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Bürger, Christian-Heinrich (1867 - 1910)

Geboren am 16. Januar 1867 in Paderborn als unhehelicher Sohn der Köchin Johanne Wilhelmine Voltmann, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Die Mutter verlor nach der Geburt ihre Stellung und siedelte zu ihrer Schwester nach Leer über, die in Ostfriesland ebenfalls als Köchin arbeitete. Am 17. März 1868 Geburt eines weiteren unehelichen Kindes. Erneuter Verlust des Arbeitsplatzes der Mutter. Noch vor der Taufe des zweiten Kindes Umzug mit beiden Kindern nach Bremen zu ihrem Bruder. Johanne Wilhelmine Voltmann heiratete 1876 den Magdeburger Hotelier Carl Bürger aus Schlesien. Adoption des ältesten unehelichen Kindes am 11. Dezember 1876. Der Stiefvater besaß seit 1872 das Hotel "London". Im April 1878 Verkauf des Hotels und Umzug nach Dresden. Erwerb des Hotels "Preußischer Hof". In der sächsischen Hauptstadt ließ der Hotelier Bürger seinen ältesten Stiefsohn die Realschule besuchen. [1883] Beendigung der Schulzeit und Lehre als Handlungsgehilfe in einem Kolonialwarengeschäft. 1883 brach das elterliche Geschäft finanziell zusammen; die Mutter verdiente als Schankwirtin das Geld für die Familie (zwei weitere Kinder aus der Ehe mit Carl Bürger). Die Eltern verließen um 1886 Dresden und bauten sich in Leipzig eine neue Existenz auf. In Dresden kam der angehende Kaufmannsgehilfe mit der sozialistischen Ideenwelt der Arbeiterbewegung in Berührung. Besuch eines Arbeiterbildungsvereins.

Im September 1886 siedelte Heinrich Bürger - so sein Rufname - nach Hamburg über. In der Hansestadt suchte er zunächst wiederum in der Kolonialwarenbranche als Handlungsgehilfe ("Commis") Tritt zu fassen. Beteiligte sich an der Gründung eines "Vereins der Kolonialwarengehilfen", der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die elenden Arbeitsverhältnisse in der Branche zu lenken suchte. Der Vereinsgründung war jedoch nur ein kurzes Leben beschieden. Mehrfacher Wechsel der Arbeitsstelle. Bei der Post wegen sozialistischer Agitation entlassen. [1888] Hilfsarbeiter am Staatskai im Hamburger Hafen. Im August 1889 Umzug auf das Gelände des Eppendorfer Krankenhauses; lernte dort als Wärter die lebensfeindliche Behandlung der Kranken und die völlig mangelhafte Ausbildung des Pflegepersonals kennen. Bürger tendierte in Hamburg zur linken Opposition in der Arbeiterbewegung, die zum Anarchismus neigte. Lehnte indes individualterroristische Gewaltakte scharf ab, sympathisierte mit der Gedankenwelt der anarchistischen Zeitschrift "Sozialist". Sein politisches Weltbild bestimmte jedoch die Ideenwelt der mostschen Zeitschrift "Freiheit". Bürgers Sozialismusvorstellungen im ökonomischen Bereich: Transformation der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch Selbsthilfeeinrichtungen und Genossenschaften. Seine politische Philosophie: radikale individuelle Freiheitsrechte, Abschaffung jedweder Herrschaft von Menschen über Menschen. Mitglied des anarchistischen Lese- und Diskutierclubs "Liberal" und des Sparclubs "Hilfe" sowie im "Freidenker Jugendclub zu Hamburg". Bürger bezeichnete sich selbst bis 1894 als Anarchist auf individueller Grundlage. Der junge Handlungsgehilfe hatte sich als Autodidakt eine umfassende Bildung erworben und beherrschte den gesamten Kanon der historisch-materialistischen Weltanschauung. Seine charismatische Ausstrahlung und sein mutiges Auftreten machten ihn schnell zum beliebten Agitator. Arbeitete seit [1891] als Stationsgehilfe bei der Eisenbahn.

