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TEILDOKUMENT:
Etzkorn, Friedrich (1874 - 1946) Geboren am 13. April 1874 in Kaiserslautern als Sohn eines Schneiders, verheiratet, katholisch, später Dissident. Friedrich Etzkorn war das älteste von sieben Kindern. Erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Friseurs und Barbiers. Ging nach beendeter Lehrzeit ins Rhein-Main-Gebiet als Geselle. Trat am 15. August 1892 in Hanau dem "Verband deutscher Barbiere, Friseure und Perückenmacher" bei, der 1889 als "Verband der Barbier-, Friseur-und Perückenmachergehilfen" gegründet war und sich im wesentlichen als eine Bewegung zugunsten der Sonntagsruhe verstand. Ging 1893 nach Pforzheim, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Im Frühjahr 1893 Begründer eines Zweigvereins seiner Gewerkschaft in der Goldschmiedestadt, Entlassung durch seinen Meister wegen gewerkschaftlicher Aktivität. Fand im Frühjahr 1893 in Mannheim neue Arbeit. Wanderte nach erneuter Stellungslosigkeit ins Rheinland, ging ab Januar 1894 in der Kölner Altstadt seinem Beruf nach. Wegen gewerkschaftlichen Engagements erneut entlassen. Trat Ende April 1895 in Düsseldorf eine neue Stelle an, wegen Teilnahme an der lokalen Maifeier wiederum gemaßregelt. Rückkehr als Friseurgehilfe nach Frankfurt am Main, Mitglied der SPD und Berichterstatter der Frankfurter "Volksstimme". Der 4. Kongreß des "Verbandes deutscher Barbiere, Friseure und Perückenmachergehilfen" hatte die Erarbeitung einer Denkschrift über die Lage der Gehilfen im Friseurgewerbe beschlossen. Neben Max Quarck und Carl Legien Mitverfasser der Enquête, die am 5. März 1895 den gesetzgebenden Körperschaften eingereicht wurde. Paßte die Denkschrift zusammen mit Carl Legien nach Einführung der gesetzlichen Sonntagsruhe am 1. April 1895 den neuen Verhältnissen an. Delegierter für Frankfurt am Main und Pforzheim auf dem 5. Verbandstag vom 16. bis 18. März 1896 in der Mainmetropole. Die Einführung der Sonntagsruhe hatte die Bereitschaft zur gewerkschaftlichen Organisation gemindert (1896: 500 Mitglieder in 24 Zweigvereinen). Hamburg gab nach innerorganisatorischen Streitigkeiten den Verbandssitz ab, zum neuen Vorsitzenden wurde Carl Wesche aus Braunschweig gewählt. Die Delegierten übertrugen dem gewandten Schriftsteller Etzkorn ehrenamtlich das Amt des Redakteurs der "Barbier- und Friseur-Zeitung" (später: "Friseurgehilfen-Zeitung"). Das Verbandsblatt sollte auf Wunsch des Verbandstages von Berlin aus redigiert werden. Am 8. August 1896 traf Etzkorn von Frankfurt kommend in Berlin ein und fand im Friseurgeschäft des späteren Reichstagsabgeordneten Franz Starosson Arbeit. Als bekannter Agitator sofort von der Berliner Polizei beschattet. ("Seine Weiterbeobachtung dürfte sich empfehlen.") Die Trennung von Verbandsvorstand und Redaktion bewährte sich jedoch nicht: bereits im Dezember 1896 verließ Etzkorn die Hauptstadt und siedelte nach Braunschweig über, während Druck und Expedition des Blattes in Berlin bei der dortigen Organisation verblieben. In Braunschweig blieben Kontroversen mit dem neuen unerfahrenen Vorsitzenden nicht aus. Unter Wesches Vorsitz begann der Niedergang der Organisation, die 1898 finanziell vor einem Scherbenhaufen stand, während die Verbandszeitung auf einem hohen fachlichen Niveau redigiert wurde. [1897] Rückkehr nach Pforzheim. Von 1898 bis 1899 stellvertretender Vertrauensmann der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Pforzheim. Nach