FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
5. Februar 1794 Mit dem preußischen "Allgemeinem Landrecht" erfolgt eine durchgehende Regelung des Vereins- und Versammlungsrechts der Gesellen.
Mit einer Verordnung wird in Preußen die Ansiedlung und der Betrieb von Gerbereien, Leimsiedereien und Darmsaitenfabriken wegen der für die Gesundheit der Anwohner schädlichen Ausdünstungen eingeschränkt.
9. Oktober 1807 Mit dem Steinschen Edikt über die Bauernbefreiung in Preußen wird die Erbuntertänigkeit der Bauern beseitigt. D.h. u.a. : die persönliche Unfreiheit wird beseitigt, der von den Bauern bewirtschaftete Boden wird ihnen gegen Entschädigung übertragen. Diese für viele Bauern zu hohe finanzielle Belastung führt in der Folgezeit zur Vermehrung des Großgrundbesitzes und vor allem zur Entstehung einer großen Schicht besitzloser Landarbeiter.
19. November 1808 Mit der preußischen Städteordnung wird ein begrenztes allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Männerwahlrecht erlassen - zur "Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns". Das Wahlrecht setzt aber ein Mindesteinkommen voraus. Außerdem müssen zwei Drittel der Wahlberechtigten Hauseigentümer sein.
In Kassel wird die Lokomotivfabrik Henschel, in Oberhausen die Gutehoffnungshütte und 1811 in Essen die Gußstahlfabrik Krupp gegründet. 2. November 1810 In Preußen wird mit dem "Edikt über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer" die Gewerbefreiheit eingeführt. Der Gewerbebetrieb wird von der Zugehörigkeit zu einer Zunft oder Innung befreit, die Zünfte bleiben allerdings als freie Körperschaften bestehen. Jeder Bürger kann nun ohne Qualifikationsnachweis einen Betrieb eröffnen, wenn er die Gewerbesteuer bezahlt hat. Mit der Aufhebung des Zunftzwanges wird eine Mobilität der Arbeitskräfte erreicht. Die Zahl der selbständigen Gewerbetreibenden (Handwerk) nimmt stark zu. Die weiter bestehenden Zünfte wehren sich noch lange gegen die Gewerbefreiheit. 7. Dezember 1810 In Sachsen werden alle Versammlungen der Gesellen verboten, ebenso "das Feyern der sogenannten guten oder blauen Montage". Unterstützungskassen bleiben bestehen, werden aber von den Innungen verwaltet und die Beiträge vom Lohn abgezogen.
8. Juni 1815 Mit der "Wiener Kongreßakte" tritt an Stelle des früheren Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation der "Deutsche Bund", eine Föderation von 37 souveränen Fürsten und vier freien Städten unter österreichischer Leitung.
23. November 1816 In Bayern rät eine Verordnung den Gemeinden, eine Pflichtkrankenkasse für besitzlose Lohnarbeiter einzuführen. Die bayerischen Städte gebrauchen diese Befugnis.
August 1819 Eine deutsche Ministerkonferenz beschließt in den sogenannten "Karlsbader Beschlüssen" des Deutschen Bundes u.a. eine erhebliche Einschränkung der Pressefreiheit und die Entlassung "revolutionär" gesinnter Lehrkräfte und eine Überwachung der Universitäten.
Die Ausübung von Gewerben wird in Preußen völlig liberalisiert. Die Erwerbung eines Gewerbescheines entfällt. Es genügt eine einfache Anmeldung bei der Behörde und die Zahlung der Gewerbesteuer. In Sachsen werden die ersten zwei Dampfmaschinen - in einer Spinnerei und im Bergbau - in Betrieb genommen. 1824 / 1829 In Großbritannien wird das Koalitionsverbot aufgehoben, 1829 werden die ersten Gewerkschaften gegründet.
General von Horn meldet dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., daß er wegen der in der Industrie verbreiteten Kinderarbeit und der dadurch verursachten "körperlichen Entartung" der Bevölkerung nicht mehr das erforderliche Truppenkontingent aufbringen könne.
