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Freese, Richard (1885 - 1960)

Geboren am 19. März 1885 in Cröslin, Schiffsingenieur. Mitglied des 1893 begründeten "Zentralverbandes der deutschen Seemaschinisten" (seit 1904: "Verband technischer Schiffsoffiziere". Der Verband war föderalistisch organisiert, die acht örtlichen Verwaltungen regelten Geschäfte und Beiträge nach eigenen Satzungen. Versuche einer Zentralisierung mündeten 1911 in Hamburg in einer Absplitterung vom örtlichen Bezirksverein. Die Abspaltung konstituierte sich als eigene Organisation ("Verband technischer Schiffsoffiziere"), während Freese in Hamburg als Minderheitler der alten Organisation treu blieb. Im Weltkrieg in Cadiz (Spanien) interniert. Warb im Verbandsorgan "Schiffsingenieur" unter dem Pseudonym "Omega" für eine Wiedervereinigung beider Bruderverbände. [1918] Rückkehr nach Deutschland.

Wahl zum Vorsitzenden der Hamburger Ortsgruppe. Unterstützte im Juni 1919 den Zusammenschluß des "Verbandes deutscher Schiffsingenieure" und des "Verbandes technischer Schiffsoffiziere" zum "Verband deutscher Schiffsingenieure und Seemaschinisten". Delegierter auf dem außerordentlichen Verbandstag vom 5. bis 6. August 1920 in Hamburg, der die freigewerkschaftliche Orientierung der Ingenieursorganisation programmatisch festschrieb. Freese blieb mit seinem Votum eines Anschlusses an den "Zentralverband der Maschinisten und Heizer sowie Berufsgenossen Deutschlands" in der Minderheit, während die

Majorität für eine eigenständige freigewerkschaftliche Angestelltenorganisation plädierte. Seit 1. Oktober 1920 als hauptamtlicher Leiter der Hamburger Ortsgruppe angestellt. Unter Freeses Vorsitz entwickelte sich die Hamburger Ortsgruppe - meist von jüngeren Mitgliedern dominiert - zur stärksten lokalen Organisation des Verbandes. (1920: 1.200 Mitglieder, 1924: 2.651 Mitglieder.) Auf dem außerordentlichen Verbandstag vom 28. bis 29. Mai 1921 in Hamburg als Beisitzer in den Vorstand gewählt. Sprecher einer Mehrheitsfraktion, die den freigewerkschaftlichen Gedanken der Organisation stärker betonte und endgültig die Zentralisation der Organisation durchsetzte (Streichung des "e.V."). Delegierter auf dem 1. Gewerkschaftskongreß des Allgemeinen freien Angestelltenbundes (AfA-Bundes) vom 2. bis 3. Oktober 1921. Innerhalb des Verbandes zeichnete Freese künftig für die Tarif- und Sozialpolitik verantwortlich. Versuchte die überkommene Seemannsordnung durch einen verbesserten Manteltarifvertrag aufzuweichen.

War maßgeblich am ersten Arbeitskampf der Schiffsingenieure im Juni 1922 beteiligt, der entscheidende Verbesserungen brachte (Regelung der Arbeitszeit der Schiffsingenieure auf der Grundlage der sechsmal Achtstundenwache, Gewährung von Freizeit in deutschen Häfen zum Ausgleich für notwendige Mehrarbeit, Ausdehnung des Dreiwachensystems). Die Entwürfe Freeses des Jahres 1922 zur Revision der Seemannsordnung, die er als Delegierter seiner Organisation in die Verhandlungen vor dem Seefahrtsausschuß einbrachte, blieben indes Makulatur. Wahl zum 2. Vorsitzenden seiner Organisation auf dem 15. ordentlichen Verbandstag vom 17. bis 18. Juni 1923 in Hamburg. Obsiegte in einer Kampfabstimmung auf dem 16. ordentlichen Verbandstag vom 1. bis 3. August 1925 in Hamburg knapp mit 13 : 12 Delegiertenstimmen gegen den amtierenden Vorsitzenden Hermann Warnecke, nachdem Freese nachdrücklich seine Nähe zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands betont hatte. Der Verbandstag erhob gleichzeitig Freeses Programmentwurf zum verbindlichen Dokument. (Neuer Verbandsname: "Verband deutscher Schiffsingenieure"). Der neue Vorsitzende setzte im Verband entscheidende Strukturreformen durch und vertrat seine Organisation in diversen Gremien, wobei seine enge Anlehnung an den Afa-Bund ihm viel Rückenwind brachte. Reformierte unmittelbar nach Amtsantritt die Verbandspresse, indem er den redaktionellen vom technischen Teil trennte und für den Berufsnachwuchs eine eigene Beilage einführte ("Der Assistent im Bordbetrieb"). Übernahm von seinem Vorgänger das stellvertretende Vorstandsamt im "Aktionsausschuß seemännischer Berufsverbände". 1922 Teilnehmer als Afa-Vertreter auf den Sitzungen des ADGB-Bundesausschusses. Auf dem 1. Jahreskongreß der "Internationalen Vereinigung von Schiffsoffizieren der Handelsmarine" vom 1. bis 3. Juni 1926 in Genf als Beisitzer in den Vorstand gewählt.

Seit 1927 Mitglied im Fachausschuß der Reichsregierung für das Schiffsingenieur- und Seemaschinisten-Schulwesen, im gleichen Jahr Vorstandsmitglied des Seewasserbeirates, dem Vertreter der Seeschiffahrt, des Handels, der Industrie, Großverfrachter, Arbeitnehmerverbände, die Hafenverwaltungen und die Deutsche Reichsbahngesellschaft angehörten. Initiator einer besonderen Spareinrichtung des Verbandes - "Seetreuhand GmbH" - , die auch von anderen Berufsorganisationen getragen wurde. 1928 Wahl Freeses zum Treuhänder. Einstimmige Wiederwahl zum Vorsitzenden auf allen Verbandstagen bis zum Ende der Weimarer Republik. Referat Freeses "Angestelltenrecht der Seeleute" auf dem 3. Kongreß des AfA-Bundes vom 1. bis 4. Oktober 1928 in Hamburg, dem Freese mit seiner Organisation sein Gepräge gab. Mit Hilfe des Afa-Bundes und des Reichswirtschaftsrates als Vertreter seiner Organisation in den Senat für Berufskrankheiten beim Reichsversicherungsamt delegiert. Als Höhepunkt seiner sozialpolitischen Aktivitäten sah Freese die Einführung einer Alters- und Invaliditätsunterstützung im "Verband Deutscher Schiffsingenieure" zum 1. Januar 1930 an. Während der Wirtschaftskrise konnten die tarifpolitischen Forderungen des Verbandes nur mühselig verteidigt werden (1930: 5.500 Mitglieder, d.h. 80% der Berufsgenossen). Freese bemühte sich publizistisch verzweifelt darum, daß die eigenen Mitglieder nicht unter Tarif arbeiteten. Am 7. Februar 1933 für den erkrankten Franz Köhler zum Vorsitzenden des "Aktionsausschusses seemännischer Berufsverbände" gewählt.

Wurde am 3. April 1933 gezwungen, das neue Amt abzugeben. Letzte Versuche Freeses, durch Austritt aus dem AfA-Bund auf dem 21. Verbandstag am 23. April 1933 in Hamburg die Organisation zu retten, waren zum Scheitern verurteilt. Erzwungener Rücktritt von seinem Verbandsposten nach der Gleichschaltung im Mai 1933. Am 16. Mai protestierte noch die Ortsgruppe Bremerhaven gegen die Absetzung Freeses in ungewöhnlich deutlicher Sprache ("Mißgriff"). Arbeitete ab 1935 als selbständiger Autohändler, nach dem Kriege Inhaber eines Speditionsgeschäftes ("Fernverkehr"). Richard Freese starb am 15. Oktober 1960 in Hamburg.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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