Im Januar 1893 nach mehreren Hausdurchsuchungen wegen sozialistischer Agitation entlassen. Bürger blieb der Eisenbahnerbewegung eng verbunden und dokumentierte in der Folgezeit mehrfach publizistisch die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen, wobei der entlassene Stationsgehilfe neben den "lebensgefährlichen" täglichen Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden die politischen Repressionen und die grassierende "Streberseuche" im Beamtenapparat geißelte. Seit Februar 1893 Anstellung im Büro der Tabakarbeitergenossenschaft. Ab Frühjahr 1893 deutliche Annäherungen an die organisierte Sozialdemokratie. [Um 1895] Mitglied der SPD. Als "Commis" bei der Tabakarbeitergenossenschaft einer der treibenden Kräfte der freigewerkschaftlichen Handlungsgehilfenbewegung der Hansestadt. Mitglied der am 4. Februar 1892 ins Leben gerufenen Lokalorganisation "'Vorwärts', Verein für Handlungsgehilfen" (1895: ca. 50 Mitglieder). Bürger nutzte die Versammlungen des Vereins als Plattform seiner politischen Ideen. Lehnte die enge Verbindung von Partei und "Verein" ab und propagierte stattdessen die generelle Unabhängigkeit von Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Am 3. März 1893 ins Hamburger Gewerkschaftskartell delegiert, in dem er als Schriftführer in der Kartellkommission (= Gewerkschaftsvorstand ) ab März 1894 alsbald zu einem der dominierenden Gewerkschafter aufsteigen sollte. Bis zum 13. März 1896 und vom 3. März 1897 bis zum 30. April 1898 Mitglied der Kartellkommission, die seit 1890 überverbandliche Belange in der Hansestadt regulierte. Am 2. August 1893 zum Schriftführer des Vereins "Vorwärts" gewählt, in dem Fourieristische Sozialismusvorstellungen virulent waren. Ab 2. Dezember bis zur Selbstauflösung des Vereins am 16. Juni 1897 2. Vorsitzender der Lokalorganisation. (Der Verein ging im Juni 1897 in den neu gegründeten "Zentralverband der Handlungsgehülfen und Gehülfinnen Deutschlands" auf.)

Neben den "klassischen" gewerkschaftlichen Forderungen (Achtuhrladenschluß und Sonntagsruhe) agitierte Bürger gegen antisemitische Tendenzen in der deutschnationalen Handlungsgehilfenbewegung und für ein umfassendes Bündnis mit der Arbeiterbewegung. Seit seiner Wahl in das Hamburger Gewerkschaftskartell Referent in fast allen Ortsgruppen, Zahlstellen, Filialen, Verwaltungsstellen und Sektionen der Hamburger Einzelgewerkschaften, wobei die sozialpolitischen Beiträge Bürgers Ideenwelt einer selbstorganisierten freien Gesellschaftsordnung widerspiegelten. Arbeitsschutz, Verbrauchergenossenschaften, Boykott, Arbeitsnachweise, Sterbeunterstützungkassen, Arbeiterversicherung, Krankenkassen, Arbeiterausschüsse waren Bürgers "Themen". Daneben zahlreiche Referate zu historischen Komplexen. Bürger verlor im August 1896 seine Anstellung in der Tabakarbeitergenossenschaft auf Druck der Arbeiter, die seine zeitintensive, berufsfremde Gewerkschaftsarbeit nicht mehr tragen wollten. Im großen Hamburger Hafenarbeiterstreik 1896/97 Mitglied der Agitationskommission und einer der feurigsten Debattenredner. Trat während des Streiks an die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands heran, die Eisenbahner zur Unterstützung des Streiks zu organisieren, um die kämpferische Stimmung in Hamburg zu nutzen. Rief gegen den Widerstand des freigewerkschaftlichen Spitzengremiums am 8. Dezember 1896 die erste Eisenbahnerversammlung seit den Apriltagen von 1890 im Hamburger Stadtteil St. Georg ein. ("Das freie Wort ist uns erstickt. Neben der ungeheueren Ausbeutung empfinden wir die infame Geistesknechtschaft auf's Schwerste.") Referat über die "Lage der Eisenbahner und die Organisation". Beschluß der Versammlung, eine Eisenbahnergewerkschaft zu gründen. Wahl Bürgers in das "Bureau der Dezember-Versammlung", das letzte organisatorische Schritte zur Gründung der ersten Eisenbahnergewerkschaft Deutschlands einleitete. Formulierung der Statuten durch Heinrich Bürger.