13. Mai 1830 Theodor Yorck wird in Breslau geboren.
1. Januar 1831 Mit einer Kabinettsorder wird die Anlage und der Gebrauch von Dampfmaschinen in Preußen festgelegt.
Februar 1832 Gründung des Deutschen Volksvereins in Paris, der ersten deutschen Verbindung im Ausland, in der sich Flüchtlinge und wandernde Handwerksgesellen zum Kampf für Deutschlands Einheit und Freiheit zusammenfinden. Sein Zweck besteht in der finanziellen Unterstützung politischer Flüchtlinge und in der Herausgabe politischer Flugschriften.
Unter Mithilfe des liberalen Bürgertums entstehen die ersten Bildungsvereine für Arbeiter (Brauereiarbeiter in Erlangen, Buchhandlungsgehilfen in Leipzig). 12. Juli 1833 Jean Baptist v. Schweitzer wird in Frankfurt am Main geboren.
1. Januar 1834 Der deutsche Zollverein tritt in Kraft. Die Zollschranken zwischen 18 deutschen Staaten mit 23 Millionen Einwohnern werden beseitigt. Für den Handel mit den nicht angeschlossenen deutschen Staaten wird ein einheitliches Zollsystem festgelegt. Dem Zollverein schließen sich bald weitere Staaten an. Er fördert die weitere wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sehr wesentlich. Im preußischen Staat sind im Handwerk 380.000 Personen beschäftigt, davon 214.000 Meister, 159.000 Gesellen und Lehrlinge sowie 6.500 Hilfskräfte. Auf einen Meister kommen also nur 0,7 weitere Beschäftigte, d.h. ein großer Teil der Handwerker arbeitet allein. April 1834 In Bern wird der Geheimbund "Junges Deutschland" gegründet. In der Folgezeit entstehen unter seinem Einfluß Handwerkervereine in mehreren Schweizer Städten. Sommer 1834 Nachdem der "Deutsche Volksverein" in Paris verboten wird, gründen die Vereinsmitglieder den geheimen "Bund der Geächteten". Sie geben die Zeitschrift "Der Geächtete" heraus. Der Bund will nach seinen Statuten "die Befreiung und Wiedergeburt Deutschlands und Verwirklichung der in der Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte ausgesprochenen Grundsätze" erreichen. Juli 1834 Unter der Losung "Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" erscheint der "Hessische Landbote", eine Flugschrift Georg Büchners. Sie legt die elende soziale Lage des Volkes im Großherzogtum Hessen dar. Das deutsche Volk könne Freiheit und Einheit nur durch völlige Beseitigung der feudalen Reaktion erlangen.
Ende August 1835 Sachsen beantragt beim Bundestag, Vorkehrungen zur Beseitigung der unter den deutschen Handwerksgesellen vorhandenen Verbindungen und Mißbräuche zu treffen. Sachsen behauptet, unter den Handwerksgesellen fast aller deutschen Innungen bestünden Verbindungen, die sich der polizeilichen Aufsicht zu entziehen wüßten und die ihre besonderen sozialen Verfassungen und Kennzeichen hätten. Ihr Zweck gehe zunächst dahin, die Handwerksbräuche und die Zucht aufrechtzuerhalten, aber auch, daß diese Verbindung der Förderung revolutionärer Ideen, die von im Ausland bestehenden Vereinigungen ausgingen, dienstbar gemacht werden können. Die vom Bundestag eingeleitete Untersuchung bleibt erfolglos.
Der "Bund der Geächteten" spaltet sich. Der radikale Flügel organisiert sich im geheimen "Bund der Gerechten". Seine Mitgliederzahl steigt auf 400. Man fordert die Gütergemeinschaft als notwendige Folgerung der "Gleichheit". Im Auftrag des Bundes verfaßt 1838 Wilhelm Weitling "Die Menschheit wie sie ist und wie sie sein sollte", in dem er dem Proletariat die Aufgabe zuweist, durch revolutionäre Aktionen eine neue Gesellschaft auf der Basis gesellschaftlichen Eigentums mit gleichen Rechten und Pflichten zu verwirklichen.
Alfred Krupp gründet eine Betriebskrankenkasse und beginnt in seinem Betrieb eine systematische betriebliche Sozialpolitik, mit der er einerseits den besonderen Gefährdungen des Arbeiterdaseins entgegenwirken will, andererseits die Arbeiter zur industriellen Arbeit erziehen und deren Integration in den Betrieb fördern will.