schweren Auseinandersetzungen über den Kurs der Friseurgehilfenorganisation nutzte Wesche Konflikte Etzkorns mit dem Pforzheimer Zweigverein im März 1899 zum Ausschluß aus dem Verband. Wiederaufnahme in den "Verband deutscher Barbiere, Friseure und Perückenmacher" durch den Stuttgarter Zweigverein, den Wesche künftig außerhalb der Organisation stellte. Im Frühjahr 1900 setzten oppositionelle Braunschweiger Vorstandsmitglieder im Verband eine Urabstimmung zur Abwahl Wesches erfolgreich durch. Stuttgarter Delegierter auf dem 6. Verbandstag vom 7. bis 9. August 1900 zu München. Einstimmige Rücknahme des Ausschlusses. Auf Anraten der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands setzten die organisierten Friseurgehilfen auf dem Münchner Verbandstag einen besoldeten Vorsitzenden und Redakteur ein. Nach unentschiedener Kampfabstimmung fiel das Los auf Friedrich Etzkorn. Damit gehörte Etzkorn bei Amtsantritt zur Gruppe der Gewerkschaftsvorsitzenden, die im "jugendlichen" Alter von unter 30 Jahren an die Spitze ihrer Organisation gelangten, und deren anders geartete politische Erfahrungswelt sich deutlich von den Gewerkschaftsführern der "ersten Stunde" unterschied. Übersiedlung nach Hamburg, da der Verbandstag den Sitz der Zentrale in die Hansestadt zurück verlegte. Der neue Vorsitzende konnte ganze 300 Mitglieder mustern. Seinem Einsatz war es nach dem 6. Verbandstag zu danken, daß die Berliner Kollegen eine geplante Absplitterung hin zum Lokalverband rückgängig machten und eine rheinisch-westfälische Absplitterung mit Hilfe des Kölner Gewerkschaftskartells vereitelt wurde. Etzkorn tat in den kommenden Jahren viel, um als Redakteur die Lehrlingszüchterei und Schmutzkonkurrenz zu bekämpfen. Sein Name stand für den Aufschwung eines mißachteten Berufsstandes hin zum geachteten Lehrberuf. Wiederwahl zum Vorsitzenden auf allen Verbandstagen bis 1919. Der 7. Verbandstag vom 24. bis 26. März 1903 in Mannheim änderte den Verbandsnamen auf Wunsch ausländischer Kollegen in "Verband der Friseurgehilfen Deutschlands" und beschloß auf Anregung Etzkorns weitere Unterstützungsmaßnahmen. Unterlag in Mannheim bei seinem Versuch, den Sitz des Verbandes nach Berlin zu verlegen. Seit 1. April 1901 gab Etzkorn das Verbandsorgan zweimal monatlich heraus. Von 1901 an Delegierter seiner Organisation im Hamburger Gewerkschaftskartell, suchte in diesem Gremium lohnpolitische Forderungen seiner Kollegen in der Hansestadt mit Unterstützung der übrigen Gewerkschaften durch das "klassische" Mittel des Boykotts durchzusetzen. Machte sich im Hamburger "Gewerkschaftsparlament" vor allem für die Interessen der Arbeiterbildungsvereine stark. Der Pfälzer stand im Richtungsstreit innerhalb der Sozialdemokratie auf dem linken Flügel; sah nach dem Sieg der Parteilinken auf dem SPD-Parteitag in Jena im September 1905 auch für die deutschen Gewerkschaften die Gefahr gebannt, "in die Bahnen der englischen Gewerkschaftsbewegung abzugleiten". Endgültige Sitzverlegung seiner Gewerkschaft nach Berlin nach dem 9. Verbandstag vom 12. bis 14. November 1907 zu Berlin. Erwarb am 29. November 1909 die preußische Staatsangehörigkeit. Teilnehmer auf dem 5. (1905) bis 10. Kongreß (1919) der Gewerkschaften Deutschlands. Etzkorn vertrat auf den Kongressen 1905 869 Mitglieder, 1914 2.500 Mitglieder, sein Verbandsorgan erschien bis zum August 1914 mit einer Auflage von 4.000 Exemplaren. Im Anschluß an den Internationalen