Wahl zum 1. Vorsitzenden des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" auf der konstituierenden Versammlung am 13. Januar 1897 im Hamburger Ballhaus. Ab 1. Mai 1897 Herausgeber und verantwortlicher Redakteur des "Weckruf der Eisenbahner": "Die Organisationsidee hat tief und unausrottbar Wurzel geschlagen in den Reihen der Arbeiter-Bataillone, dafür haben die Maßregelungen 1890, 1893 und 1897 gesorgt." Trotz anfänglicher Ablehnung des Gründungsprojekts finanzierte die Generalkommission nolens volens das Verbandsorgan. Bürgers Taktik lief deutlich darauf hinaus, über radikale Agitation einen Stamm mutiger Eisenbahner zu finden, der sich durch Maßregelungen nicht einschüchtern ließ. Mißstände, Empörung und ziviler Ungehorsam sollten in einen breiten Gewerkschaftsstrom einmünden. Nach anfänglichen Erfolgen der Eisenbahnergewerkschaft ging die preußische Eisenbahnverwaltung mit massiven Repressionen gegen Mitglieder und Sympathisanten vor. Die Behörden drängten den "Verband der Eisenbahner Deutschlands" - quasi als Geheimorganisation - in die Halblegalität ab, mit allen für die Arbeiterbewegung typischen Folgeerscheinungen: Spitzelunwesen, Denunziantentum, autokratische Tendenzen an der Verbandsspitze. Die drastische Beschneidung des Koalitionsrechts hatte organisatorische Konsequenzen: alle aktiven Eisenbahner mußten aus der Verbandsspitze ausscheiden, die Leitung bestand seit März 1898 nur noch aus zwei berufsfremden Persönlichkeiten.

Wiederwahl Bürgers zum Vorsitzenden im März 1898. Die Mitgliederzahl des Verbandes sank unter 1.000 Aktivisten. Zum Rückgrat der Eisenbahnergewerkschaft entwickelte sich das relativ liberale Sachsen, wo die Gewerkschaft in den Arbeitervertretern der Kranken- und Pensionskassen einen starken Rückhalt besaß. Vergebliche Versuche Bürgers, in Hamburg durch intensive Agitation die Gründung lokaler Straßenbahner- und Postgewerkschaften neu zu initiieren, um feudal verkrustete Arbeitsbeziehungen aufzubrechen. Neben der Tätigkeit in der Eisenbahnergewerkschaft blieb die Arbeit im Hamburger Gewerkschaftskartell Bürgers zweites "Standbein". Am 21. Dezember 1894 erteilte das Kartell seinem Schriftführer den Auftrag, für die Nachwelt ein "Archiv" der Hamburger Gewerkschaftsbewegung zu schaffen. Als Vorarbeit gab Bürger Fragebögen an die Hamburger Gewerkschaften aus und sichtete die heimische Tagespresse. Den finanziell gut dotierten Auftrag - er sicherte Bürgers Existenz - konnte der Autor mit Hilfe Theodor Bömelburgs im September 1899 zu einem guten Ende bringen. Mit der Studie "Die Hamburger Gewerkschaften und deren Kämpfe von 1865 bis 1890. Nebst einer graphischen Darstellung der Streiks und Aussperrungen in den Jahren 1885-1890" lag im Verlag des Hamburger Gewerkschaftskartell die erste große Materialsammlung über den Emanzipationskampf der Hamburger Unterschichten vor. Gleichzeitig trieb Bürger die Gründung von Konsumgenossenschaften und Produktivgenossenschaften an, durch die "der Klassenkampf bedeutend mehr ausgedehnt" werden sollte. Brachte am 6. Dezember 1898 zusammen mit dem Vorsitzenden der Seeleutegewerkschaft, Albert Störmer, auf der Sitzung der Hamburger, Altonaer und Wandsbeker Kartelle und Gewerkschaftsvorstände die entscheidende Resolution zur Gründung der Hamburger Konsumgenossenschaften ein, die dem Genossenschaftsgedanken in Deutschland viel Rückenwind geben sollte.