Der Barmer Fabrikant Johann Schuchard veranlaßt durch Schilderung des Kinderelends den rheinischen Landtag zu einer Petition über die Einführung ehrenamtlicher Fabrikinspektoren.
25. April 1837 Im Badischen Landtag bringt der Katholik Franz Josef Ritter von Buß, Professor in Freiburg, einen umfangreichen Antrag zum öffentlichen Arbeiterschutz ein. Er fordert Hilfskassen mit Beiträgen der Fabrikherrn für Kranke und Unfallgeschädigte, ein scharfes Truckverbot - Lohnzahlung in Form von Lebensmittelabgaben -, vierteljährige Kündigungsfrist, Beschränkung der Arbeitszeit für Kinder, Verbot der Nachtarbeit und Kinderarbeit bis zu einer bestimmten Altersgrenze, Beschränkung der Arbeitszeit auf 14 Stunden, Fabrikaufsicht, Unfallverhütungsvorschriften und Fachschulung jugendlicher und erwachsener Arbeiter. Die Badische Kammer verhandelt den Antrag nicht.
2. November 1837 Der Berliner Magistrat wendet sich gegen die wieder eingerissenen Mißbräuche des blauen Montags und weist auf die Strafbestimmungen des Preußischen Landrechts von 1794 hin.
In Leipzig ergreifen Buchdruckergehilfen die Initiative zur Verbesserung ihrer schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere zur üblichen Praxis der lokalen Druckereibesitzer, statt regelmäßiger Lohnauszahlung nur willkürlich festgesetzte Vorschüsse zu gewähren. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Ausschuß, der in zweijähriger Arbeit einen "Tarifentwurf" mit genauen Entlohnungsrichtlinien aufstellt. Da die Prinzipale jede Verhandlung über den Entwurf ablehnen und den Gehilfen noch keine gewerkschaftlichen Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfügung stehen, bleibt diese Aktion zunächst erfolglos. An der Ruhr wird die erste Montanaktiengesellschaft gegründet. Für die Firma Krupp wird das Konzept eines "Reglements für die Fabrikarbeiter" entworfen: "Jeder Arbeiter muß treu und unbedingt folgsam sein, sich in- und außerhalb der Fabrik anständig betragen, pünktlich die Arbeitsstunden halten und durch seinen Fleiß beweisen, daß er die Absicht hat, zum Nutzen der Fabrik zu arbeiten. Wer dies befolgt, hat zu erwarten, daß dem Wert der Arbeit nach auch sein Lohn erhöht wird. Wer aus Nachlässigkeit oder bösem Willen sich vergeht, wird bestraft. Branntweintrinken in der Fabrik wird nicht geduldet. Wer ein Stück Arbeit, ein Werkzeug und dergleichen verdirbt oder umkommen läßt, muß dasselbe vergüten. Wer fünf Minuten zu spät nach dem Läuten zur Arbeit kommt, verliert 1/4 Tag, wer 1/4 Tag eigenmächtig fortbleibt, verliert 1/2 Tag, für 1/2 Tag fortbleiben wird 3/4 Tag abgezogen" usw.
9. März 1839 Die erste Arbeitsschutzbestimmung in Preußen, "Das Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter", verbietet die regelmäßige Arbeit in der Fabrik, in Berg-, Hütten- und Pochwerken für Kinder bis zum 9. Lebensjahr. Die Arbeitszeit der noch nicht 16jährigen darf zehn Stunden nicht überschreiten. Jugendlichen unter 16 Jahren, die nicht eine dreijährige Schulzeit nachweisen können, wonach sie die "Muttersprache geläufig lesen" und "einen Anfang im Schreiben gemacht" haben, wird die Fabrikarbeit untersagt, mit Ausnahme von Fabriken, denen eigene Schulen angegliedert sind und die einen Bildungsanspruch gewährleisten. Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit für Jugendliche werden verboten. Örtliche Polizei- und Schulbehörden sollen Kontrollfunktionen übernehmen. Gegen "Zuwiderhandlungen" werden Sanktionen angedroht. Die zuständigen Ministerien sollen besondere Verordnungen erlassen, um eine "Einhaltung der Moralität und Gesundheit der Fabrikarbeiter" zu gewährleisten. In Bayern und Baden werden 1840 ähnliche Bestimmungen erlassen, in den anderen Ländern zum Teil erst in den 60er Jahren.
