kehrte im Winter 1917/1918 zum Garnisonsdienst nach Marburg zurück. Nach der Novemberrevolution Wahl zum Vorsitzenden des Marburger Arbeiter- und Soldatenrates, stieg zur beherrschenden Persönlichkeit des Gremiums auf. Poersch verteidigte zunächst die Rätepolitik der Regierung Ebert-Scheidemann. Räte hatten für ihn bis zur Wahl der Nationalversammlung nur eine vorübergehende Ordnungsfunktion zu erfüllen. Poersch wies alle Versuche von "Arbeitsstörungen" zurück, denn sie brächten Deutschland an den Rand des wirtschaftlichen Ruins.

Machte zu Beginn des Jahres 1919 als Vorsitzender des Arbeiter-, und Soldatenrates angesichts der "Reaktion und Gegenrevolution auf dem Marsche" einen deutlichen "Linksruck" durch. Auf der Konferenz der Arbeiter- Bauern- und Soldatenräte (ABuS-Räte) des Regierungsbezirks Kassel am 14. Februar 1919 stand er der Auflösung der Räte skeptisch gegenüber. Das gleiche Gremium akzeptierte am 8. März 1919 eine Resolution des Marburger Vorsitzenden, Räte als kommunale Kontrollinstanzen bestehen zu lassen. Noch im Juni des gleichen Jahres verteidigte Poersch das Kontrollrecht der Räte, obgleich sie politisch schon entmachtet waren. 1919 kehrte Poersch zur SPD zurück und wirkte fortan bis zu seinem Tod als sozialdemokratisches Magistratsmitglied. 1920 Rückkehr zum "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" (neuer Verbandsname ab 1906), seiner ureigensten Verbandsgründung. Seit 1920 arbeitete Poersch als Bürovorsteher beim Aufbau des kommunalen Marburger Arbeitsnachweises mit. 1922 einer der Wortführer der zentralen Marburger Streikversammlung zur Abwehr der Kapp-Putsches. Von 1924 bis zu seinem Tode Leiter des Kreisarbeitsamtes in Marburg. Bruno Poersch starb - von seiner Gewerkschaft als Verbandsgründer hoch geachtet - am 12. März 1929 in Marburg.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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