Am 1. August 1898 als Redakteur des "Weckruf der Eisenbahner" wegen "Beleidigung" der Eisenbahndirektion Bromberg zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Alle Revisionsversuche Bürgers blieben erfolglos. Im September 1899 hob das Hanseatische Oberlandgericht dagegen eine Strafe vom Juni 1899 - ein Monat Gefängnis wegen Aufruf zum Bäckereiboykott - auf. Bürger trat seine Strafe am 1. Dezember 1899 im Raboisengefängnis in Hamburg an und gab die Leitung des "Weckruf" an sächsische Kollegen ab. Spätestens seit der Jahrhundertwende vollzog Bürger einen deutlichen gewerkschaftspolitischen Kurswechsel, wobei ihn die Lehren aus dem verloren gegangenen Hafenarbeiterstreik und die Enttäuschung über die eigene Gewerkschaftsgründung prägten. Kurz nach seiner Haftentlassung, auf der 3. Konferenz des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 4. bis 5. März 1900 in Berlin, plädierte Bürger für einen Berufsverband, der auch bei bürgerlichen Abgeordneten um Unterstützung nachsuchen müsse; die Leitung könne künftig nur von Eisenbahnern selbst ausgeübt werden. Der Vorsitzende empfahl eine stärkere Orientierung auf die lebendige sächsische Organisation. Nach heftiger innergewerkschaftlicher Kritik an seinem Führungsstil legte Bürger das Amt des Vorsitzenden und Redakteurs nieder. Seit März 1900 bei der Produktivgenossenschaft der Bäckereiarbeiter "Vorwärts" als Buchhalter tätig. Mit seinem Stellungswechsel fand Bürger im "Zentralverband der Handlungsgehülfen und -Gehülfinnen Deutschlands" (Sitz Hamburg) in sein altes gewerkschaftliches Wirkungsfeld zurück. Am 14. Juni 1900 von der Hamburger Mitgliedschaft zum ehrenamtlichen Beisitzer in den Zentralvorstand (er bestand durchweg aus Hamburgern) gewählt. Die freigewerkschaftliche Hamburger Handlungsgehilfenbewegung verschaffte ihm auch weiterhin ein Mandat für das Hamburger Gewerkschaftskartell.

Brachte im Januar 1901 zusammen mit anderen Hamburger Gewerkschaftern die Resolution zur Errichtung des Hamburger Gewerkschaftshauses ein. Wahl in die fünfköpfige "Spezialkommission" zur Koordinierung der Vorbereitungen des Baues am Besenbinderhof. Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband am 10. Mai 1902. Erwerb des Hamburger Bürgerrechts am 4. Juni des gleichen Jahres. Zum 1. Juni 1901 vom Vorstand des "Verbandes der in Gemeindebetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten" nebenamtlich gegen eine monatliche Entschädigung von 75 Mark als Sekretär angestellt. Im September 1900 belebte der Verbandsvorsitzende Bruno Poersch die zusammengebrochene Filiale der Hamburger Staatsarbeiter. Im Februar 1901 stießen mit dem lokalen "Verein der Erd- und Steinarbeiter" neue Berufsschichten zur Organisation, die allerdings über keine erfahrenen Führungskräfte verfügten. Bei den Hamburger Staatsarbeitern fand Bürger ein neues Tätigkeitsfeld. Vom Filialvorstand unabhängig, reorganisierte er die Vertrauensleutearbeit, die Beitragskassierung, die Zeitungsverteilung und die Filialverwaltung (Anfang 1902: 700 Mitglieder, Ende 1903: 1.456 Mitglieder). Aus seinen gut besuchten Bildungsveranstaltungen rekrutierte sich der Kern der neuen Hamburger Staatsarbeiterbewegung, ihnen galt Bürger als der "Erzieher der Hamburger Staatsarbeiter". Politisch und gewerkschaftspolitisch zeichnete den Hamburger Sekretär eine hohe Identität mit der Ideenwelt des Verbandsvorsitzenden Bruno Poersch aus. Beiden gelang es, 1902 den regionalen "Verband der städtischen Arbeiter Württembergs" zu einer Verschmelzung mit der Zentralorganisation zu überzeugen. Delegierter auf der 3. Generalversammlung vom 14. bis 18. April 1903 in Berlin die den Posten eines Sekretärs und Redakteurs des Verbandsorgans "Gewerkschaft" ausschrieb. Besetzung des Postens durch Heinrich Bürger zum 1. Juli 1903.

Der neue Redakteur war zunächst gezwungen, eine Reihe von Sekretariatsaufgaben zu erledigen: Rechtsschutz- und Maßregelungsfälle, statistische Erhebungen, Expedition der "Gewerkschaft", Kassen- und Buchführung des Verbandsorgans. Erst zu Beginn des Jahres 1906 war Bürger von allen Nebenaufgaben befreit. Bürgers journalistische Erfahrung machte sich bei der Ausgestaltung des Blattes sofort bemerkbar: das Layout wurde verbessert, der Berichterstattung aus anderen Gewerkschaften breiteren Raum eingeräumt und Themen der Arbeiterkulturbewegung stärker berücksichtigt. Der Aufstieg der "Gewerkschaft" fiel mit dem allgemeinen Aufstieg der freigewerkschaftlich organisierten Gemeinde- und Staatsarbeiter zusammen. 1903 überstieg die Auflage keine 10.000 Exemplare, Ende 1904 erreichte sie 16.000 Exemplare, Ende 1905 konnten 23.000 Exemplare vertrieben werden. Seit 1906 erschien das Blatt wöchentlich. Parallel mit der "Gewerkschaft" übernahm der ehemalige Krankenpfleger die Redaktion der "Sanitätswarte", ein seit dem 10. November 1901 erscheinendes Blatt. Seit dem 8. Juli 1904 - dem Anschluß des "Zentralverbandes des Massage- und Krankenpflegepersonals Deutschlands" - erschien das "Organ zur Vertretung der Interessen des gesamten Personals in Kranken- und Irren-Anstalten, Sanatorien, Heil-, Pflege- und Badeanstalten, Massage- und Wasserheil-Institutionen, Kliniken, Seebädern etc." als Bestandteil der "Gewerkschaft". Mit seiner Idee einer hauptamtlichen Betreuung des Pflegepersonals konnte sich Bürger allerdings nicht durchsetzen. Der Redakteur teilte durchgängig die eigenständigen Gewerkschaftstheorien und die eigenständigen sozialpolitischen Vorstellungen seines Vorsitzenden (Industrieorganisation auf Betriebsgrundlage, Absage an organisatorische Zersplitterung durch Berufsgewerkschaften, Streiks in lebenswichtigen kommunalen Betrieben nur als allerletztes Kampfmittel, gewerkschaftlicher Druck über öffentliche Petitionen und Beschwerden, Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten der Gewerbeordnung und der Gewerbegerichte).

Mitverfasser der umstrittenen Petition an den "Hochwohllöblichen Magistrat und das Stadtverordneten-Kollegium zu Berlin". Beinharter publizistischer Interessenvertreter gegenüber den "Mitgliederansprüchen" des "Verbandes der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen Deutschlands". Delegierter auf dem 4. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 16. bis 21. Juni 1902 in Stuttgart, dem 6. Kongreß vom 22. bis 27. Juni 1908 in Hamburg und dem 7. Kongreß vom 25. bis 26. April 1910 in Berlin. Bürger verteidigte auf dem 4. Verbandstag vom 27. Mai bis 1. Juni 1906 in Mainz (neuer Verbandsname ab 1906: "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter") den Kurs seiner Gewerkschaft gegenüber den Anwürfen des Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Karl Legien. ("Wir müssen versuchen, mit möglichst wenig Opfern möglichst viel zu erreichen und dazu bedienen wir uns aller Mittel, die für uns in Betracht kommen.") Brachte nach Vorgesprächen mit holländischen, französischen und dänischen Gastdelegierten erfolgreich eine Resolution über die künftige internationale Organisation der Gemeindearbeiter ein. Bürger verzichtete in Mainz auf eine Wiederwahl als Redakteur. Nach dem Rücktritt Bruno Poerschs hatte der Hamburger sichtlich Schwierigkeiten mit dem neuen Interimsvorsitzenden Albin Mohs. Gleichzeitig gaben private Gründe den Ausschlag nach Hamburg zurückzukehren: 1905 heiratete Bürger in zweiter Ehe seine langjährige Hamburger Freundin. Die Hamburger Kollegen stellten im Sommer 1906 ihren ehemaligen Sekretär als 3. besoldeten Funktionär in den Dienst ihrer Filiale. Bürgers Rückkehr in die Hansestadt erfolgte am 15. September 1906, weil sein Nachfolger Emil Dittmer als 1. Sekretär der Berliner Filiale vorher nicht abkömmlich war.

In Hamburg Verfechter des Tarifvertragsgedankens. Bürger bearbeitete die erste umfassende Enquete über die Arbeits-, Lohn- und Wohnbedingungen der Hamburger Staatsarbeiter: "Die Bewegung der Staats- und Gemeinde-Arbeiter von Hamburg-Altona 1906/07. Streiflichter auf die hamburgischen Staatsbetriebe. Tabellarische Übersicht über die Beiträge der Leistungen der Krankenkasse hamburgischer Staatsbetriebe". Hamburg 1908. Mit der Auswertung von 2.254 eingegangenen Fragebogen (einschließlich Wegezeiten zum Arbeitsplatz) suchte Bürger vor allem den Forderungen nach Einführung des Neunstundentages Nachdruck zu verleihen. Im Oktober 1909 bei der Aufstellung der SPD-Bürgerschaftskandidaten - trotz scharfer Proteste des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" - nicht berücksichtigt. Delegierter auf dem Sozialistenkongreß 1907 in Stuttgart und der nachfolgenden Konferenz der Arbeiter öffentlicher Betriebe vom 25. bis 27. August 1907 in der württembergischen Hauptstadt. Vorschläge, bei der Interessenvertretung der Gemeindearbeiter auch die bürgerliche Presse zu bedenken. Wehrte sich in Stuttgart gegen Vorschläge aus Berliner Mitgliederkreisen, den Arbeitern öffentlicher Betriebe bei einem eventuellen Generalstreik Avantgardfunktionen einzuräumen. Nach der Erweiterung des Hamburger Filialvorstandes auf 9 Personen am 2. Februar 1908 als Kassierer in den Vorstand gewählt. Delegierter auf dem 5. Verbandstag vom 23. bis 29. Mai 1909 in Dresden.

Bei der nachfolgenden Wahl zum Verbandsausschuß am 16. Juni 1909 in das Kontrollgremium gewählt, in dem er mit seinem alten Freund Heinrich Schönberg versuchte, gegen den Berliner Vorstand ein innerverbandliches Gegengewicht zu bilden. Im Herbst 1910 erkrankte Heinrich Bürger schwer an einer Lungenentzündung. Er starb am 29. November 1910 in Hamburg. In fast allen seinen ausgeübten Berufen (Handlungsgehilfe, staatlicher Kaiarbeiter, Krankenpfleger, Eisenbahnarbeiter) hatte der Dreiundvierzigjährige eine dominierende Rolle in der entsprechenden Gewerkschaft gespielt oder hatte sie überhaupt erst ermöglicht. Im Trauerzug seiner Beerdigung nahmen über 2.000 Personen aus allen Teilen Deutschlands und die Mehrzahl der Hamburger Gewerkschaften teil.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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