1840er Jahre In den 40er Jahren werden unter Leitung des Bürgertums zahlreiche Arbeiterbildungs- und Handwerkervereine - z.B. in Berlin 1844, Hamburg 1844/45 und Hannover 1845 - gegründet. Die Mitglieder erhoffen sich vor allem Bildung, Geselligkeit sowie Unterstützung durch das den Vereinen meistens angegliederte Unterstützungskassenwesen. Auch innerhalb des Bürgertums entsteht in dieser Zeit ein sozialkritisches Bewußtsein. In diesen Jahren werden zahlreiche Aufsätze, Broschüren und Bücher zur sozialen Frage oder zum "Pauperismus" veröffentlicht, die eine breite Diskussion auslösen. Die Autoren bleiben durchweg ständisch-christlichen Gesellschaftsmodellen verhaftet, wie z.B. Robert v. Mohl, Wilhelm Heinrich Richl, Franz v. Baader, Karl Biedermann, Victor Aimé Huber, Lorenz v. Stein, Karl Rodbertus, Wilhelm Weitling, Johann Hinrich Wichern, Peter Franz Reichensperger, Franz Joseph Buß und nicht zuletzt Wilhelm Emanuel Freiherr v. Ketteler. Diese Literatur ist gekennzeichnet von einer großen Beobachtungsfülle und nachhaltiger Begriffsprägung. Begriffe wie Proletariat, Klasse, Sozialdemokratie, Sozialpolitik oder Arbeiterbewegung kommen in dieser Zeit auf. Wandernden Gesellen knüpfen Verbindungen mit den im Ausland bestehenden Organisationen an, auch mit dem "Bund der Gerechten". Der Funktionsverlust der Zünfte und der Niedergang ihres Standes führt zu einem allmählichen Übergang zu einem neuen Problembewußtsein und zu noch stark berufsverbundenen gewerkschaftsähnlichen Solidargemeinschaften mit Forderungen zur Selbstbehauptung, z.B. auch durch von Fall zu Fall gebildete Streikvereine. Die industrielle Entwicklung führt zu einem Aufschwung der Produktion in Deutschland. Die Kohlenproduktion steigt auf 3,4 Mill. t (1800 - 0,3 Mill. t, 1820 - 1,5 Mill. t), die Roheisenproduktion auf 190.000 t (1800 - 40.000 t, 1820 - 90.000 t). In Sachsen werden von 1822-1835 21 Dampfmaschinen mit 260 PS, von 1836 - 1840 32 Dampfmaschinen mit 536 PS eingeführt. In Preußen steigt die Zahl der Dampfmaschinen zwischen 1837 und 1849 von 423 mit 7513 PS auf 1264 mit 67149 PS. 1835 fährt die erste Eisenbahn auf der Strecke Nürnberg - Fürth; 1840 beträgt die Streckenlänge der Eisenbahn 594 km. Die Wochenarbeitszeit beträgt in Großbritannien durchschnittlich 69, in Frankreich 78 und in Deutschland 83 Stunden. 7. Februar 1840 In London konstituiert sich der "Deutsche Arbeiterbildungsverein". Auf seinen Mitgliedskarten ist der Satz "Alle Menschen sind Brüder" in zwanzig verschiedenen Sprachen abgedruckt. Ihm folgen bald ähnliche Vereine in Paris, Brüssel und in der Schweiz. 22. Februar 1840 August Bebel wird in Köln-Deutz geboren. 3. Dezember 1840 Nach Streiks im Baugewerbe in den Hansestädten und Schleswig-Holstein verbietet der Deutsche Bund Gesellenwanderungen ins Ausland, und zwar sollen "den Handwerksgesellen, welche sich in einem Bundesstaat, dem sie nicht durch Heimat angehören, derlei Vergehen zuschulden kommen lassen, nach deren Untersuchung und Bestrafung ihre Wanderbücher oder Reisepässe abgenommen, in denselben die Übertretung der Gesetze nebst der verhängten Strafe bemerkt und diese Wanderbücher oder Reisepässe an die Behörde der Heimat des betreffenden Gesellen gesendet werden. Solche Handwerksgesellen sollen nach überstandener Strafe mit gebundener Reiseroute in den Staat, wo sie ihre Heimat haben, gewiesen und dort unter geeigneter Aufsicht gehalten, sonach in keinem anderen Bundesstaat zur Arbeit zugelassen werden. Die Regierungen behalten sich vor, Verzeichnisse der wegen jener Vergehen abgestraften und in die Heimat zurückgewiesenen, sowie der ausnahmsweise zur Wanderung wieder zugelassenen Handwerksgesellen sich gegenseitig mitzuteilen."