Sozialisten- und Arbeiterkongreß wurde in Stuttgart vom 26. bis 27. August 1907 die "Internationale Friseurgehilfen-Union" begründet. Wahl Etzkorns zum Internationalen Sekretär. Wiederwahl in Zürich 1911, in Reichenberg 1921, in Wien 1924, in Paris 1927, in Kopenhagen 1930 und in Dresden 1932. Auf dem 11. Verbandstag vom 29. bis 31. Mai 1912 in Berlin erhielt Etzkorn bei den Vorstandswahlen nur die relative Mehrheit der Delegiertenstimmen (8 Ja-Stimmen, 9 Enthaltungen). Einige Delegierte warfen ihm eine Vernachlässigung der Agitation in Süddeutschland und eine zu harte Gangart mit innergewerkschaftlichen Kontrahenten vor. Erst nach Umstrukturierung des Verbandes (der Vorsitzende erhielt einen Stellvertreter an die Seite gestellt) wurde Etzkorn mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt. Nach Kriegsausbruch ging der kleine Berufsverband schweren Zeiten entgegen. Teilnehmer auf den Vorständekonferenzen der Freien Gewerkschaften von 1914 bis 1921. Suchte zu Beginn des Jahres 1915 in dieser Eigenschaft viel von den tarifvertraglichen Errungenschaften der Vorkriegszeit bei der Neustrukturierung des staatlichen Arbeitsnachweises zu retten. Am 2. August 1915 war der Verband gezwungen, das zentrale Büro aufzugeben und für die Dauer des Krieges das Büro des Berliner Zweigvereins zu beziehen. Ende September 1915 mußten alle besoldeten Funktionäre des Verbandes entlassen werden. Etzkorn fand ab März 1916 bei der Generalkommission als Sachbearbeiter für die Sammlung und Bearbeitung der Materialien der Kriegsbeschädigtenfürsorge ein Auskommen (Jahresgehalt 1917: 3.700 Mark). Suchte die Vorständekonferenz der Freien Gewerkschaften für eine breitere Unterstützung des Reichsausschusses für Kriegsbeschädigtenfürsorge zu gewinnen. Seine Kriegsrekrutierung konnte der Verband im Oktober 1915 verhindern. Trat nach der Novemberrevolution wieder in das Verbandsbüro ein. Wiederwahl zum Vorsitzenden auf dem 13. Verbandstag vom 9. bis 13. Juni 1919 in Stuttgart, der den Verbandsnamen in "Arbeitnehmerverband des Friseur- und Haargewerbes" änderte. Rücktritt vom Verbandsvorsitz und Redakteursposten auf dem 14. Verbandstag vom 23. bis 26. Mai 1921 in Breslau, nachdem er am 1. Mai 1921 beim "Vorwärts" in Berlin eine hauptamtliche Stelle als Gewerkschaftsredakteur angetreten hatte. Blieb der organisierten Friseurgehilfenbewegung indes erhalten. Weiterhin Mitarbeit im Verbandsorgan (Pseudonym Fritz Korn), behielt ebenfalls die Stellung als Internationaler Sekretär seines Berufssekretariats. Nach dem Breslauer Verbandstag Wahl Etzkorns zum ehrenamtlichen Vorstandsmitglied durch den Berliner Zweigverein, fungierte bis zum Zusammenschluß mit dem "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" als ehrenamtlicher 2. Vorsitzender (1928: 4.242 Mitglieder, darunter 505 Frauen). Nach den Vereinbarungen über den Anschluß des "Arbeitnehmerverbandes des Friseur- und Haargewerbes" an die gewerkschaftliche Großorganisation des Öffentlichen Dienstes zum 1. Januar 1932, nahm Etzkorn einen Platz als ehrenamtlicher Vorsitzender in der Reichsgruppenleitung ein. Ende März 1933 aus der Redaktion fristlos entlassen, längere Zeit in Berlin arbeitslos, fand erst 1938 als Registrator in einem Berliner Betrieb Anstellung. Friedrich Etzkorn lebte 1943 in Berlin-Britz. 1945 erneuter Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Er starb am 14. Januar 1946 in Berlin. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |