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Braun, Johann ("Hans") (1861 - 1907)

Geboren am 21. Oktober 1861 in Wertingen (Schwaben), katholisch, verheiratet. Erlernte nach der Entlassung aus der Volksschule das Steinmetzhandwerk; arbeitete in den verschiedensten Gegenden Bayerns und Österreichs. 1884 Militärdienst in München, danach Arbeit als Steinmetzpolier in München, zeitweise arbeitslos. Braun kam 1895 mit der katholischen Arbeiterbewegung in Verbindung: In einer Versammlung am 3. August 1895 wurde in der Diskussion über die Lohnverhältnisse der Tagelöhner in einem Münchener Großbetrieb die Frage der Organisation der nichtgewerblichen Arbeiter (=Hilfsarbeiter) aufgerollt. 1896 wurde Braun Mitglied des Vereins "Arbeiterschutz", Sektion der nichtgewerblichen Arbeiter. Dieser Verein mit beruflichen Fachsektionen in München, Augsburg, Freiburg i. Br., Hannover, Frankfurt am Main, Mannheim usw. beeinflußte später entscheidend die Bildung der Ortskartelle der christlichen Gewerkschaften.

1897 Delegation zum internationalen Arbeiterschutzkongreß nach Zürich. Seit dieser Zeit plädierte Braun für die Notwendigkeit von Selbsthilfeorganisationen der Arbeiter in der Form von christlichen, interkonfessionellen Gewerkschaften; entwickelte seit 1898 Pläne für die Gründung von christlichen Zentralverbänden. Der Vorsitzende des Münchener Vereins "Arbeiterschutz" galt als großer Rhetoriker, der mit seiner leidenschaftlichen Kraft große charismatische Wirkung ausübte. Von 1898 bis September 1901 redigierte er eines der ersten christlichen Gewerkschaftsblätter, den "Christlichen Gewerkschaftler". Am 8. September 1900 etablierte sich in München auf Brauns Initiative hin der "Christlich-Soziale Verband der nichtgewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands", Wahl Brauns zum 1. Vorsitzenden (Mitgliederzahl ca. 1.000). Auf dem 1. Verbandstag vom 2. bis 3. Juni 1902 Anstellung Brauns als hauptamtlicher Funktionär. Erster Redakteur des "Hilfsarbeiter". Organ und Eigenthum des Christlich-Sozialen Verbandes der nichtgewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen und verschiedener Berufe Deutschlands". Wiederwahl zum Vorsitzenden auf dem 2. Verbandstag 1904 in Koblenz. Braun gelang es, verstärkt christliche Straßenbahner, städtische Arbeiter und Militärarbeiter an den Verband zu binden. 1904 Umwandlung des Verbandsnamens in "Zentralverband der Hilfs- und Transportarbeiter, -Arbeiterinnen und verschiedener Berufe Deutschlands". Nach dem Übertritt von ca. 1.000 Kölner Straßenbahnern zum Verband plädierte Braun für die Umwandlung des Verbandsorgans in "Die Gewerkschaftsstimme". Braun pflegte im Verbandsorgan einen polemischen Stil, schonte allerdings auch die eigenen Gesinnungsgenossen nicht. Arbeitete punktuell mit der Sozialdemokratie zusammen. Wiederwahl zum Vorsitzenden auf dem 3. Verbandstag 1906 in Mainz (12.967 Mitglieder).

Delegierter auf dem 2. Kongreß des "Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschland" 1900 in Frankfurt am Main. Propagierte hier seine Grundüberzeugung, "nicht die Betonung des Christentums, sondern nur die Gewährung materieller Vorteile" halte die christlichen Gewerkschaften zusammen. Bekannte sich zum Streik, war daher an Rücklagen von Mitteln für eine überregionale Streikunterstützung interessiert. Wahl in den Verbandsausschuß; Delegierter auf dem 3. Kongreß 1901 in Krefeld. Referat über gewerkschaftliches Unterstützungswesen. Plädoyer für Kranken-, Sterbe-, Arbeitslosen- und andere Unterstützungsleistungen. Harte Auseinandersetzungen in Krefeld mit dem Verbandsvorsitzenden Adam Stegerwald um Funktion und Kompetenzen der Landes- und Lokalverbände. Angesichts der bayerischen Besonderheiten, wie der schwachen Industrialisierung in eher ländlich geprägten Gebieten, erwartete Braun von einer regionalen Organisationsstruktur stärkere Impulse für die Ausbreitung des christlichen Gewerkschaftsgedankens. Niederlage Brauns, der an der Eigenständigkeit des bayerischen Kartells festhalten wollte; keine Wiederwahl in den Ausschuß. Erneut Delegierter auf dem 5. Kongreß 1904 in Essen.

Braun hatte jahrelang über seine gesundheitlichen Verhältnisse gelebt. Von einer Lungentuberkulose geschwächt, starb er am 5. Januar 1907 in München an einem Blutsturz. Sein Grabstein trug die für einen christlichen Gewerkschafter typische - selbstgewählte - Inschrift: "Der ernstlichere Teil meines Lebens war im Kampfe für die christliche Arbeitersache, dabei habe ich meinem Herrn und Gott treu gedient." Braun wurde nach seinem Tode zur wichtigen "Kultfigur" der bayerischen christlichen Arbeiterbewegung. Die Mitglieder errichteten ihm ein Denkmal an seinem Grabe, an dem bis zum Ende der Weimarer Republik "Hans-Braun-Gedächnisfeiern" stattfanden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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