Mit dem preußischen Eisenbahngesetz werden die Bauunternehmer "verpflichtet, den erkrankten Erdarbeitern die nötige ärztliche Behandlung zuteil werden zu lassen", wogegen alle Hochbauarbeiter, Handwerker und die in ihrem Solde stehenden Tagelöhner verpflichtet sind, für ihre Behandlung selbst zu sorgen.
31. Dezember 1842 Mit zwei eng miteinander verbundenen Gesetzen "Über die Aufnahme neu anziehender Personen" und "Über die Verpflichtung zur Armenpflege" wird die Verantwortung zur Armenversorgung von der Geburts- auf die Wohngemeinden übertragen und die bisherigen Einschränkungen der Freizügigkeit weitgehend beseitigt.
In Leipzig wird der erste kommunale Arbeitsnachweis eröffnet. 4./6. Juni 1844 In den schlesischen Weberdörfern Langenbielau und Peterswaldau kommt es zu großen Aufständen gegen die absolut unzureichenden Lebensverhältnisse. Der Lohn für eine Tagesarbeit von 14 bis 16 Stunden liegt für die gesamte Familie eines Webers weit unter dem Existenzminimum. 9. Oktober 1844 Liberale Sozialreformer gründen den "Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen". Das Centralvereinsprogramm weist den Lokalvereinen die eigentliche praktische Arbeit zu: Sie sollen für die Errichtung von örtlichen Spar- und Prämienkassen, weiterhin von Kranken-, Invaliditäts-, Pension- und Sterbekassen zuständig sein, Fortbildungsschulen für "Fabrikkinder" und Lehrlinge gründen und sich - z.B. durch öffentliche Vorträge - für die "Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse" im Volke einsetzen. Bei diesen Aufgaben will der Verein "die tätige Mitwirkung auch solcher Fabrik- und Handarbeiter, die nicht Mitglied des Vereins sind, bei der Verwaltung der geplanten Institutionen". Als Aufgabe der Provinzialvereine als einer Mittelinstanz ist vor allem die Gründung von Bezirkskassen vorgesehen, in denen die Überschüsse der örtlichen Sparkassen gesammelt werden, um auf diesem Wege größere Kapitalien zu bilden und höhere Zinserträge erwirtschaften zu können.
Mitte der 40er Jahre Die preußische Wirtschaft ist noch überwiegend vom Kleinbetrieb bestimmt. Auf ca. 550.000 Fabrikarbeiter kommen 470.000 Handwerksmeister und 385.000 Gesellen.
F. Engels Buch "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" erscheint. Er übt durch seine sozialkritischen Darstellungen großen Einfluß auf die sozialreformerischen Diskussionen aus. In Chemnitz wird der erste Arbeiter-Konsumverein gegründet. 17. Januar 1845 Die preußische Gewerbeordnung regelt das Verhältnis zwischen den selbständig Gewerbetreibenden und ihren Arbeitnehmern. Die Bestimmungen schließen neben Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen ausdrücklich auch Fabrikarbeiter ein und legen fest, daß jeder selbständig Gewerbetreibende grundsätzlich das Recht hat, Mitarbeiter zu beschäftigen und Lehrlinge auszubilden (§§ 125, 126). Die Lehrlingsausbildung wird allerdings nur denjenigen zugestanden, die einer Innung angehören (§ 131) oder vor der Ortspolizeibehörde einen besonderen Befähigungsnachweis erbracht haben (§ 132).
Kinder zwischen 9 und 14 Jahren stellen knapp 6,5% aller in der deutschen Industrie Beschäftigten, das sind 1,5% aller Kinder dieser Altersgruppe. 1. April 1846 In Berlin wird der Gewerks-Kranken-Verein als Dachverband schon bestehender Krankenkassen gegründet. Hauptaufgabe des Vereins ist es, die Sachleistungen, insbesondere Arzt- und Apothekenleistungen für die Mitglieder der angeschlossenen Einzelkassen zu sichern. Die angestellten Ärzte haben sich der Kranken "gewissenhaft und hilfreich" anzunehmen und die Verabreichung von Hilfsleistungen und Unterstützungsgeldern zu veranlassen bzw. zu befürworten. Damit beginnt die Krankenkontrolle in den Kassen durch die Ärzte, nicht mehr allein durch die Mitglieder.
Mai 1846 Rund 500 Leipziger Buchdruckergehilfen richten eine Petition an die "hohe Ständeversammlung des Königreichs Sachsen", in der sie fordern, "die regelmäßige Lohnzahlung soll erneut gesetzlich bestimmt werden; in jeder Druckerei sollen Schiedsgerichte gebildet werden, an denen die Gehilfen billig vertreten werden; auf den Generalsitzungen der Innung soll jede Druckerei durch einen gewählten Abgeordneten der Gehilfen vertreten sein".
1. August 1846 Die erste Ausgabe der von Leipziger Buchdruckern gegründeten Gehilfenzeitung "Typographia", wöchentliches Organ für Buchdrucker, Schriftgießer, Lithographen, Xylographen, Stahl- und Kupferstecher, Stempelschneider, Pressenbauer, Papier- und Farbenfabrikanten und andere verwandte Kunst- und Geschäftszweige, sowie für Verlags-Unternehmer, erscheint in Leipzig. Obwohl sich die "Typographia" auch als Organ für die Unternehmer bezeichnet, ist sie die erste deutsche Gewerkschaftszeitung. 6. November 1846 In Elberfeld wird unter Beteiligung Adolf Kolpings - er übernimmt im Mai 1847 den Vorsitz - der erste katholische Handwerksgesellenverein gegründet. Von Elberfeld breiten sich diese Gesellenvereine rasch über ganz Deutschland aus. Religiöse Belehrung, berufliche Weiterbildung und familiäre Geselligkeit sind die Ziele dieser Vereine. Die Behandlung politischer Fragen wird ausgeschlossen. In vielen Orten werden Vereinshäuser und Hospize errichtet. 1847 entsteht in Regensburg der erste katholische Arbeiterverein, bald auch in anderen süddeutschen Städten. Diese Vereine stellen ihre Tätigkeit jedoch bald wieder ein. Der seit 1838 amtierende Ausschuß der Leipziger Buchdruckergehilfen legt einen erneuten Tarifentwurf vor, der nach Genehmigung durch die Prinzipale behördlich sanktioniert werden soll. Auch dieser Vorstoß bleibt ohne Ergebnis.
In Berlin wird die Firma Siemens u. Halske gegründet. In Preußen bestehen 66 seit 1800 geschaffene Unterstützungskassen der Arbeiter. In seiner Broschüre "Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigentum" schreibt der Arzt Salomon Neumann, "daß der größte Teil der Krankheiten, welche entweder den vollen Lebensgenuß stören, oder gar einen beträchtlichen Teil der Menschen vor dem natürlichen Ziel dahinraffen, nicht auf natürlichen, sondern auf künstlich erzeugten, gesellschaftlichen Verhältnissen beruhe, bedarf gar keines Beweises". Frühjahr 1847 An vielen Orten Deutschlands brechen im April und Mai Hungerunruhen und Revolten aus. Sie sind Folge der Mißernten, die zu höheren Lebensmittelpreisen und zu einer Überproduktionskrise in der Industrie führen, was sich katastrophal auf die Lebenshaltung der Handwerker und Arbeiter auswirkt. Die notleidende Berliner Bevölkerung stürmt am 21. April Bäcker- und Fleischerläden sowie Marktstände. Die Notlage wird durch eine allgemeine Handels- und Industriekrise noch verschärft. Juni 1847 Der "Bund der Gerechten" nennt sich auf einem Kongreß in London um in "Bund der Kommunisten". 29. November / 8. Dezember 1847 Auf dem 2. Kongreß des "Bundes der Kommunisten" werden Karl Marx und Friedrich Engels beauftragt, das "Manifest der Kommunistischen Partei" auszuarbeiten.
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |